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ID0913800800

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    Plenarprotokoll 9/138 Deutscher Bundestag Stenographischer Bericht 138. Sitzung Bonn, Dienstag, den 14. Dezember 1982 Inhalt: Eintritt der Abg. Ginsberg und Riebensahm in den Deutschen Bundestag . . . 8577 A Zweite Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes über die Feststellung des Bundeshaushaltsplans für das Haushaltsjahr 1983 (Haushaltsgesetz 1983) — Drucksachen 9/1920, 9/2050, 9/2139 — Beschlußempfehlungen und Bericht des Haushaltsausschusses Einzelplan 01 Bundespräsident und Bundespräsidialamt — Drucksachen 9/2141, 9/2281 — . . . . 8577 B Einzelplan 02 Deutscher Bundestag — Drucksachen 9/2142, 9/2281 — . . . . 8577 C Einzelplan 03 Bundesrat — Drucksachen 9/2143, 9/2281 — . . . . 8577 D Einzelplan 04 Geschäftsbereich des Bundeskanzlers und des Bundeskanzleramtes — Drucksachen 9/2144, 9/2281 — in Verbindung mit Einzelplan 05 Geschäftsbereich des Auswärtigen Amts — Drucksachen 9/2145, 9/2281 — Dr. Dregger CDU/CSU 8578A Dr. Ehmke SPD 8584 B Hoppe FDP 8592 D Dr. Kohl, Bundeskanzler 8596 C Dr. h. c. Leber SPD 8607 D Dr. Blüm, Bundesminister BMA . . . 8616 C Rapp (Göppingen) SPD 8619 D Genscher, Bundesminister AA 8623 B Voigt (Frankfurt) SPD 8629 B Möllemann, Staatsminister AA 8633 D Picard CDU/CSU 8636 B Coppik fraktionslos 8638 B Wieczorek (Duisburg) SPD 8639 C Präsident Stücklen 8596 B Einzelplan 14 Geschäftsbereich des Bundesministers der Verteidigung — Drucksachen 9/2154, 9/2281 — in Verbindung mit Einzelplan 35 Verteidigungslasten im Zusammenhang mit dem Aufenthalt ausländischer Streitkräfte — Drucksachen 9/2165, 9/2281 — in Verbindung mit Einzelplan 23 Geschäftsbereich des Bundesministers für wirtschaftliche Zusammenarbeit — Drucksachen 9/2158, 9/2281, 9/2289 — II Deutscher Bundestag — 9. Wahlperiode — 138. Sitzung. Bonn, Dienstag, den 14. Dezember 1982 in Verbindung mit Einzelplan 27 Geschäftsbereich des Bundesministers für innerdeutsche Beziehungen — Drucksachen 9/2160, 9/2281 — Dr. Stavenhagen CDU/CSU 8640 B Frau Traupe SPD 8641 C Dr. Zumpfort FDP 8644 D Dr. Wörner, Bundesminister BMVg 8644 B, 8659 B Neumann (Stelle) SPD 8651 C Hauser (Bonn-Bad Godesberg) CDU/CSU 8653 D Popp FDP 8655 B Meinike (Oberhausen) SPD 8656 D Hansen fraktionslos 8659C, 8682A Kolbow SPD 8661 D Schluckebier SPD 8663 C Schröder (Lüneburg) CDU/CSU 8665 A Dr. Vohrer FDP 8667 D Dr. Holtz SPD 8669 B Dr. Warnke, Bundesminister BMZ . . 8671 B Dr. Kreutzmann SPD 8673 D Frau Berger (Berlin) CDU/CSU 8675 D Ronneburger FDP 8677 B Dr. Barzel, Bundesminister BMB . . . 8679A Wieczorek (Duisburg) SPD 8682A, B Reddemann CDU/CSU 8682 C Vizepräsident Wurbs 8681 D Nächste Sitzung 8683 C Anlage Liste der entschuldigten Abgeordneten . 8684* A Deutscher Bundestag — 9. Wahlperiode — 138. Sitzung. Bonn, Dienstag, den 14. Dezember 1982 8577 138. Sitzung Bonn, den 14. Dezember 1982 Beginn: 9.00 Uhr
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    Anlage zum Stenographischen Bericht Anlage Liste der entschuldigten Abgeordneten Abgeordnete(r) entschuldigt bis einschließlich Dr. Abelein 14. 12. Dr. van Aerssen * 16. 12. Böhm (Melsungen) ** 15. 12. Brandt 16. 12. Junghans 17. 12. Lagershausen 17. 12. Lampersbach 17. 12. Liedtke 15. 12. Löffler 17. 12. Frau Luuk 14. 12. Mischnick 17. 12. Müller (Bayreuth) 17. 12. Rösch ** 16. 12. Schmidt (Wattenscheid) 14. 12. Schmöle 17. 12. Dr. Vohrer ** 16. 12. Weiskirch 17. 12. *für die Teilnahme an Sitzungen des Europäischen Parlaments ** für die Teilnahme an Sitzungen der Parlamentarischen Versammlung des Europarates
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    Rede von Dr. Horst Ehmke


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (SPD)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)

    Herr Kollege Cronenberg, für einen so intelligenten Wirtschaftspolitiker wie Sie

    (Zurufe von der CDU/CSU: Antwort!)

    sollte es deutlich sein, daß eines der Probleme in der Weltwirtschaft das Problem ist, daß die einen nicht mehr kaufen können, was die anderen exportieren möchten, um ihren Lebensstandard zu halten. Wenn Sie sich nicht freimachen von dem Denken, daß wir das unter uns regeln könnten, wenn wir nicht einsehen, daß nicht mangelnder Reichtum, sondern falsch verteilter Reichtum einer der Gründe dieser Weltwirtschaftskrise ist, werden wir aus dieser Krise keinen Ausweg finden.

    (Beifall bei der SPD — Zurufe von der CDU/CSU)

    Wir fürchten aber nicht nur, daß Ihre Politik die Wirtschaftskrise verschärfen wird.

    (Dr. Waigel [CDU/CSU]: War das bei der Neuen Heimat auch so?)

    Wir fürchten auch, daß sie den sozialen Konsens gefährden wird und damit eine der Voraussetzungen, mit der Krise sozial und politisch fertig zu werden.
    Wir Sozialdemokraten haben schon angesichts Ihrer Koalitionsvereinbarungen von einer Umverteilung von unten nach oben gesprochen. Wir können von diesem Vorwurf nichts zurücknehmen. Im Gegenteil!

    (Beifall bei der SPD)

    8588 Deutscher Bundestag — 9. Wahlperiode — 138. Sitzung. Bonn, Dienstag, den 14. Dezember 1982
    Dr. Ehmke
    Die Einzeldurchrechnung Ihrer Gesetzesvorhaben zeigt, in welch rücksichtsloser, ja schamloser Weise

    (Dr. Schäuble [CDU/CSU]: Na, na!)

    Sie die Kosten dieser Krise auf dem Rücken der einkommensschwachen Schichten abladen wollen.

    (Beifall bei der SPD — Zuruf von der CDU/ CSU: Deswegen verkauft Herr Brandt seine Bücher!)

    Ich finde es sehr beachtenswert, verehrte Frau Kollegin Geiger, daß auch die zahlreichen Warnungen und Proteste aus Ihren eigenen Reihen, von Ihren Leuten im Städtetag, von Ihren Leuten im VdK, im Caritas-Verband und Familienbund, an Ihnen vorbeigegangen sind wie ein Regen, der an einer Ölhaut abläuft.

