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ID0911702600

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  • tocInhaltsverzeichnis
    Plenarprotokoll 9/117 Deutscher Bundestag Stenographischer Bericht 117. Sitzung Bonn, Donnerstag, den 30. September 1982 Inhalt: Begrüßung einer Delegation des Parlaments der Republik Simbabwe 7107A Beratung des Berichts des Petitionsausschusses Bitten und Beschwerden an den Deutschen Bundestag Die Tätigkeit des Petitionsausschusses des Deutschen Bundestages im Jahre 1981 — Drucksache 9/1729 — Frau Berger (Berlin) CDU/CSU 7107 B Wimmer (Eggenfelden) SPD 7110A Funke FDP 7113 C Regenspurger CDU/CSU 7115 D Reuter SPD 7118 C Eigen CDU/CSU 7121 B Beratung des Zwischenberichts und der Empfehlungen der Enquete-Kommission „Zukünftige Kernenergie-Politik" über die Inbetriebnahme der Schnellbrüter — Prototypanlage SNR 300 in Kalkar — Drucksache 9/2001 — Gerstein CDU/CSU 7122 D Schäfer (Offenburg) SPD 7125A Dr.-Ing. Laermann FDP 7128 C Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Vierten Gesetzes zur Änderung des Gesetzes über Personalausweise — Drucksache 9/1809 — Dr. Schmude, Bundesminister BMI/BMJ 7132A Dr. Miltner CDU/CSU 7132 D Pensky SPD 7133 C Dr. Hirsch FDP 7134 C Erste Beratung des von den Abgeordneten Regenspurger, Dr. Faltlhauser, Hartmann, Fellner, Zierer, Kalisch, Dr. Götz, Dr. Jobst, Dr. Kunz (Weiden), Keller, Müller (Wesseling), Hinsken, Rainer, Höffkes, Spilker, Dr. Kreile, Frau Geiger, Sauter (Ichenhausen), Kraus, Handlos, Lintner, Dr. Bötsch, Weiß, Dr. Probst, Biehle, Kroll-Schlüter, Linsmeier eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Anderung dienstrechtlicher Vorschriften — Drucksache 9/1497 — in Verbindung mit Erste Beratung des vom Bundesrat eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung dienstrechtlicher Vorschriften — Drucksachen 9/1885 — 7135 C Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes über die Durchführung einer Repräsentativstatistik der Bevölkerung und des Erwerbslebens (Mikrozensusgesetz) — Drucksache 9/1970 — Dr. Schmude, Bundesminister BMI/BMJ 7135 D Broll CDU/CSU 7136 B Dr. Wernitz SPD 7137A Dr. Hirsch FDP 7137 D II Deutscher Bundestag — 9. Wahlperiode — 117. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 30. September 1982 Zweite und dritte Beratung des vom Bundesrat eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Erhöhung von Wertgrenzen in der Gerichtsbarkeit — Drucksache 9/1126 - Beschlußempfehlung und Bericht des Rechtsausschusses — Drucksache 9/1793 - Buschbom CDU/CSU 7142 C Dr. Schwenk (Stade) SPD 7143C Kleinert FDP 7144 B Zweite und dritte Beratung des vom Bundesrat eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Aufhebung des Gesetzes über die Pockenschutzimpfung — Drucksache 9/524 - Beschlußempfehlung und Bericht des Ausschusses für Jugend, Familie und Gesundheit — Drucksache 9/1996 — Frau Dr. Neumeister CDU/CSU 7145C Stöckl SPD 7146 B Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Bundeskleingartengesetzes — Drucksache 9/1900 — Dr. Haack, Bundesminister BMBau . . 7148A Magin CDU/CSU 7150B Schreiber (Solingen) SPD 7152A Frau Noth FDP 7153D Zweite Beratung und Schlußabstimmung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zu dem Abkommen vom 24. November 1981 der Bundesrepublik Deutschland und der Union der Sozialistischen Sowjetrepubliken zur Vermeidung der Doppelbesteuerung von Einkommen und Vermögen — Drucksache 9/1698 - Beschlußempfehlung und Bericht des Finanzausschusses — Drucksache 9/1978 - 7154 D Zweite Beratung und Schlußabstimmung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zu dem Abkommen vom 19. Dezember 1980 zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Tschechoslowakischen Sozialistischen Republik zur Vermeidung der Doppelbesteuerung auf dem Gebiet der Steuern vom Einkommen und vom Vermögen — Drucksache 9/1699 — Beschlußempfehlung und Bericht des Finanzausschusses — Drucksache 9/1979 — 7155B Beratung der Beschlußempfehlung des Ausschusses für Wahlprüfung, Immunität und Geschäftsordnung Aufhebung der Immunität von Mitgliedern des Deutschen Bundestages — Drucksache 9/1983 — 7155C Beratung der Sammelübersicht 42 des Petitionsausschusses über Anträge zu Petitionen — Drucksache 9/1969 — in Verbindung mit Beratung der Sammelübersicht 43 des Petitionsausschusses über Anträge zu Petitionen mit Statistik über die beim Deutschen Bundestag in der Zeit vom 4. November 19.80 bis 30. Juni 1982 eingegangenen Petitionen — Drucksache 9/1974 — 7155C Fragestunde — Drucksache 9/1998 vom 24. September 1982 — Lagerung chemischer Kampfstoffe der alliierten Streitkräfte in der Bundesrepublik Deutschland MdlAnfr 50, 51 24.09.82 Drs 09/1998 Dr. Hirsch FDP Antw StMin Dr. Corterier AA . . 