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ID0913801000

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  • tocInhaltsverzeichnis
    Plenarprotokoll 9/138 Deutscher Bundestag Stenographischer Bericht 138. Sitzung Bonn, Dienstag, den 14. Dezember 1982 Inhalt: Eintritt der Abg. Ginsberg und Riebensahm in den Deutschen Bundestag . . . 8577 A Zweite Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes über die Feststellung des Bundeshaushaltsplans für das Haushaltsjahr 1983 (Haushaltsgesetz 1983) — Drucksachen 9/1920, 9/2050, 9/2139 — Beschlußempfehlungen und Bericht des Haushaltsausschusses Einzelplan 01 Bundespräsident und Bundespräsidialamt — Drucksachen 9/2141, 9/2281 — . . . . 8577 B Einzelplan 02 Deutscher Bundestag — Drucksachen 9/2142, 9/2281 — . . . . 8577 C Einzelplan 03 Bundesrat — Drucksachen 9/2143, 9/2281 — . . . . 8577 D Einzelplan 04 Geschäftsbereich des Bundeskanzlers und des Bundeskanzleramtes — Drucksachen 9/2144, 9/2281 — in Verbindung mit Einzelplan 05 Geschäftsbereich des Auswärtigen Amts — Drucksachen 9/2145, 9/2281 — Dr. Dregger CDU/CSU 8578A Dr. Ehmke SPD 8584 B Hoppe FDP 8592 D Dr. Kohl, Bundeskanzler 8596 C Dr. h. c. Leber SPD 8607 D Dr. Blüm, Bundesminister BMA . . . 8616 C Rapp (Göppingen) SPD 8619 D Genscher, Bundesminister AA 8623 B Voigt (Frankfurt) SPD 8629 B Möllemann, Staatsminister AA 8633 D Picard CDU/CSU 8636 B Coppik fraktionslos 8638 B Wieczorek (Duisburg) SPD 8639 C Präsident Stücklen 8596 B Einzelplan 14 Geschäftsbereich des Bundesministers der Verteidigung — Drucksachen 9/2154, 9/2281 — in Verbindung mit Einzelplan 35 Verteidigungslasten im Zusammenhang mit dem Aufenthalt ausländischer Streitkräfte — Drucksachen 9/2165, 9/2281 — in Verbindung mit Einzelplan 23 Geschäftsbereich des Bundesministers für wirtschaftliche Zusammenarbeit — Drucksachen 9/2158, 9/2281, 9/2289 — II Deutscher Bundestag — 9. Wahlperiode — 138. Sitzung. Bonn, Dienstag, den 14. Dezember 1982 in Verbindung mit Einzelplan 27 Geschäftsbereich des Bundesministers für innerdeutsche Beziehungen — Drucksachen 9/2160, 9/2281 — Dr. Stavenhagen CDU/CSU 8640 B Frau Traupe SPD 8641 C Dr. Zumpfort FDP 8644 D Dr. Wörner, Bundesminister BMVg 8644 B, 8659 B Neumann (Stelle) SPD 8651 C Hauser (Bonn-Bad Godesberg) CDU/CSU 8653 D Popp FDP 8655 B Meinike (Oberhausen) SPD 8656 D Hansen fraktionslos 8659C, 8682A Kolbow SPD 8661 D Schluckebier SPD 8663 C Schröder (Lüneburg) CDU/CSU 8665 A Dr. Vohrer FDP 8667 D Dr. Holtz SPD 8669 B Dr. Warnke, Bundesminister BMZ . . 8671 B Dr. Kreutzmann SPD 8673 D Frau Berger (Berlin) CDU/CSU 8675 D Ronneburger FDP 8677 B Dr. Barzel, Bundesminister BMB . . . 8679A Wieczorek (Duisburg) SPD 8682A, B Reddemann CDU/CSU 8682 C Vizepräsident Wurbs 8681 D Nächste Sitzung 8683 C Anlage Liste der entschuldigten Abgeordneten . 8684* A Deutscher Bundestag — 9. Wahlperiode — 138. Sitzung. Bonn, Dienstag, den 14. Dezember 1982 8577 138. Sitzung Bonn, den 14. Dezember 1982 Beginn: 9.00 Uhr
  • folderAnlagen
    Anlage zum Stenographischen Bericht Anlage Liste der entschuldigten Abgeordneten Abgeordnete(r) entschuldigt bis einschließlich Dr. Abelein 14. 12. Dr. van Aerssen * 16. 12. Böhm (Melsungen) ** 15. 12. Brandt 16. 12. Junghans 17. 12. Lagershausen 17. 12. Lampersbach 17. 12. Liedtke 15. 12. Löffler 17. 12. Frau Luuk 14. 12. Mischnick 17. 12. Müller (Bayreuth) 17. 12. Rösch ** 16. 12. Schmidt (Wattenscheid) 14. 12. Schmöle 17. 12. Dr. Vohrer ** 16. 12. Weiskirch 17. 12. *für die Teilnahme an Sitzungen des Europäischen Parlaments ** für die Teilnahme an Sitzungen der Parlamentarischen Versammlung des Europarates
  • insert_commentVorherige Rede als Kontext
    Rede von Hans-Günter Hoppe


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (FDP)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (FDP)

    Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Der Kollege Ehmke hat ganz sicher zum
    Deutscher Bundestag — 9. Wahlperiode — 138. Sitzung. Bonn, Dienstag, den 14. Dezember 1982 8593
    Hoppe
    Kapitel 04 03 gesprochen. Ich weiß nicht, ob er weiß, was das ist.

    (Zuruf von der CDU/CSU)

    — Er muß es ja nicht wissen, wahrlich nicht. Das wissen auch viele andere Kollegen nicht. Es ist das Kapitel Bundespresseamt. Die Rede stand ja wohl auch unter dem Motto „Popanz und Propaganda".

    (Beifall bei der FDP und der CDU/CSU)

    Meine Damen und Herren, wenn der Kollege Ehmke als Rechtsprofessor mit seiner Rede so in die Linkskurve geht, um von der „Rechtskoalition" sprechen zu können, wird er damit auch nicht mehr lange durch den TÜV kommen.

    (Große Heiterkeit und Beifall bei der FDP und der CDU/CSU — Dr. Waigel [CDU/ CSU]: Er sieht auch schon ein bißchen abgelagert aus!)

    Es ist das zweite Mal in der Geschichte der Bundesrepublik Deutschland, daß der Bundestag vor seiner vorzeitigen Auflösung steht. Daß wir heute erneut über eine Entscheidung im Zusammenhang mit Art. 68 des Grundgesetzes debattieren, hat ebensowenig wie vor zehn Jahren etwas mit einer Bankrotterklärung einer Regierung oder mit Mißtrauen gegenüber dem amtierenden Bundeskanzler zu tun.

    (Zurufe von der SPD)

    Im Gegenteil: Die Regierung Kohl/Genscher wird nach nur 77tägiger Bewährungsfrist eine außerordentlich erfolgreiche Bilanz vorlegen können.

    (Beifall bei der FDP und der CDU/CSU — Lachen bei der SPD)

    Die Parteien, die jetzt in Bonn die Regierung bilden, hatten sich vorgenommen, einen konjunkturgerechten Haushalt und die dazu erforderlichen Begleitgesetze zu verabschieden. Ich nehme an, daß ich mit allseitiger Zustimmung feststellen kann: Die zusätzlichen Einsparungen von 5,6 Milliarden DM im konsumtiven Bereich wären mit der SPD nicht möglich gewesen; denn die Summe dieser Maßnahmen nennt die Opposition ja „Umverteilung von unten nach oben".

    (Beifall bei der FDP und bei Abgeordneten der CDU/CSU)

    Aber gerade diese gewiß unpopulären Maßnahmen sind notwendige Schritte zur Gesundung der Staatsfinanzen.