    (Beifall bei der SPD)

    Ich wiederhole, was ich hier schon in der Debatte um die Regierungserklärung gesagt habe: Es ist unbestritten, daß es angesichts der Krise nicht so weitergeht wie bisher. Es ist unbestritten, Kollege Dregger, daß wir alle uns einschränken müssen. Aber was Sie offenbar nicht akzeptieren wollen, ist das, was wir sagen: daß allen voran die sich einschränken müssen, die den meisten Bauchspeck haben.

    (Beifall bei der SPD — Zuruf von der CDU/ CSU: Ehmkes Hosen!)

    Sie aber nehmen gerade diese Gruppen von der Belastung aus.
    Ich kann mir vorstellen, daß Sie sich so sehr als Vertreter derer, die da haben, fühlen, daß dieser Vergleich Sie nicht berührt. Aber vielleicht hören Sie ihn doch einmal mit größerem Ernst an, denn die Menschen draußen empfinden das als ein Problem.

    (Beifall bei der SPD — Schwarz [CDU/ CSU]: Sie sind charakterlich ein Problem!)

    Sie ersparen den Einkommensstarken unter dem Tarnmantel einer rückzahlbaren Zwangsanleihe

    (Schwarz [CDU/CSU]: Sie sollten sich schämen!)

    eine steuerliche Ergänzungsabgabe. Gleichzeitig machen Sie die von der sozialliberalen Koalition bereits vereinbarte Kürzung der Vorteile aus dem Ehegatten-Splitting rückgängig. Sie beschenken die Einkommensstarken mit einer Reihe neuer Steuervergünstigungen, und die von Ihnen so gefeierte Begrenzung des Kindergeldes gleichen Sie durch die Wiedereinführung steuerlicher Kinderfreibeträge wieder aus.

    (Beifall bei der SPD)

    Zeigen Sie mir einen mit hohem Einkommen, der nach Ihrer Politik irgendeinen Beitrag zur Überwindung der Krise leistet! Das findet nicht statt.

    (Beifall bei der SPD — Pohlmann [CDU/ CSU]: Klassenkämpfer!)

    Die einkommensschwachen Gruppen unserer Gesellschaft aber belasten Sie mit erhöhter Mehrwertsteuer, die nicht zurückgezahlt wird. Dabei sinken die Reallöhne, und die Anpassung der Renten wird von Ihnen weiter zurückgeschnitten. Sie ermöglichen massive Mieterhöhungen und kürzen das Wohngeld. Außerdem kürzen Sie das Kindergeld und heben die Bildungs- und Ausbildungsförderung für die Kinder einkommensschwacher Familien praktisch auf. Bei Familien, bei denen sich diese Ihre Kürzungen kumulieren, führt Ihre Politik zu einer sozialen Katastrophe.

    (Beifall bei der SPD)

    Ebenso gehen Sie mit den sozial Schwächsten um. Sie schränken das Arbeitslosengeld ein, und für die Sozialhilfeempfänger drücken Sie die Leistungsanpassung für das Gesamtjahr 1983 auf 1 %. Bei einer Preissteigerungsrate von 4,5 % — ich wähle die untere Grenze, die genannt worden ist — bedeutet das eine Kürzung der Einkommen der sozial Schwächsten um real 3,5 %. Und obendrein wollen Sie noch die Berechnungsgrundlage, den Warenkorb, zum Nachteil der Sozialhilfeempfänger ändern.
    Verehrte Kollegen, wem in diesem Lande wollen Sie eigentlich erklären, daß diese Politik, die Großen zu schonen und die Kleinen zu belasten, etwas mit den Worten „sozial" oder „christlich" zu tun hat?

    (Beifall bei der SPD)

    Welch drastischer Umverteilungsprozeß von Ihnen eingeleitet wird, zeigt sich u. a. im Bereich des Wohnens. Während Sie das Haus- und Wohnungseigentum — allerdings auf eine in sich ungerechte Weise — verstärkt fördern, demontieren Sie gleichzeitig das im Grundgesetz verankerte, von der sozialliberalen Koalition, j a, auch von Ihnen — denn Sie haben ja 1974 unserem Mietrecht zugestimmt —, das also von uns allen ausgebaute soziale Mietrecht.
    Sie eröffnen mit dieser Politik neben der Grundstücks-Spekulation auch der UmwandlungsSpekulation Tür und Tor. Es droht eine Verdrängung sozial schwacher Mieter, die man eines Tages vielleicht in Erinnerung an das Bauernlegen des Mittelalters als „Mieterlegen" bezeichnen wird.

    (Beifall bei der SPD — Lachen bei Abgeordneten der CDU/CSU)

    Diesen Prozeß fördern Sie noch durch eine Kürzung des Wohngeldes, von der etwa die Hälfte der wohngeldberechtigten Familien betroffen wird.

    (Zuruf von der CDU/CSU: Fehlt bloß noch die Behauptung, wir seien Menschenfresser; dann haben Sie alles gesagt!)

    Wie mein Fraktionskollege Ernst Waltemathe hier erst am vergangenen Freitag noch einmal dargelegt hat, nehmen Sie Kürzungen des Wohngeldes bis zu 50% vor, wodurch die soziale Lage insbesondere von Schwerbeschädigten und von Kinderreichen drastisch verschlechtert wird.

    (Zustimmung bei der SPD — Zuruf von der CDU/CSU: Da haben selbst die eigenen Genossen nicht geklatscht!)

    Deutscher Bundestag — 9. Wahlperiode — 138. Sitzung. Bonn, Dienstag, den 14. Dezember 1982 8589
    Dr. Ehmke
    Oberbürgermeister aus Ihren eigenen Reihen wie auch der Deutsche Städtetag haben Sie darauf hingewiesen, daß diese Wohn- und Mietenpolitik nicht nur zu einer weiteren massiven Belastung der Gemeinden im Bereich der Sozialhilfe führen muß, sondern die Gemeinden auch vor das Problem der Unterbringung einer wachsenden Zahl von Obdachlosen stellen wird. Aber auch diese Mahnungen aus Ihren eigenen Reihen scheinen Sie von Ihrer neokonservativen Gesellschaftspolitik nicht abbringen zu können.
    Genauso schlimmm sind die Kürzungen der Bildungs- und Ausbildungsförderung, insbesondere des Schüler-BAföG. Lassen Sie mich dazu einmal drei konkrete Beispiele anführen.
    Erstes Beispiel: Eine Familie mit zwei Kindern, 14 und 17 Jahre alt; die 17jährige Tochter besucht die 11. Klasse eines Gymnasiums; der Vater ist Facharbeiter, Alleinverdiener, Nettoeinkommen 1 750 DM. Die Familie erhält für die 17jährige Tochter heute 275 DM Schüler-BAföG. Ab Herbst 1983 — natürlich erst nach dem Wahltag; erst soll gewählt werden, dann soll rasiert werden —

    (Zuruf von der CDU/CSU: Wir sagen es doch vorher!)

    entfällt die Förderung.