7139 A, B, C, D, 7140A,B,C, 7141A ZusFr Dr. Hirsch FDP 7139 B, C, 7140 B ZusFr Voigt (Frankfurt) SPD . . 7139C, 7140 C ZusFr Gärtner FDP 7139D, 7140C ZusFr Auch SPD 7139 D ZusFr Duve SPD 7140 D Verbot von Kontakten zu den Medien für Angehörige der Republik China bei Erteilung des deutschen Einreisesichtvermerks MdlAnfr 52 24.09.82 Drs 09/1998 Regenspurger CDU/CSU Antw StMin Dr. Corterier AA . . . . 7141A, C ZusFr Regenspurger CDU/CSU . . . . 7141 B, C Einsichtnahme in die Protokollvermerke zu den Ostverträgen MdlAnfr 53 24.09.82 Drs 09/1998 Dr. Czaja CDU/CSU Antw StMin Dr. Corterier AA . 7141 D, 7142A,B ZusFr Dr. Czaja CDU/CSU . . . . 7141D, 7142A ZusFr Duve SPD 7142 B Nächste Sitzung 7155D Deutscher Bundestag — 9. Wahlperiode — 117. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 30. September 1982 III Anlage 1 Liste der entschuldigten Abgeordneten . 7157 *A Anlage 2 Anwendung modernster Technik bei der Legehennenhaltung MdlAnfr 2 24.09.82 Drs 09/1998 Eigen CDU/CSU SchrAntw StSekr Rohr BML 7157 *B Anlage 3 Anerkennung von Windkraftanlagen zur Hausenergieversorgung als bauliche Nebenanlage gemäß § 14 der Baunutzungsverordnung MdlAnfr 42 24.09.82 Drs 09/1998 Dr. Zumpfort FDP SchrAntw PStSekr Dr. Sperling BMBau . 7157 *C Anlage 4 Mutmaßungen über im Document Center aufbewahrte Akten noch lebender Persönlichkeiten MdlAnfr 49 24.09.82 Drs 09/1998 Hansen fraktionslos SchrAntw StSekr Dr. Konow BK . . . . 7157* D Anlage 5 Nutzung der für die Olympischen Spiele in Moskau gelieferten westlichen Fernmeldeanlagen für das Militär und den KGB MdlAnfr 54 24.09.82 Drs 09/1998 Dallmeyer CDU/CSU SchrAntw StMin Dr. Corterier AA . . . 7158* C Deutscher Bundestag — 9. Wahlperiode — 117. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 30. September 1982 7107 117. Sitzung Bonn, den 30. September 1982 Beginn: 9.00 Uhr
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    Anlage 1 Liste der entschuldigten Abgeordneten Abgeordnete(r) entschuldigt bis einschließlich Dr. Ahrens * 1. 10. Dr. Althammer * 1. 10. Dr. Bardens * 1. 10. Böhm (Melsungen) * 1. 10. Büchner (Speyer) * 1. 10. Eickmeyer * 1. 10. Dr. Enders * 1. 10. Dr. Geßner * 1. 10. Hauck 1. 10. Hoppe 1. 10. Horn * 1. 10. Ibrügger ** 1. 10. Jäger (Wangen) * 1. 10. Jung (Kandel) * 1. 10. Kittelmann * 1. 10. Landré 1. 10. Lemmrich * 1. 10. Lenzer * 1. 10. Lorenz * 30. 9. Dr. Müller * 1. 10. Müller (Bayreuth) 30. 9. Frau Pack * 1. 10. Pensky * 1. 10. Poß 30. 9. Reddemann * 1. 10. Rösch * 1. 10. Dr. Schäuble * 1. 10. Schmidt (München) * 1. 10. Schmidt (Würgendorf) * 1. 10. Schulte (Unna) 1. 10. Dr. Solms 30. 9. Dr. Freiherr Spies von Büllesheim * 1. 10. Dr. Unland * 1. 10. Dr. Vohrer * 1. 10. Dr. Wendig 1. 10. Wischnewski 30. 9. Dr. Wittmann * 1. 10. Würtz ** 1. 10. * für die Teilnahme an Sitzungen der Parlamentarischen Versammlung des Europarates ** für die Teilnahme an Sitzungen der Nordatlantischen Versammlung Anlage 2 Antwort des Staatssekretärs Rohr auf die Frage des Abgeordneten Eigen (CDU/CSU) (Drucksache 9/1998 Frage 2): Ist die Bundesregierung der Meinung des ehemaligen Parlamentarischen Staatssekretärs im Bundesernährungsministerium, Gallus, wonach die heutige Erdbevölkerung „nicht mit den Produktionsmethoden von gestern versorgt werden könne" und man „auf modernste Technik und industrielle Anlagen zum Stenographischen Bericht Produktion angewiesen" sei, und ist die Bundesregierung bereit, diese Grundsätze auch bei der Legehennenhaltung anzuwenden? Die Bundesregierung ist der Auffassung, daß zur Sicherstellung der Ernährung der heutigen Erdbevölkerung auf modernste Technik nicht verzichtet werden kann. Allerdings muß die Zulässigkeit der