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    Plenarprotokoll 9/127 Deutscher Bundestag Stenographischer Bericht 127. Sitzung Bonn, Donnerstag, den 11. November 1982 Inhalt: Ausscheiden der Abg. Frau Matthäus- Maier aus der Fraktion der FDP . . . . 7743 A Wahl der Abg. Dr. Hackel und Schwarz zu Stellvertretern in der Parlamentarischen Versammlung des Europarates 7743 A Gedenkworte für den verstorbenen Generalsekretär des Zentralkomitees der Kommunistischen Partei der Sowjetunion und Vorsitzenden des Präsidiums des Obersten Sowjets der Union der Sozialistischen Sowjetrepubliken, Leonid Iljitsch Breschnew 7786 B Fortsetzung der Beratung der von der Bundesregierung beschlossenen Ergänzung zum Entwurf eines Gesetzes über die Feststellung des Bundeshaushaltsplans für das Haushaltsjahr 1983 (Anlage zum Entwurf des Haushaltsgesetzes 1983 — Drucksache 9/1920) — Drucksache 9/2050 — in Verbindung mit Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes über die Feststellung eines Zweiten Nachtrags zum Bundeshaushaltsplan für das Haushaltsjahr 1982 (Zweites Nachtragshaushaltsgesetz 1982) — Drucksache 9/2049 — in Verbindung mit Erste Beratung des von den Fraktionen der CDU/CSU und FDP eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Wiederbelebung der Wirtschaft und Beschäftigung und zur Entlastung des Bundeshaushalts (Haushaltsbegleitgesetz 1983) — Drucksache 9/2074 — in Verbindung mit Erste Beratung des von den Fraktionen der CDU/CSU und FDP eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Erhöhung des Angebots an Mietwohnungen — Drucksache 9/2079 — in Verbindung mit Erste Beratung des von der Fraktion der SPD eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes über eine Ergänzungsabgabe zur Einkommensteuer und zur Körperschaftsteuer (Ergänzungsabgabegesetz) — Drucksache 9/2016 — in Verbindung mit Beratung des Sondergutachtens des Sachverständigenrates zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung zur wirtschaftlichen Lage im Oktober 1982 — Drucksache 9/2027 — Dr. Dregger CDU/CSU 7743 D Frau Simonis SPD 7754 C Hoppe FDP 7761 B Dr. Stoltenberg, Bundesminister BMF . 7764C, 7857 B Dr. von Dohnanyi, Erster Bürgermeister der Freien und Hansestadt Hamburg . . 7768 D II Deutscher Bundestag — 9. Wahlperiode — 127. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 11. November 1982 Dr. Graf Lambsdorff, Bundesminister BMWi 7778A Dr. Ehrenberg SPD 7786 C Dr. Blüm, Bundesminister BMA . . . 7791 A Rappe (Hildesheim) SPD 7799 C Müller (Remscheid) CDU/CSU 7802 D Cronenberg FDP 7806 D Dr. Geißler, Bundesminister BMJFG . 7809 D, 7821C Jaunich SPD 7818 D Höpfinger CDU/CSU 7821 D Eimer (Fürth) FDP 7825 B Frau Schmidt (Nürnberg) SPD 7826 C Daweke CDU/CSU 7831 D Rossmanith CDU/CSU 7833 B Graf von Waldburg-Zeil CDU/CSU . . 7834 B Frau von Braun-Stützer FDP 7835 C Kuhlwein SPD 7837 C Frau Dr. Wilms, Bundesminister BMBW 7839 D Lennartz SPD 7842A Dr. Struck SPD 7845 B Deres CDU/CSU 7849 B Purps SPD 7850 C Hoffmann (Saarbrücken) SPD 7853 A Erste Beratung des von den Fraktionen der CDU/CSU, SPD und FDP eingebrachten Entwurfs eines Dritten Gesetzes zur Änderung des Berlinförderungsgesetzes — Drucksache 9/2086 — Kittelmann CDU/CSU 7858 D Dr. Spöri SPD 7860 B Dr. Solms FDP 7862 A Lorenz, Parl. Staatssekretär BK . . . 7863 B Nächste Sitzung 7864 C Anlage Liste der entschuldigten Abgeordneten . 7865* A Deutscher Bundestag — 9. Wahlperiode — 127. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 11. November 1982 7743 127. Sitzung Bonn, den 11. November 1982 Beginn: 9.00 Uhr
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    Deutscher Bundestag — 9. Wahlperiode —127. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 11. November 1982 7865" Anlage zum Stenographischen Bericht Anlage Liste der entschuldigten Abgeordneten Abgeordnete(r) entschuldigt bis einschließlich Dr. van Aerssen 12. 11. Dr. Böhme (Freiburg) 12. 11. Büchner (Speyer) " 11. 11. Haar 12. 11. Immer (Altenkirchen) 12. 11. Junghans 12. 11. Dr. Lenz (Bergstraße) 12. 11. Frau Dr. Neumeister 11. 11. Picard 12. 11. Schulte (Unna) 12. 11. Voigt (Sonthofen) 12. 11. Dr. Wendig 12. 11. Dr. Wieczorek 12. 11. ' für die Teilnahme an Sitzungen der Parlamentarischen Versammlung der Europarates
  • insert_commentVorherige Rede als Kontext
    Rede von Dr. Norbert Blüm


