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ID0911203100

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    Plenarprotokoll 9/112 Deutscher Bundestag Stenographischer Bericht 112. Sitzung Bonn, Freitag, den 10. September 1982 Inhalt: Abwicklung der Tagesordnung 6837 A Erste Beratung des von den Fraktionen der SPD und FDP eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung des Einkommensteuergesetzes (Einkommensteueränderungsgesetz 1983) — Drucksache 9/1956 — Poß SPD 6837 B Dr. Kreile CDU/CSU 6839 D Frau Matthäus-Maier FDP 6844 B Lahnstein, Bundesminister BMF . . . 6848 B Erste Beratung des von den Fraktionen der SPD und FDP eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung von Vorschriften der gesetzlichen Rentenversicherung und von anderen Vorschriften (Sechstes Rentenversicherungs-Änderungsgesetz) — Drucksache 9/1957 — in Verbindung mit Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes über die Anpassung der Renten der gesetzlichen Rentenversicherung im Jahr 1983 — Drucksache 9/1730 — Glombig SPD 6851 B Franke CDU/CSU 6855 D Heyenn SPD 6861 B Schmidt (Kempten) FDP 6863 B Erste Beratung des von den Fraktionen der SPD und FDP eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung sozialrechtlicher Vorschriften (SVÄG 1982) — Drucksache 9/1958 — Hölscher FDP 6867 A Franke CDU/CSU 6870 C Urbaniak SPD 6873 B Westphal, Bundesminister BMA . . . 6875C Nächste Sitzung 6879 D Anlage Liste der entschuldigten Abgeordneten . 6880*A Deutscher Bundestag — 9. Wahlperiode — 112. Sitzung. Bonn, Freitag, den 10. September 1982 6837 112. Sitzung Bonn, den 10. September 1982 Beginn: 9.00 Uhr
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    6880 * Deutscher Bundestag — 9. Wahlperiode — 112. Sitzung. Bonn, Freitag, den 10. September 1982 Anlage zum Stenographischen Bericht Anlage Liste der entschuldigten Abgeordneten Abgeordnete(r) entschuldigt bis einschließlich Dr. van Aerssen * 10.9. Dr. Ahrens ** 10.9. Bamberg 10.9. Bohl 10.9. Dr. Bardens ** 10.9. Büchner (Speyer) ** 10.9. Dr. Dregger 10.9. Eickmeyer ** 10.9. Eigen 10.9. Dr. Faltlhauser 10.9. Feinendegen 10.9. Fellner 10.9. Frau Fromm 10.9. Funke 10.9. Frau Geier 10.9. Hauck 10.9. Herterich 10.9. Hoppe 10.9. Frau Luuk 10.9. Dr. Müller ** 10.9. Müller (Bayreuth) 10.9. Müller (Wadern) 10.9. Neumann (Bramsche) 10.9. Pensky ** 10.9. Rappe (Hildesheim) 10.9. Rösch 10.9. Dr. Schachtschabel 10.9. Schäfer (Mainz) 10.9. Schmidt (Wattenscheid) 10.9. Schulte (Unna) ** 10.9. Dr. Freiherr Spies v. Büllesheim ** 10.9. Stöckl 10.9. Dr. Unland ** 10.9. Dr. Vohrer ** 10.9. Dr. Warnke 10.9. Frau Dr. Wex 10.9. * für die Teilnahme an Sitzungen des Europäischen Parlaments ** für die Teilnahme an Sitzungen der Parlamentarischen Versammlung des Europarates
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    Rede von: Unbekanntinfo_outline


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (CDU/CSU)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: ()

    Leider nein. Für den Kollegen von der FDP gebe ich keine Sprechstunde. Die hat er nicht nötig. Auch ihm steht eine private Aussprache zur Verfügung. Ich wiederhole: Es ist lediglich eine Frage der mir zugewiesenen Zeit. Es ist nicht etwa so, daß ich die Frage nicht beantworten wollte.
    Was hier vom Bundespresseamt gesagt worden ist, ist richtig ausgedrückt, kommt aber 13 Jahre zu spät, wie ich befürchte, zu spät auch für die rentenpolitischen Maßnahmen im Zusammenhang mit dem bis 1984 zu erfüllenden Auftrag zur Gleichstellung von Mann und Frau im Rentenrecht. Jeglicher Spielraum für Reformen ist von dieser Regierung verwirtschaftet worden. Es gibt schon heute Äußerungen, wonach man die Anrechnung von Erziehungsjahren nicht mehr vornehmen kann, weil man sie nicht mehr bezahlen kann. Das heißt, das, was von allen drei Bundestagsfraktionen im Jahr 1980 zu der Anrechnung von Erziehungsjahren gesagt worden ist — diese Anrechnung sollte jetzt erfolgen —, wird sich leider nicht verwirklichen lassen, weil die Kassen des Bundes leer sind und es letztlich nicht ermöglichen, die Anrechnung der Erziehungsjahre in der Rentenversicherung zu finanzieren. Das ist sehr bedauerlich.
    Lassen Sie mich, meine Damen und Herren, nur noch eine ganz kurze Dokumentation zum Beweis