    (Zustimmung bei der FDP und der CDU/ CSU)

    Dabei kommt es nicht einmal so sehr auf die konkrete Zahl bei den Einsparungen oder bei der Nettokreditaufnahme an, sondern, wie Hans Barbier in der „Süddeutschen Zeitung" schon am 21. Mai dieses Jahres feststellte: „Für die Etatplanung '83 wird wirtschaftspolitische Zielsicherheit verlangt."
    Diese Zielsicherheit, Konsequenz und Stringenz haben Regierung und Regierungsparteien in den letzten Wochen unter Beweis gestellt. Wir konnten dabei auf einer urliberalen Erkenntnis aufbauen, die jahrtausendelang den Ökonomen als Richtschnur diente. Allerdings dürfte sie schon im Jahre 55 vor Christus alles andere als populär gewesen sein. Damals formulierte Cicero:
    Der Staatshaushalt muß ausgeglichen sein. Die öffentlichen Schulden müssen verringert werden.

    (Zuruf von der SPD)

    Die Arroganz der Behörden muß gemäßigt und kontrolliert werden. Die Zahlungen an ausländische Regierungen müssen verringert werden, wenn der Staat nicht bankrott gehen soll. Die Leute sollen wieder lernen zu arbeiten, statt auf öffentliche Rechnung zu leben.

    (Erneuter Zuruf von der SPD)

    Meine Damen und Herren, wir haben ein Mammutprogramm hinter uns gebracht, das oftmals hart an die Belastungsgrenze der Solidität parlamentarischer Beratungsabläufe ging. Nur die äußerst kollegiale Rücksichtnahme in und zwischen den in der parlamentarischen Arbeit tangierten Entscheidungsgremien ermöglichte überhaupt eine fristgerechte Vorlage des Haushalts. Dennoch, die Bilanz kann sich sehen lassen.
    Unterstützung kommt ja jetzt auch von außen. Nach den erfreulichen Beschlüssen der Bundesbank sinken jetzt endlich auch bei den Geschäftsbanken die Zinsen, und die Bauwirtschaft, ein besonders sensibler Indikator, verspürt Aufwind. Und doch wird die wirtschaftliche Entwicklung von sich noch weiter verschärfenden Problemen am Arbeitsmarkt geprägt sein; denn von einer raschen Änderung der konjunkturellen Misere kann im Moment wahrlich niemand sprechen. Wir stehen vor einem Problemberg, der uns noch viel Mühe, Schweiß und Entbehrung abnötigt.
    Schnelle und vernünftige Beschlüsse der neuen Koalition hat es jedoch auch auf anderen Gebieten als auf dem Gebiet der Haushaltspolitik gegeben. Wir haben mit der Technischen Anleitung Luft niedrigere Grenzwerte für die Luftbelastung eingeführt, wie das von meinen Parteifreunden auf dem Berliner Parteitag gefordert worden ist.

    (Beifall bei der FDP)

    Ich glaube, hier ist im Umweltschutz in der Tat ein Meilenstein gesetzt worden.

    (Matthöfer [SPD]: Das war doch vorher schon beschlossen!)

    — Verehrter Herr Kollege Matthöfer, ich leugne ja nicht, daß diese Forderung im alten Kabinett aufgestellt wurde. Wie mühsam war es in der Vergangenheit, vom Aufstellen der Forderung zur Durchsetzung in der Praxis zu kommen.

    (Beifall bei der FDP — Bindig [SPD]: Gegen Lambsdorff durchzusetzen!)

    Auch die zweite Forderung unseres Berliner Parteitags, neue Regelungen für die Kriegsdienstverweigerung zu verabschieden, wird erfüllt.

    (Zuruf von der SPD: Aber wie?)

    8594 Deutscher Bundestag — 9. Wahlperiode — 138. Sitzung. Bonn, Dienstag, den 14. Dezember 1982
    Hoppe
    übermorgen werden wir die Gewissensprüfung für Zivildienstaspiranten abschaffen.

    (Bindig [SPD]: Sie haben Ihre Meinung fünfmal geändert!)

    Auch für unsere dritte Forderung, Revidierung des Kontaktsperregesetzes, liegt nun ein gemeinsamer Lösungsvorschlag auf dem Tisch.

    (Dr. Hauff [SPD]: Die Welt ist wieder in Ordnung!)

    In der Außenpolitik wurden Kontinuität und Stabilität gewahrt. Die Welt, auch die Welt in der Bundesrepublik, die Welt hier und um uns herum, verehrter Herr Kollege Hauff, ist leider gar nicht in Ordnung. Da ist mit großer Anstrengung und viel Mühe noch vieles in Ordnung zu bringen.

    (Zuruf von der SPD)

    Die Bundesregierung und die sie tragenden Parteien arbeiten weiter an der Verbesserung der Beziehungen zwischen der Bundesrepublik und der Deutschen Demokratischen Republik. Ich freue mich, daß uns das der SPD-Kanzlerkandidat Jochen Vogel ausdrücklich bestätigt hat. Wir knüpfen in der Tat nahtlos an die erfolgreiche Deutschland-und Außenpolitik der Regierungen Brandt/Scheel und Schmidt/Genscher an.

    (Beifall bei der FDP)

    Es gibt keine Kurskorrektur.
    In wenigen Tagen übernimmt Außenminister Genscher die Ratspräsidentschaft in der Europäischen Gemeinschaft. Er wird sie nutzen, um weiter für den politischen Ausbau der Europäischen Gemeinschaft zu kämpfen. Dabei wird auch in Zukunft die enge Zusammenarbeit mit Frankreich auf der Grundlage des deutsch-französischen Vertrages im Vordergrund stehen. Der Besuch des Bundeskanzlers noch am Tag seiner Vereidigung in Paris war hierfür ein sichtbares Symbol.
    In der Sicherheits- und Abrüstungspolitik zeigt die Bundesregierung ein wesentlich geschlosseneres Konzept als die jetzige Opposition, die offensichtlich dabei ist, sich mit Lockerungsübungen — hier nehme ich dann ein Stichwort auf, das Horst Ehmke in seiner Rede an anderer Stelle für andere politische Formationen gebraucht hat — langsam von den früheren gemeinsamen Beschlüssen zu entfernen.

    (Zuruf von der CDU/CSU: Genauso ist es!)

    Jedermann weiß: trotz der positiven Zwischenbilanz stehen die Liberalen in einer existentiellen Bewährungsprobe.

    (Zuruf von der SPD: Die Rechtsliberalen!)

    Durch den von ihnen bewirkten Regierungswechsel wiederholt sich das, was wir bereits 1969 leidvoll erfahren mußten: Die geballte Wut des früheren Koalitionspartners und der ihm nahestehenden Medien trifft uns. Darüber hinaus haben 13 Jahre sozialliberaler Koalition in Bonn auch das politische
    Bewußtsein und die Sympathien vieler Mitglieder meiner Partei tief geprägt.

    (Zuruf von der SPD: Bei Ihnen selbst gibt es keine Kritik?)

    Wenn ich es richtig sehe, haben nicht einmal 10 % der Kollegen während ihrer Zugehörigkeit zum Deutschen Bundestag etwas anderers erlebt als die sozialliberale Regierung.

    (Zuruf von der CDU/CSU: Entsetzlich!)

    Wir haben mit den Sozialdemokraten lange Zeit vertrauensvoll und erfolgreich zusammengearbeitet. Es war eine bewegende und bewegte Zeit, eine Zeit der Kreativität, des Aufbruchs, der Neubesinnung und der mitreißenden Reformen.

    (Zuruf von der SPD: Dann fingen Sie an zu wackeln!)

    Ich erinnere nur an die Entspannungspolitik, an die Verträge mit dem Osten, an Verbesserungen der Betriebsverfassung und der Mitbestimmung, an die Strafrechtsreform, an Wahlalter, Reform des § 218, Ehe- und Familienrecht. Aber, meine Freunde, eine Partei wie die SPD stößt immer schnell an die Grenzen ihres Selbstverständnisses, wenn ihr für diese Politik der Reformen die wirtschaftliche Prosperität fehlt. Wieviel Warnungen wurden von uns ausgesprochen! Sie fielen nicht auf fruchtbaren Boden. Die Epoche des begrenzten Wirtschaftswachstums hatte begonnen. Doch die Forderung nach Konsumverzicht und Dämpfung der Dynamik staatlicher Leistungen paßte nicht zum Charme der sozialdemokratischen Kreativität.