Verwendung einer bestimmten Technik mit den Maßstäben der Rechtsordnung unseres Staates und in dem von Ihnen angesprochenen Bereich insbesondere an den Grundsätzen des Tierschutzgesetzes gemessen werden. Daraus ergibt sich, daß nicht alles, was im Bereich der tierischen Produktion technisch machbar ist, den Tieren auch zugemutet werden kann. Anlage 3 Antwort des Parl. Staatssekretär Dr. Sperling auf die Frage des Abgeordneten Dr. Zumpfort (FDP) (Drucksache 9/1998 Frage 42): Wie beurteilt die Bundesregierung den Vorschlag, Windkraftanlagen zur Hausenergieversorgung ausdrücklich als bauliche Nebenanlage gem. § 14 der Baunutzungsverordnung anzuerkennen, damit der Zustand der Rechtsunsicherheit beendet wird, nach dem Gerichtsurteile ausdrücklich die Frage der Eigenschaft als Baunebenanlage bejahen und auch Landesvorschriften existieren, die jetzt schon zu gegenteiliger Auslegung des § 14 kommen? Die aufgetretenen bauplanungsrechtlichen Fragen bei der Errichtung von Windenergieanlagen, die sich nicht nur auf die Anwendung des § 14 Baunutzungsverordnung in Gebieten mit Bebauungsplänen beziehen, sondern vor allem die Anwendung der Vorschriften über das Bauen im nichtbeplanten Innenbereich sowie im Außenbereich betreffen, werden bereits seit einiger Zeit von der Bundesregierung gemeinsam mit den für den Verwaltungsvollzug zuständigen Bauressorts der Länder geprüft. Zweck dieser Prüfungen ist zu klären, ob durch eine abgestimmte, das geltende Recht ausschöpfende Genehmigungspraxis die aufgetretenen Zweifelsfragen gelöst werden können oder ob darüber hinaus gesetzgeberische Maßnahmen notwendig sind. Diese Prüfungen sind noch nicht abgeschlossen, weil noch in diesem Herbst Grundsatzentscheidungen des Bundesverwaltungsgerichts zu erwarten sind, die voraussichtlich weitreichende Bedeutung für die bauplanungsrechtliche Zulässigkeit von Windenergieanlagen haben werden. Anlage 4 Antwort des Chefs des Bundeskanzleramtes, Staatssekretär Dr. Konow auf die Frage des Abgeordneten Hansen (fraktionslos) (Drucksache 9/1998 Frage 49): 7158* Deutscher Bundestag — 9. Wahlperiode — 117. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 30. September 1982 Trifft es zu, daß der damalige Regierungsdirektor Dr. Langemann im Auftrag des BND auf Veranlassung des Bundeskanzleramts im Jahr 1968 den Bundeskanzler Dr. h. c. Kiesinger betreffende Dokumente aus dem Jahr 1942 durch Manipulation des Indexes im Nationalarchiv in Washington mit Unterstützung von Mitarbeitern des CIA unauffindbar gemacht hat? Nach den der Bundesregierung über diese zurückliegenden Vorgänge zur Verfügung stehenden Unterlagen ist Ihre Frage zu verneinen. Der Bundesregierung ist lediglich bekannt, daß — Herr Langemann vom damaligen BND-Präsidenten Gehlen den Auftrag erhalten hatte nachzuprüfen, ob im Nationalarchiv in Washington Dokumente der in Ihrer Frage bezeichneten Art vorhanden waren und — es nach den Feststellungen des Dr. Langemann dort kein Dokument gab, das — wie in der Zeitschrift KONKRET vom März 1982 dargestellt wird — Unterschriften von Dr. Kiesinger und Eichmann trug. Anlage 5 Antwort des Staatsministers Dr. Corterier auf die Frage des Abgeordneten Dallmeyer (CDU/CSU) (Drucksache 9/1998 Frage 54): Welche Erkenntnisse liegen der Bundesregierung darüber vor, ob britische Zeitungsberichte zutreffen, nach denen die Sowjetunion die seinerzeit vom Westen gelieferten technischen Einrichtungen des Fernmeldewesens und der Telefonzentralen für die Olympischen Spiele neuerdings für die militärischen Hauptquartiere und den KGB in Moskau benutzen? Der Bundesregierung ist nicht bekannt, daß die sowjetische Seite die aus Anlaß der Olympischen Spiele in die Sowjetunion gelieferten Fernmeldeeinrichtungen nunmehr anderweitig einsetzt. Fernmeldeanlagen dieser Art unterliegen keinerlei nationalen oder internationalen westlichen Embargobeschränkungen, da mit ihnen nicht der Transfer schützenswerter Technologien verbunden ist. Sie sind allgemein frei erhältlich. Im übrigen werden nach hiesigen Informationen vergleichbare Anlagen inzwischen von der Sowjetunion selber sowie im RGW-Bereich hergestellt.
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    Rede von Harald B. Schäfer