    Franke
    dafür geben, daß Sie während der 13 Jahre, die Sie regiert haben, falsch regiert haben. Nicht nur Rainer Barzel hat das 1969 gesagt, sondern auch aus dem Jahre 1972 gibt es dafür ein Dokument. Es ist der Brief von Karl Schiller, der 1972 seinem Kanzler kurz vor seinem Rücktritt geschrieben hat: Wenn ihr diesen Weg geht, dann geht ihr in die Irre. Genossen, laßt die Tassen im Schrank! Ihr guckt nicht über den Rand des nächsten Wahltages hinaus.
    Meine Damen und Herren, das war das Motiv des Rücktritts von Karl Schiller. Er hat leider genauso recht gehabt wie Rainer Barzel. Uns können Sie dafür nicht haftbar machen; denn all unsere Vorschläge haben Sie in diesen 13 Jahren abgelehnt.

    (Beifall bei der CDU/CSU — Kolb [CDU/ CSU]: Und jetzt ist das Geschirr zerdeppert!)

    Die Bundesregierung legt parallel zum Rentenanpassungsgesetz 1983 zwei neue Gesetzentwürfe vor. Den einen werden wir gleich noch behandeln.
    Ich beschäftige mich jetzt nur noch ganz kurz mit dem Sechsten Rentenversicherungs-Änderungsgesetz. Hierin sind erhebliche Belastungen für den Bürger enthalten.

    (Zurufe von der SPD)

    — Es scheint Ihrer Aufmerksamkeit entgangen zu sein, daß ich mich bislang mit den Perspektiven des Rentenanpassungsgesetzes 1983 und der Ursache, weshalb es zu solchen Schwierigkeiten gekommen ist, beschäftigt habe. Ich bitte, das zu beachten. — Meine Damen und Herren, ich unterstelle, daß Sie es akustisch nicht mitbekommen haben; denn daß Sie es verstehen, ist ja wohl völlig klar.
    Ich komme zu der stufenweisen Einführung eines Krankenversicherungsbeitrags für Rentner. Frau Matthäus-Maier, 1967/68 haben wir in der Großen Koalition einen zweiprozentigen Krankenversicherungsbeitrag für Rentner eingeführt. Nach dem Regierungswechsel 1969 wurde der Beitrag abgeschafft. Die einbehaltenen Beträge wurden ausgezahlt. Die finanzielle Lage der Rentenversicherung wäre heute entschieden besser, wenn der Fehler der Abschaffung damals nicht begangen worden wäre.
    Nun können Sie uns sagen, daß wir damals nicht deutlich genug geschrieen haben. Das gebe ich zu. Aber, meine Damen und Herren, Sie haben sich ja immer jedem vernünftigen Argument verschlossen. Wenn wir vernünftig argumentiert hätten, hätten Sie es angesichts der politischen Landschaft nicht vermocht, sich der Argumentation anzuschließen, weil es letztlich Ihr Wille war, hier weitere Wahlgeschenke zu verteilen. Diese aber müssen Sie heute einsammeln.

    (Pohlmann [CDU/CSU]: Das war der fröhliche Einstand von Herrn Brandt!)

    Bei der Debatte über das 21. Rentenanpassungsgesetz 1978 hatten wir von der Union vorgeschlagen, an Stelle der willkürlichen Anpassung der Rentenzahlungen einen sozial gestaffelten Krankenversicherungsbeitrag der Rentner einzuführen. Das wurde damals von der Koalition abgelehnt. Anstatt unserem Vorschlag zu entsprechen, koppelten Sie die Bruttoanpassung ab und erhöhten die Renten 1979 nur um 4,5 % und in den nachfolgenden Jahren jeweils um 4 %.
    Seit 1977 sind durch Verschiebung der Belastung auf die Krankenversicherung und durch geringere Rentenanpassungen weit über 150 Milliarden DM bewegt worden,

    (Löffler [SPD]: Sie haben doch hier keinen Lehrstuhl für Sozialgeschichte!)