    (Beifall bei der FDP — Zuruf von der SPD: Auch nicht zur Konjunkturlage!)

    Historiker werden den Liberalen des Jahres 1982 vielleicht einmal den Vorwurf machen, sich nicht schon eher einen Koalitionspartner für die Politik der wirtschaftlichen Vernunft gesucht zu haben.

    (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU) Aber diese Frage kann jetzt unerörtert bleiben.


    (Zurufe von der SPD)

    Den Zerfall der sozialliberalen Koalition in dem Abschnitt vom 16. September 1981 bis zum 17. September 1982

    (Zuruf von der SPD: Genscher und Lambsdorff sind daran schuld!)

    habe ich in meiner Haushaltsrede am 11. November hier dokumentiert. Ich nehme darauf Bezug und will das heute nicht wiederholen. Aber dabei wäre auch durchaus ein anderer Zeitabschnitt für die Darstellung des Zerrüttungsprozesses denkbar gewesen. Man muß dazu in die Phase der Koalitionsverhandlungen über das Regierungsprogramm nach der Bundestagswahl 1980 zurückkehren. Damals fühlte sich die SPD schlecht vertreten und von den gut vorbereiteten Liberalen übervorteilt. Von diesem Augenblick an nahm in der SPD die Lust an der Zusammenarbeit rapide ab. So kam es denn gar
    Deutscher Bundestag — 9. Wahlperiode — 138. Sitzung. Bonn, Dienstag, den 14. Dezember 1982 8595
    Hoppe
    nicht mehr zu der Nagelprobe für die Koalition beim Haushalt 1983.

    (Matthöfer [SPD]: Das war die Bewährungsprobe: die Begrenzung der Schulden auf 30 Milliarden!)

    Mit einem brillanten Schachzug entzog sich der Kanzler der Beweisführung und warf uns die Haushaltsbrocken vor die Füße.

    (Beifall bei der FDP — Dr. Spöri [SPD]: Das ist die Hoppe-Legende!)

    Bei den dann erforderlichen Entscheidungen standen wir Freien Demokraten im Spannungsverhältnis zwischen unserer Verantwortung,

    (Dr. Spöri [SPD]: Geschichtsklitterer!)

    den Nutzen des Deutschen Volkes zu mehren und Schaden von ihm zu wenden,

    (Oh-Rufe bei der SPD)

    und unserer Verpflichtung gegenüber dem Parteitagsvotum, mit dem wir uns 1980 auf eine Koalition mit der SPD festgelegt hatten.
    Wir haben uns angesichts des Zustandes der Staatsfinanzen und der Arbeitslosenzahlen für den Versuch entschieden, mit einem Notprogramm für Haushalt und Beschäftigung einen Dammbruch zu verhindern.

    (Beifall bei der FDP und Abgeordneten der CDU/CSU)

    Die Lösung der wirtschaftlichen und finanziellen Probleme duldete keinen Aufschub. Mehr als 10 Milliarden DM an zusätzlichen Haushaltsdefiziten hätten nicht rechtzeitig abgewendet werden können. Unsere Wirtschaft brauchte neue Zuversicht, Vertrauen und finanzpolitische Sicherheit.
    Die Regierung Kohl/Genscher erhielt von uns einen begrenzten Auftrag, den sie in begrenzter Zeit zu erfüllen hatte. Dieser Auftrag ist übermorgen mit der Verabschiedung des Haushaltsgesetzes und der Begleitgesetze erfüllt.

    (Zuruf von der SPD: Am 6. März ist es aus!)

    Es ist für viele nicht leicht zu verstehen, warum einer Regierung, die erfolgreich zehn Wochen lang zusammengearbeitet hat, danach nicht mehr das Vertrauen des Hauses ausgesprochen wird. Wenn sich die FDP-Fraktion am Freitag bei der Vertrauensabstimmung der Stimme enthält, spiegelt das aber unsere Vereinbarung zum Regierungswechsel wider. Sie war zeitlich und inhaltlich begrenzt. Der für das verabredete Regierungsprogramm ausgestellte Vertrauensbonus ist aufgebraucht. Es ist also konsequent, jetzt vor den Wähler zu treten.
    Dabei wissen wir Freien Demokraten sehr wohl — das sage ich nun auch an die Kollegen der SPD gerichtet; es mag dort Lustgewinn schaffen oder auch Mitleid mobilisieren —: Es geht für die Liberalen um nicht mehr und nicht weniger als ihre parlamentarische Existenz.

    (Zuruf von der SPD: Ein paar Minister!)

    In Anlehnung an Karl-Hermann Flach sage ich: Kein Mensch kann uns den Erfolg garantieren. Doch für eins garantieren wir: Die Historiker werden niemals schreiben können, die Liberalen waren feige, sie haben nicht gekämpft.

    (Beifall bei der FDP — Zuruf von der SPD: Die waren immer dabei, das ist richtig!)

    Meine Damen und Herren, unser Ziel steht fest: Sicherung und Ausbau liberaler Positionen auf allen Ebenen. Darüber wird mit der CDU/CSU noch zu ringen sein. Viele Fragen harren noch der Erörterung und der Kompromißfindung. „Die Bereiche der inneren Sicherheit, der Rechtspolitik, der Familienpolitik, der Gesellschaftspolitik und auch der Entspannungspolitik liefern hier wichtige Stichworte." An dieser Stelle habe ich mir nun erlaubt, den „Bayern-Kurier" zu zitieren.
    Die FDP wird peinlich darauf achten, daß der liberale Rechtsstaat nicht abgebaut, sondern ausgebaut wird.

    (Dr. Spöri [SPD]: Mit Zimmermann!)

    Wir werden keiner Einschränkung der Freiheitsrechte des einzelnen oder politischer Gruppierungen zustimmen. Wir wollen sie erweitern, wo immer das möglich und notwendig ist. Wir wollen die stärkere Betonung der Selbstverantwortung des einzelnen. Wir wollen dem Prinzip der Subsidiarität entsprechend der Hilfe zur Selbsthilfe wieder mehr Geltung verschaffen. Das, so glaube ich, ist in der Zusammenarbeit mit der CDU/CSU ebenso erreichbar wie die Verbesserung wirtschaftlicher Rahmendaten und die weitere Konsolidierung der Staatsfinanzen.

    (Beifall bei der FDP)

    Nur wenn es uns gelingt, die Beschäftigungskrise zu überwinden, die öffentlichen Finanzen in Ordnung zu bringen und das soziale System in seiner Substanz zu erhalten, werden wir unsere wirtschaftliche Leistungskraft sichern und fortentwikkeln.
    Für Liberale ist die freie und Soziale Marktwirtschaft am besten geeignet, die ökonomischen Bedürfnisse der Gesellschaft auf zugleich freiheitliche und humane Weise zu befriedigen. In ihr kommt der mittelständischen Wirtschaft ein besonders hoher Rang zu.

    (Dr. Spöri [SPD]: Wo denn?)

    Die Soziale Marktwirtschaft steht jetzt in einer Bewährungsprobe. Sie muß ihre Überlegenheit auch beim Kampf um die Rückgewinnung der Vollbeschäftigung beweisen.

    (Beifall bei der FDP und der CDU/CSU)

    Der Staat aber muß dazu beitragen, indem er eine verläßliche und stetige Wirtschaftspolitik betreibt, die Rahmenbedingungen für Investitionen verbessert und gerade für mittelständische Unternehmen gezielte Anreize für Investitionen und Innovationen setzt.
    Wir Freien Demokraten wollen durch eine nüchterne, praktische und mutige Politik wieder Zukunftsperspektiven deutlich machen. Für uns steht
    8596 Deutscher Bundestag — 9. Wahlperiode — 138. Sitzung. Bonn, Dienstag, den 14. Dezember 1982
    Hoppe
    deshalb auch fest: Wenn es gelingen soll, den Anteil der Investitionen zu Lasten des Konsums zu vergrößern, so bedarf dies, auch und gerade des sozialen Konsenses wegen, der Ergänzung durch eine gezielte Vermögensbildungspolitik.

