Rede von
Hermann
Kroll-Schlüter
- Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede:
(CDU/CSU)
- Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CDU)
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen!
Zum Jahreswechsel werden die Bürger oftmals nach den besonderen und erstrangigen Wünschen für das neue Jahr gefragt. Sie antworten mit beständiger Regelmäßigkeit,
das Wichtigste für sie seien Frieden und Gesundheit.
— Ich hoffe, daß Ihr Zwischenruf zu Protokoll genommen wird, damit die Bürger einmal die Ernsthaftigkeit, die Sie in diese Aussprache hineinlegen, erfahren. — Ich wiederhole: Die Bürger antworten, daß Gesundheit ein hohes Gut ist.
Deswegen ist Gesundheitspolitik für billige Polemik nicht geeignet; ich denke, daß wir uns darin einig sind.
— Gut. — Wenn wir uns darin einig wären, hätten wir die Aufgabe, gemeinsam nach noch besseren gesundheitspolitischen Wegen zu suchen.
Kein Mensch wird annehmen, daß uns das, was wir an Einschnitten und zusätzlichen Belastungen jetzt für notwendig erachten, leichtfällt. Kein Mensch wird annehmen, daß wir diese Maßnahmen aus irgendeinem x-beliebigen Grunde einleiten. Es geht uns vielmehr darum, die Ausgabenflut zu beschränken, und zwar im Interesse des Bürgers.
Alles, was Sie hier gesagt haben, hätten Sie in den vergangenen 13 Jahren anpacken, auf den Weg bringen können, nicht nur durchdenken, sondern auch einleiten können. Nun weiß ich: Man muß in einer Koalition Kompromisse schließen. Aber die Wucht der Kritik, der Vorwurf, das alles liefe in eine falsche Richtung, richtet sich doch elementar gegen Sie selber.
Das eine oder andere von dem, was Sie eingeleitet haben, können wir fortführen. Sie wenden sich mit Vehemenz gegen die Beteiligung an den Kosten für einen Krankenhausaufenthalt; dabei haben Sie damit angefangen. Sie haben doch mit den 5 DM pro Tag angefangen, das hier ganz konkret vorgeschlagen.
Und dann immer wieder diese Gegenüberstellung: Der sogenannte kleine Mann einerseits und der Arzt andererseits. Sie malen sich da so Klassen aus,
schlagen munter drauf los und wundern sich, daß das alles nicht klappt. — Und das klappt nicht, weil es in der Wirklichkeit so nicht ist.
Deutscher Bundestag — 9. Wahlperiode — 132. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 1. Dezember 1982 8209
Kroll-Schlüter
Wir haben die Gebührenordnung für Ärzte enger gefaßt.
— Die konkrete endgültige Maßnahme ist durch diese Regierung getroffen worden. Das werden Sie doch nicht bestreiten können.
Wir sind auf dem Wege zu mehr Eigenverantwortung in allen gesellschaftlichen Bereichen, nicht nur im Gesundheitsbereich. Und wir möchten, daß Eigenverantwortung auch zu Direktbeteiligung führt. Direktbeteiligung soll nicht zur Stopfung von Haushaltslöchern führen, sondern
zur Stabilisierung, wenn möglich, zur Reduzierung der Beiträge, z. B. der Krankenversicherungsbeiträge. Es ist oft genug in der öffentlichen Diskussion betont worden: In den vergangenen 13 Jahren ist dieser Staat zu einem Steuer- und Abgabenstaat geworden. Die Belastungen sind teilweise unerträglich. Und die Bürger haben das natürliche Gefühl, von dem, was sie abgeben, auf irgendeinem Wege wieder etwas hereinholen zu sollen.
Und es ist die große Versuchung, die Sie ihnen auferlegt haben, z. B. über die Apotheke das eine oder andere wieder hereinbekommen zu können. Dieser Weg muß unterbrochen werden.
Wir sind uns klar darüber, daß die Kurzfristigkeit auch den einen oder anderen Mangel zur Folge hat. Aber wir sind mit unseren Maßnahmen auf dem richtigen Wege, auch weil wir den Bürger anders sehen als Sie, weil wir ihm zutrauen, daß er Selbstbeteiligung in Eigenverantwortung in rechter Weise zu handhaben weiß.
Zur Belastung des kleinen Mannes, die Sie hier zeichnen: Vielleicht erkundigen Sie sich einmal beim nordrhein-westfälischen Ministerpräsidenten Rau, der dieser Tage ausdrücklich gesagt hat: In keiner Phase der Nachkriegspolitik ist den Unternehmen soviel Geld staatlicherseits zugeflossen wie in den vergangenen 13 Jahren — und das in einer Phase, als das Realeinkommen der Arbeitnehmer gesunken ist. Diese 40 Milliarden DM für die größeren Unternehmen haben vor allem die kleinen Steuerzahler aufgebracht.
— Ich zitiere nur Herrn Rau, der das in aller Eindringlichkeit, Direktheit und Offenheit gesagt hat. Sie sollten mit ihm abrechnen, wenn Sie sagen, daß das nicht stimme.
Das ganze hat sich doch langsam zu einem System ausgeweitet, nach dem Motto: Wer bedürftig ist, schaut nicht mehr durch, und wer durchschaut, ist nicht immer bedürftig. — Das ist doch die ganze
Krux. Und deswegen gilt es, wieder mehr Offenheit und Ehrlichkeit, Direktverantwortung auch im Gesundheitswesen zu praktizieren. Auf diesem Wege sind wir, und auf diesem Wege der Eigenverantwortung der Bürger werden wir, auch in ihrem Interesse, gute Erfolge erzielen. — Vielen Dank.