Rede von
Karl-Heinz
Popp
- Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede:
(FDP)
- Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (FDP)
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Die Sicherheitspolitik der Koalition aus CDU/CSU und FDP zeigt eine klare Kontinuität. Ob diese Kontinuität auch von der SPD gewahrt wird, wird sich erst zeigen müssen, nachdem diese gemeinsame Politik schon bisher von der SPD-Linken zunehmend in Frage gestellt wurde und sich ihre Absetzbewegungen in bezug auf den NATO-Doppelbeschluß in letzter Zeit verstärken. Für uns Freie Demokraten gilt der NATO-Doppelbeschluß; daran lassen wir keinen Zweifel.
Der Verteidigungshaushalt wurde von der neuen Regierung nur geringfügig geändert, wenn auch neue Akzente gesetzt wurden. Diese Akzente machen deutlich, daß die Koalition der Mitte Ernst macht mit dem Willen, den Menschen wieder stärker in den Mittelpunkt der Politik zu stellen. Wir Freie Demokraten begrüßen das sehr.
3 000 Stellen mehr für längerdienende Soldaten — 1 000 mehr als von der alten Regierung vorgesehen — ermöglichen eine bessere Ausstattung mit Unterführern, mehr Unterführer bringen eine bessere Dienstgestaltung. Damit wird nicht nur die Einsatzbereitschaft der Streitkräfte erhöht, es ist auch eine wesentliche Voraussetzung, um die vielbeklagte Gammelei abzubauen. Wenn auch nicht alles Gammelei ist, was so genannt wird, so wird doch mancher Leerlauf dadurch verursacht, daß die Soldaten nicht immer sinnvoll beschäftigt werden, weil die notwendigen Unterführer fehlen. Weniger Gammelei, sinnvollere Dienstzeitausnutzung bringen mehr Zufriedenheit bei den Soldaten und damit eine positivere Bewertung des Wehrdienstes auch in der Bevölkerung.
Durch die Schaffung von 350 Planstellen und die dadurch bewirkten mehrfachen Verwendungswechsel wird ein Beitrag zum Abbau des Verwendungsstaus vollzogen. Darauf wurde bereits hingewiesen. Auf die Problematik des Verwendungsstaus hat die FDP schon vor Jahren als erste aufmerksam gemacht.
Die Bundeswehr — dies ist eine seit dem Aufbau der Streitkräfte vorprogrammierte Erscheinung — ist eine überalterte Armee. Es wird lange dauern, eine ausgewogene Altersstruktur zu erreichen. Ein Schritt dorthin wird mit diesem Haushalt getan.
Für den Spitzendienstzeitausgleich wurden die Mittel von 150 Millionen DM auf 185 Millionen DM erhöht. Dieser Spitzendienstzeitausgleich ist weder ein Geschenk an die Soldaten noch eine Überstundenvergütung; er ist vielmehr eine Anerkennung für Dienstzeiten, die in der Privatwirtschaft oder im öffentlichen Dienst niemand akzeptieren würde.
Mittelfristig muß ein noch gerechteres Verfahren gefunden werden, durch das die Soldaten stärker berücksichtigt werden, die hohe Dienstzeiten zu leisten haben. Eine individuelle Lösung sollte angestrebt werden. Langfristig aber muß es zu einem Abbau der hohen Dienststundenzahlen kommen.
Meine Damen und Herren, die Verteidigungsfähigkeit erfordert Wehrbereitschaft, und Wehrbereitschaft erfordert Wehrgerechtigkeit.
Das neue Kriegsdienstverweigerungsrecht wird einen Beitrag zu mehr Wehrgerechtigkeit leisten, wenn der Zivildienst im Vergleich zum Grundwehrdienst angemessen ausgestaltet und wenn vor allem durch die Heranziehung aller Kriegsdienstverweigerer zum Ersatzdienst ein Riegel vorgeschoben wird, dem Dienst zu entgehen.
Die wieder in die Diskussion eingeführte Wehrausgleichsabgabe für Nichtdienende halte ich für
8656 Deutscher Bundestag — 9. Wahlperiode — 138. Sitzung. Bonn, Dienstag, den 14. Dezember 1982
Popp
eine weitere Möglichkeit, mehr Wehrgerechtigkeit zu erreichen. Dieser Vorschlag wurde übrigens schon in den vergangenen Jahren wiederholt von der FDP gemacht. Dabei bin ich mir der mit einem solchen finanziellen Wehrausgleich verbundenen Probleme durchaus bewußt.
