Als nächster Redner hat das Wort der Abgeordnete Hauser.
Hauser (CDU/CSU): Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Die Opposition macht dem heutigen Verteidigungsminister den Vorwurf, daß er einerseits zuwenig Geld fordere und andererseits sage, der Verteidigungshaushalt sei eng geschnitten. Dabei besteht doch kein Zweifel daran,
daß die derzeitige Haushalts- und Wirtschaftssituation von der jetzigen Opposition und nicht von der jetzigen Regierung zu verantworten ist.
8654 Deutscher Bundestag — 9. Wahlperiode — 138. Sitzung. Bonn, Dienstag, den 14. Dezember 1982
Hauser
Der Verteidigungshaushalt ist eng geschnitten. In wirtschaftlich schweren Zeiten, in einer katastrophalen Lage der Staatsfinanzen, bei einem seit dem Haushaltsentwurf der alten Regierung um Steuermindereinnahmen von 10 Milliarden DM und Mehrausgaben von 8 Milliarden DM insbesondere infolge der hohen Arbeitslosigkeit verschlechterten Haushalt ist es jedoch nicht möglich, den Verteidigungsetat der alten Regierung aufzustocken. Es bleibt nur die Möglichkeit, neue Schwerpunkte zu setzen und die vorhandenen knappen Mittel zweckmäßiger zu gewichten. Das aber ist Herrn Minister Dr. Wörner gelungen.
In der Vergangenheit stand die Beschaffung neuer Waffen und neuen Materials im Vordergrund. Der Generationswechsel bei den großen Waffensystemen war notwendig und wird von uns mitgetragen. Aber das beste Material ist wertlos, wenn es nicht von gut ausgebildeten und gut motivierten Soldaten bedient wird.
Der Soldat, der Mensch muß also in den Mittelpunkt gerückt werden. Seine Einsatzbereitschaft, seine Leistungsfähigkeit, seine Motivation müssen gestärkt werden.
Es ist nicht möglich, alles von der vorherigen Regierung auf diesem Gebiet in der Vergangenheit trotz vollerer Kassen Versäumte in kurzer Zeit nachzuholen. Dazu ist schon eine volle Legislaturperiode erforderlich. Aber Minister Dr. Wörner hat das Mögliche mit ersten Schritten getan.
Seine wichtigste Maßnahme war ein erster Schritt zum Abbau des Verwendungsstaus. Eine unausgewogene Altersstruktur war beim Aufbau der Bundeswehr unvermeidlich. Die Jahrgänge 1925 bis 1935 standen beim Aufbau kaum zur Verfügung, sei es, weil sie sehr hohe Kriegsverluste im zweiten Weltkrieg hatten, sei es, weil sie in der militärfreien Zeit das entsprechende Alter erreichten. Deshalb mußte in verstärktem Maße auf die Jahrgänge 1936 bis 1944 zurückgegriffen werden.
Als heutige Folge dieses unorganischen Altersaufbaus bleibt die Zahl der Zurruhesetzungen in den nächsten Jahren sehr stark hinter dem normalen Umfang zurück. Verwendungswechsel zwischen den Verantwortungsstufen bleiben übermäßig lange aus. Militärische Führer überaltern in Verwendungen, denen sie vom Lebensalter und ihrer körperlichen Belastbarkeit her nicht mehr gewachsen sind. Dies gilt insbesondere für die Positionen des Bataillionskommandeurs, des Kompaniechefs und des Kompaniefeldwebels. Es geht also keineswegs darum, Leute schneller zu befördern, sondern darum, sie in einem gesundheitlich, körperlich und geistig so frischen Zustand in entsprechenden Kommandopositionen zu halten, daß sie diesen voll gewachsen sind.
Nach einer Erhebung der Streitkräfte haben zur Zeit rund 4 000 Offiziere und rund 4 000 Feldwebel das Grenzalter ihrer derzeitigen Tätigkeit überschritten. Die Ablösung der in ihrer Verwendung überalterten militärischen Führer ist zumindest in Schlüsselstellungen unabwendbar. . Das Problem des Verwendungsstaus war auch früheren Regierungen ebenso wie dem Hohen Hause bekannt.
Im Weißbuch 1979 wurden Maßnahmen zum Abbau des Verwendungsstaus angekündigt. Aber bis zum Regierungswechsel kam es nicht zur Vorstellung konkreter Maßnahmen durch die Bundesregierung. Nunmehr werden 350 neue Planstellen als erster Schritt bewilligt. Sie sind für nicht grenzaltersgebundene vorhandene Dienstposten bestimmt, die als Anschlußverwendungen für solche militärischen Führer geeignet sind, die für ihre bisherigen Funktionen zu alt sind. Dies ist keine „Aktion Abendsonne", sondern es handelt sich um den vollwertigen Einsatz in STAN-Dienstposten. Die neuen Planstellen ermöglichen, da es sich um Dienststellen zwischen A 15 und A 8 MA handelt, ein mehrfaches an Verwendungswechsel. In die geräumten Schlüsselstellungen rücken Lebensjüngere und für diese Tätigkeiten voll taugliche Soldaten nach. Dies bringt allerdings keine dauerhafte Lösung des Problems, sondern nur Erleichterungen. Die Regierung muß sich also für die Zukunft noch etwas einfallen lassen.