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (CDU)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CDU)

    Herr Präsident, meine Erfahrung ist: Wenn ich Zwischenfragen zulasse, komme ich nicht an das Ende meiner Rede. Deshalb, so würde ich



    Bundesminister Dr. Blüm
    sagen, lassen Sie mich zunächst einmal meine Rede vortragen.

    (Beifall bei der CDU/CSU)

    Meine Damen und Herren, ich fürchte, wir haben auch einen Teil der Umstellung in der Welt verschlafen, regelrecht verschlafen. Es hat ja eine gigantische Umverteilung auf der Welt stattgefunden. Die Ölländer haben sich einen größeren Teil des Kuchens geholt; er ist größer als der, den früher die Dritte Welt entnahm. Die Rohstoffe haben sich verteuert. Nur, meine Damen und Herren: Was uns der Ölschock und die Energiekrise genommen haben, haben wir uns nicht vom Konsum abgezwackt, das haben wir uns von den Investitionen abgezwackt.

    (Zuruf von der CDU/CSU: So ist es!)

    Die Umverteilung ist auf Kosten unserer Investitionen gegangen.
    Das kann ich sehr leicht nachweisen. Die Investitionsquote ist von 1970 bis 1982 um 5 % zurückgegangen. Das wären 80 Milliarden DM mehr Investitionen gewesen. Dann bräuchten Sie heute kein Beschäftigungsprogramm. Wahrscheinlich hätten wir auch keine Arbeitslosen.

    (Gobrecht [SPD]: So einfach ist das!)

    Die Eigenkapitalquote in den Firmen ist von 1967 mit 30 % auf 21 % zurückgegangen. Mit anderen Worten: Wir haben den Konsum, die alten Gewohnheiten fortgesetzt und haben bei den Investitionen gespart. Das ist so ähnlich, als wollte ein Bauer in der Not sein Saatgut verfuttern. Das wäre ein dummer Bauer.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

    Die Umstellung ist uns erspart geblieben, weil die Regierung nicht die wahre Lage geschildert hat, weil sie über alle neuen Erfordernisse heiapopeia hinweggegangen ist. Das ist vorbei. Wir sagen die Wahrheit, damit die Umstellung von jedermann erkannt werden kann.
    Im übrigen halte ich angesichts dieser Zahlen den Vorwurf, wir hätten uns kaputtgespart, für verfehlt. Wir haben uns in der Vergangenheit bestenfalls kaputtkonsumiert, aber kaputtgespart haben wir uns nicht. Wir wollen uns gesundinvestieren. Das ist unsere Politik!

    (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

    Meine Damen und Herren, wie man bei über 40 Milliarden DM Neuverschuldung sagen kann, wir würden uns kaputtsparen, verstehe ich nicht. Stellen Sie sich vor, ein Arbeitnehmer, der 2 000 DM verdient, macht 16 % Schulden. Das entspricht ja ungefähr der Relation zwischen Haushalt und Neuverschuldung. Dann hätte er im Jahr, wenn ich richtig gerechnet habe, 3 840 DM Schulden gemacht. Würden Sie diesem Arbeitnehmer sagen, er hätte sich kaputtgespart? Das wäre doch völlig aus der Luft gegriffen.