    (Zuruf des Abg. Schwarz [CDU/CSU])

    — Herr Kollege Schwarz, denken Sie, bevor Sie hier viel zwischenrufen, einmal über die Zahlen nach: Damit entfallen 13,5 % der der Familie zur Verfügung stehenden Mittel.
    Zweites Beispiel: Eine alleinerziehende Verkäuferin mit zwei Kindern und einem Nettoeinkommen von 1 400 DM hat bisher 550 DM für ihre Kinder in Klasse 12 eines Gymnasiums und Klasse 11 einer Fachoberschule erhalten.

    (Zuruf von der CDU/CSU. Wer hat Ihnen das aufgeschrieben?)

    Ab Herbst 1983 entfällt der Gesamtbetrag und damit mehr als ein Viertel des bisherigen Familieneinkommens.

    (Zurufe von der CDU/CSU)

    — Ich wundere mich, daß Sie da noch Zwischenrufe machen. Sie sollten einmal darüber nachdenken, verehrte Kollegen, was Sie in diesem Lande eigentlich anrichten!

    (Schwarz [CDU/CSU]: Was haben Sie denn angerichtet? — Dr. Schäuble [CDU/CSU]: Sie haben doch die Kassen geplündert! — Schwarz [CDU/CSU]: Schade, daß man im Parlament nicht sagen darf, was man zu Ihnen sagen möchte! — Weitere Zurufe von der CDU/CSU)

    Ein drittes Beispiel. Eine Witwe mit einer Rente von 900 DM erhielt bisher 490 DM BAföG für einen Sohn in einer Berufsaufbauschule. Ab Herbst 1983 fällt diese Ausbildungshilfe fort, was eine Kürzung des Familieneinkommens um 35 % bedeutet.
    Meine Damen und Herren, dieser Kahlschlag wird dazu führen, daß Kinder aus einkommensschwachen Familien überhaupt nicht mehr auf weiterführende Schulen und Berufsschulen gehen können.

    (Beifall bei der SPD — Bindig [SPD]: Das wollen die ja! — Schwarz [CDU/CSU]: Ausgemachter Quatsch ist das!)

    Wenn die FDP das wirklich ernst genommen hätte, Kollege Hoppe, dann hätte sie dagegen gestimmt.

    (Beifall bei der SPD)

    Daß diese Kinder nicht mehr auf weiterführende Schulen gehen können, wird dazu führen, daß sich die Klassen dieser Schulen leeren werden und daß Sie eine dramatische Verschärfung auf dem Ausbildungsmarkt kriegen, weil schon jetzt nicht genügend Plätze da sind. Sie wissen das alles und machen diese Politik doch.

    (Beifall bei der SPD)

    Ich wende mich noch einmal an die Kollegin Geiger, die so besonders empört reagiert.

    (Dr. Schäuble [CDU/CSU]: Die kann die Unwahrheit nicht vertragen!)

    Frau Kollegin Geiger, bei der öffentlichen Anhörung haben alle angehörten Verbände Ihr skrupelloses Vorgehen abgelehnt, vom Bundeselternbeirat bis zum Beamtenbund, von den Jusos bis zur Schülerunion, von den Gewerkschaften bis zu den Jungdemokraten, vom Bundesinstitut für Berufliche Bildung bis zur Arbeitsgemeinschaft Freier Schulen. Alle haben Sie vor diesem Weg gewarnt. Aber Sie sind fest entschlossen, Ihren Weg in den Sozialdarwinismus weiterzugehen.
    Gerade Ihre Rückkehr zum Dreiklassenschulrecht zeigt, daß Ihre Gesellschaftspolitik reaktionär ist.

    (Beifall bei der SPD)

    Sie läuft — ich wiederhole es — auf eine Entsolidarisierung unserer Gesellschaft hinaus. Dieser gesellschaftspolitischen „Rolle rückwärts" hat der Kanzlerkandidat der SPD, Hans-Jochen Vogel, den Vorschlag eines Solidarpakts entgegengestellt, durch den sich alle Gruppen unseres Volkes verpflichten sollen, je nach ihrer Finanzkraft zur Überwindung der Krise beizutragen.

    (Beifall bei der SPD)

    Denn, meine Herren, wir brauchen in der Tat eine große gemeinsame Anstrengung.

    (Dr. Schäuble [CDU/CSU] und Schwarz [CDU/CSU]: Nach 13 Jahren!)

    Aber wir brauchen eben nicht eine Anstrengung der einen auf Kosten der anderen, wie Sie das praktizieren.

    (Beifall bei der SPD)

    Der Wähler muß nun entscheiden, welchen Weg unser Volk gehen soll.

    (Schwarz [CDU/CSU]: Gott sei Dank! — Sehr wahr! bei der CDU/CSU)

    Angesichts des Anschauungsunterrichts, den uns
    die Übergangsregierung der Rechtskoalition gebo-
    8590 Deutscher Bundestag — 9. Wahlperiode — 138. Sitzung. Bonn, Dienstag, den 14. Dezember 1982
    Dr. Ehmke
    ten hat, soll sich keiner im nachhinein darüber beschweren, er habe nicht gewußt, was die Unionsparteien mit uns vorhaben.

    (Sehr richtig! bei der SPD — Dr. Schäuble [CDU/CSU]: Wir sagen die Wahrheit!)

    Lassen Sie mich zum Schluß auf die Frage kommen, warum Sie gegen allen Sachverstand und gegen den Rat so vieler Leute aus Ihren eigenen Reihen diese Politik eigentlich machen. Manchem von Ihnen wird dann vielleicht auch erklärt, warum er hier so heftig zwischenruft. Meiner Meinung nach erklärt sich Ihre Politik daraus, daß Sie die Wirklichkeit durch die Brille eines neokonservativen Gesellschaftsmodells sehen.

    (Beifall bei der SPD — Lachen bei der CDU/CSU)

    — Ich werde das jetzt vortragen. Sie werden gleich zustimmen, Herr Kollege.
    Nach diesem Modell stecken wir angeblich dank der Machenschaften dunkler Mächte — der Linken, der Intellektuellen, wer auch immer — in einer geistig-moralischen Krise. Sie sei, so sagen die Neokonservativen und die deutschen Christdemokraten, gekennzeichnet durch mangelnden Leistungswillen, Anspruchsdenken und fehlenden Mut zur Selbständigkeit und Eigenverantwortung. Das führe zu einer Überlastung des Systems der sozialen Sicherung; diese führe zu einer Finanz- und diese wiederum zu einer Wirtschaftskrise. Wolle man die Krise bekämpfen, müsse man also massive Einschnitte in die Sozialleistungen vornehmen. Das so eingesparte Geld aber müsse man den wirtschaftlich Starken geben, damit sie die Wirtschaft wieder ankurbeln können. — Ich wundere mich, Herr Kollege Schwarz, daß Sie nicht klatschen. Das ist doch die Philosophie, die Sie hier dauernd verkaufen. Im übrigen muß man das Ganze dann natürlich mit geistig-moralischen Erweckungspredigten über Leistungs-, Dienst- und Opferbereitschaft begleiten, damit die Einkommensschwachen bei dieser Operation auch stillhalten.
    Herr Kollege Dregger, ich muß Ihnen ein Kompliment machen: Sie haben heute morgen die vollständigste Sammlung der einschlägigen Phrasen geboten, die ich bisher in diesem Hause gehört habe.

    (Lebhafter Beifall bei der SPD)

    In Wirklichkeit verläuft der Ursachenzusammenhang aber doch gerade umgekehrt.

    (Zuruf von der CDU/CSU: Sie sind unübertrefflich!)