Eine der Ursachen für unfruchtbare Untätigkeit, für die sogenannte Gammelei bei der Bundeswehr, ist der Fehlbestand an Unterführern, die sich aus längerdienenden Soldaten rekrutieren. Unverständlicherweise wurde im Haushalt 1982 trotz eines Fehls von 20 000 Unterführern der Geldeinsatz für Berufs- und Zeitsoldaten von 259 000 um 8 000 auf 251 000 gekürzt. Die abgelöste Regierung hatte diesen ihren Fehler erkannt und angesichts der großen Zahl der Bewerber die Erhöhung der Zahl der längerdienenden Zeit- und Berufssoldaten von 251 000 auf 253 000 vorgeschlagen.
Das ist jedoch bei weitem nicht genug. Die neue Regierung hat diese Zahl um weitere 1 000 auf 254 000 Längerdiener aufgestockt. Aber in einigen Jahren wird der sogenannte Pillenknick die Zahl der verfügbaren Wehrpflichtigen drastisch senken. Wenn dann noch genügend Soldaten verfügbar sein sollen, wird es um so notwendiger, mehr Längerdienende zu halten. Das derzeit günstige Angebot an Bewerbern muß deshalb stärker genutzt werden, als es auch nach der neuen Stellenzahl möglich ist. Dem ersten Schritt, den wir heute beschließen, müssen weitere folgen.
Die derzeitige Regelung des finanziellen Ausgleichs für Spitzendienstzeiten ist kompliziert und nicht immer gerecht. Soldaten von Einheiten, die im Jahresschnitt mehr als 56 Stunden wöchentlich Dienst leisten, haben einen gesetzlichen Anspruch auf finanziellen Ausgleich, der bei Berufs- und Zeitsoldaten 90 DM monatlich — steuerpflichtig — und für Wehrpflichtige 54 DM — steuerfrei — beträgt. Für diesen Spitzendienstausgleich standen bisher 150 Millionen DM jährlich zur Verfügung. Diese finanzielle Begrenzung mußte bei der tatsächlich hohen Dienstzeitbelastung zu Unzuträglichkeiten und Ungerechtigkeiten führen. Da viele Einheiten nachweislich nicht in der Lage sind, die Dienstzeitbelastung unter 56 Stunden wöchentlich abzusenken — 56 Stunden wöchentlich —, müssen diese Einheiten wieder in den Katalog der zum Ausgleich von Spitzendienstzeit-Berechtigten aufgenommen
Deutscher Bundestag — 9. Wahlperiode — 138. Sitzung. Bonn, Dienstag, den 14. Dezember 1982 8655
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werden. Deshalb muß der zur Verfügung stehende Betrag um 35 Millionen DM auf 185 Millionen DM aufgestockt werden.
In einer Zeit ausgesprochenen Mangels an Ausbildungsplätzen für junge Menschen ist es besonders anerkennenswert, daß bei der Bundeswehr im Haushaltsjahr 1983 800 neue Ausbildungsplätze für Verwaltungsfachangestellte geschaffen werden, womit insgesamt 1200 derartige Ausbildungsplätze vorhanden sind und für die Zukunft jährlich 400 Anstellungen möglich werden. Die Bundeswehr hat damit die Möglichkeiten einer Berufsausbildung, die durch Ausbildungsplätze für gewerbliche Berufe und für sonstige Angestelltenberufe wie Krankenschwester, technischer Zeichner, Kaufleute sowie für Beamtenanwärter des mittleren und gehobenen Dienstes vervollständigt werden, weiter erheblich vermehrt.
Erwähnt sei auch, daß im Fortgang einer Aktion, die von der vorigen Regierung beschlossen wurde, 450 Planstellen für Unteroffiziere in der Heeresstruktur 4 neu geschaffen wurden. Allerdings darf nicht übersehen werden, daß diese Stellen für die Heeresstruktur 4 — wie auch für die Erleichterung des Verwendungsstaus — wie schon bisher zu Lasten der A-2-, also der Gefreitenstellen, gehen, da die Gesamtzahl der Soldaten nicht über 495 000 hinaus aufgestockt werden soll.
Ich habe bisher nur von Soldaten gesprochen. Es sei aber auch erwähnt, daß ohne die zivilen Kräfte, ohne die Beamten, Angestellten und Arbeiter, die Bundeswehr zu ihrer Leistung nicht fähig wäre.
Gerade diese zivilen Kräfte sind vielfach in den Einheiten so sehr an die Tätigkeit der militärischen Kräfte angebunden, daß sie in gleicher Weise belastet und überlastet sind.
Allen Angehörigen der Bundeswehr, seien sie Soldaten, Beamte, Angestellte oder Arbeiter, gilt unser Dank für ihre ständige Einsatzbereitschaft und Opferbereitschaft im Dienste der Sicherheit und Freiheit unseres Volkes.