    und zwar zu Lasten der Rentner und der Beitragszahler in der Rentenversicherung und der Krankenversicherung. Hier ist also von einer ganz bestimmten Gruppe unserer Bevölkerung schon ein nicht unerheblicher Solidaritätsbeitrag geleistet worden.
    Nun kommen Sie von der Koalition und führen — statt, wie ursprünglich vorgesehen, im Jahre 1985, und später, im Beschäftigungsförderungsprogramm, für 1984 — jetzt für 1983 einen Krankenversicherungsbeitrag der Rentner ein. Sie beginnen 1983 mit 1 % und enden 1986 mit 4 %. Es ist sicherlich nicht ganz ausgeschlossen, daß Sie eines Tages 6 % verlangen werden. Aber Sie haben sich, glaube ich, an den Zeitraum der mittelfristigen Finanzplanung gehalten.
    Ab 1983 werden die Rentner ohnehin schon durch beschlossene Gesetze belastet. Die Rentner, die z. B. Betriebsrenten oder andere Alterseinkommen beziehen, müssen von diesen ihren Zusatzalterseinkommen schon ab 1983 6 % Krankenversicherungsbeitrag bezahlen. All diesen Gesetzen, die Sie schon beschlossen haben und die Sie noch beschließen werden, liegt keine rentenpolitische Konzeption zugrunde. Den Belastungen, die Sie in den letzten Jahren eingeführt haben und auch noch beschließen wollen, liegt ausschließlich das Diktat der leeren Kassen zugrunde.
    Trotz Ihrer Fehler, die Sie in der Wirtschafts-, Finanz- und Sozialpolitik gemacht haben, sind wir bereit, Herr Cronenberg, Ihre unpopulären Maßnahmen mitzutragen.

    (Lachen bei der SPD — Zuruf von der SPD: Sie sind sehr großzügig!)

    Das heißt konkret, wir tragen die Einführung eines Krankenversicherungsbeitrags für Rentner mit, aber wir werden nicht zustimmen, daß Sie das den Rentnern vorenthaltene Geld zur Stützung der leeren Bundeskasse verwenden.

    (Pohlmann [CDU/CSU]: Verschiebebahnhof!)

    Bei dieser Gelegenheit will ich jedoch daran erinnern, daß Sie auch den sozial gestaffelten Krankenversicherungsbeitrag der Rentner meinen. Wir werden uns über Einzelheiten im Ausschuß unterhalten müssen.

    (Hölscher [FDP]: Das ist das Ende einer Leistungsrente!)

    — Das ist ein wichtiges Argument, lieber Herr Hölscher. Ich greife es auf.
    Bei uns in der Fraktion gibt es also eine Diskussion über einen dadurch möglicherweise entstehen-



    Franke
    den nivellierenden Effekt. Ich biete Ihnen an — ich gestehe, daß bei uns diskutiert wird —, miteinander in allem Freimut darüber zu reden. Ich wiederhole: Wir bieten an, 1 % mitzutragen, auch schon für 1983. Dies darf aber nicht zur Stützung des Bundeshaushalts verwendet werden. Mehr können Sie von einer Opposition in dieser Frage doch nicht erwarten, die Ihnen völlig ohne Zwang dieses Angebot macht.
    Ich möchte noch eine Bemerkung über den Bundeszuschuß machen, da 1,3 Milliarden DM aus der Rentenversicherung und 200 Millionen DM aus der knappschaftlichen Rentenversicherung für ein Jahr nicht zur Stützung der Rentenversicherung und zur besseren Liquiditätsausstattung verwendet werden sollen. Wir müssen auch über den dritten Beitragszahler, die öffentliche Hand, sprechen. Das ist jetzt eine Privatunterhaltung zwischen uns beiden, Herr Cronenberg, denn Sie bewerten den Bundeszuschuß anders. Wir müssen uns nicht auf die 33 % einigen. Die Bundesversicherungsanstalt für Angestellte in Berlin hatte ja festgestellt, daß 33% der Ausgaben für sachfremde Leistungen verwendet werden, die dort nicht zu verantworten sind. Wir können uns auf einen geringeren Betrag einigen, obwohl wir einige Positionen vielleicht unterschiedlich bewerten. Sicher ist aber, daß der Bundeszuschuß, gemessen an den Ausgaben der Rentenversicherungsträger, in Höhe von 16 % bei weitem nicht ausreicht, um die Verpflichtungen dort zu erfüllen.
    Die öffentlichen Hände haben also in den letzten — jetzt nenne ich eine Zahl —15 Jahren die ehemals volle Kasse nicht benutzt, um etwas zu verschieben, sondern dazu, die Zahlung aufzuschieben und in den letzten Jahren — leider — zu einer Verkürzung des Bundeszuschusses zu kommen, der eben leider nur 16% der Ausgaben deckt.