    Wir befinden uns — aus Gründen, die hier schon oft analysiert worden sind — in einer erneuten Krise der Weltwirtschaft

    (Zurufe von der CDU/CSU)

    mit Auswirkungen auf alle Länder in der Welt. Diese Wirtschaftskrise führt zu einer ebenfalls weltweiten Finanzkrise, und diese Finanzkrise führt zu einer Infragestellung unseres bisherigen Systems sozialer Sicherung und seiner Finanzierung. Damit wir uns da nicht auseinanderreden: Die
    Notwendigkeit des Umbaus des Systems der sozialen Sicherung ist unbestritten.

    (Zurufe von der CDU/CSU: Aha! — Schwarz [CDU/CSU]: Nach 13 Jahren!)

    Ich glaube, daß Bruno Kreisky einen guten Satz gesagt hat, als er die Richtung dieses Umbaus mit den Worten umschrieb: „Vom Wohlfahrtsstaat zur sozialen Demokratie".

    (Beifall bei der SPD)

    Sehen Sie, unbestritten ist auch, da der Mensch nun einmal sündhaft ist — nach meinem christlichen Verständnis kann uns allerdings nur die Gnade darüber hinwegtrösten; wenn ich heute morgen recht gehört habe, Herr Kollege Dregger, tritt bei Ihnen der Schutz des Staates an die Stelle der Gnade —,

    (Dr. Marx [CDU/CSU]: Unsinn!)

    daß der Wohlfahrtsstaat nicht nur seine Schwächen und Fehler, sondern auch seine moralischen Versuchungen hat. Auch das ist unbestritten zwischen uns. Aber, meine Damen und Herren von den Unionsparteien, der Wohlfahrtsstaat ist nun sicher nicht die Ursache dessen, was Sie als geistig-moralische Krise bezeichnen.
    Lassen Sie mich dazu zunächst zitieren, was Jochen Vogel zu diesem Thema in seiner Rede in Kiel gesagt hat:

    (Zurufe von der CDU/CSU) Maßhalten

    — so sagte Jochen Vogel —

    (Zurufe von der CDU/CSU: Wie neu!)

    beginnt nicht bei der Sozialhilfe, sondern bei den Vergütungen von Aufsichtsräten, die verschlafen, daß ihre Unternehmen aus dem Markt fallen.

    (Beifall bei der SPD — Anhaltende lebhafte Zurufe von der CDU/CSU: Neue Heimat!)

    — Meine Damen und Herren, ich verstehe, daß Sie das noch einmal von mir hören wollen. Ich sage es Ihnen noch einmal. Gerade als Mitglied einer DGB-Gewerkschaft bin ich über das, was bei der Neuen Heimat passiert ist, noch sehr viel empörter als Sie.

    (Beifall bei der SPD — Lachen bei der CDU/CSU)

    Auch dort wurden ja nicht die Aufsichtsratsvergütungen beschnitten.

    (Zuruf von der CDU/CSU: Da wurde das Weihnachtsgeld beschnitten! — Weitere Zurufe von der CDU/CSU)

    — Ja, ich mache Ihnen gegenüber kein Hehl daraus. Ich finde, es ist traurig, wenn sich ein gewerkschaftliches Unternehmen so benimmt wie andere kapitalistische Unternehmen.

    (Beifall bei der SPD — Dr.-Ing. Kansy [CDU/CSU: Da sitzen Ihre Genossen, Herr Deutscher Bundestag — 9. Wahlperiode — 138. Sitzung. Bonn, Dienstag, den 14. Dezember 1982 8591 Dr. Ehmke Ehmke! — Weiterer Zuruf von der CDU/ CSU: Der „Vorwärts"!)

    — Aber Sie wollen ja sicher noch Jochen Vogel weiter hören.

    (Dr. Marx [CDU/CSU]: Nein!)

    — Sie sind intolerant; Sie werden sich ja noch an ihn gewöhnen müssen.

    (Zuruf des Abg. Dr. Waigel [CDU/CSU]) Jochen Vogel sagte weiter:

    Und die Bekämpfung von Mißbrauch beginnt nicht beim Arbeitslosengeld, sondern bei der Steuerhinterziehung und beim Subventionsschwindel.

    (Beifall bei der SPD)

    Daß der sozial Schwächere von vornherein eher zum Mißbrauch neige als der Stärkere, ist eine durch nichts bewiesene Behauptung.

    (Zustimmung bei der SPD)

    Mehr noch: Sie ist eine Beleidigung, hinter der kühl kalkuliertes Interesse steckt.

    (Beifall bei der SPD — Dr. Spöri [SPD]: Hervorragend!)

    Aber, verehrte Kolleginnen und Kollegen, das gilt a nicht nur für die Frage des Mißbrauchs: Die moralischen und kulturellen Unsicherheiten unserer Gesellschaft, die Sie als Verfallserscheinungen beklagen, wurzeln insgesamt viel tiefer. Sie entspringen der Zerstörung traditioneller Strukturen des Familien- und Arbeitslebens durch die arbeitsteilige Industriegesellschaft. Gerade unsere Art des Wirtschaftens ist eine Ursache für die Erscheinungen, die Sie in Form von Negativbildern aus dem Lesebuch der heilen Welt als moralische Krise beklagen.
    Sie sind da wie alle Neokonservativen sehr inkonsequent. Sie wollen die materiellen Ergebnisse der arbeitsteiligen Konkurrenzgesellschaft, ja Sie bewundern sie geradezu. Ihre negativen kulturellen Folgen aber wollen Sie nicht dieser Konkurrenzgesellschaft selbst, sondern einem angeblichen Angriff auf sie zuschreiben. In Wirklichkeit war es doch gerade der Gewinnmechanismus der Konkurrenzgesellschaft, der den Egoismus, den Besitztrieb, die Hab- und Prunksucht, vor allem aber die Rücksichtslosigkeit gefördert hat, die den Gemeinsinn und die Solidarität der Menschen in der Industriegesellschaft zu untergraben drohen.

    (Beifall bei der SPD)

    Jochen Vogel hat in diesem Zusammenhang sehr zu Recht Papst Johannes Paul II. zitiert.

    (Dr. Waigel [CDU/CSU]: Den Papst! Um Gottes willen! — Schwarz [CDU/CSU]: Das von Ehmke! — Weitere Zurufe von der CDU/CSU)

    — Es ehrt mich, daß Sie beim Papst offenbar die gleiche Begeisterung zu Zwischenrufen entwickeln wie bei mir. Ich darf ihn trotzdem zitieren.

    (Heiterkeit bei der SPD — Windelen [CDU/ CSU]: „Ich und der Papst"! — Weitere Zurufe von der CDU/CSU)

    Papst Johannes Paul II. hat gesagt:
    Das notwendige wirtschaftliche Wachstum mit seinen ihm eigenen Gesetzmäßigkeiten muß in die Perspektive einer ganzheitlichen und solidarischen Entwicklung der einzelnen Menschen und Völker einbezogen werden.

    (Dr. Waigel [CDU/CSU]: Lassen Sie doch den Papst aus dem Spiel!)

    Sonst wird der Teilbereich wirtschaftlichen Wachstums so übermächtig, daß er den gesamten Bereich des menschlichen Lebens seinen partiellen Erfordernissen unterordnet, dabei die Menschen erstickt, die Gesellschaft zersetzt und schließlich in den eigenen Spannungen und Exzessen steckenbleibt.
    So weit Papst Johannes Paul II.