    (Beifall bei der FDP und der CDU/CSU)

    Die Arbeitnehmer müssen verstärkt am Produktivvermögen beteiligt werden. Durch Beteiligung einer wachsenden Zahl von Menschen am Zuwachs des Produktivkapitals wird einer Vermögenskonzentration vorgebeugt.

    (Matthöfer [SPD]: Kennen Sie denn nicht die Koalitionsabsprache!)

    Wir fordern deshalb eine aktive Vermögenspolitik mit dem Ziel, die Beteiligungsmöglichkeiten der Arbeitnehmer am Risikokapital ihres Unternehmens zu verbessern.

    (Erneuter Zuruf des Abg. Matthöfer [SPD])

    Meine Damen und Herren, ich meine, nur durch liberale Perspektiven kann und wird es gelingen, die pessimistischen Zukunftseinschätzungen zu überwinden und die Dynamik einer offenen Gesellschaft freizusetzen, die für die Lösung unserer Zukunftsaufgaben notwendig, ja, unerläßlich, ist.
    Die Freien Demokraten bitten am 6. März um das Vertrauen der Wähler.

    (Dr. Spöri [SPD]: Dann seid ihr weg!)

    Sie werden alle Kraft darauf konzentrieren, ein Votum des Wählers für die Fortsetzung ihrer politischparlamentarischen Arbeit zu erlangen. Und dieses Votum bestimmt dann die Stärke der Fraktion und ihren parlamentarischen Einfluß.
    Meine Damen und Herren, die FDP ist entschlossen, auch in Zukunft mit ihrer Politik der liberalen Vernunft gegen die drohende Konfrontation und Erstarrung des politischen Lebens zwischen einem sozialistischen und einem konservativen Machtblock anzukämpfen. Für diese faszinierende, im Augenblick schier unlösbar erscheinende Aufgabe möchte ich meiner Fraktion und meiner Partei ein Wort zur seelischen Aufrüstung mit auf den Weg geben,

    (Zuruf von der SPD: Es lebe der Opportunismus! — Weitere Zurufe von der SPD)

    mit dem ein liberaler Weggefährte mir zu meinem Geburtstag Mut gemacht hat:
    Herr, laß mich hungern, dann und wann! — Satt sein macht stumpf und träge.
    Herr, schick mir Feinde, Mann für Mann! — Kampf hält die Kräfte rege.

    (Beifall bei der FDP und der CDU/CSU)



Rede von Richard Stücklen
  • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (CSU)
  • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CSU)
Bevor ich das Wort weitergebe, muß ich folgendes sagen: Ich ersehe aus der vorgelegten Niederschrift des Stenographischen Dienstes, daß der Ausdruck „Dreckschleuder", bezogen auf ein Mitglied des Hauses, gefallen ist. Herr
Abgeordneter Hauser, ich erteile Ihnen einen Ordnungsruf.

(Seiters [CDU/CSU]: Bezogen auf Ehmke! — Dr. Spöri [SPD]: So eine Schande! — Zuruf von der SPD: Wo ist die moralische Erneuerung?)

Das Wort hat der Herr Bundeskanzler.

  • insert_commentNächste Rede als Kontext
    Rede von Dr. Helmut Kohl


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (None)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CDU)

    Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich war wie viele Mitglieder des Hauses natürlich gespannt, wie der Sprecher der Opposition, Herr Professor Ehmke, nach den Ankündigungen der letzten Wochen hier die politische Position seiner Partei darlegen würde. Herr Professor Ehmke, ich brauche nicht viel zu dem zu sagen, was Sie hier dargelegt haben. Schimpfen und Beleidigen politisch Andersdenkender, das ist keine politische Alternative.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

    Wenn Sie einmal mit Ruhe den Text der Rede nachlesen, die Sie heute hier gehalten haben und wenn das auch die große Mehrheit Ihrer eigenen Fraktion tut, habe ich nicht den geringsten Zweifel daran, daß Sie wissen, daß dies nicht der Weg der deutschen Sozialdemokratie in Opposition sein kann.

    (Dr. Ehmke [SPD]: Was Sie alles wissen!)

    — Herr Kollege Ehmke, Herr Professor Ehmke, Ihr Rat, das Problem der Neuwahlen über den Rücktritt des Kanzlers zu lösen, hätte mich erfreut, wenn Sie ihn im September Bundeskanzler Helmut Schmidt gegeben hätten.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

    Herr Abgeordneter Ehmke, dieser einzige Hinweis ist eigentlich für Ihre ganzen Ausführungen symptomatisch. Sie versuchen, Ihre eigene Tätigkeit in der Vergangenheit, Ihre Mitverantwortung an dem, was heute Erblast genannt wird, in der Weise zu vertuschen, daß Sie wild um sich schlagen. Ich kann mir nur wünschen, Herr Abgeordneter Ehmke, daß Sie bis zum 6. März noch viele solcher Reden halten werden.

    (Beifall bei der CDU/CSU und bei Abgeordneten der FDP)

    Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! In meiner Regierungserklärung vom 13. Oktober 1982 habe ich das Programm der von FDP, CSU und CDU getragenen Bundesregierung vorgestellt, und ich habe unsere Absicht bekräftigt, möglichst am 6. März 1983 vor den Wähler zu treten. Es gab in diesen Wochen nie einen Zweifel daran, daß die Koalition von FDP, CSU und CDU diesen Wunsch und dieses Versprechen einhalten wird. Herr Kollege Ehmke, es wäre sehr interessant nachzuforschen, was in Ihren Reihen in diesen Wochen alles diskutiert und erwogen wurde, um um die Neuwahlen herumzukommen.

    (Beifall bei der CDU/CSU)

    Wir haben an dieser Absicht immer festgehalten, weil wir unser dem Wähler gegebenes Wort einhalten.
    Deutscher Bundestag — 9. Wahlperiode — 138. Sitzung. Bonn, Dienstag, den 14. Dezember 1982 8597
    Bundeskanzler Dr. Kohl
    Deshalb habe ich den Antrag gemäß Art. 68 des Grundgesetzes gestellt. Nach zahlreichen Gesprächen, nach reiflicher Überlegung habe ich die Überzeugung gewonnen, daß dieser Weg der angemessene Weg ist, um unsere Absicht zu verwirklichen.

    (Dr. Spöri [SPD]: Hat das der Carstens gesagt?)

    Der Deutsche Bundestag will am 17. Dezember 1982, am Freitag dieser Woche, über meinen Antrag abstimmen. Ich will diese Frage deshalb heute nicht näher in die Debatte einführen. Es entspricht der verfassungspolitischen Bedeutung eines Antrags gemäß Art. 68 des Grundgesetzes, daß sich der Deutsche Bundestag damit gesondert befaßt. Meine Haltung zu diesem Antrag werde ich deshalb vor der Abstimmung am kommenden Freitag näher darlegen.

    (Dr. Spöri [SPD]: Warten wir mal ab!)

