Rede:
ID0912228600

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    Plenarprotokoll 9/122 Deutscher Bundestag Stenographischer Bericht 122. Sitzung Bonn, Donnerstag, den 14. Oktober 1982 Inhalt: Fortsetzung der Aussprache über die Erklärung der Bundesregierung Dr. Graf Lambsdorff, Bundesminister BMWi 7293A, 7336A, 7380 B Engholm SPD 7303B Dr. Waigel CDU/CSU 7307 D Dr. von Dohnanyi, Erster Bürgermeister der Freien und Hansestadt Hamburg . . 7313A Gattermann FDP 7319A, 7407 D Dr. h. c. Strauß, Ministerpräsident des Freistaates Bayern 7322 D Brandt (Grolsheim) SPD 7336 C Dr. Schnoor, Minister des Landes Nordrhein-Westfalen 7341 C Dr. Miltner CDU/CSU 7349 B Dr. Hirsch FDP 7352 C Dr. Zimmermann, Bundesminister BMI 7357 A Dr. Emmerlich SPD 7359 B Kleinert FDP 7362 C Erhard (Bad Schwalbach) CDU/CSU . 7365 C Engelhard, Bundesminister BMJ . . . 7383 C Roth SPD 7373A Hauser (Krefeld) CDU/CSU 7376 C Dr. Haussmann FDP 7378 D Frau Matthäus-Maier FDP 7383 C Möllemann FDP 7387 A Frau Fuchs SPD 7387 B Frau von Braun-Stützer FDP 7390 C Kuhlwein SPD 7393 A Daweke CDU/CSU 7395 D Frau Dr. Wilms, Bundesminister BMBW 7398 C Waltemathe SPD 7402 C Dr. Möller CDU/CSU 7405 B Dr. Schneider, Bundesminister BMBau 7408 D Erklärungen nach § 30 GO Stiegler SPD 7335C, 7413 C Dr. Ehmke SPD 7413 D Nächste Sitzung 7414C Anlage Liste der entschuldigten Abgeordneten . 7415 *A Deutscher Bundestag — 9. Wahlperiode — 122. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 14. Oktober 1982 7293 122. Sitzung Bonn, den 14. Oktober 1982 Beginn: 9.00 Uhr
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    Anlage zum Stenographischen Bericht Anlage Liste der entschuldigten Abgeordneten Abgeordnete(r) entschuldigt bis einschließlich Dr. van Aerssen * 15. 10. Dr. Ahrens ** 15. 10. Coppik 15. 10. Dr. Geßner ** 15. 10. Haar 15. 10. Haehser 15. 10. Hauck 15. 10. Heistermann 15. 10. Jansen 15. 10. Jung (Kandel) ** 15. 10. Jung (Lörrach) 15. 10. Lenzer ** 14. 10. Lowack 15. 10. Müller (Bayreuth) 15. 10. Dr. Müller ** 15. 10. Poß 14. 10. Reddemann ** 15. 10. Rosenthal 14. 10. Schmidt (Wattenscheid) 15. 10. Schulte (Unna) 15. 10. Schröer (Mülheim) 15. 10. Volmer 15. 10. Weirich 15. 10. Dr. Wendig 15. 10. * für die Teilnahme an Sitzungen des Europäischen Parlaments ** für die Teilnahme an Sitzungen der Westeuropäischen Union
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    Rede von Dr. Dorothee Wilms


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (CDU)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CDU)

    Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich möchte Ihnen, Frau Kollegin von Braun-Stützer, zunächst für Ihre sehr interessante Rede danken. Es gibt zwischen uns hoffentlich noch hinreichend Gelegenheit, miteinander über die verschiedenen Punkte, die Sie hier aufgezählt haben, zu diskutieren und miteinander zu überlegen, was vielleicht im Rahmen dieser Koalition schon jetzt oder mittelfristig zu realisieren oder jedenfalls anzulegen ist. Ich biete Ihnen wirklich auch auf diesem Feld ein sehr enges und intensives Gespräch über all diese Fragen an.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