    (Schwarz [CDU/CSU]: Sehr gut!)

    Sie aber, meine Damen und Herren von der Rechtskoalition,

    (Dr. Waigel [CDU/CSU]: Jawohl, Herr Linksprofessor! — Unruhe bei der CDU/ CSU und der FDP)

    drehen das Rad doch gerade zurück. Sie machen doch eine Politik gegen mehr soziale und wirtschaftliche Mitbestimmung. Sie machen doch eine Politik gegen mehr Solidarität in dieser Industriegesellschaft.

    (Beifall bei der SPD — Dr. Waigel [CDU/ CSU]: Jawohl, Herr Linksprofessor! — Dr.-Ing. Kansy [CDU/CSU]: Wer hat denn zu Unrecht in einer subventionierten Wohnung gewohnt, Herr Ehmke? — Weitere Zurufe von der CDU/CSU)

    Vielleicht bringe ich Sie doch noch zu einem Hauch von Nachdenklichkeit, wenn ich Ihnen vorführe, wie Ihr schiefes Verhältnis zur Wirklichkeit sich in Widersprüchen zwischen dem niederschlägt, was Sie einerseits sagen, und dem, was Sie andererseits tun.

    (Dr.-Ing. Kansy [CDU/CSU]: Das müssen gerade Sie sagen!)

    Sie sagen einerseits — und daran ist manches —, wir hätten zuviel Staat. Aber diese verbale Liberalität bezieht sich nur auf den wirtschaftlichen Bereich. Im Bereich etwa der Meinungs- und Versammlungsfreiheit treten Sie andererseits jeweils für mehr staatliche Regulierung ein.

    (Beifall bei der SPD — Zurufe von der CDU/CSU)

    Sie sagen einerseits, wir hätten zuviel Bürokratie. Andererseits haben Sie in den zwei Monaten Ihrer
    8592 Deutscher Bundestag — 9. Wahlperiode — 138. Sitzung. Bonn, Dienstag, den 14. Dezember 1982
    Dr. Ehmke
    Übergangsregierung einen traurigen Rekord an unsinniger Bürokratisierung aufgestellt,

    (Beifall bei der SPD — Schwarz [CDU/ CSU]: Auch das noch!)

    in der Änderung des Verfahrens für Kriegsdienstverweigerer ebenso wie in der Ausgestaltung der sogenannten Zwangsanleihe, in der Neuregelung des Kindergelds ebenso wie in der Selbstbeteiligung an den Krankenhauskosten.

    (Beifall bei der SPD)

    Sie sagen einerseits: Wir brauchen mehr Leistung. Aber Sie fördern andererseits die leistungslosen Einkommen aus Grundstücks- und UmwandlungsSpekulation.

    (Beifall bei der SPD)

    Fängt man an, das Leistungsthema genauer zu diskutieren, so zeigt sich bald: Ihre Leistungsideologie ist nicht viel mehr als ein Instrument im Kampf gegen demokratische Gleichheit.

    (Beifall bei der SPD)

    Was mich in der Sozialpolitik erstaunt, ist folgende Schizophrenie: Sie sprechen einerseits vom Anspruch der Familie aus Art. 6 Grundgesetz auf den Schutz des Staates. Andererseits kritisieren Sie das Anspruchsdenken — und bauen dementsprechend den Schutz der Familie ab: im Mietrecht, in der Bildungs- und Ausbildungsförderung, im Kindergeld wie im Wohngeld —, was Sie wiederum nicht daran hindert, den Frauen weiterhin ein Erziehungsgeld zu versprechen, obwohl Sie wissen, daß das Milliarden kosten würde und daß diese Milliarden nicht da sind.
    Und, meine Damen und Herren von den Unionsparteien, was sollen eigentlich die unserer Hilfe bedürftigen Kinder und Alten mit Ihrer Aufforderung zu mehr Leistung, mehr Selbständigkeit und mehr Eigenverantwortung anfangen?

    (Beifall bei der SPD)

    Ist es denn nicht gerade auch nach dem Grundgesetz die Aufgabe der Gesellschaft, ihnen die Voraussetzungen für die Entwicklung ihrer Persönlichkeit bzw. für soziale Sicherheit im Alter zu schaffen? Sind wir uns darüber etwa nicht mehr einig?
    In Wahrheit ist es doch so — die Kollegen Dohnanyi und Mikat waren sich hier neulich darüber einig —: Die arbeitsteilige Konkurrenzgesellschaft mit ihrer Mobilität und Spezialisierung hat die Großfamilie unwiderruflich zerrissen. Mit ihrer Mobilität, mit ihrer Akkord- und Schichtarbeit, auch mit der Arbeit beider Elternteile gefährdet sie heute selbst die ,,Rest"-Familie. Und Sie fördern in Ihrem wirtschaftlich-politischen Handeln diesen Prozeß, um ihn dann in Ihren familienpolitischen Sonntagsreden lauthals zu beklagen.

    (Beifall bei der SPD)

    Um nur ein Beispiel zu geben: Herr Bundeskanzler, Sie haben neulich in Ihrer Regierungserklärung von der Familie gesprochen, die wieder unter einem Dach wohnen können solle. Ihre gerade beschlossene Wohnungspolitik wird aber vielen Familien ihre Wohnung und damit ihr Zuhause nehmen.

    (Beifall bei der SPD — Dr.-Ing. Kansy [CDU/CSU]: Das ist doch absolute Verleumdung, was Sie da machen!)

    Sie beklagen einerseits die Einsamkeit und die Beziehungslosigkeit vieler Menschen in unserer Gesellschaft, und Sie möchten sie andererseits mit Dutzenden von Kabelfernsehprogrammen überschütten. Meine Damen und Herren, praktisch gesehen ist es doch so: Ihnen ist die Aufhebung von sogenannten Investitions-Hemmnissen noch immer wichtiger als die Lebensqualität einzelner Menschen und Familien.

    (Beifall bei der SPD)

    Ihre Politik steht nicht nur in diesem Punkt im direkten Gegensatz zu den Mahnungen und Anregungen der Kirchen. Ich muß dies leider sagen: Die Berufung auf die kirchliche Soziallehre dient den Unionsparteien heute leider im wesentlichen nur noch zur Bemäntelung einer strikt interessengebundenen Wirtschaftspolitik.

    (Beifall bei der SPD)

    Wir Sozialdemokraten sind dagegen der Meinung, daß die Fortsetzung einer Wirtschaftspolitik, die die Krise nur verschärft, daß die Fortsetzung einer Sozialpolitik, die die Schutzbedürftigen gerade in der Stunde der Not schutzlos werden läßt, und die Fortsetzung einer Gesellschaftspolitik, die der Entwicklung zu mehr demokratischer Gleichheit den „Herrn-im-Hause"-Standpunkt entgegenstellt, für unser Volk ein politisches Unglück wäre.

    (Beifall bei der SPD)

    Darum bitten wir die Bürgerinnen und Bürger unseres Landes,

    (Zuruf von der CDU/CSU: Die sind nicht so dumm, wie Sie sie brauchen!)

    dieser Politik durch ihre Stimmabgabe am 6. März ein Ende zu setzen.

    (Beifall bei der SPD)

    Wir sind der festen Überzeugung, daß es dem inneren Frieden dieses Landes dienen würde,

    (Dr.-Ing. Kansy [CDU/CSU]: ... wenn Sie aufhören, zu reden!)

    wenn diese Übergangsregierung eine bloße Episode bliebe.