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (SPD)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)

    Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Auch ich möchte von dieser Stelle aus mit einem Dank an die Mitglieder der Kommission dafür beginnen, daß sie in der Kommission mitgearbeitet haben. Besonders danken möchte ich dem Sekretariat und dem Stab, der zumal in den letzten Wochen über Gebühr beansprucht worden ist und ohne dessen Engagement wir die fristgerechte Vorlage nicht hätten leisten können.

    (Beifall)

    Wir haben heute ausschließlich über den Zwischenbericht zu diskutieren, wo wir zu von der alten Kommission in Auftrag gegebenen Sicherheitsgutachten zum SNR 300 Stellung zu nehmen und eine Empfehlung zur Inbetriebnahme an den Deutschen Bundestag vorzulegen haben.
    Alle Probleme — und da muß ich dem Kollegen Gerstein zum erstenmal widersprechen; das gilt auch für die Minderheitsempfehlung —, die mit der möglichen großtechnischen kommerziellen Nutzung der Brutreaktortechnologie verbunden sind, werden auftragsgemäß in diesem Bericht nicht behandelt. Dies gilt für die gesamte Empfehlung, für das Mehrhefts- und für das Minderheitsvotum.
    Ich möchte von meiner Seite noch einmal unterstreichen, daß in der Kommission — und dies sollte nach meiner Ansicht auch in der Öffentlichkeit deutlich gemacht werden — Übereinstimmung darüber bestand, daß die Frage der Entscheidung über die mögliche Inbetriebnahme des Demonstrationskraftwerks in Kalkar keine Parteifrage im engeren Sinne sein kann. In der Kommission wurde demnach auch nicht auf der Grundlage von Parteiprogrammen oder von energiepolitischen Beschlüssen von Bundestagsfraktionen entschieden. Es wurden in der Kommission auch keine Fraktionsanträge eingebracht. Schließlich haben die Sachverständigen — auch darauf ist bereits hingewiesen worden — unabhängig von der Tatsache votiert, welche Fraktion sie für die Kommission benannt hatte. Die Entscheidung zur möglichen Inbetriebnahme des
    SNR 300 ist nach Auffassung der Kommission also keine Frage der Parteizugehörigkeit.
    Die Kommission legt keine einmütige Empfehlung vor. Dies war angesichts der zur Entscheidung stehenden Frage auch wohl kaum anders zu erwarten, weil die Empfehlung ja mehr sein muß als die Übernahme eines sicherheitstechnischen Vergleichs, der zudem in vielen Bereichen nicht hinreichend wissenschaftlich fundiert ist.
    Zum Auftrag der Kommission, zum Zwischenbericht: Die alte Kommission hatte eine Literaturübersicht über den sogenannten Bethe-Tait-Störfall und zwei risikoorientierte Analysen zur Sicherheit und zum Risiko des Demonstrationskraftwerks in Kalkar in Auftrag gegeben. Mehrheitlich hat die alte Kommission dabei bewußt den sogenannten parallelen Ansatz gewählt. Es sollten nämlich nicht wie bislang nur die Wissenschaftler, die mit der nuklearen Entwicklung seit Jahrzehnten eng vertraut sind, zur Frage der Sicherheit des SNR 300 Stellung nehmen können; auch Wissenschaftler, die der Kernenergie skeptisch gegenüberstehen, sollten die Beurteilung aus ihrer Qualifikation heraus vornehmen können.
    Allerdings hatten die beiden parallel arbeitenden Gruppen, nämlich die Gruppe um Herrn Professor Birkhofer, Gesellschaft für Reaktorsicherheit, und um Herrn Professor Benecke von der Forschungsgruppe Schneller Brüter, den Auftrag, einen gemeinsamen Bericht vorzulegen. Dieser gemeinsame Bericht sollte Gemeinsames als Gemeinsames und Strittiges gemeinsam als Strittiges ausweisen. Zudem sollte in diesem gemeinsamen Bericht ausgewiesen werden, welche sicherheitstechnischen Probleme, welche Punkte, die für die Risikobetrachtung von Relevanz sind, einer politischen Bewertung zuzuführen sind.

    (Vorsitz : Vizepräsident Frau Renger)

    Dieser gemeinsame Bericht ist nicht zustande gekommen. Die Politik ist, jedenfalls partiell, von der Wissenschaft im Stich gelassen worden. Statt dessen haben wir zwei unterschiedliche Konvolute von Schriften zur sicherheitstechnischen Beurteilung und zur Risikobeurteilung auf den Tisch bekommen.
    Nun haben wir in der Kommission den Versuch unternommen, diese notwendige wissenschaftliche Diskussion zwischen den beiden Gruppen nachzuholen. Für Sie, Herr Gerstein, hat sich das letztlich auf einen Punkt reduziert: Sie entscheiden zwischen Kompetenz auf der einen Seite — das sind die etablierten Wissenschaftler unter Herrn Birkhofer — und Ignoranz auf der anderen Seite. Da Sie die Kritiker als Ignoranten bezeichnen,

    (Zuruf des Abg. Gerstein [CDU/CSU])

    haben Sie deren Ergebnisse erst gar nicht in Ihr Urteil einbezogen.
    Ich habe mir die Mühe gemacht, wie Sie wissen, beide Gruppen zu einem zweitägigen Seminar nach München einzuladen. Beide Gruppen waren dort gehalten, ihre Ergebnisse wechselseitig einer wissenschaftlichen Diskussion zuzuführen. Beide Gruppen
    7126 Deutscher Bundestag. -9 Wahlperiode117-. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 30. September 1982
    Schäfer (Offenburg)