    Herr Kollege Kuhlwein, Sie haben mir zunächst einige freundliche Avancen gemacht. Dafür bedanke ich mich. Ich hoffe, daß wir miteinander in eine vernünftige und sachbezogene Diskussion kommen, daß Sie auch aus der Opposition heraus viele — sicherlich kritische — Argumente vorbringen. Ich biete aber auch Ihnen an, ruhig und sachbezogen miteinander zu diskutieren.
    Was Zitate angeht, verehrter Herr Kollege Kuhlwein, so möchte ich Sie bitten, vorsichtig damit umzugehen und genau zu prüfen, ob sie stimmen und in welchem Zusammenhang die Außerung erfolgte. Man kann mit Zitaten auch Schiffbruch erleiden.
    Herr Kollege Kuhlwein, ich habe in Ihren Ausführungen und auch in den Ausführungen meines Vorgängers im Amt, des Kollegen Engholm, heute morgen aber eigentlich etwas vermißt. Ich habe vermißt, daß Sie von den Belastungen sprechen, die Sie uns hier hinterlassen und vor denen die jungen Menschen heute stehen.

    (Beifall bei der CDU/CSU)

    Davon habe ich heute eigentlich noch nichts gehört. Weder Sie noch Herr Engholm noch Herr von Dohnanyi, der heute morgen ebenfalls zu diesem Thema sprach, haben davon gesprochen, daß wir 200000 jugendliche Arbeitslose haben.

    (Jäger [Wangen] [CDU/CSU]: Sehr wahr!)

    Sie haben nicht davon gesprochen, welch schlechte Berufschancen junge Menschen angesichts der desolaten Wirtschaftslage haben. Sie haben nicht davon gesprochen, daß die Förderung des wissenschaftlichen Nachwuchses keinesfalls optimal ist, weil wir in einer schlechten wirtschaftlichen Lage stehen. Sie haben auch nicht davon gesprochen, welchen zukünftigen Belastungen die Jugend durch die allzuhohe Staatsverschuldung, vor der wir heute stehen. ausgesetzt ist.
    Ich hätte eigentlich erwartet, daß Sie auch einmal das Erbe aufzeigen, das Sie uns hinterlassen haben. Es ist kein einfaches Erbe, das wir hier antreten. Wir müssen jetzt unter bildungspolitischen Gesichtspunkten und unter Berücksichtigung sozialer Aspekte versuchen, die Zukunftschancen für die Jugend auszubauen — im Sinne einer individuellen Förderung, einer personalen Entwicklung und so-



    Bundesminister Frau Dr. Wilms
    zialer Gerechtigkeit, die auch Eigenverantwortung mit einschließt.
    Meine Damen und Herren, die Politik der alten Bundesregierung erzwingt in der Bildungspolitik eine neue Weichenstellung. Wir müssen versuchen, unter den veränderten wirtschaftlichen, finanziellen und demographischen Rahmenbedingungen die Probleme zu lösen, vor denen wir stehen. Lassen Sie mich vier Probleme, vor denen wir stehen, nennen:
    Erstens: Wir brauchen für alle Jugendlichen Ausbildungsplätze; denn noch bis Mitte der 80er Jahre stehen wir vor den geburtenstarken Jahrgängen, bevor dann die Nachfrage wieder nachläßt.
    Zweitens. Die steigenden Studentenzahlen bis etwa Mitte der 90er Jahre stellen die Hochschulen vor eine grolle Herausforderung. Und auch wir sind gefordert.
    Drittens. Angesichts der derzeitigen Massenarbeitslosigkeit fragen sich viele Jugendliche, welche Berufschancen sie nach der Ausbildung haben, auch nach einem Hochschulstudium. Auch dies werden wir neu bedenken müssen.
    Viertens. Wie können wir angesichts leerer öffentlicher Kassen sinnvolle, an Leistung und sozialer Lage orientierte Bildungsförderung betreiben?
    Bildungspolitik im Dienste junger Menschen heißt: Erziehung und Bildung müssen sich wieder stärker auf geistige Orientierung richten. Sie müssen Lebenssinn, Bewußtsein für Geschichte und unser kulturelles Erbe vermitteln. Den jungen Menschen muß geholfen werden, ihren Standort zu finden, Würde und Freiheit, Rechte und Pflichten zu erkennen. Junge Menschen dürfen nicht nur Ansprüche vom Staat einfordern, sie müssen auch selbst dazu beitragen, ihre eigenen Zukunftschancen zu nutzen.