    (Anhaltender lebhafter Beifall bei der SPD)



Rede von Richard Stücklen
  • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (CSU)
  • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CSU)
Das Wort hat Herr Abgeordneter Hoppe.

(Abgeordnete der SPD verlassen den Saal — Seiters [CDU/CSU]: Guckt sie euch an! — Weiterer Zuruf von der CDU/CSU: Das ist deren Solidarität!)


  • insert_commentNächste Rede als Kontext
    Rede von Hans-Günter Hoppe


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (FDP)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (FDP)

    Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Der Kollege Ehmke hat ganz sicher zum
    Deutscher Bundestag — 9. Wahlperiode — 138. Sitzung. Bonn, Dienstag, den 14. Dezember 1982 8593
    Hoppe
    Kapitel 04 03 gesprochen. Ich weiß nicht, ob er weiß, was das ist.

    (Zuruf von der CDU/CSU)

    — Er muß es ja nicht wissen, wahrlich nicht. Das wissen auch viele andere Kollegen nicht. Es ist das Kapitel Bundespresseamt. Die Rede stand ja wohl auch unter dem Motto „Popanz und Propaganda".

    (Beifall bei der FDP und der CDU/CSU)

    Meine Damen und Herren, wenn der Kollege Ehmke als Rechtsprofessor mit seiner Rede so in die Linkskurve geht, um von der „Rechtskoalition" sprechen zu können, wird er damit auch nicht mehr lange durch den TÜV kommen.

    (Große Heiterkeit und Beifall bei der FDP und der CDU/CSU — Dr. Waigel [CDU/ CSU]: Er sieht auch schon ein bißchen abgelagert aus!)

    Es ist das zweite Mal in der Geschichte der Bundesrepublik Deutschland, daß der Bundestag vor seiner vorzeitigen Auflösung steht. Daß wir heute erneut über eine Entscheidung im Zusammenhang mit Art. 68 des Grundgesetzes debattieren, hat ebensowenig wie vor zehn Jahren etwas mit einer Bankrotterklärung einer Regierung oder mit Mißtrauen gegenüber dem amtierenden Bundeskanzler zu tun.

    (Zurufe von der SPD)

    Im Gegenteil: Die Regierung Kohl/Genscher wird nach nur 77tägiger Bewährungsfrist eine außerordentlich erfolgreiche Bilanz vorlegen können.

    (Beifall bei der FDP und der CDU/CSU — Lachen bei der SPD)

    Die Parteien, die jetzt in Bonn die Regierung bilden, hatten sich vorgenommen, einen konjunkturgerechten Haushalt und die dazu erforderlichen Begleitgesetze zu verabschieden. Ich nehme an, daß ich mit allseitiger Zustimmung feststellen kann: Die zusätzlichen Einsparungen von 5,6 Milliarden DM im konsumtiven Bereich wären mit der SPD nicht möglich gewesen; denn die Summe dieser Maßnahmen nennt die Opposition ja „Umverteilung von unten nach oben".

    (Beifall bei der FDP und bei Abgeordneten der CDU/CSU)

    Aber gerade diese gewiß unpopulären Maßnahmen sind notwendige Schritte zur Gesundung der Staatsfinanzen.

    (Zustimmung bei der FDP und der CDU/ CSU)

    Dabei kommt es nicht einmal so sehr auf die konkrete Zahl bei den Einsparungen oder bei der Nettokreditaufnahme an, sondern, wie Hans Barbier in der „Süddeutschen Zeitung" schon am 21. Mai dieses Jahres feststellte: „Für die Etatplanung '83 wird wirtschaftspolitische Zielsicherheit verlangt."
    Diese Zielsicherheit, Konsequenz und Stringenz haben Regierung und Regierungsparteien in den letzten Wochen unter Beweis gestellt. Wir konnten dabei auf einer urliberalen Erkenntnis aufbauen, die jahrtausendelang den Ökonomen als Richtschnur diente. Allerdings dürfte sie schon im Jahre 55 vor Christus alles andere als populär gewesen sein. Damals formulierte Cicero:
    Der Staatshaushalt muß ausgeglichen sein. Die öffentlichen Schulden müssen verringert werden.

    (Zuruf von der SPD)

    Die Arroganz der Behörden muß gemäßigt und kontrolliert werden. Die Zahlungen an ausländische Regierungen müssen verringert werden, wenn der Staat nicht bankrott gehen soll. Die Leute sollen wieder lernen zu arbeiten, statt auf öffentliche Rechnung zu leben.

    (Erneuter Zuruf von der SPD)

    Meine Damen und Herren, wir haben ein Mammutprogramm hinter uns gebracht, das oftmals hart an die Belastungsgrenze der Solidität parlamentarischer Beratungsabläufe ging. Nur die äußerst kollegiale Rücksichtnahme in und zwischen den in der parlamentarischen Arbeit tangierten Entscheidungsgremien ermöglichte überhaupt eine fristgerechte Vorlage des Haushalts. Dennoch, die Bilanz kann sich sehen lassen.
    Unterstützung kommt ja jetzt auch von außen. Nach den erfreulichen Beschlüssen der Bundesbank sinken jetzt endlich auch bei den Geschäftsbanken die Zinsen, und die Bauwirtschaft, ein besonders sensibler Indikator, verspürt Aufwind. Und doch wird die wirtschaftliche Entwicklung von sich noch weiter verschärfenden Problemen am Arbeitsmarkt geprägt sein; denn von einer raschen Änderung der konjunkturellen Misere kann im Moment wahrlich niemand sprechen. Wir stehen vor einem Problemberg, der uns noch viel Mühe, Schweiß und Entbehrung abnötigt.
    Schnelle und vernünftige Beschlüsse der neuen Koalition hat es jedoch auch auf anderen Gebieten als auf dem Gebiet der Haushaltspolitik gegeben. Wir haben mit der Technischen Anleitung Luft niedrigere Grenzwerte für die Luftbelastung eingeführt, wie das von meinen Parteifreunden auf dem Berliner Parteitag gefordert worden ist.

    (Beifall bei der FDP)

    Ich glaube, hier ist im Umweltschutz in der Tat ein Meilenstein gesetzt worden.

    (Matthöfer [SPD]: Das war doch vorher schon beschlossen!)

    — Verehrter Herr Kollege Matthöfer, ich leugne ja nicht, daß diese Forderung im alten Kabinett aufgestellt wurde. Wie mühsam war es in der Vergangenheit, vom Aufstellen der Forderung zur Durchsetzung in der Praxis zu kommen.

    (Beifall bei der FDP — Bindig [SPD]: Gegen Lambsdorff durchzusetzen!)

    Auch die zweite Forderung unseres Berliner Parteitags, neue Regelungen für die Kriegsdienstverweigerung zu verabschieden, wird erfüllt.

    (Zuruf von der SPD: Aber wie?)

    8594 Deutscher Bundestag — 9. Wahlperiode — 138. Sitzung. Bonn, Dienstag, den 14. Dezember 1982
    Hoppe
    übermorgen werden wir die Gewissensprüfung für Zivildienstaspiranten abschaffen.

    (Bindig [SPD]: Sie haben Ihre Meinung fünfmal geändert!)

    Auch für unsere dritte Forderung, Revidierung des Kontaktsperregesetzes, liegt nun ein gemeinsamer Lösungsvorschlag auf dem Tisch.