    (Heiterkeit bei der CDU/CSU)

    Insofern, meine Damen und Herren, trifft der Vorwurf des Kaputtsparens nicht unsere Haushaltspolitik, von der ich zugebe, daß sie den mittleren Weg
    zwischen einer angebotsorientierten und einer nachfrageorientierten Politik zu gehen versucht. Ich jedenfalls glaube, die beste nachfrageorientierte Politik besteht darin, daß wir den geburtenstarken Jahrgängen neue Arbeitsplätze beschaffen, auf denen sich viel Geld verdienen läßt, jedenfalls mehr, als man als Arbeitsloser erhalten würde. Das ist die beste Konsumnachfrage, die wir schaffen können: Arbeit und damit Nachfrage derjenigen, die Arbeit haben.

    (Beifall bei der CDU/CSU)

    Herr Kollege Ehrenberg hat j a meinen Vorschlag bezüglich einer Lohnpause aufgegriffen. Ich will der Vollständigkeit halber sagen, daß er nur die halbe Wahrheit vorgetragen hat.

    (Zurufe von der SPD)

    Halbe Wahrheiten sind immer gefährlich. Ich habe immer von Lohn- und Preispausen gesprochen. Ich habe nie von einseitigen Opfern der Arbeitnehmer gesprochen. Es ist ja gerade mein Vorschlag, daß das Opfer, das die Rentnerin bringt, Maßstäbe setzt. Wieso sollen denn eigentlich nur Kriegsopfer eine halbjährige Verzögerung bei der Anpassung hinnehmen? Wieso geht nicht ein Ruck durch die Nation unter der Beweislast, daß die Rentnerin mit wenig Rente ihre Erhöhung ein halbes Jahr später bekommt? Muß jetzt nicht jeder mitmachen, wenn er sich nicht als Egoist entlarven will?

    (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

    Meine Damen und Herren, es gibt Leute, die sagen: Das mit den Preisen geht doch gar nicht. — Ich will das doch gar nicht so wie Ihr sozialistischer Genosse Mitterrand machen. Der macht das mit gesetzlichem Zwang. Davon bin ich weit entfernt. Wenn Sie sich darüber beschweren wollen, dann bin ich die falsche Adresse für Lohn- und Preisstopp. Ich will Umstellung freiwillig. Im übrigen haben auch die Sachverständigen darauf hingewiesen, daß man mit Revisionsklauseln in den Tarifverträgen sogar das Kunststück fertigbringen könnte, das Interesse an Preis- und Lohnstabilität unter einem Dach zu versammeln. Das wäre doch einmal etwas ganz Neues. Was haben Arbeitnehmer denn von einer 5 %igen Lohnerhöhung, wenn sie anschließend durch eine 6 %ige Preiserhöhung wieder wettgemacht wird? Was haben Arbeitnehmer davon?

    (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP — Gobrecht [SPD]: Omnipotent!)

    In Vorausschau dessen, was Sie hier vortragen, Herr Ehrenberg, habe ich mir vom DGB die Liste beschafft, aus der Sie zitiert haben. In der Tat steht im DGB-Bericht „Tarifbewegung 1968" über die IG Metall:
    Die zum 30.6. 1967 (Bayern: 30.9. 1967) fristgerecht gekündigten Verträge wurden Ende 1967 bzw. Anfang 1968 mit Tariflohnersatz- und Lohnrahmenänderungen bis zum 31. 3. 1968 (Bayern: 31.5. 1968) wieder in Kraft gesetzt, bei denen
    — Herr Ehrenberg, hören Sie zu, Zitat DGB —



    Bundesminister Dr. Blüm
    ausdrücklich vereinbart wurde, daß sie sich nicht auf die Effektivverdienste auswirken sollten.
    Mit anderen Worten: Effektiv war das eine Lohnpause, so wie das die ÖTV mit sechs Monaten gemacht hat, so wie das im Bereich Bau mit drei Monaten, im Bereich Textil mit sieben Monaten gemacht wurde.

    (Zurufe von der SPD)

    Wenn Sie mich unbedingt reizen wollen, lese ich noch mehr aus dem DGB-Bericht vor.