    sagten mir übereinstimmend, daß dieses Verfahren des parallelen Ansatzes, von unterschiedlichen Grundhaltungen in der Energienutzung herkommend gleiche Fragen zu behandeln, sinnvoll, hilfreich und notwendig sei, daß es zusätzliche Erkenntnisgewinne für die politische Urteilsbildung bringe. Beide Gruppen bestätigen das ausdrücklich.
    Wer die Studien im einzelnen liest, wird sehen, daß der Unterschied zwischen den Aussagen in vielen Bereichen so groß auch nicht ist. Ich will ganz kurz etwas zu den vorliegenden risikoorientierten Studien sagen.
    Erstens: Zunächst einmal ist wichtig festzuhalten, daß sich die von Herrn Birkhofer vorgelegte Studie, wenn ich von Erdbeben als äußere Einflüsse einmal absehe, nur auf technische Ursachen möglicher Unfälle des SNR 300 bezieht. Andere wichtige Risikofaktoren wie beispielsweise geplantes oder böswilliges menschliches Verhalten, Störungen bei kerntechnischen Anlagen herbeizuführen, wie Einwirkungen von Dritten, Gewalt, Terror, Sabotage, Einflüsse, die von allen als wichtige zu erfassende Risikofaktoren anerkannt werden, werden in der Birkhofer-Studie nicht berücksichtigt. Von daher kriegen Sie auf der Grundlage dieser Studie allenfalls einen sicherheitstechnischen Vergleich, aber keinen gesamten Risikovergleich.
    Zweitens. Die gängige Risikoformel lautet: Das Risiko wird definiert als Produkt aus Eintrittswahrscheinlichkeit und Schadensausmaß. Das heißt, es werden Eintrittswahrscheinlichkeiten möglicher Störfälle ermittelt, und das wird mit dem Schadensausmaß multipliziert. Dann haben Sie den Risikobegriff. Die in der Birkhofer-Studie vorgelegten Wahrscheinlichkeitsangaben beruhen zum größten Teil entweder auf Erfahrungen mit dem PhenixBrutreaktor in Frankreich — nicht Kalkar-spezifisch — oder auf subjektiven Annahmen und Einschätzungen von Ingenieuren, die auf Grund ihres Sachverstandes ohne wissenschaftliche Belegbarkeit zu Wahrscheinlichkeitsannahmen kommen. Wissenschaftlich fundierte Wahrscheinlichkeitsannahmen sind diesen Studien nicht zu entnehmen. Herr Birkhofer hat in der letzten Sitzung auf die Frage nach der wissenschaftlichen Fundierbarkeit geantwortet, er als Ingenieur halte diese Annahmen für vernünftig. Das ist sein gutes Recht, aber man kann dann nicht mit dem Anspruch wissenschaftlicher Fundierbarkeit auftreten.
    Die alte Kommission hatte uns eine Vorgabe gemacht. Sie hatte nämlich gesagt, wir sollten das Risiko des SNR 300 mit dem eines Druckwasserreaktors moderner Bauart — Biblis B — vergleichen, und zwar sowohl hinsichtlich der Produktformel - Risikoeintrittswahrscheinlichkeit mal Schadensausmaß — als auch hinsichtlich des maximalen Schadensausmaßes. Da gibt es zwischen Herrn Pfeiffer, Herrn Reuschenbach und der Minderheit keinen Zweifel, daß hinsichtlich des maximalen Schadensausmaßes der SNR 300 in Kalkar gefährlicher ist als ein vergleichbarer Druckwasserreaktor.
    Nun zur sicherheitstechnischen Bewertung. Die alte Kommission hat einstimmig beschlossen, Herr Kollege Gerstein — ich zitiere wörtlich —:
    Die Kommission war der übereinstimmenden Meinung,
    — ich bitte, jetzt gut zuzuhören -
    daß das Risiko durch den Betrieb eines natriumgekühlten Brutreaktors keinesfalls größer sein dürfe als das durch den Betrieb eines Leichtwasserreaktors moderner Bauart.
    Herr Birkhofer kommt in seiner Studie zu dem Ergebnis: Der SNR 300 ist um ein Vielfaches sicherer als ein Leichtwasserreaktor. Herr Gerstein, Sie haben soeben die Birkhofer-Studie über den grünen Klee gelobt, haben aber nichtsdestotrotz nicht dessen Aussage übernommen. Sie schreiben nämlich nicht, wie in der Birkhofer-Studie steht, der SNR 300 sei um ein Vielfaches sicherer, Sie schreiben - das muß man zweimal lesen, damit man es überhaupt verstehen kann — laut Mehrheitsempfehlung, das Risiko aus dem SNR 300 liege in der gleichen Bandbreite wie jenes der in Betrieb befindlichen Leichtwasserreaktoren. Eindeutige Aussagen — der SNR 300 ist sicherer - machen Sie nicht. Sie reduzieren insoweit den Auftrag der alten Kommission und übernehmen auch nicht das von Ihnen als vorbildlich, als wissenschaftlich qualifiziert zu betrachtende GRS-Gutachten.
    Mir liegt daran, zu zitieren, was in einer persönlichen Begründung der Sachverständige Pfeiffer und der Abgeordnete Reuschenbach zum Gesamtrisiko des SNR 300 ausgeführt haben. Sie haben daraus eine andere Schlußfolgerung gezogen als die Minderheit, aber immerhin. Ich zitiere wörtlich Alois Pfeiffer und Peter Reuschenbach:
    Es ist deshalb die vorsichtige Bewertung vertretbar, daß das gesamte Risiko aus dem Betrieb des SNR 300 in der gleichen Bandbreite liegt wie jenes der im Betrieb befindlichen Leichtwasserreaktoren. Damit ist weder eine Hochrechnung auf z. B. zehn Leichtwasserreaktoren noch eine vergleichende Begrenzung auf einen Leichtwasserreaktor zulässig. Die Wahrheit wird dazwischen liegen.
    Mit anderen Worten: Herr Pfeiffer und Herr Reuschenbach kommen bei der Risikobewertung und der sicherheitstechnischen Vergleichbarkeit der beiden zum Vergleich anstehenden Reaktoren zum gleichen Ergebnis wie die Minderheit. Die Minderheit sagte nämlich: Der Sicherheitsvergleich hat den Nachweis nicht erbracht, daß der SNR 300 sicherer oder zumindest ebenso sicher wie ein Druckwasserreaktor ist. Das war Aufgabe der Kommission.

    (Zustimmung bei der SPD)

    Meine Damen und Herren, noch einige wenige Worte zu dem, was der Deutsche Bundestag meiner Meinung nach in seine Beratungen mit einbeziehen muß. Die Mehrheit hat in ihrer Empfehlung formuliert, „daß das Risiko aus dem Betrieb des SNR 300 in der gleichen Bandbreite liegt wie jenes der in Betrieb befindlichen Leichtwasserreaktoren. Die Kommission hält deshalb die Inbetriebnahme des SNR 300 politisch für verantwortbar". — Sie haben zur Entscheidungsgrundlage, ob eine Technologie politisch akzeptiert werden kann, nur einen Gesichtspunkt ausgewählt, nämlich: die technische



    Schäfer (Offenburg)

    Machbarkeit. Ich sage Ihnen: Nicht alles, was technisch machbar ist, muß auch zur Anwendung gebracht werden.