    Meine Damen und Herren, wenden wir uns heute dem Haushalt zu. Wir stehen heute vor Entscheidungen, die für die Zukunft unseres Landes und aller seiner Bürger von außergewöhnlicher Bedeutung sind. Heute geht es — jeder spürt dies — nicht allein um die alljährlich wiederkehrende Beratung und Verabschiedung eines Haushalts. Es geht darum, unser Land aus der schwersten Wirtschafts- und Finanzkrise seit Bestehen der Bundesrepublik Deutschland herauszuführen.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

    Zerrüttete Staatsfinanzen, Firmenzusammenbrüche, steigende Massenarbeitslosigkeit und deren harte Folgen für Millionen unserer Mitbürger dürfen und wollen wir nicht hinnehmen. Es muß ein neuer Anfang gemacht werden; wir waren und sind aus unserer Verantwortung zum schnellen Handeln verpflichtet.
    Unsere vorrangige Aufgabe ist es, die Staatsfinanzen wieder in Ordnung zu bringen. Unser Ziel ist es, den Staat wieder zu befähigen, seine Aufgaben zum Nutzen aller Bürger wahrzunehmen, ohne die heranwachsende Generation unserer Kinder mit einem riesigen Schuldenberg vorzubelasten.
    Alle öffentlichen Haushalte einschließlich Bahn und Post, meine Damen und Herren, sind gegenwärtig zusammen mit rund 700 Milliarden DM Schulden belastet. Tag für Tag, jeden Tag, muß die öffentliche Hand zusätzlich über 200 Millionen DM Schulden neu aufnehmen. Unerträglich ist das für uns — wie ich hoffe, für uns alle.

    (Dr. Spöri [SPD]: Ganz und gar unerträglich!)

    — Nun, Herr Kollege, Sie haben doch entscheidend dazu beigetragen.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

    Herr Kollege Matthöfer, daß Sie in dieser Debatte überhaupt das Wort nehmen, ist schon erstaunlich, denn Sie sind doch einer der Hauptverantwortlichen.

    (Beifall bei der CDU/CSU — Zurufe von der SPD: Das war der gar nicht!)

    Es ist schon bemerkenswert und gehört zu einer alten sozialistischen Tradition, wie Sie innerhalb eines Vierteljahres versuchen, die Tatsache zu verdrehen. Aber Sie werden keine Chance haben. Die Wähler werden zum 6. März erkennen, wer die Verantwortung für das Desaster trägt.

    (Beifall bei der CDU/CSU und bei Abgeordneten der FDP)

    Unerträglich ist es, daß es heute über 2 Millionen Menschen gibt, die ohne Arbeit sind. Wir befürchten, daß diese Zahl noch weiter zunimmt. Darunter sind viele junge Leute. Daß viele Menschen ohne Arbeit sind, muß für uns alle das größte und bedrückendste Problem bleiben.

    (Zurufe von der SPD)

    Meine Damen und Herren, unser Land ist in diese verhängnisvolle Situation gekommen, weil der Staat überfordert und damit seine finanzielle Grundlage erschüttert wurde, weil soziale Gerechtigkeit mit staatlicher Betreuung und Bevormundung verwechselt wurde und weil die Belastbarkeit der Wirtschaft nicht zuletzt von Ihnen, meine Damen und Herren aus der Sozialdemokratie, im Übermaß erprobt wurde.

    (Beifall bei CDU/CSU)

    Die Eigenkapitalbasis der Betriebe ist ausgehöhlt worden, die Investitionstätigkeit zurückgegangen. Noch nie hat es in der Geschichte unserer Bundesrepublik so viele Firmenzusammenbrüche, vor allem im mittelständischen Bereich, gegeben wie in diesem Jahr. Auch dadurch ging eine große Zahl von Arbeitsplätzen verloren.
    Meine Damen und Herren, wir müssen jetzt und heute die Folgen einer gescheiterten Politik bewältigen, einer Politik, die mit vielen Versprechungen begann und die mit über 2 Millionen Arbeitslosen und drückenden Schulden- und Zinslasten endete. Aus dieser Sackgasse müssen wir wieder heraus. Nur die Umkehr zu wirtschaftlicher Vernunft und Stabilität, zu einem geordneten Haushalt und zu einer Sozialpolitik mit Augenmaß kann bewirken, daß auf die wirtschaftliche Talfahrt kein sozialer Absturz folgt.
    Wir wissen, meine Damen und Herren, und wir haben nie etwas anderes gesagt: Keine Politik ist in der Lage, die Folgen der langjährigen Fehlentwicklung kurzfristig zu tilgen. Wir dürfen die Ursachen für unsere Probleme — und das ist genau das Gegenteil dessen, was Sie, Herr Professor Ehmke, hier wieder behauptet haben — nicht vor allem im Ausland suchen. Wir dürfen nicht darauf warten, daß andere handeln. Dies war im übrigen auch die Auffassung der Regierungs- und Staatschefs auf der Sitzung des Europäischen Rates Anfang Dezember in Kopenhagen. Dort waren sich alle darüber einig, daß man bei der Verbesserung der wirtschaftlichen Lage, daß man bei der Bekämpfung und schließlich bei der Überwindung der Arbeitslosigkeit nur dann erfolgreich sein wird, wenn jeder zu Hause anfängt, selbst Hand anlegt und nicht auf andere wartet.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

    8598 Deutscher Bundestag — 9. Wahlperiode — 138. Sitzung. Bonn, Dienstag, den 14. Dezember 1982
    Bundeskanzler Dr. Kohl
    Das Dringlichkeitsprogramm der Bundesregierung umfaßt nicht nur die den Haushalt 1983 begleitenden Maßnahmen, sondern auch die Stärkung der internationalen Verbindungen der Bundesrepublik Deutschland. Meine Damen und Herren, wir müssen unsere Probleme so bewältigen, daß uns die Probleme anderer Länder so wenig wie möglich in Mitleidenschaft ziehen. Die Bundesrepublik als eines der führenden Industrieländer der Welt muß bei der Stabilisierung der Weltwirtschaft ihren eigenen Beitrag leisten, und unsere vordringlichste Aufgabe ist es, Arbeit zu schaffen. Deshalb müssen wir die Wirtschaft beleben, deshalb setzen wir auch Wachstum, und deshalb wollen und müssen wir im internationalen Wettbewerb bestehen.
    Der Schlüssel zu all dem sind die Investitionen. Die Unternehmer werden aber nur dann wieder investieren, wenn sie Vertrauen in die Zukunft gewinnen, wenn sich Investieren wieder lohnt. Dazu, meine Damen und Herren, ist es notwendig, daß wir die Verschuldung der öffentlichen Hand, die Staatsverschuldung, in den Griff bekommen. In der gegenwärtigen Lage ist es leider unvermeidlich, den konjunkturell bedingten Teil des Haushaltsdefizits durch Kreditaufnahmen auszugleichen; denn die Nachfrage darf sich nicht weiter abschwächen, und weitere Wachstumsverluste dürfen nicht entstehen.
    Die Bundesregierung hat — im Gegensatz zur früheren Regierung — den Haushalt auf der Grundlage realistischer gesamtwirtschaftlicher Daten aufgestellt.

    (Matthöfer [SPD]: Seien Sie doch nicht so voreilig!)

    Wir haben den Bürgern endlich gesagt, wie es um die öffentlichen Finanzen steht, und wir haben die Wahrheit vor der Wahl im März gesagt.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

    Bei der Übernahme der Regierung haben wir eine Haushaltslücke von rund 50 Milliarden DM für 1983 vorgefunden. Die Bundesregierung hat mit ihren Maßnahmen die Neuverschuldung auf rund 41 Milliarden verringert.

    (Zuruf von der SPD: 42 Milliarden!)

    Bei einer Nettokreditaufnahme in dieser Höhe ist doch, meine Damen und Herren aus der Opposition, der Vorwurf des „Kaputtsparens" einfach lächerlich!