    (Heiterkeit bei der CDU/CSU)

    Im Gesamtüberblick über die Tarifbewegung 1967 steht da:
    Für fast die Hälfte der Arbeitnehmer wurden die vereinbarten Lohn- und Gehaltserhöhungen ein Vierteljahr nach dem Kündigungstermin des vorangegangenen Vertrags wirksam. 36 % der Arbeitnehmer mußten Verzögerungen von vier bis zwölf Monaten hinnehmen. Für nur 13 % traten die Lohn- und Gehaltserhöhungen fristgerecht in Kraft.
    Das war 1967. Ich stütze mich auf Berichte aus dem DGB, sehr verehrter Herr Kollege Ehrenberg.
    Im übrigen machen das kluge Gewerkschaften auch in Amerika, natürlich — und darauf lege ich Wert — für Gegenleistungen — umsonst fordert das niemand —, für Gegenleistungen der Arbeitgeber in der Vermögenspolitik, auch in der Arbeitszeitpolitik. Ich meine, wir müssen jetzt alle über unseren Schatten springen. Die alten, ausgetretenen Wege haben dorthin geführt, wo wir heute sind, nämlich in die Krise. Es besteht keine Hoffnung, daß wir auf denselben Wegen zurück wieder aus der Krise herauskämen. Wir brauchen neue Wege.

    (Beifall bei der CDU/CSU und bei der FDP)

    Freilich denke ich, daß sich die Investitionen, die durch eine zurückhaltende Lohnpolitik möglich gemacht werden, auch bei den Arbeitnehmern als Vermögen niederschlagen müssen. Es ist nicht zumutbar, daß sich die Arbeitnehmer in der Lohnpolitik zurückhalten und das entstehende Vermögen an ihnen vorbeigeht. Wenn die Arbeitnehmer durch ihre Arbeit und durch ihre Lohnpolitik Investitionen ermöglichen, dann ist es ein Gebot der Gerechtigkeit, daß nun endlich Vermögensbildung in Arbeitnehmerhand zum Durchbruch kommt.

    (Beifall bei der CDU/CSU und bei der FDP)

    Wir wollen keine altmarxistischen Sperren gegen die Vermögensbildung in Arbeitnehmerhand. Wir wissen, Arbeitnehmer können genausogut wie jeder andere Stand mit Vermögen und Eigentum umgehen. Deshalb werden wir einen Gesetzentwurf zur Vermögensbildung in Arbeitnehmerhand vorbereiten und vorlegen.
    Meine Damen und Herren, sicherlich gibt es keinen Königsweg, kein Zaubermittel, um Arbeitslosigkeit zu beseitigen. Investitionen stehen bei uns im Vordergrund. Aber keineswegs ist damit schon alles gelöst. Ich glaube auch, daß wir noch bildungspolitische Anstrengungen unternehmen müssen. Ich will mich ausdrücklich dem Appell von Graf Lambsdorff anschließen, dem Appell an die Wirtschaft, auch in diesen Krisenzeiten, in den Zeiten, in denen geburtenstarke Jahrgänge vor der Türe stehen, mehr auszubilden, als im Augenblick notwendig ist. Ausbildung auf Vorrat, das ist ein Gebot der Solidarität und einer weitsichtigen Unternehmenspolitik.

    (Beifall bei der CDU/CSU)

    Den Eltern und jungen Mitbürgern kann man nur sagen: Ein Beruf ist immer noch besser als kein Beruf. Wer einen Beruf lernt, auch wenn es nicht sein Traumberuf ist, hat bessere Voraussetzungen, später dorthin zu kommen, wo sein Wunschziel ist, als dann, wenn er es aufgibt und nichts lernt.
    Ich erkläre mich ausdrücklich auch zu dem Programm, das wir in der Regierungserklärung vorgelegt haben, die flexible Altersgrenze zu senken. Ich trage das hier nicht nur als eine arbeitsmarktpolitische Defensive vor, sondern sehe darin ein Stück Humanisierung des Arbeitslebens. Der einzelne soll selbst bestimmen, wann sein Pensionsdatum ist. Das ist ein Stück mehr Freiheit im Arbeitsleben. Das schafft uns auch die Zwänge vom Hals, in denen die Industriegesellschaft die Lebensalter bisher voneinander abgeschottet hat: Jugend vom Erwachsenenalter, Erwachsenenphase vom Rentenalter. Wir müssen die Übergänge wieder natürlicher gestalten. Wir müssen die Lebensrhythmen mit dem Arbeitsrhythmus verbinden. Die Technik beinhaltet nicht nur die Bedrohung von Arbeitsplätzen, sondern bietet auch die Möglichkeit, die Arbeitsplätze mehr dem Bedürfnis, dem Lebensrhythmus der Menschen anzupassen. Im Zusammenhang mit den Bemühungen um Senkung der flexiblen Altersgrenze sei gesagt: Zwei Zahlen sind doch Alarmzeichen: Nur 11 % der Arbeitnehmer erreichen mit 65 Jahren die Rente. Alle anderen sind schon früher in die Rente gegangen, 50 % über Erwerbsunfähigkeit oder Berufsunfähigkeit. Wenn wir das nicht gesetzlich regeln, bleiben nur noch die Arbeitnehmer übrig, die in einem Großbetrieb arbeiten, der die 60jährigen über einen Sozialplan in den Ruhestand befördert; und diese Sozialpläne werden über die Preise auch von den Arbeitnehmern in den kleinen Betrieben, die sich solche Sozialpläne nicht leisten können, mitbezahlt.