    (Beifall bei der SPD und bei Abgeordneten der FDP)

    Für die Behandlung im Deutschen Bundestag, meine Damen und Herren, ist eine isolierte sicherheitstechnische Betrachtung nicht zulässig. Die Sicherheit einer Technologie ist ein Gesichtspunkt, aber nicht der entscheidende.

    (Kolb [CDU/CSU]: Wenn Sie von Dingen reden, die Sie nicht verstehen, was nützt denn das?)

    Wir müssen, meine ich jedenfalls, den Nutzen und die Notwendigkeit einer Technologie, zumal wenn sie so gefährlich ist wie der SNR 300, unter Beweis stellen können, bevor wir uns für ihre Anwendung entscheiden können.
    Ich will das an einem Beispiel deutlich machen. - Wir können ja anderer Auffassung sein, meine Herren. -

    (Dr.-Ing. Kansy [CDU/CSU]: Passen Sie nur auf, daß Sie bei der Verneigung vor den Grünen nicht mit dem Kopf auf den Boden stoßen!)

    Wir im Deutschen Bundestag haben das Risiko der in Betrieb befindlichen Leichtwasserreaktortechnologie akzeptiert, nicht weil das Risiko klein ist; wir wissen, daß es bei einem Unglück bei einem 1 300-MW-Reaktor in dem sehr unwahrscheinlichen Fall bis zu 100 000 Tote geben kann. Wir haben den Leichtwasserreaktor nicht deshalb akzeptiert, weil das Risiko klein ist, sondern weil alle energiepolitischen Analysen gezeigt haben, daß — jedenfalls gegenwärtig - der gesamte Nutzen gestattet, das Risiko in Kauf zu nehmen.
    Aus meiner Sicht muß deswegen für eine politische Gesamtbewertung, auch für das spezielle Kernkraftwerk SNR 300 in Kalkar nachgewiesen werden können, ob der damit verbundene Nutzen — der mögliche Nutzen —, ob die Notwendigkeit für das Demonstrationskraftwerk in Kalkar es rechtfertigen, das damit verbundene Risiko in Kauf zu nehmen. Dies ist meiner Meinung nach die politische Entscheidungsvoraussetzung und -grundlage, die sich für den Deutschen Bundestag stellt. Nicht umsonst hat der Bundestag am 14. Dezember 1978 beschlossen, daß einer möglichen Inbetriebnahmeentscheidung eine grundsätzliche politische Debatte vorausgehen soll. Eine Einschränkung auf einen sicherheitstechnischen Vergleich ist dort nicht erfolgt.
    Ich will es für Sie, Herr Kolb, noch anders formulieren. Wir unterstellen einmal gemeinsam den Fall, wir hätten gegenwärtig keine Uranreserven. - Dabei reichen sie j a viel, viel länger als wir vor 10 oder 20 Jahren angenommen haben. — Wir unterstellen gemeinsam den Fall, wir hätten keine Kohle in der Bundesrepublik Deutschland. Wir unterstellen gemeinsam den Fall, wir würden in einer Elektrizitätsmangelsituation leben. Dann wäre die Gesellschaft, dann wäre auch das Parlament bereit, vielleicht ein
    noch größeres Risiko, als es der SNR 300 darstellt, in Kauf zu nehmen - nicht weil das Risiko dann gering ist, sondern weil der Nutzen dann evident ist. Ich meine, wir müssen in den Beratungen mit untersuchen — —

    (Dr. Stavenhagen [CDU/CSU]: Sie rechnen Sicherheit gegen Wirtschaftlichkeit, sehr merkwürdig! — Weitere Zurufe von der CDU/CSU)

    — Nein, Herr Kollege Stavenhagen, dies ist keine Aufrechnung zwischen Sicherheit und Wirtschaftlichkeit.

    (Kolb [CDU/CSU]: So haben Sie eben gesagt!)

    Ich sage Ihnen nur: Das Risiko — auch ein größeres Risiko — wird dann eher politisch akzeptiert, wenn der damit verbundene Nutzen das Risiko als inkaufnehmbar erscheinen läßt. Das ist eine gängige Risikobetrachtung. Bei allen Risikowahrnehmungen entscheiden wir — übrigens jeder von uns täglich — so.
    Ich meine also im Gegensatz zu Ihnen, Herr Kollege Gerstein, daß bei den Beratungen im Ausschuß und bei den Beratungen im Deutschen Bundestag auch untersucht werden muß, ob das Demonstrationskraftwerk SNR 300 in Kalkar angesichts der veränderten Rahmenbedingungen — was die Stromverbrauchsentwicklung und die geringeren Energieverbrauchszuwachsraten angeht — energiewirtschaftlich und energiepolitisch überhaupt noch notwendig ist. Ich meine, wir müssen beispielsweise die Frage stellen, ob dieses Demonstrationskraftwerk, das — wenn überhaupt — 1987 in Betrieb geht, einen sinnvollen Beitrag zur späteren kommerziellen Nutzung leisten kann, wenn man in der Bundesrepublik und weltweit davon ausgeht, daß eine kommerzielle Brüternutzung — wenn überhaupt — erst weit nach der Jahrhundertwende in der Bundesrepublik Deutschland in Frage kommen kann.