Wir brauchen eine noch stärkere Integration von Bundeswehr und Gesellschaft. Die Wehrpflicht als das legitime Kind der Demokratie braucht noch mehr Anerkennung in der Bevölkerung.
Wir brauchen zur Stärkung der Motivation der Soldaten, vor allem der Wehrpflichtigen, für ihren Dienst aber auch noch eine Verbesserung der Mitverantwortung und Mitwirkung bei der Dienstgestaltung.
Das Kapitel Forschung und Entwicklung erfährt einen überproportionalen Anstieg von fast 10 %. Dies war bereits von Minister Apel vorgesehen. Dies war angesichts der beachtlichen Kürzungen in den Vorjahren aber auch dringend geboten. Neue Waffensysteme werden in den kommenden Jahren nicht in demselben Maße eingeführt werden können wie in den letzten Jahren. Um so notwendiger wird es sein, das Augenmerk auf die Waffenkomponenten, auf die Peripheriegeräte und auf die Weiterentwicklung von Waffensystemen zu lenken und dabei den technischen und wissenschaftlichen Fortschritt nutzbar zu machen. Dem wird in Zukunft steigende Bedeutung zukommen.
Lassen Sie mich auch einmal darauf hinweisen, daß auch die Bundeswehr ihren Beitrag zum Abbau der Jugendarbeitslosigkeit leistet, indem sie 2 700 Arbeitsplätze über ihren Eigenbedarf hinaus anbietet. Ich bitte den Verteidigungsminister, hier nach zusätzlichen Möglichkeiten zu suchen.
Besondere Aufmerksamkeit verdient die Wiedereingliederung der Zeitsoldaten in den Zivilberuf, was bei der derzeitigen Arbeitsmarktlage nicht ganz einfach ist. Wir werden aber nur dann ausreichend viele qualifizierte Zeitsoldaten bekommen, wenn der Übergang in den Zivilberuf gesichert ist.
Der Riesenapparat Bundeswehr im allgemeinen und das Verteidigungsministerium im besonderen, vor allem der Rüstungsbereich, bedürfen einer organisatorischen Durchforstung. Ich hoffe, daß die Erkenntnisse der Emcke-Kommission nutzbar gemacht werden, auch wenn die Institution Controller nicht weiterverfolgt werden soll. Die FDP hält in diesem Zusammenhang eine Stärkung der Stellung des Generalinspekteurs nach wie vor für erforderlich.
Meine Damen und Herren, die Bundesrepublik kommt ihrer Verpflichtung aus dem NATO-Bündnis voll und ganz nach. Die NATO-Mitgliedschaft ist aber auch für unsere Sicherheit unabdingbar. Nur im Rahmen des Bündnisses ist eine glaubwürdige Abschreckung gegeben.
Meine Damen und Herren von der SPD, ich habe durchaus Verständnis für politische Symbolik; aber wenn die SPD ausgerechnet das Kapitel „NATO-Beitrag" ablehnt, so entlarvt sie damit ihre Einstellung gegenüber dem Bündnis.
Dieses Kapitel wurde schließlich unverändert aus dem Haushaltsentwurf von Minister Apel übernommen.
Die SPD kann die Ablehnung des Verteidigungshaushalts nicht sachlich begründen, da er nur geringfügig gegenüber dem Entwurf der alten Koalition verändert wurde. Was die SPD damit „symbolisch" zum Ausdruck bringen will, ist nichts anderes als ein billiges Anbiedern an die sogenannte Friedensbewegung, die Grünen und Alternativen als ihre Wunschpartner.
So sind auch die Kürzungsvorschläge zu verstehen.
Meine Damen und Herren, die FDP steht zur Bundeswehr und zum Bündnis. Die Erhaltung des Friedens kann es nicht umsonst geben, die Erhaltung des Friedens muß uns etwas wert sein. Der Dienst in der Bundeswehr ist Friedensdienst, und niemand braucht dabei ein schlechtes Gewissen zu haben.
Im Gegenteil, den Angehörigen der Bundeswehr, den Soldaten und den Zivilbediensteten, gebührt unser aller Dank, und in diesen Dank schließe ich auch die Familien ein.
Der Haushalt des Bundesministers der Verteidigung erfüllt nicht alle unsere Wünsche; er muß aber im Zusammenhang mit dem Gesamthaushalt und der Finanzlage gesehen werden. Die FDP-Fraktion stimmt diesem Hauhalt deshalb zu.