    (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

    Den strukturellen Teil des Defizits, also den Teil, der auch bei einem Konjunkturaufschwung nicht abschmelzen würde, haben wir kräftig zurückgeführt und haben damit ein deutliches Signal für die Haushaltskonsolidierung gesetzt.
    Meine Damen und Herren, die Zinsentwicklung der letzten Wochen und Tage zeigt, daß die Bundesregierung und die sie tragenden politischen Parteien mit ihrem Kurs richtig liegen.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

    Wir haben damit begonnen, die Rahmenbedingungen für selbstverantwortliches Wirtschaften zu verbessern. Wir haben damit begonnen, die Rahmenbedingungen für den unternehmenden Mitbürger wieder kalkulierbar zu machen.
    Das alles geht nicht ohne Anpassung der Staatsausgaben an die verminderte Leistungsfähigkeit der Volkswirtschaft. Dem Staat und uns allen als Bürgern unseres Staates kann es eben nur so gut gehen, wie es unserer Volkswirtschaft geht. Wer diese Kurskorrekturen bekämpft, verlängert die Wirtschaftskrise und verlängert die Phase, in der Arbeitslosigkeit herrscht. Ich bin fest davon überzeugt, daß die Politik der Vernunft von der großen Mehrheit unserer Mitbürger in der Bundesrepublik Deutschland verstanden und unterstützt wird.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

    Ich weiß, daß die Opfer, die wir abverlangen müssen, natürlicherweise Diskussionen und auch Ärger verursachen. Ich weiß, daß die notwendigen Einschränkungen beim BAföG, beim Wohngeld und auch beim Kindergeld für manchen nicht leicht sind, aber wir müssen sie angesichts dieser Lage unseren Bürgern zumuten.

    (Zurufe von der SPD)

    Ich möchte ein Beispiel hierfür herausgreifen: die Umstellung des Studenten-BAföG auf Darlehen. Das Darlehen ist zinslos. Die Rückzahlungsbedingungen sind sozial ausgestaltet, und sie sind einkommensabhängig. Möglichkeiten zu einer erheblichen Minderung der Darlehensbelastung sind geschaffen. Sie werden vor allem jenen Studenten zugutekommen, die ihr Studium zügig und erfolgreich abschließen. Damit, meine Damen und Herren, ist Vorsorge getroffen, daß kein Jugendlicher aus wirtschaftlichen Erwägungen auf ein Studium verzichten muß. Meine Damen und Herren, ich würde es für sehr nützlich halten, wenn Sie hier in die Gesamtdiskussion um das BAföG einmal Vergleiche mit anderen Ländern in der Welt, auch in Europa — die stellen Sie doch immer gern an —, in die Debatte einbeziehen würden.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

    Ich halte es für ein wesentliches Ergebnis, daß wir trotz des großen Finanzdrucks einen Kahlschlag in der Schülerförderung vermeiden konnten.

    (Zuruf von der SPD)

    Eine Härteregelung stellt sicher, daß alle zur Zeit geförderten Schüler aus Familien mit niedrigem Einkommen bis zu ihrem Schulabschluß weiter gefördert werden können. Die Bundesregierung hat alles getan, um die Belastungen erträglicher zu machen und sie möglichst ausgewogen auf alle Gruppen der Gesellschaft zu verteilen. Dies ist für uns selbstverständlich ein Gebot der Solidarität.

    (Beifall bei der CDU/CSU)

    Deshalb, Herr Kollege Ehmke, wurden im Gegensatz zu Ihren Behauptungen einige Maßnahmen auf die Bezieher höherer Einkommen beschränkt, wie z. B. die Neuregelung des Kindergeldes und die Investitionshilfeabgabe. Dabei soll nicht übersehen werden — Herr Kollege Ehmke, das wissen doch
    Deutscher Bundestag — 9. Wahlperiode — 138. Sitzung. Bonn, Dienstag, den 14. Dezember 1982 8599
    Bundeskanzler Dr. Kohl
    auch Sie —, daß diese Gruppe ohnedies durch die Progression der Einkommensteuertarife von Jahr zu Jahr stärker in Anspruch genommen wird. Wer hier von Klassenkampf von oben oder gar von Ellenbogengesellschaft spricht, betreibt bewußt Irreführung.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP — Dr. Ehmke [SPD]: Nein!)

    Meine Damen und Herren, es ist alte sozialistische Politik, mit Neid und Mißgunst Politik betreiben zu wollen.

    (Lebhafter Beifall bei der CDU/CSU — Pfui-Rufe und lebhafte weitere Zurufe von der SPD)

    Gehen Sie bitte davon aus,

    (Anhaltende Zurufe von der SPD)

    daß wir in den nächsten Wochen unsere Bürger aufklären werden.

    (Beifall bei der CDU/CSU — Zuruf von der SPD: Hetzer! — Weitere Zurufe von der SPD)

    Wir werden unsere Mitbürger aufklären, wer durch seine Politik gegenüber dem kleinen Mann in der Bundesrepublik Ellenbogengesellschaft erzeugt hat.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP — Zurufe von der SPD)

    Ein besonders wichtiger Punkt zur Wiederbelebung der Wirtschaft ist die Förderung des Wohnungsbaus. Dies ist ein besonderer Schwerpunkt unseres Dringlichkeitsprogramms. Wir wollen bessere Möglichkeiten zur steuerlichen Absetzung beim Bau von Eigenheimen, ein Sonderprogramm zur Bauspar-Zwischenfinanzierung, ein Sonderprogramm zur Belebung des Sozialen Wohnungsbaus und Änderungen des Mietrechts. Der Wohnungsbau ist ein Schlüssel der Wirtschaft.

    (Dr. Spöri [SPD]: Staffelmiete! — Zuruf von der SPD: Mieterhöhung!)

    Die Förderung kann hier schnell wirksam werden, kräftige Impulse für die Wirtschaft auslösen und neue Arbeitsplätze schaffen.

    (Waltemathe [SPD]: Kräftige Mieterhöhungen!)

    Meine Damen und Herren, die Anzeichen und die Reaktionen auf unser Programm sind ermutigend.

    (Bindig [SPD]: Mieterhöhungskanzler! — Weitere Zurufe von der SPD)

    Meine Damen und Herren, Sie können hier noch so viel lärmen und versuchen zu stören — Sie werden uns nicht daran hindern, unseren Mitbürgern klarzumachen, wohin der richtige Weg deutscher Politik geht.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

    Nehmen Sie jetzt zur Kenntnis — das sage ich nun als Vorsitzender der CDU Deutschlands —: Wenn der Wahlkampfstil, den Sie praktizieren, der Stil des Kollegen Ehmke ist, werden Sie erleben, daß Sie von uns in gleicher Weise angegangen werden, wie Sie dies seit Wochen praktizieren.

    (Beifall bei der CDU/CSU — Zurufe von der SPD)

    Wir suchen diese Form und diesen Stil der Auseinandersetzung nicht, aber wenn Sie ihn erzwingen, dann werden Sie diese Auseinanderstzung bekommen.

    (Beifall bei der CDU/CSU — Zurufe von der SPD)

    Meine Damen und Herren, um die Investitionen zu stärken und die Arbeitslosigkeit zu bekämpfen, brauchen wir eine Steuerpolitik, die Investitionen und Leistung fördert.

    (Zuruf von der SPD: Umverteilung von unten nach oben!)

    Deshalb entlastet unser Dringlichkeitsprogramm in einem ersten Schritt kleine und mittlere Betriebe steuerlich und bietet weitere Hilfen für den Mittelstand an.

    (Dr. Spöri [SPD]: Das war der letzte Schritt!)

    Wir schaffen einen steuerlichen Anreiz für die Übernahme gefährdeter Unternehmen, um Produktionsstätten und Arbeitsplätze zu erhalten. Wir verbessern die Bedingungen für die Gründung selbständiger Existenzen, stocken die Mittel auf und schaffen damit neue Arbeitsplätze.
    Wir richten die Belastung der Wirtschaft mit der Gewerbesteuer künftig stärker als bisher an der Ertragskraft der Betriebe aus. Die Einnahmeausfälle, die dadurch den Gemeinden entstehen, werden wir durch eine Senkung der Gewerbesteuerumlage ausgleichen.
    Meine Damen und Herren, wir machen den Weg frei für die Entwicklung und Anwendung neuer Technologien. Die ersten Schritte sind erfolgt. Durch den Ausbau eines modernen Kommunikationsnetzes werden kräftige Anstöße für Investitionen gegeben. So schaffen wir Arbeit in der Bundesrepublik Deutschland.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

    Die Investitionsausgaben der Bundespost werden im kommenden Jahr insgesamt die Rekordsumme von 14,9 Milliarden DM erreichen. Neue Kommunikationsdienste erhöhen die Produktivität und damit die Wettbewerbsfähigkeit unserer Wirtschaft.