    (Zustimmung bei der CDU/CSU)

    Es bleiben dann die Arbeitnehmer übrig, die Hemmungen haben, zum Amtsarzt zu gehen und sich vorzeitig in den Ruhestand versetzen zu lassen. Das kann j a unsere Antwort nicht sein!
    Meine Damen und Herren, „kaputtsparen" war der eine Vorwurf, „Umverteilung von unten nach oben" der andere. Wie kann man das sagen, wenn man 300 Milliarden Schulden zurückläßt? Wie kann man sagen, jetzt beginne eine Umverteilung von unten nach oben? Meine Damen und Herren, Sie haben diese Umverteilung doch perfektioniert.



    Bundesminister Dr. Blüm
    Schuldenpolitik ist doch eine Politik auf dem Rükken der kleinen Leute. Das weiß doch jedermann.

    (Lebhafter Beifall bei der CDU/CSU und Beifall bei der FDP)

    Nicht die kleinen Leute haben die billigen Zinstitel erworben, die der Staat zur Verfügung stellt. Das waren nicht die kleinen Leute, nicht die Sozialhilfeempfänger, nicht die Rentner. Diese Schuldenpolitik haben Sie doch auf den Knochen gerade der kleinen Leute finanziert, und deshalb war das, was Sie gemacht haben, eine Politik, die von unten nach oben umverteilte.

    (Zustimmung bei der CDU/CSU — Zuruf von der SPD: Wo haben Sie das denn gelesen?)

    Meine Damen und Herren, zum Abschluß will ich mit ein paar Bemerkungen die Gelegenheit nutzen, einiges richtigzustellen. Der DGB hat j a gegen diese Politik — „kaputtsparen", „Umverteilung von unten nach oben" — und gegen das, was die Regierung vorlegt, in den letzten Wochen eine ganze Reihe von Demonstrationen veranstaltet. Ich will dazu nur folgendes sagen, und ich wende mich dabei gerade an meine Kollegen draußen,

    (Zuruf von der SPD: Haben Sie welche?)

    weil wir Information nicht zur Agitation degenerieren lassen sollten.

    (Zustimmung bei der CDU/CSU)

    Ich habe eine Reihe von Falschmeldungen, mit denen Arbeitnehmer zu Protesten veranlaßt werden, richtigzustellen. Hans Mayr, stellvertretender Vorsitzender der IG Metall, schreibt am 20. Oktober in der Metall-Zeitschrift, das Arbeitslosengeld sei gekürzt. Richtig ist: Vor und nach der Regierungsbildung betragen das Arbeitslosengeld 68% und die Arbeitslosenhilfe 58 %.

    (Hört! Hört! bei der CDU/CSU)

    Zum anderen schreibt die Metall-Zeitung in der gleichen Ausgabe auf Seite 8:
    Die Arbeitslosen: Ihre spätere Rente wird erheblich gekürzt (18 DM monatlich Rentenverlust für einen Durchschnittsverdiener pro Jahr Arbeitslosigkeit), weil die Bundesanstalt für Arbeit niedrigere Beiträge an die Rentenversicherung überweist.
    Richtig ist, daß wir das nicht auf die Rente durchschlagen lassen, daß beim Arbeitslosengeld nichts gekürzt wird. Die alte Regierung hatte vorgesehen, daß sich Arbeitslosigkeit mit 9 DM weniger Rente niederschlägt. Offensichtlich rechnet die IG Metall so: Die SPD hat „9 DM" gesagt, das nehmen wir mal zwei, also 18 DM, dann muß es bei der CDU landen.

    (Heiterkeit bei der CDU/CSU)

    Anders kann ich mir so etwas nicht vorstellen. Das ist Arbeiterverdummung, und gegen die wehre ich mich. Das machen wir nicht.