    (Dr. Möller [CDU/CSU]: Sehr richtig!)

    Bildungsanspruch und Leistungsbereitschaft gehören zusammen. Bildungsangebote sind immer auch persönliche Herausforderungen. Auch in Bildungsfragen stehen Anspruch und Verantwortung in Wechselbeziehung zueinander.
    Staatliche Bildungspolitik muß Voraussetzungen für optimale Bildungsangebote schaffen. Gesamtstaatliche Bildungspolitik — und das ist auch ein Fehler der vergangenen Jahre gewesen — muß das enge Zusammenwirken mit der Finanzpolitik, der Wirtschafts- und Arbeitsmarktpolitik, aber auch der Sozial- und Familienpolitik und nicht zuletzt der Wissenschafts- und Forschungspolitik sehen.

    (Beifall bei der CDU/CSU)

    Erlauben Sie mir, zu einigen dieser Probleme ein paar Anmerkungen zu machen: Wir brauchen für die Jugend — da sind wir uns alle einig — in den nächsten Jahren eine große Zahl zusätzlicher Ausbildungsplätze; denn wir wissen alle: Qualifizierte Bildung ist der beste Schutz vor Arbeitslosigkeit.

    (Jäger [Wangen] [CDU/CSU]: Sehr richtig!)

    Die berufliche Bildung in Betrieb und Schule wird deshalb ein zentrales Anliegen der Bildungspolitik dieser Bundesregierung sein.

    (Beifall bei der CDU/CSU)

    Die jungen Menschen brauchen Ausbildungsplätze, weil sie berufliche Perspektiven haben wollen.

    (Zuruf von der SPD: Ein bißchen konkreter!)

    — Beruhigen Sie sich, das kommt schon. (Weitere Zurufe von der SPD)

    — Ach, das interessiert Sie nicht. Wissen, es ist notwendig — —

    (Zuruf von der SPD: Wir wollen das konkreter hören!)

    — Herr Kollege, es ist notwendig, daß man sich auch in der Politik an bestimmten Maßstäben orientiert; sonst verliert man sich nämlich in den Details.

    (Beifall bei der CDU/CSU — Wehner [SPD]: Wir sind hier nicht in der Schule!)

    Ich sagte, daß die jungen Menschen Ausbildungsplätze brauchen und daß die Wirtschaft Fachkräfte braucht, wenn sie im Wettbewerb bestehen will.

    (Zuruf von der SPD: Das wissen wir alle! — Weitere Zurufe von der SPD)

    — Ihr Schreien zeugt davon, daß Sie offensichtlich gar nicht wissen, wovon die Rede ist.

    (Wehner [SPD]: Machen Sie es doch kürzer! — Weitere Zurufe von der SPD)

    Zu Beginn des neuen Ausbildungsjahres waren noch 36 000 Jugendliche ohne Ausbildungsvertrag. Allerdings war auch eine große Zahl von Ausbildungsplätzen unbesetzt. — Dieses Gesamtergebnis ist besser, als zu Beginn des Jahres von vielen vorausgesagt, befürchtet worden ist.

    (Zuruf von der SPD)

    Allerdings sind noch nicht alle Sorgen beseitigt.
    Wir dürfen auch hier einmal feststellen, daß sich das duale System der Berufsausbildung unter schwierigsten Bedingungen bewährt hat. Wir werden dieses duale System weiter stärken.