    (Zustimmung bei der CDU/CSU)

    Dieser Weg dient der Meinungsvielfalt in unserem Land.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

    Die Bundesregierung wird die öffentlichen Investitionen verstärken. 1983 werden wir für die Gemeinschaftsaufgaben Hochschulbau, regionale Wirtschaftsförderung, Agrarstruktur, Küstenschutz, Stadterneuerung und Krankenhausbau 500 Millionen DM zusätzlich einsetzen. Ich will in diesem Zusammenhang besonders darauf hinweisen, daß diese Mittel für den Hochschulausbau auch Mög-
    8600 Deutscher Bundestag — 9. Wahlperiode — 138. Sitzung. Bonn, Dienstag, den 14. Dezember 1982
    Bundeskanzler Dr. Kohl
    lichkeiten für die Schaffung zusätzlicher Studienplätze eröffnen.
    Diese Politik — dessen bin ich sicher — wird mehr Wirtschaftswachstum und mehr Beschäftigung bewirken.

    (Dr. Spöri [SPD]: Wer es glaubt, wird selig!)

    Das wird sich für alle, auch und gerade für die Bezieher von Sozialleistungen auszahlen, denn die von der Bundesregierung vorgeschlagenen Wachstums- und Investitionsförderung zielt auf eine Verbesserung der wirtschaftlichen und sozialen Situation aller Bürger ab. Wer die Wirtschaft bevormundet, handelt unsozial. Wer nicht Vorhandenes verteilen will, wer von Klassenkampf statt von Partnerschaft redet, vernichtet Arbeitsplätze.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

    Wir, meine Damen und Herren, die Koalition der Mitte aus CDU/CSU und FDP, setzen auf Gemeinsamkeit und Partnerschaft. Ich bekomme täglich viele Briefe von Mitbürgern, die sich Gedanken machen, wie die gesellschaftlichen Verhältnisse in unserem Lande verbessert werden können. Ich bekomme auch viele Briefe von jungen Mitbürgern, die nicht nur Kritik üben und unsere Staatsordnung verneinen, sondern mitarbeiten wollen. Das ist eine wichtige Ermutigung auf unserem Weg.

    (Zuruf des Abg. Dr. Spöri [SPD])

    Wir haben in diesen wenigen Wochen in einem sehr wichtigen Bereich versucht, mehr Gerechtigkeit zu verwirklichen.

    (Zuruf von der SPD)

    Seit sieben Jahren wurde der jungen Männergeneration unseres Landes eine Lösung der dringenden Probleme der Wehrdienstverweigerung versprochen; dieses Versprechen konnte nicht gehalten werden. Die Koalition aus CDU/CSU und FDP hat in sieben Wochen einen ausgewogenen und tragfähigen Kompromiß erreicht.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP — Lachen bei der SPD)

    Meine Damen und Herren, ich habe überhaupt nichts dagegen, daß Sie auch dieses Ergebnis draußen anzweifeln.

    (Lambinus [SPD]: Das ist doch kein Ergebnis!)

    Wir sind sicher, daß die große Mehrheit im Lande weiß: Dies ist ein eindrucksvoller Beweis für die Handlungsfähigkeit unserer Regierung.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

    Wir wollen eine Gesellschaft mit menschlichem Gesicht verwirklichen,

    (Zuruf von der SPD)

    die den Staat aus seiner Verantwortung nicht entläßt, aber nicht alles Heil vom Staat erwartet.
    Wir wollen, daß jeder frei von wirtschaftlicher Not und frei von Angst leben

    (Dr. Klejdzinski [SPD]: Bei Ihrer Politik!)

    und sich seinen Fähigkeiten gemäß bilden und entwickeln kann.

    (Dr. Ehmke [SPD]: Die Mieter nicht vergessen!)

    Wir wollen nicht, daß Mittel, die von den Steuerzahlern aufgebracht werden müssen, auf Bürger umverteilt werden, die selbst leistungsfähig sind.

    (Zurufe von der SPD)

    Wir setzen in der Tat, Herr Kollege Ehmke, auf den Leistungswillen und die Leistungsbereitschaft des einzelnen in unserem Lande.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP — Zurufe von der SPD)

    Und wir setzen auf die Dynamik der gesellschaftlichen Kräfte,

    (Dr. Spöri [SPD]: Sehr gut!)

    damit Wohlstand für alle möglich bleibt und den wirklich Bedürftigen besser geholfen werden kann.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP — Zuruf des Abg. Waltemathe [SPD])

    Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren, in den letzten Wochen hat es eine öffentliche Erörterung der finanziellen Lage der Rentenversicherung gegeben. Ich habe viel Verständnis dafür, daß die Verantwortlichen der Selbstverwaltung Alarm schlagen, wenn in den Kassen der Rentenversicherung Probleme drohen. Aber ich will mit aller Deutlichkeit für die von mir geführte Bundesregierung sagen: Der Rentner kann sich darauf verlassen, daß seine Rente sicher ist und pünktlich ausgezahlt wird.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP — Lachen und Zurufe von der SPD)

    Ich habe eigentlich erwartet, daß Sie sich jetzt dazu zu Wort melden, meine Damen und Herren von der SPD. Denn zum Thema „Renten vor Wahlen" sind Sie doch Spezialisten in den letzten Jahren gewesen.

    (Heiterkeit und Beifall bei der CDU/CSU und der FDP — Zurufe von der SPD)

    Deshalb haben wir in unserem Dringlichkeitsprogramm dafür gesorgt, daß es nicht zu Zahlungsschwierigkeiten kommen wird. Ab 1. Juli 1983 erhalten die Rentner ihre Rentenerhöhung.
    Aber es liegen in der Rentenversicherung noch eine Menge Probleme vor uns. Ich erinnere an die notwendige Neuordnung der Hinterbliebenenversorgung. Ich erinnere an die notwendige Anpassung der Rentenversicherung an die demographischen und ökonomischen Bedingungen, die sich seit der Rentenreform von 1957, wie jeder weiß, erheblich verändert haben.
    Unser Ziel ist es, für die Rentenversicherung eine tragfähige, sichere und langfristig finanzierbare Grundlage zu schaffen. Ich bin sicher, hier gibt es in Wahrheit keine Differenzen über dieses Ziel zwischen den verschiedenen politischen Gruppierungen, zwischen Regierungskoalition und Opposition im Haus. Ich finde, nach der Wahl sollte es möglich
    Deutscher Bundestag — 9. Wahlperiode — 138. Sitzung. Bonn, Dienstag, den 14. Dezember 1982 8601
    Bundeskanzler Dr. Kohl
    sein, daß zu diesem wichtigen Punkt ein ruhiges, sachbezogenes Gespräch zwischen allen politischen Gruppierungen zustande kommt. Denn hier geht es um die Daseinsfürsorge, hier geht es um den gesicherten Lebensabend der Generation, die nach dem Krieg das Land aufgebaut hat und auf deren Schultern wir stehen, und wir sind gemeinsam verpflichtet, die Sicherheit dieses Lebensabends zu garantieren.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

    Wie ich überhaupt bei aller Härte der Auseinandersetzung sagen möchte, meine Damen und Herren von der SPD: Von mir und von meinen Kollegen von der FDP, der CDU und der CSU werden Sie nie das Wort hören: Wir brauchen die Opposition nicht.

    (Dr. Dregger [CDU/CSU]: Sehr gut!)

    Bei aller Schärfe der politischen Auseinandersetzung ist es im höchsten Maß erwünscht, daß es Felder der deutschen Politik gibt, wo wir die Fähigkeit besitzen, bei allen Kontroversen auch zusammenzuarbeiten.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

    Die Bundesregierung hat nur acht Wochen Zeit gehabt, um die dringendsten Probleme in Angriff zu nehmen. Aber wir haben die Weichen richtig gestellt, und wir haben damit gezeigt, in welcher Richtung es weitergehen wird, um dauerhafte Lösungen zu erreichen.
    Vorrangig bleibt für mich im Gesamtkontext unserer Probleme der Kampf gegen die Arbeitslosigkeit, vor allem gegen die Jugendarbeitslosigkeit. Wir müssen dafür sorgen, daß möglichst viele junge Mitbürger möglichst gut und qualifiziert ausgebildet werden und daß damit ihre Chance wächst, einen sicheren Arbeitsplatz zu bekommen.