    (Lebhafter Beifall bei der CDU/CSU und Beifall bei der FDP)

    Eugen Loderer hat das in der November-Ausgabe der Funktionärszeitschrift der Gewerkschafter wiederholt: Auch mit Renteneinbußen werden die Arbeitslosen bestraft. Gestern hat der Hauptkassierer der IG Metall dasselbe behauptet: Rentenkürzungen im Alter.
    Meine Damen und Herren, all diese Behauptungen, mit denen Arbeiter zu Protesten veranlaßt wurden, stimmen nicht, und deshalb sind die Arbeitnehmer mit Falschmeldungen zu Protesten bewegt worden.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

    Fritz Steinkühler schreibt in der „Hamburger Morgenpost" vom 30. Oktober: Wenn Karenztage im Krankheitsfall wieder eingeführt werden, wird es zum Streik kommen. — Ja, wer will sie denn einführen?

    (Zuruf von der SPD: Sie!)

    In keiner Regierungserklärung, in keiner Koalitionsvereinbarung steht das, und ich erkläre hier: Karenztage wird es mit dem Arbeitsminister Norbert Blüm nicht geben. Schminken Sie sich den dauernden Versuch ab, sich eine Vogelscheuche zu bauen, auf die Sie einschlagen können!

    (Beifall bei der CDU/CSU)

    Sie können sich Ihre Gegner nicht so machen, wie Sie sie gern hätten; Sie müssen schon bei den Tatsachen bleiben.

    (Zuruf des Abg. Kühbacher [SPD])

    Für die DGB-Kundgebung in Stuttgart ist ein Flugblatt verteilt worden, in dem stand, daß Lohnfortzahlung eingeschränkt, Mutterschaftsgeld abgeschafft und das Arbeitslosengeld gekürzt wird: Drei Meldungen, dreimal falsch, kann ich da nur sagen. Das kann bei keiner Einheitsgewerkschaft ungestraft durchgehen.

    (Lebhafter Beifall bei der CDU/CSU — Zurufe von der SPD)

    Meine Damen und Herren, ich bin für harte Auseinandersetzungen. Das gehört zur demokratischen Diskussion. Nur fair muß sie bleiben. Ich appelliere nur an das Fairneßgefühl der Arbeitnehmer, weil ich sicher bin, die große Mehrheit der Arbeitnehmer will eine faire Auseinandersetzung über die Sache und keine Verteufelung.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

    Ich bin ebenso sicher, daß die Zahl derjenigen, auch wenn sie lautstark sind, die den Klassenkampf wollen, ganz klein ist. Das ist eine Randgruppe in der Arbeitnehmerschaft.

    (Zurufe von der SPD: Das machen Sie doch! — Weiterer Zuruf von der SPD: Sie machen doch Klassenkampf von oben!)

    Ich bin dessen sicher, was unsere Großeltern, was alle, die vor uns waren, wußten: In Notzeiten muß man zusammenstehen. Wenn das Haus brennt, kann man nicht streiten,

    (Zurufe von der SPD)




    Bundesminister Dr. Blüm
    1 wenn es stürmt auf See, muß die Mannschaft zusammenhalten. Ich weiß auch, die Regierung allein wird es nicht schaffen. Die Gewerkschaften allein werden es auch nicht schaffen. Die Arbeitgeber werden es auch nicht schaffen. Je mehr wir zusammenstehen, um so schneller sind wir aus der Krise heraus.

    (Beifall bei der CDU/CSU — Zuruf des Abg. Walther [SPD] sowie weitere Zurufe von der SPD)

    Deshalb bedanke ich mich bei all denjenigen, die
    ihren Beitrag geleistet haben. Ich bedanke mich
    ausdrücklich bei den Ärzten für die Honorarpause.

    (Lachen und lebhafte Zurufe von der SPD)

    Im übrigen kann ich Sie beruhigen: diese Bundesregierung hat gestern abend eine Gebührenordnung beschlossen, die nicht den Wünschen der Ärzte entspricht. Auch in dieser Situation sind nirgendwo Nachgiebigkeiten zu erwarten. Dasselbe Opfer, das wir von der Rentnerin verlangen, das erwarten wir von jedermann. Deshalb werden wir in dieser Situation niemandem zu Gefallen handeln.
    Ich bedanke mich beim Bundesverband der Deutschen Arbeitgeberverbände, der die Vorstandsmitglieder, die außertariflich Angestellten zu Einkommensverzichten aufgefordert hat. Ich würde mir wünschen, daß noch mehr von Arbeitgeberseite geliefert wird: Einstellungen, Preisstabilität, ganz undogmatische Gespräche mit den Gewerkschaften auch über die Frage, wie wir aus der Misere herauskommen.
    Ich bedanke mich bei den Kirchen. Die evangelische Synode hat sehr beachtenswert über die Solidarität der Arbeitsbesitzer mit den Arbeitslosen und von der Notwendigkeit der Lohnzurückhaltung gesprochen. Die katholische Kirche fordert zum Solidaritätspakt auf. Meine Damen und Herren, wir brauchen so etwas wie einen moralischen Rückenwind. Eine Politik, die Geschenke verteilt, ist populär. Die braucht keinen moralischen Rückenwind. Wir brauchen für die Politik, die gegen Gewohnheiten geht, für eine Politik, die unkonventionell ist, für eine Politik, die nicht bequem ist, moralischen Rückenwind.