    (Beifall bei der CDU/CSU)

    Auch für die nächste Zeit müssen jedoch noch alle Signale auf Förderung der Ausbildungsbereitschaft in den Betrieben stehen, nicht nur für jetzt, sondern auch für die nächsten Jahre. Ich meine — und ich wiederhole hier, was ich schon häufig gesagt habe —, mit Drohungen wie etwa denen von Ausbildungsumlagen kann man die Betriebe nicht locken. Dadurch werden die Betriebe belastet, neue Bürokratien errichtet. Was wir jetzt brauchen, sind Hilfen für die Betriebe, daß sie noch mehr angeregt werden, Ausbildungsplätze auch weiterhin zur Verfügung zu stellen. Ich meine, die Leistung der vergangenen Jahre ist eine Gemeinschaftsleistung der ausbildenden Wirtschaft, aber auch der Gewerkschaften, der Arbeitsverwaltung und des Staates.



    Bundesminister Frau Dr. Wilms
    Ich möchte an dieser Stelle auch einen besonderen Dank den Ausbildern in den Betrieben sagen.

    (Beifall bei der CDU/CSU)

    Mit diesem Dank an alle Beteiligten in der Wirtschaft verbinde ich die Bitte, in den nächsten Jahren in den Bemühungen nicht nachzulassen, sondern alles zu tun, um den noch nicht untergebrachten Jugendlichen eine faire Ausbildungschance zu geben.

    (Beifall bei der CDU/CSU und bei Abgeordneten der FDP — Zuruf von der SPD: Wie?)

    An die Jugendlichen appelliere ich, bei Schwierigkeiten nicht vorschnell aufzugeben, sondern sich weiter zu bemühen. Wer — und das ist zum Teil unser Problem — mehr Schwierigkeiten hat als andere junge Menschen, wer einseitig begabt, wer noch nicht berufsreif oder wer behindert ist, muß besonders gefördert werden. Auch Ausländerkinder brauchen ihre Lebenschancen und zum Teil besondere Förderung.

    (Beifall bei der CDU/CSU und bei Abgeordneten der FDP)

    Wir werden die in diesen Bereichen begonnenen guten Programme für Problemgruppen fortführen.

    (Beifall bei allen Fraktionen)

    Denn es gehört zu den Maximen unserer Bildungspolitik: Förderung der Benachteiligten und Herausforderung der Begabten.

    (Beifall bei der CDU/CSU und bei Abgeordneten der FDP)

    Deshalb werden wir uns auch um eine Stärkung aller Weiterbildungsbemühungen bemühen; denn wir wissen, daß die Ausbildung heute nicht mehr für ein ganzes Berufsleben reicht. Wer sich für eine praktische Berufsausbildung entscheidet, muß auch Aufstiegschancen haben. Deshalb werden wir die Vielfalt der beruflichen Fort- und Weiterbildungsmöglichkeiten erhalten und stärken, indem wir auf betriebliche Maßnahmen besonderes Gewicht legen.
    Lassen Sie mich ein zweites Problem nennen, das auch Herr Kuhlwein und Frau von Braun-Stützer angesprochen haben. Wir wissen, daß die Hochschulsituation in den nächsten Jahren ganz besonders problematisch wird, weil erst jetzt die geburtenstarken Jahrgänge allmählich in die Hochschulen einziehen. Die jungen Menschen sind besorgt über die Ankündigung einer Verschärfung des Numerus clausus. Zur Zeit haben wir bereits über eine Million Studenten, und es werden in den nächsten Jahren wahrscheinlich etwa 1,3 Millionen junge Studenten sein. Die Bundesregierung wird mit den Ländern auf der Grundlage des Beschlusses der Regierungschefs von Bund und Ländern von 1977 zur Sicherung der Ausbildungschancen der jungen Generation nach Wegen suchen, um die Ausweitung von Zulassungsbeschränkungen auf immer mehr Fächer so weit wie eben möglich zu vermeiden.

    (Beifall bei der CDU/CSU und bei Abgeordneten der FDP)

    Der Vorwurf, den ich auch heute morgen hier von dieser Seite des Hohen Hauses, von der SPD, hörte, wir seien für eine Schließung des Bildungswesens, ist absurd und gehört wohl in die Abteilung SPD-Wahlkampf.

    (Zuruf bei der CDU/CSU: Sehr richtig!)