    (Dr. Stavenhagen [CDU/CSU]: Wenn es nicht in Betrieb geht, ist es bestimmt kein Beitrag!)

    — Man muß doch die Frage stellen, ob es dann noch einen Sinn gibt. Wir müssen uns die Frage stellen, ob wir es angesichts der explosionsartigen Kostensteigerung

    (Kolb [CDU/CSU]: Woher sind die denn gekommen?)

    — Milliardenbeträge fehlen zur Gesamtfinanzierung —

    (Kolb [CDU/CSU]: Dank der Leistung von Ihnen!)

    gesamtwirtschaftlich verantworten können, diese Milliardenbeträge in eine möglicherweise veraltete Technologie zu stecken, oder ob wir das Geld, das gesamtvolkswirtschaftlich nur einmal ausgegeben werden kann, meinethalben in Maßnahmen zur Sanierung der Kohlekraftwerke oder zum weiteren Fernwärmeausbau investieren,

    (Kolb [CDU/CSU]: Für Untersuchungen von schlechten Wissenschaftlern!)




    Schäfer (Offenburg)

    ) weil wir dort energiepolitisch etwas Sinnvolleres tun, umweltpolitisch etwas Sinnvolleres tun und zudem noch mehr Arbeitsplätze schaffen, was das Gebot der innenpolitischen Notwendigkeit ist.

    (Beifall bei der SPD und bei Abgeordneten der FDP)

    Das muß doch untersucht werden, meine Damen und Herren! Sie klammern das alles aus. Daß Sie das in der Kommission ausgeklammert haben, dafür habe ich Verständnis.

    (Gerstein [CDU/CSU]: Wir haben uns über ein Gesetz unterhalten!)

    Aber wenn Sie es auch im Deutschen Bundestag ausklammern wollen, verkürzen Sie eine grundsätzliche politische Entscheidung auf die Übernahme eines zudem noch fragwürdigen sicherheitstechnischen Vergleichs. Dies kann angesichts der Dimensionen, die auch mit dem SNR 300 verbunden sind, keine verantwortbare Betrachtungsweise des Deutschen Bundestages, der Volksvertretung, sein, meine Damen und Herren.

    (Beifall bei der SPD und bei Abgeordneten der FDP — Kolb [CDU/CSU]: Das geht über Ihren Wissensstand hinaus, lieber Herr Kollege!)

    Ich meine, wir werden die Fragestellung von unserer Seite im Parlament behandeln, weil wir unserer Verantwortung auch in dieser Frage gerecht werden. Die Entscheidung meiner Fraktion ist dann of-
    ) fen.

    (Zuruf des Abg. Dr. Stavenhagen [CDU/ CSU])

    — Aber lieber Herr Kollege Stavenhagen, Sie können doch nicht in dem einen Fall mit mir darüber einstimmen, daß es keine Frage der Partei ist, und dann Herrn Reuschenbach zitieren. Ich bin froh, daß in meiner Partei bei 1 Million Mitglieder diese Frage nicht nur wie mit einer Zunge behandelt wird. Das sind Fragen, die man, wie wir vorhin gesagt haben, nicht zur Parteizugehörigkeit zuordnen kann.

    (Zuruf von der SPD: Wir sind die echten Liberalen! — Lachen bei der CDU/CSU)

    Ich komme zum Schluß. Wir haben zwei Voten vorgelegt, eine Mehrheits- und eine Minderheitsempfehlung. Ich meine, daß die Entscheidungsgrundlagen für den Bundestag dadurch erweitert worden sind. Nach meinem Verständnis jedenfalls mißt sich die Qualität politischer Entscheidungen auch daran, daß man bei veränderten Rahmenbedingungen politisch neu entscheiden kann.
    Was vor 20 und vor 25 Jahren — so lange geht die Planung für den Brüter — in Kalkar gesprochen hat, mag damals — das bestreite ich gar nicht — richtig gewesen sein. Ich meine, bevor wir im Deutschen Bundestag politisch entscheiden, müssen wir auch fragen, ob das, was vor 20 Jahren für die Inbetriebnahme des SNR 300 in Kalkar gesprochen hat, es heute noch rechtfertigt, das Risiko, das mit dem Betrieb dieser Anlage verbunden ist, in Kauf zu nehmen.
    Ich bedanke mich vor allem bei den Vertretern der Opposition — so kann ich j a noch sagen — für ihre lebendige Anteilnahme.

    (Beifall bei der SPD und bei Abgeordneten der FDP — Zuruf von der CDU/CSU: Nicht mehr lange!)



Rede von Dr. Annemarie Renger
  • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (SPD)
  • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)
Das Wort hat der Abgeordnete Dr. Laermann.

  • insert_commentNächste Rede als Kontext
    Rede von Prof. Dr.-Ing. Karl-Hans Laermann


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (FDP)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (FDP)