    (Zurufe von der SPD)

    Ich zitiere einen Mann, der für mich eine hohe moralische Autorität ist und der in der Arbeitnehmerbewegung über jeden Verdacht erhaben ist: Nell-Breuning. Er hat von viel mehr gesprochen. Er hat nicht von Lohnpause, sondern von Lohnverzicht gesprochen. Er hat davon gesprochen, daß man Arbeit und Lohn teilen müsse. Ich bin sicher, daß sich die Einsicht weiter herumgesprochen hat, daß es nicht einfach so weitergeht wie bisher. Deshalb bin ich Optimist. Ich bin ein grenzenloser Optimist.

    (Zuruf von der SPD: Karnevalist!)

    Ich glaube, daß die Mehrheit der Bevölkerung die Notwendigkeit der Opfer, die Bereitschaft zur Gemeinsamkeit versteht. Deshalb lade ich alle ein, auch die, mit denen gestritten werden muß, einen Strich unter die vergangenen Auseinandersetzungen zu ziehen und an den Tisch der Vernunft zu kommen, Gewerkschaften, Arbeitgeber und Regierung: Laßt uns miteinander reden, wie wir den Arbeitslosen helfen können.

    (Anhaltender lebhafter Beifall bei der CDU/CSU und Beifall bei der FDP — Zuruf von der SPD: Helau!)



Rede von Georg Leber
  • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (SPD)
  • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)
Als nächster Redner hat das Wort Herr Abgeordneter Rappe.

  • insert_commentNächste Rede als Kontext
    Rede von Hermann Rappe


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (SPD)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)

    Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Herr Minister, Sie haben heute wieder eine Rede gehalten,

    (Zuruf von der CDU/CSU: Die Spitze war!)

    die etwa der Rede gleicht, die Sie im Rahmen der Debatte über die Regierungserklärung am Freitagvormittag gehalten haben. Es war eine Rede mit dem notwendigen, Ihnen eigenen Schuß Demagogie. Das gibt ja dann auch Beifall von Ihren Freunden, aber es trägt möglicherweise nicht sehr zur Sache bei.

    (Beifall bei der SPD)

    Nun, meine Damen und Herren, ich will zunächst einmal ein paar Stichworte aufnehmen und versuchen, dazu ein paar Gedanken zu entwickeln — und das nicht nur, wie Sie wissen, Herr Minister, in der Funktion, in der ich hier stehe, sondern auch noch im Rahmen der anderen Verantwortung.
    Sie sind — das muß man, glaube ich, vorausschikken — der erste Arbeitsminister, der bedauerlicherweise versucht, zwischen Gewerkschaftsmitgliedschaft in den Betrieben — vielleicht sogar der Arbeitnehmerschaft — und ihren gewählten Funktionären zu trennen.

    (Zurufe von der CDU/CSU)

    Ich finde, meine Damen und Herren, dies sollten wir einmal in Ruhe durchdenken. Vielleicht gibt es ein paar Gedanken, die uns einander näherbringen.
    Die Kundgebungen, die der Deutsche Gewerkschaftsbund durchgeführt hat und die hier nun fast jeder Redner von Ihnen kommentiert, sind zunächst einmal ganz vernünftig und demokratisch vorbereitete und abgelaufene Demonstrationen — im Gegensatz zu manchen anderen im Lande.