    Die Überlastmaßnahmen, denen die Hochschulen heute schon unterworfen sind, müssen fortgesetzt werden, und die Bundesregierung wird die Länder hierbei durch die verstärkte Finanzierung des Hochschulbaus unterstützen. Zulassungsbeschränkungen dürfen unserer Meinung nach nur dort verhängt werden, wo sonst die Qualität von Lehre und Forschung gefährdet wäre. Ich bitte hiermit die Hochschulen, sich auch dieser Mehrbelastung zu stellen, und ich denke — damit appelliere ich auch an Studenten —, daß eine Verkürzung und eine Straffung der Studienzeiten unerläßlich ist.

    (Beifall bei der CDU/CSU und bei Abgeordneten der FDP)

    Der Grundlagenforschung werden wir ganz besonderes Augenmerk zuwenden, weil sie ein wichtiger Motor für wirtschaftliches Wachstum und damit für die Schaffung von Arbeitsplätzen ist. Grundlagenforschung ist für uns Zukunftsinvestition. Wir werden sie deshalb nicht kürzen, sondern verstärken und uns gemeinsam mit den Ländern um ein forschungsfreundliches Klima bemühen.

    (Beifall bei der CDU/CSU und bei Abgeordneten der FDP)

    Ich hoffe hier auch auf eine enge Zusammenarbeit mit dem Kollegen Riesenhuber.
    In diesem Zusammenhang werden wir auch in besonderer Weise die Förderung des wissenschaftlichen Nachwuchses vorantreiben. Nur eine gezielte Förderung der besonderen Begabungen und Leistungen sichert die für die Zukunft unseres Landes unerläßliche wissenschaftliche und praktische Elite.

    (Beifall bei der CDU/CSU)

    Die Absicht der Bundesregierung, die Ausbildungsförderung grundsätzlich zu überprüfen, ist, wie gar nicht anders zu erwarten war, auf Kritik gestoßen. Ich bin gerne bereit, sachlich über alles zu diskutieren, halte allerdings billige Polemik, wie sie zum Teil auch heute in diesem Hause deutlich wurde, für unangemessen und auch für schlecht gegenüber der Jugend, die von uns eine nüchterne und klare Auseinandersetzung erwartet.

    (Beifall bei der CDU/CSU und bei der FDP)

    Alle Bildungspolitiker — meine Damen und Herren, ich betone: alle Bildungspolitiker — von allen Seiten dieses Hauses wußten und wissen, daß das Schüler-BAföG in der heutigen Form als Folge der Finanzpolitik der bisherigen Bundesregierung nicht mehr in dem gleichen Umfang wie bisher gewährt werden kann.

    (Zuruf von der CDU/CSU: So ist es!)




    Bundesminister Frau Dr. Wilms
    Leere Kassen zwingen uns zum Umdenken, und das wußte auch mein Vorgänger im Amt, Herr Kollege Engholm.

    (Zuruf von der CDU/CSU: Das Volk auch!)

    Wenn alle Bereiche heute zur Einsparung gezwungen sind, dann kann auch das Schüler-BAföG nicht ausgenommen werden.

    (Kuhlwein [SPD]: Wir haben doch schon gespart!)

    Die CDU/CSU hat 1969 gerade auch die Schülerförderung gewollt und mit verabschiedet. Das möchte ich hier auch noch einmal in Erinnerung rufen.

    (Zuruf von der SPD: Theorie und Praxis!)

    Im Hintergrund stand damals die Überlegung, auch Kinder aus bildungsfernen Elternhäusern zu einer weiterführenden Bildung zu ermuntern. Wir dürfen heute feststellen, daß dies weitgehend gelungen ist. Ich finde es — erlauben Sie mir diese Bemerkung
    — fast ein bißchen beleidigend und diffamierend, wenn immer wieder von den „armen Arbeiterkindern" die Rede ist.

    (Zuruf von der SPD: Die sind auch arm!)

    Ich glaube, daß der Facharbeiter in Deutschland heute stolz darauf ist und stolz darauf sein kann, seine Kinder auch ohne staatliche Beihilfen zur Schule schicken und weiterbilden zu können.