    (Dr. Hauff [SPD]: Die Welt ist wieder in Ordnung!)

    In der Außenpolitik wurden Kontinuität und Stabilität gewahrt. Die Welt, auch die Welt in der Bundesrepublik, die Welt hier und um uns herum, verehrter Herr Kollege Hauff, ist leider gar nicht in Ordnung. Da ist mit großer Anstrengung und viel Mühe noch vieles in Ordnung zu bringen.

    (Zuruf von der SPD)

    Die Bundesregierung und die sie tragenden Parteien arbeiten weiter an der Verbesserung der Beziehungen zwischen der Bundesrepublik und der Deutschen Demokratischen Republik. Ich freue mich, daß uns das der SPD-Kanzlerkandidat Jochen Vogel ausdrücklich bestätigt hat. Wir knüpfen in der Tat nahtlos an die erfolgreiche Deutschland-und Außenpolitik der Regierungen Brandt/Scheel und Schmidt/Genscher an.

    (Beifall bei der FDP)

    Es gibt keine Kurskorrektur.
    In wenigen Tagen übernimmt Außenminister Genscher die Ratspräsidentschaft in der Europäischen Gemeinschaft. Er wird sie nutzen, um weiter für den politischen Ausbau der Europäischen Gemeinschaft zu kämpfen. Dabei wird auch in Zukunft die enge Zusammenarbeit mit Frankreich auf der Grundlage des deutsch-französischen Vertrages im Vordergrund stehen. Der Besuch des Bundeskanzlers noch am Tag seiner Vereidigung in Paris war hierfür ein sichtbares Symbol.
    In der Sicherheits- und Abrüstungspolitik zeigt die Bundesregierung ein wesentlich geschlosseneres Konzept als die jetzige Opposition, die offensichtlich dabei ist, sich mit Lockerungsübungen — hier nehme ich dann ein Stichwort auf, das Horst Ehmke in seiner Rede an anderer Stelle für andere politische Formationen gebraucht hat — langsam von den früheren gemeinsamen Beschlüssen zu entfernen.

    (Zuruf von der CDU/CSU: Genauso ist es!)

    Jedermann weiß: trotz der positiven Zwischenbilanz stehen die Liberalen in einer existentiellen Bewährungsprobe.

    (Zuruf von der SPD: Die Rechtsliberalen!)

    Durch den von ihnen bewirkten Regierungswechsel wiederholt sich das, was wir bereits 1969 leidvoll erfahren mußten: Die geballte Wut des früheren Koalitionspartners und der ihm nahestehenden Medien trifft uns. Darüber hinaus haben 13 Jahre sozialliberaler Koalition in Bonn auch das politische
    Bewußtsein und die Sympathien vieler Mitglieder meiner Partei tief geprägt.

    (Zuruf von der SPD: Bei Ihnen selbst gibt es keine Kritik?)

    Wenn ich es richtig sehe, haben nicht einmal 10 % der Kollegen während ihrer Zugehörigkeit zum Deutschen Bundestag etwas anderers erlebt als die sozialliberale Regierung.

    (Zuruf von der CDU/CSU: Entsetzlich!)

    Wir haben mit den Sozialdemokraten lange Zeit vertrauensvoll und erfolgreich zusammengearbeitet. Es war eine bewegende und bewegte Zeit, eine Zeit der Kreativität, des Aufbruchs, der Neubesinnung und der mitreißenden Reformen.

    (Zuruf von der SPD: Dann fingen Sie an zu wackeln!)

    Ich erinnere nur an die Entspannungspolitik, an die Verträge mit dem Osten, an Verbesserungen der Betriebsverfassung und der Mitbestimmung, an die Strafrechtsreform, an Wahlalter, Reform des § 218, Ehe- und Familienrecht. Aber, meine Freunde, eine Partei wie die SPD stößt immer schnell an die Grenzen ihres Selbstverständnisses, wenn ihr für diese Politik der Reformen die wirtschaftliche Prosperität fehlt. Wieviel Warnungen wurden von uns ausgesprochen! Sie fielen nicht auf fruchtbaren Boden. Die Epoche des begrenzten Wirtschaftswachstums hatte begonnen. Doch die Forderung nach Konsumverzicht und Dämpfung der Dynamik staatlicher Leistungen paßte nicht zum Charme der sozialdemokratischen Kreativität.

    (Beifall bei der FDP — Zuruf von der SPD: Auch nicht zur Konjunkturlage!)

    Historiker werden den Liberalen des Jahres 1982 vielleicht einmal den Vorwurf machen, sich nicht schon eher einen Koalitionspartner für die Politik der wirtschaftlichen Vernunft gesucht zu haben.

    (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU) Aber diese Frage kann jetzt unerörtert bleiben.


    (Zurufe von der SPD)

    Den Zerfall der sozialliberalen Koalition in dem Abschnitt vom 16. September 1981 bis zum 17. September 1982

    (Zuruf von der SPD: Genscher und Lambsdorff sind daran schuld!)

    habe ich in meiner Haushaltsrede am 11. November hier dokumentiert. Ich nehme darauf Bezug und will das heute nicht wiederholen. Aber dabei wäre auch durchaus ein anderer Zeitabschnitt für die Darstellung des Zerrüttungsprozesses denkbar gewesen. Man muß dazu in die Phase der Koalitionsverhandlungen über das Regierungsprogramm nach der Bundestagswahl 1980 zurückkehren. Damals fühlte sich die SPD schlecht vertreten und von den gut vorbereiteten Liberalen übervorteilt. Von diesem Augenblick an nahm in der SPD die Lust an der Zusammenarbeit rapide ab. So kam es denn gar
    Deutscher Bundestag — 9. Wahlperiode — 138. Sitzung. Bonn, Dienstag, den 14. Dezember 1982 8595
    Hoppe
    nicht mehr zu der Nagelprobe für die Koalition beim Haushalt 1983.

    (Matthöfer [SPD]: Das war die Bewährungsprobe: die Begrenzung der Schulden auf 30 Milliarden!)

    Mit einem brillanten Schachzug entzog sich der Kanzler der Beweisführung und warf uns die Haushaltsbrocken vor die Füße.

    (Beifall bei der FDP — Dr. Spöri [SPD]: Das ist die Hoppe-Legende!)

    Bei den dann erforderlichen Entscheidungen standen wir Freien Demokraten im Spannungsverhältnis zwischen unserer Verantwortung,

    (Dr. Spöri [SPD]: Geschichtsklitterer!)

    den Nutzen des Deutschen Volkes zu mehren und Schaden von ihm zu wenden,

    (Oh-Rufe bei der SPD)

    und unserer Verpflichtung gegenüber dem Parteitagsvotum, mit dem wir uns 1980 auf eine Koalition mit der SPD festgelegt hatten.
    Wir haben uns angesichts des Zustandes der Staatsfinanzen und der Arbeitslosenzahlen für den Versuch entschieden, mit einem Notprogramm für Haushalt und Beschäftigung einen Dammbruch zu verhindern.

    (Beifall bei der FDP und Abgeordneten der CDU/CSU)

    Die Lösung der wirtschaftlichen und finanziellen Probleme duldete keinen Aufschub. Mehr als 10 Milliarden DM an zusätzlichen Haushaltsdefiziten hätten nicht rechtzeitig abgewendet werden können. Unsere Wirtschaft brauchte neue Zuversicht, Vertrauen und finanzpolitische Sicherheit.
    Die Regierung Kohl/Genscher erhielt von uns einen begrenzten Auftrag, den sie in begrenzter Zeit zu erfüllen hatte. Dieser Auftrag ist übermorgen mit der Verabschiedung des Haushaltsgesetzes und der Begleitgesetze erfüllt.