    (Zurufe von der SPD)

    Ich bin mit allen Verantwortlichen in der Wirtschaft, den Unternehmen wie den Gewerkschaften, darin einig, daß der beruflichen Bildung unserer Jugend größte, allergrößte Bedeutung zukommt.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

    Beim Eintritt in das Leben des Erwachsenen darf für junge Menschen nicht die bittere Erfahrung der Arbeitslosigkeit stehen. Wir wollen uns gemeinsam, wie ich hoffe, für weit mehr Arbeitsplätze, Ausbildungsplätze, Berufsausbildungsplätze einsetzen. Ich brauche nicht zu betonen, daß davon die Zukunft unseres ganzen Landes abhängig ist.

    (Zustimmung bei der CDU/CSU)

    Meine Damen und Herren, unsere Zukunftschancen werden wir aber nur dann nutzen können, wenn wir die Ertragskraft unserer Wirtschaft, unserer Betriebe weiter verbessern und so die Voraussetzungen für zusätzliche Investitionen schaffen. Deshalb bereiten wir weitere Schritte für ein investitions- und leistungsförderndes Steuerrecht vor. Wir haben fest eingeplant, die steuerlichen Entlastungen zur Stärkung der Investitions- und Innovationskraft der Wirtschaft weiter auszubauen sowie die
    Rahmenbedingungen für die Vermögensbildung der Arbeitnehmer zu verbessern. Dazu brauchen wir 1984 die zusätzlichen Einnahmen aus der Mehrwertsteuererhöhung.
    Wir wollen möglichst viele Arbeitnehmer an der Vermögensbildung in der Wirtschaft beteiligen. Damit verbessern wir auch die Eigenkapitalbildung in den Betrieben, die jahrelang vernachlässigt worden ist. Wir sind der Auffassung, daß das Spargeld eben nicht ausschließlich auf das Sparbuch, sondern auch, wenn irgend möglich, in das Produktivvermögen gehen sollte. Dies ist eine zwingende wirtschaftliche und soziale Notwendigkeit. Deshalb sagen wir schon jetzt, daß eine der ersten gesetzgeberischen Maßnahmen eine Initiative zur Vermögensbildung für Arbeitnehmer sein wird.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

    Eine weitere wichtige Aufgabe für die Zukunft ist die Reform des Familienlastenausgleichs, der für uns zentrale Bedeutung hat. Es geht auf die Dauer nicht an, daß mit der Zahl der Kinder die wirtschaftliche Leistungskraft einer Familie so abnimmt, daß dies manche Eltern von der Erfüllung ihres Wunsches nach Kindern abhält.

    (Beifall bei der CDU/CSU — Dr. Ehmke [SPD]: Sie verschärfen das doch noch!)

    — Herr Abgeordneter Professor Ehmke, wer hat denn in den letzten zehn Jahren in Deutschland diese kinderfeindliche Gesellschaft im wesentlichen herbeigeführt? Das waren doch Sie mit Ihrer Politik.

    (Beifall bei der CDU/CSU — Zurufe von der SPD)

    Dabei geht es uns auch um die familienfreundlichere Gestaltung des Steuerrechts. Nach der jetzt vorgesehenen Umwandlung des Kinderbetreuungsbetrages in einen allgemeinen Kinderfreibetrag wollen wir in der nächsten Wahlperiode das Ehegatten-Splitting in ein Familien-Splitting umwandeln.

    (Beifall bei der CDU/CSU — Dr. Klejdzinski [SPD]: Mehr Geld für die Besserverdienenden!)

    Wir werden dabei auch sicherstellen, daß entsprechend der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts Alleinerziehende gerechter als bisher besteuert werden.
    Lassen Sie mich ein Wort zum Thema „Ausländerpolitik" sagen. Wir werden die in der Regierungserklärung angekündigte Ausländerpolitik behutsam, aber zielstrebig fortsetzen. Wir wollen die Integration der bei uns lebenden Ausländer. Wir können es jedoch nicht zulassen, daß Ausländer unbegrenzt und unkontrolliert einwandern. Von der Bundesregierung wird derzeitig geprüft, ob und wie Ausländern die Rückkehr in ihre Heimat erleichtert werden kann. Herr Kollege Ehmke, der Bundesaußenminister Hans-Dietrich Genscher hat gerade zu diesen Fragen in der Türkei durchaus erfolgreiche Gespräche geführt. Angesichts dessen, was Sie vorhin hier gegenüber den Kollegen von der Freien Demokratischen Partei im Blick auf die Türkei gesagt haben, sollten Sie einmal überlegen,
    8602 Deutscher Bundestag — 9. Wahlperiode — 138. Sitzung. Bonn, Dienstag, den 14. Dezember 1982
    Bundeskanzler Dr. Kohl
    welche Rückwirkungen Äußerungen, wie Sie sie hier getan haben, für diesen Fragenbereich haben.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

    Meine Damen und Herren, es ist unsere Aufgabe, unsere Umwelt zu schützen, um in ihr ohne Gefahren leben zu können. Wir stehen in der Pflicht, unsere natürlichen Lebensgrundlagen auch für künftige Generationen zu erhalten. Dies ist auch ein Gebot der ökonomischen Vernunft. Umweltschutz schafft auch Wirtschaftswachstum. Wir, die Koalition der Mitte, haben uns auch dieser Aufgabe gestellt.

    (Lambinus [SPD]: Steht denn jemand rechts von Ihnen?)

    — Es wird ja wohl hier noch erlaubt sein, an die Reden vor ein paar Wochen zu erinnern. Nach Abgabe meiner Regierungserklärung Anfang Oktober war hier eine leidenschaftliche Debatte darüber, daß zum Thema Luftreinhaltung in der Regierungserklärung keine Zusage gegeben worden sei. Meine Damen und Herren, wir haben nicht nur eine Zusage gegeben, wir haben sie auch eingehalten. Die TA Luft ist verabschiedet worden, was Sie in Jahren bei früheren Regierungen nicht zuwege gebracht haben.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

    Wir setzen unsere Arbeiten auch im Gewässerschutz und in der Abfallwirtschaft mit Nachdruck fort.
    Auf Wachstum kann und darf dabei nicht verzichtet werden. Erst eine dynamische Wirtschaft bietet soziale Sicherheit und möglichst zugleich eine menschenwürdige Umwelt.
    Wir können deshalb auf den technischen Fortschritt weder beim Umweltschutz noch bei der Sicherung unserer künftigen Energieversorgung verzichten.

    (Dr. Spöri [SPD]: Das haben wir gar nicht gewußt!)

    Lassen Sie mich ein Wort zum Thema der inneren Sicherheit sagen. Dies ist ein Schwerpunkt unserer Arbeit. Es ist in den letzten Wochen Gott sei Dank gelungen, gegen den Terrorismus in der Bundesrepublik einen entscheidenden Schlag zu führen.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP — Zurufe von der SPD)

    Ich beglückwünsche den Bundesinnenminister Fritz Zimmermann,

    (Lachen bei der SPD)

    das Bundeskriminalamt, den Bundesgrenzschutz, den Generalbundesanwalt sowie die Sicherheitsbehörden der Länder zu diesem Erfolg.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP — Zurufe von der SPD)

    — Meine Damen und Herren von der SPD, ich verstehe gar nicht, warum Sie hier lärmen. Stellen Sie
    sich einmal vor, der Bundeskanzler Helmut
    Schmidt hätte die Chance gehabt, eine solche Erfolgsmeldung hier bekanntzugeben!

    (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

    Stellen Sie sich einmal vor, mit welch einer Emphase er das getan hätte und mit welchem Beifallssturm von Ihrer Seite!