    (Beifall bei der CDU/CSU)

    Wir wissen auch, daß die Arbeiterschaft heute sehr bildungsbewußt ist. Wir leben doch nicht mehr im 19. Jahrhundert. Gott sei Dank leben wir nicht mehr in dieser Zeit.

    (Zuruf von der SPD: Das ist doch gar nicht das Problem! — Kroll-Schlüter [CDU/CSU] [zur SPD weisend]: Die leben immer noch drin!)

    — Ja, wir nicht mehr. (Zurufe von der SPD)

    Probleme ergeben sich dort, wo geringer verdienende Eltern, insbesondere mit mehreren Kindern, angesprochen sind. Deshalb werden wir gerade für diesen Personenkreis auch keine Kürzung des Kindergeldes vorsehen. Das werden Sie morgen von meinem Kollegen Geißler noch im Detail hören. Auch beim BAföG werden wir klare Härteregelungen vorsehen.

    (Zuruf von der SPD)

    Es ist kein Kahlschlag beabsichtigt, sondern aus finanz- und bildungspolitischen Gründen die notwendige Konzentration der Förderung auf die Schüler und ihre Eltern, die besondere Aufwendungen — etwa infolge auswärtiger Unterbringung — für die Ausbildung zu tragen haben.
    Wir prüfen auch, ob wir die Studierenden des zweiten Bildungsweges in der Förderung halten können.


Rede von Georg Leber
  • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (SPD)
  • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)
Frau Bundesminister, erlauben Sie eine Zwischenfrage der Frau Abgeordneten Schmidt?

  • insert_commentNächste Rede als Kontext
    Rede von Dr. Dorothee Wilms


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (CDU)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CDU)

    Ich möchte zu Ende kommen. — Kein begabtes Kind wird aus finanziellen Gründen auf den Besuch einer weiterführenden Schule zu verzichten brauchen. Deshalb halte ich den Vorwurf, den ich heute hörte und den man auch in Presseerklärungen schon las, wir wollten ein Dreiklassenbildungsrecht, für völlig verfehlt.

    (Zuruf von der SPD: Wollen Sie auch!)

    Er stammt, so glaube ich, aus der Mottenkiste des Marxismus. Die sollten Sie schon lange geschlossen haben.

    (Wehner [SPD]: Sparen Sie sich doch solchen Quatsch!)

    — Im Ausland kennt man übrigens überhaupt keine vergleichbaren Regelungen, wie die des Schüler-BAföG, noch nicht einmal in dem von Ihnen so hoch gelobten Land Schweden.

    (Zuruf von der SPD)

    — Schweden ist uns von Ihnen immer als ein Musterland dargestellt worden.
    Wir beabsichtigen darüber hinaus den Aufbau einer Begabtenförderung für Schüler, um gerade den begabten jungen Menschen eine besondere Chance zu geben, die sie von ihrem Elternhaus her vielleicht nicht erhalten können.

    (Beifall bei der CDU/CSU)

    Über diese Einzelheiten einer solchen Begabtenförderung muß sicherlich noch ausführlich diskutiert werden. Wir werden uns diesem Thema intensiv zuwenden und hierbei — auch in Abstimmung mit den Ländern — konkrete Vorstellungen entwikkeln.
    Die Koalitionsverabredung, meine Damen und Herren, sieht auch eine Umstellung des Studenten-BAföG auf Darlehensbasis vor. Das BAföG war ursprünglich nur auf Zuschußbasis angelegt. Die älteren Kollegen wissen es. Der damalige Bundesminister und heutige Bürgermeister von Dohnanyi hat übrigens schon 1974 veranlaßt, daß von dem Zuschuß ein Teil nur noch als Darlehen gegeben wird, obwohl man vorher auch seitens der SPD die andere Lösung hoch gepriesen hatte gegenüber dem Honnefer Modell von Anno dazumal.
    Meine Damen und Herren, auch hier kommen wir an eine Grenze: Die steigenden Anforderungen an die Ausbildungsförderung — nämlich die steigenden Studentenzahlen — und die leeren Staatskassen sprengen das System der Studentenförderung. Auch dies ist keine Novität. Jeder, der sich damit beschäftigt, weiß es sehr genau. Eine ungeprüfte Weiterführung des bisherigen Systems würde nämlich dazu führen, daß immer weniger Studenten immer weniger Geld bekommen können, was letztendlich niemandem mehr hilft.