    (Zuruf von der SPD: Am 6. März ist es aus!)

    Es ist für viele nicht leicht zu verstehen, warum einer Regierung, die erfolgreich zehn Wochen lang zusammengearbeitet hat, danach nicht mehr das Vertrauen des Hauses ausgesprochen wird. Wenn sich die FDP-Fraktion am Freitag bei der Vertrauensabstimmung der Stimme enthält, spiegelt das aber unsere Vereinbarung zum Regierungswechsel wider. Sie war zeitlich und inhaltlich begrenzt. Der für das verabredete Regierungsprogramm ausgestellte Vertrauensbonus ist aufgebraucht. Es ist also konsequent, jetzt vor den Wähler zu treten.
    Dabei wissen wir Freien Demokraten sehr wohl — das sage ich nun auch an die Kollegen der SPD gerichtet; es mag dort Lustgewinn schaffen oder auch Mitleid mobilisieren —: Es geht für die Liberalen um nicht mehr und nicht weniger als ihre parlamentarische Existenz.

    (Zuruf von der SPD: Ein paar Minister!)

    In Anlehnung an Karl-Hermann Flach sage ich: Kein Mensch kann uns den Erfolg garantieren. Doch für eins garantieren wir: Die Historiker werden niemals schreiben können, die Liberalen waren feige, sie haben nicht gekämpft.

    (Beifall bei der FDP — Zuruf von der SPD: Die waren immer dabei, das ist richtig!)

    Meine Damen und Herren, unser Ziel steht fest: Sicherung und Ausbau liberaler Positionen auf allen Ebenen. Darüber wird mit der CDU/CSU noch zu ringen sein. Viele Fragen harren noch der Erörterung und der Kompromißfindung. „Die Bereiche der inneren Sicherheit, der Rechtspolitik, der Familienpolitik, der Gesellschaftspolitik und auch der Entspannungspolitik liefern hier wichtige Stichworte." An dieser Stelle habe ich mir nun erlaubt, den „Bayern-Kurier" zu zitieren.
    Die FDP wird peinlich darauf achten, daß der liberale Rechtsstaat nicht abgebaut, sondern ausgebaut wird.

    (Dr. Spöri [SPD]: Mit Zimmermann!)

    Wir werden keiner Einschränkung der Freiheitsrechte des einzelnen oder politischer Gruppierungen zustimmen. Wir wollen sie erweitern, wo immer das möglich und notwendig ist. Wir wollen die stärkere Betonung der Selbstverantwortung des einzelnen. Wir wollen dem Prinzip der Subsidiarität entsprechend der Hilfe zur Selbsthilfe wieder mehr Geltung verschaffen. Das, so glaube ich, ist in der Zusammenarbeit mit der CDU/CSU ebenso erreichbar wie die Verbesserung wirtschaftlicher Rahmendaten und die weitere Konsolidierung der Staatsfinanzen.

    (Beifall bei der FDP)

    Nur wenn es uns gelingt, die Beschäftigungskrise zu überwinden, die öffentlichen Finanzen in Ordnung zu bringen und das soziale System in seiner Substanz zu erhalten, werden wir unsere wirtschaftliche Leistungskraft sichern und fortentwikkeln.
    Für Liberale ist die freie und Soziale Marktwirtschaft am besten geeignet, die ökonomischen Bedürfnisse der Gesellschaft auf zugleich freiheitliche und humane Weise zu befriedigen. In ihr kommt der mittelständischen Wirtschaft ein besonders hoher Rang zu.

    (Dr. Spöri [SPD]: Wo denn?)

    Die Soziale Marktwirtschaft steht jetzt in einer Bewährungsprobe. Sie muß ihre Überlegenheit auch beim Kampf um die Rückgewinnung der Vollbeschäftigung beweisen.

    (Beifall bei der FDP und der CDU/CSU)

    Der Staat aber muß dazu beitragen, indem er eine verläßliche und stetige Wirtschaftspolitik betreibt, die Rahmenbedingungen für Investitionen verbessert und gerade für mittelständische Unternehmen gezielte Anreize für Investitionen und Innovationen setzt.
    Wir Freien Demokraten wollen durch eine nüchterne, praktische und mutige Politik wieder Zukunftsperspektiven deutlich machen. Für uns steht
    8596 Deutscher Bundestag — 9. Wahlperiode — 138. Sitzung. Bonn, Dienstag, den 14. Dezember 1982
    Hoppe
    deshalb auch fest: Wenn es gelingen soll, den Anteil der Investitionen zu Lasten des Konsums zu vergrößern, so bedarf dies, auch und gerade des sozialen Konsenses wegen, der Ergänzung durch eine gezielte Vermögensbildungspolitik.

    (Beifall bei der FDP und der CDU/CSU)

    Die Arbeitnehmer müssen verstärkt am Produktivvermögen beteiligt werden. Durch Beteiligung einer wachsenden Zahl von Menschen am Zuwachs des Produktivkapitals wird einer Vermögenskonzentration vorgebeugt.

    (Matthöfer [SPD]: Kennen Sie denn nicht die Koalitionsabsprache!)

    Wir fordern deshalb eine aktive Vermögenspolitik mit dem Ziel, die Beteiligungsmöglichkeiten der Arbeitnehmer am Risikokapital ihres Unternehmens zu verbessern.

    (Erneuter Zuruf des Abg. Matthöfer [SPD])

    Meine Damen und Herren, ich meine, nur durch liberale Perspektiven kann und wird es gelingen, die pessimistischen Zukunftseinschätzungen zu überwinden und die Dynamik einer offenen Gesellschaft freizusetzen, die für die Lösung unserer Zukunftsaufgaben notwendig, ja, unerläßlich, ist.
    Die Freien Demokraten bitten am 6. März um das Vertrauen der Wähler.

    (Dr. Spöri [SPD]: Dann seid ihr weg!)

    Sie werden alle Kraft darauf konzentrieren, ein Votum des Wählers für die Fortsetzung ihrer politischparlamentarischen Arbeit zu erlangen. Und dieses Votum bestimmt dann die Stärke der Fraktion und ihren parlamentarischen Einfluß.
    Meine Damen und Herren, die FDP ist entschlossen, auch in Zukunft mit ihrer Politik der liberalen Vernunft gegen die drohende Konfrontation und Erstarrung des politischen Lebens zwischen einem sozialistischen und einem konservativen Machtblock anzukämpfen. Für diese faszinierende, im Augenblick schier unlösbar erscheinende Aufgabe möchte ich meiner Fraktion und meiner Partei ein Wort zur seelischen Aufrüstung mit auf den Weg geben,

    (Zuruf von der SPD: Es lebe der Opportunismus! — Weitere Zurufe von der SPD)

    mit dem ein liberaler Weggefährte mir zu meinem Geburtstag Mut gemacht hat:
    Herr, laß mich hungern, dann und wann! — Satt sein macht stumpf und träge.
    Herr, schick mir Feinde, Mann für Mann! — Kampf hält die Kräfte rege.

    (Beifall bei der FDP und der CDU/CSU)