    (Beifall bei der SPD)

    Sie sind Ausdruck einer demokratisch und politisch verantwortlichen Organisation.
    Weiter: Diese Kundgebungen — das ist richtig, das könnten wir vielleicht auch einmal aus dem Feuer nehmen — sind Anfang September in einer DGB-Bundesausschußsitzung geplant worden, bei der ich anwesend war. Sie sind damals ausweislich des Protokolls des Bundesausschusses für drei Problembereiche festgelegt worden:

    (Dr. Becker [Frankfurt] [CDU/CSU]: Gegen die Regierung Schmidt/Genscher!)

    erstens an die Adresse der alten Koalition wegen
    bestimmter Koalitionskompromisse, zweitens an



    Rappe (Hildesheim)

    die Adresse der Landesregierungen, sprich: Bundesratsmehrheit, drittens zur Mobilisierung der Mitbestimmungskampagne des DGB unter dem Stichwort „Mehr Mitbestimmung", auch als Antwort der Gewerkschaften mit Blick auf die Krisenbekämpfung.

    (Lachen und Zurufe von der CDU/CSU)

    Diese drei Punkte sind festgehalten worden; sie sind Gegenstand der geplanten Kundgebungen gewesen.
    Auch fand ein Gespräch des DGB-Bundesvorstandes mit der SPD-Bundestagsfraktion am 2. September statt. Vor weiteren allgemeinen Verurteilungen der Gewerkschaften würde ich doch empfehlen, sich einen bestimmten Absatz des Protokolls über dieses Gespräch vor Augen zu führen. Da heißt es nämlich:
    Beide Seiten erkennen an, daß in Zeiten geringeren Wachstums auch der Sozialetat nicht von notwendigen Kürzungen ausgenommen werden kann. Die sozialökonomische Krise kann, insbesondere bei einer damit einhergehenden Verschärfung des innenpolitischen Machtkampfes, aber nur bewältigt werden, wenn eine ausgewogene, gerechte Verteilung der Lasten erreicht wird. Die sozialdemokratische Bundestagsfraktion wird auf der Basis der am 30. Juni 1982 gebilligten Eckdaten, die durch einen Kompromiß von SPD und FDP zustande gekommen sind, den Haushaltsplan insbesondere unter diesem Aspekt der sozialen Gerechtigkeit prüfen und beraten.
    Das war Gegenstand der Entscheidung und Ergebnis des Gesprächs zwischen SPD-Bundestagsfraktion und DGB-Vorstand. Mit uns, insbesondere mit denjenigen Sozialdemokraten, die gewerkschaftlich engagiert sind, braucht also niemand darüber zu diskutieren, daß es in der Bundesrepublik weltwirtschaftliche Schwierigkeiten gibt, mit einem technologischen Prozeß einhergehend, der j a auch Arbeitsplätze kostet. Das ist doch eine Sache, über die wir nicht zu streiten brauchen.
    Der Streitpunkt war die Frage, wie man denn die Krise bekämpft und was wir an Krisenbekämpfungsmaßnahmen von einer Bundesregierung erwarten und verlangen. Sie kennen doch die Stellungnahmen des Deutschen Gewerkschaftsbundes. Wir haben jede Krisenbekämpfungsstation, von 1974 an bis Mitte 1982, auch über den Weg höherer Staatsverschuldung und notwendiger Sparmaßnahmen auf verschiedenen Sektoren, voll gebilligt.
    Ich will Ihnen als Sozialdemokrat noch einmal sagen: Die Staatsverschuldung, die die alte Bundesregierung eingegangen ist,

    (Zuruf von der CDU/CSU: War zu hoch!)

    war kein Fehler, sondern gewollte Politik einer bestimmten Strategie der Krisenbekämpfung.

    (Beifall bei der SPD — Zurufe von der CDU/CSU)

    — Ruhig Blut! Sie können sich mit mir doch ganz
    ruhig unterhalten. Das muß doch nicht durch Zwischenrufe geschehen. Machen Sie doch weiterhin Debattenbeiträge!
    Die zweite Frage, die uns trennt, ist doch die, wie denn die Staatsverschuldung zurückgezahlt werden muß, und zwar unter Beachtung des Art. 115 des Grundgesetzes. Da aber — das weiß ich — juckt es natürlich Konservative, weil es da um die Frage von Privatquote und Sozialstaatsquote geht. Das ist mir völlig klar. Aber Sie können doch nicht erwarten, daß die Gewerkschaften oder diejenigen Sozialdemokraten, die gewerkschaftliche Positionen vertreten, diesen Zustand in gleicher Weise bejammern, wie Sie es aus ganz anderen, konservativen finanzpolitischen Überlegungen tun.

    (Beifall bei der SPD — Abg. Gerster [Mainz] [CDU/CSU] meldet sich zu einer Zwischenfrage)