    (Beifall bei der SPD und bei Abgeordneten der FDP)

    Wer diese Chance eines von der Allgemeinheit finanzierten Hochschulstudiums hat und ein entsprechendes Einkommen erzielt, sollte deshalb in Zukunft durch Rückzahlung dazu beitragen, daß nach-



    Bundesminister Frau Dr. Wilms
    folgende Jahrgänge dieselben Chancen erhalten. Ich finde, es muß auch ein Stück Solidarität zwischen der jetzigen und der künftigen Generation eingefordert werden.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP) Wir werden dafür Sorge tragen — —


    (Kuhlwein [SPD]: Wissen Sie, wann das erste Geld zurückfließt?)

    — Hören Sie doch erst einmal zu Ende zu.
    Wir werden dafür Sorge tragen, daß die Rückzahlungsmodalitäten für das in Anspruch genommene Darlehen nach den Gesichtspunkten der Zumutbarkeit geregelt werden und daß sichergestellt wird, daß keiner wegen der späteren Darlehenshöhe von einem Studium abgehalten wird.
    Meine Damen und Herren, es kann doch nicht gerecht sein — lassen Sie mich das auch noch einmal sagen —, daß diejenigen, die nicht studiert haben — dies ist der größte Teil der deutschen Arbeitnehmer —, den Lebensunterhalt derjenigen finanzieren, die diese Chance haben,

    (Beifall bei der CDU/CSU und bei Abgeordneten der FDP)

    und daß diejenigen, die durch ihr Studium unzweifelhaft einen sozialen und finanziellen Statusvorsprung haben, von dem übrigen Teil der Bevölkerung subventioniert werden. Das kann wohl auch nicht ganz stimmen.

    (Beifall bei der CDU/CSU und bei Abgeordneten der FDP)

    Wenn Sie von der SPD dazwischenrufen, darf ich Sie vielleicht daran erinnern, daß der frühere Bundeskanzler, der Herr Kollege Schmidt (Hamburg), ja auch mehrfach die Umstellung des Studenten-BAföG auf Darlehen gefordert hat.

    (Hört! Hört! bei der CDU/CSU)

    Er hat dies damals auch damit begründet — das ist nachzulesen in Protokollen und auch in Schriften —, daß es dem Arbeitnehmer nicht zugemutet werden kann, das Studium für eine letztlich durch Studium doch privilegierte Schicht zu zahlen. Daran möchte ich Sie wirklich erinnern.

    (Beifall bei der CDU/CSU und bei Abgeordneten der FDP)

    Frau von Braun-Stützer, Sie haben angedeutet, daß man über ein Gebührenmodell für das Studium nachdenken müsse. Ich biete Ihnen gerne an, darüber nachzudenken. Wir wissen, daß das nicht von heute auf morgen zu realisieren ist. Aber ich finde, wir sollten über dieses Thema sehr ernsthaft nachdenken.

    (Beifall bei der FDP)

    Meine Damen und Herren, lassen Sie mich abschließend noch folgendes sagen: Wir sollten unsere Bürger nicht für dumm verkaufen, wenn wir von Bildung sprechen. Die Bürger sind heute doch informiert genug, um zu wissen, worum es in der Bildungspolitik geht. Es geht doch um die Bildung und Befähigung des jungen Menschen, sein Leben als
    Persönlichkeit zu gestalten und seine Umwelt aktiv mitzuprägen. Es geht um ein vielfältig gegliedertes und differenziertes Bildungssystem, das jedem einzelnen Chancen bietet. Es geht um die Förderung der Benachteiligten und um die Herausforderung der Begabten und Leistungsfähigen.

    (Beifall bei der CDU/CSU und bei Abgeordneten der FDP)

    Es geht um die Einsicht, daß Bildung kein billiges Geschenk ist, sondern durch Leistung und Verantwortung erworben werden muß.

    (Lebhafter Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)