    Frau Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Die Enquete-Kommission „Zukünftige Kernenergiepolitik" der 8. Legislaturperiode hatte den Weiterbau des Prototyps SNR 300, des Prototyps eines Schnellbrutreak-
    tors forschungspolitisch und entwicklungspolitisch akzeptiert, damit, wie es wörtlich in der Empfehlung heißt, auch ein Übergang auf „Kernenergie II" grundsätzlich möglich sei. Das heißt, sie hat in ihrer Empfehlung ausgedrückt, daß die Option auf einen Übergang intensiver Kernenergienutzung einschließlich Brüter offengehalten werden sollte, und von daher den Weiterbau des Brüters akzeptiert.
    Sie stellte in ihrer Empfehlung fest, daß vor einer abschließenden Bewertung durch eine risikoorientierte Analyse ein Risikovergleich zwischen SNR 300 und einem Leichtwasserreaktor des Typs Biblis B, wie er der Deutschen Risikostudie zugrunde liegt, vorgenommen werden soll. An einer solchen Studie sollten Wissenschaftler mit unterschiedlicher Meinung zur Kernenergie beteiligt werden. Außerdem sollte nach den Empfehlungen der alten Kommission eine Untersuchung zur Obergrenze der Energiefreisetzung bei einem Bethe-Tait-Störfall durchgeführt werden. Nach dem Einsetzungsbeschluß für die neue Kommission sollte die Frage der sicherheitstechnischen Bewertung und die Erarbeitung einer Empfehlung an den Deutschen Bundestag bezüglich der Inbetriebnahme bis 31. Juli 1982 und nach einer Verlängerung der Frist, über die hier debattiert worden ist, bis zum 23. September 1982 vorgelegt werden.
    Die genannten Studien wurden von der Regierung in Auftrag gegeben und dann in die Kommissionsberatungen einbezogen. Hier muß man ausdrücklich feststellen, daß nach der Verlängerung der Frist wesentliche Teile dieser Studien und Materialbände uns erst Anfang September vorgelegt wurden und es notwendig war, diese Studienergebnisse in mühevoller und zeitaufwendiger Arbeit durchzuarbeiten.
    Diese risikoorientierte Analyse wurde von zwei getrennt arbeitenden Gruppen ausgearbeitet, von der Gesellschaft für Reaktorsicherheit auf der einen Seite und von der neugegründeten Forschungsgruppe Schneller Brüter auf der anderen Seite. Leider konnten, was hier mein Vorredner, Herr Kollege Schäfer, schon ausgeführt hat — und was für die Kommission von großem Vorteil gewesen wäre -, von beiden Gruppen die Aspekte der Studienerkenntnisse nicht gemeinsam herausgearbeitet werden, die Aspekte nämlich, die einer politischen Bewertung zugeführt werden sollten.
    Wenn auch an der Vorlage der Forschungsgruppe Schneller Brüter in wesentlichen Punkten sachliche



    Dr.-Ing. Laermann
    Kritik anzubringen ist, auch der Stil der Auseinandersetzungen nicht in allen Fällen — ich will es vorsichtig formulieren — besonders hilfreich war, so will ich doch nachdrücklich die Bemühungen jedenfalls anerkennen, die aus ganz anderen Positionen als denen der Insider der Gesellschaft für Reaktorsicherheit heraus bei dieser komplizierten Materie unternommen wurden.
    Die Mitwirkung dieser Forschungsgruppe Schneller Brüter war insbesondere auch deshalb von Bedeutung — das möchte ich feststellen —, weil die Disputationen, die Stellungnahmen und Gegenstellungnahmen, die die Auseinandersetzung mit den Vorlagen der beiden Gruppen hervorgebracht haben, viele der kritischen und wichtigen Punkte ganz wesentlich verdeutlicht haben, in einer Reihe von problematischen Fragen Klarheit gebracht haben — zumindest für die Mitglieder der Kommission. Ich weiß nicht, ob dies mit dem gleichen Nachdruck und der gleichen Deutlichkeit erfolgt wäre, wenn hier nicht kritische Ansatzpunkte in der Studie der Forschungsgruppe Schneller Brüter dies hervorgebracht hätten.

    (Gerstein [CDU/CSU]: Da haben Sie recht!)

    Ich will mich jetzt nicht im einzelnen mit den wissenschaftlichen und technischen Fragen auseinandersetzen. Dies würde sicherlich den Rahmen dieser Debattenrunde heute morgen sprengen. Bezüglich der Risikobewertung möchte ich aber feststellen, daß natürlich nicht nur die Wahrscheinlichkeit des Eintritts des Schadensereignisses eine Rolle spielt, sondern daß auch das Schadensausmaß, das wiederum vom Schadenspotential abhängt, mit in die Bewertung einbezogen werden muß. Ich bekenne hier — dies ist mein Standpunkt, den ich hier und immer wieder vertreten habe —, daß es für die öffentliche Diskussion wenig hilfreich ist, Quantifizierungen eines Risikos vorzunehmen. Ich kann mir sehr wohl vorstellen, daß es für einen beunruhigten Bürger draußen wenig hilfreich ist, wenn er hört, ein Risiko sei mit einem Faktor 10-6 oder 10-9 behaftet. Ich weiß nicht, was ihm das bringen soll. Solche quantifizierten Risikoanalysen können ihren Sinn eigentlich nur darin haben, daß man technische Maßnahmen bewertet, aber — ich wiederhole es — sie sind nicht hilfreich für eine öffentliche Diskussion.
    Ich weigere mich auch, über die Zahl von hypothetischen Todesfällen zu streiten. Hier sage ich ganz deutlich: Mir ist einer schon zuviel.

    (Beifall bei allen Fraktionen)

    Wir kommen aber dennoch nicht an der Notwendigkeit vorbei, für die politische Entscheidungsfindung eine Risikobeurteilung vorzunehmen. Gerade in bezug auf den Prototyp eines Schnellen Brüters, der hier zur Disposition steht, haben sich solche Beurteilungen an der Eintrittshäufigkeit einer möglichen Kernzerstörung zu orientieren, an der Wahrscheinlichkeit, mit der nach einer Kernzerstörung der Sicherheitseinschluß versagt, daran, welche Anteile des Radionuklidinventars freigesetzt werden, wenn dieser Sicherheitseinschluß versagen sollte,
    und schließlich an den Unfallfolgen in der Umgebung nach Schadensausmaß und Eintrittshäufigkeit.