    (Abg. Cronenberg [FDP] meldet sich zu einer Zwischenfrage)

    — Lieber Herr Kollege Cronenberg, seien Sie so lieb und akzeptieren Sie das! Das ist wirklich nur eine Frage der Zeit.
    Es kann nicht der Sinn der ersten Lesung sein, auf jede Einzelheit der Gesetzentwürfe einzugehen. Daher will ich nur zu einigen Punkten Stellung nehmen. Sie planen die Änderung der Bemessung der Beiträge für Arbeitslose an die Rentenversicherung. Es sollen künftig als Berechnungsgrundlage nur noch 70 % statt der 100 % des Bruttoarbeitsentgeltes dienen, die bisher galten. In diesem Zusammenhang hat Herr Kollege Glombig dankenswerterweise auch auf die anderen Konsequenzen, die andere Bemessung der Ausbildungszeiten, hingewiesen, die Sie in Ihren Entwurf hineingeschrieben haben. Ich verweise nur darauf. Es kann nicht Sinn der ersten Lesung sein, hier auf jede Einzelheit einzugehen. Das muß der zweiten Lesung vorbehalten bleiben, nach der Anhörung im Ausschuß, die wir wahrscheinlich am 29. und 30. dieses Monats durchführen werden, und der Beratung im Ausschuß. Als Begründung sagen Sie, daß Sie die ungünstige Lage am Arbeitsmarkt dazu zwingt, auch auf der Ausgabenseite — hier beim Zuschuß von der Bundesanstalt für Arbeit an die Rentenversicherungsträger — Kürzungen vorzunehmen. Also erfolgen auch hier infolge der verfehlten Wirtschafts- und Finanzpolitik notwendige Eingriffe in soziale Besitzstände. Wir werden uns im Ausschuß natürlich nach einer sorgfältig durchgeführten Sachverständigenanhörung über die sozialen Auswirkungen dieser Maßnahmen unterhalten müssen.
    Ihnen, meine Damen und Herren, ist sicherlich noch in Erinnerung, daß die Union im letzten Jahr die Möglichkeit der Änderung der Beitragsbemessung ins Gespräch gebracht hat. Wir wollten damit dokumentieren, daß wir, obwohl die Union für die desolate Wirtschaftslage nicht verantwortlich ist, auch bereit und in der Lage sind, unpopuläre Maßnahmen vorzuschlagen und mitzutragen. Ich verrate Ihnen wohl kein Geheimnis, wenn ich sage, daß es über diese Haltung, die wir schon eingenommen hatten und auch heute als Fraktion noch einnehmen, in unserer Fraktion eine heftige Diskussion gegeben hat und auch noch gibt.

    (Zurufe von der SPD)

    Der Entlastungseffekt ist im Grunde genommen derselbe. Der Entlastungseffekt für die Bundesanstalt für Arbeit beträgt 1983 2 Milliarden DM, 1984 2,1 Milliarden DM, 1985 2,2 Milliarden DM, 1986 2,3 Milliarden DM. In diesem Zusammenhang planen die Regierungsparteien auch eine Veränderung der Bemessungsgrundlage in der Krankenversicherung für Arbeitslose und damit eine Absenkung der Beiträge der Bundesanstalt für Arbeit an die Krankenversicherung. Damit werden der Haushalt der Bundesanstalt für Arbeit und der Bundeshaushalt, wenn das Gesetz wird, in den Jahren 1983 und 1984 jeweils um 1,3 Milliarden DM, 1985 um 1,4 Milliarden DM und 1986 um 1,5 Milliarden DM entlastet. Diese Entlastung einerseits belastet andererseits als Mindereinnahme die Träger der gesetzlichen Krankenversicherung. Der Ausgleich für diese Einnahmeausfälle soll durch einen Katalog von Maßnahmen — sprich: durch höhere Belastungen der Bürger — geschaffen werden. Bei der Beratung des Gesetzes zur Änderung sozialrechtlicher Vorschriften kommen wir heute morgen noch darauf zurück. Die Folge wird allerdings sein, daß auch eine Beitragserhöhung bei den Trägern der Krankenversicherung nicht zu vermeiden sein wird.
    In dem Entwurf des Sechsten Rentenversicherungs-Änderungsgesetzes haben Sie von der Regierung außerdem eine Erhöhung des Beitragssatzes für die Bundesanstalt für Arbeit in Nürnberg um 0,5 % auf 4,5 % vorgeschlagen. Die Zeiten, in denen wir unter einer CDU/CSU-Regierung den Beitragssatz auf 0 % senken konnten, sind leider schon lange vorbei. Auch die Zeiten mit einem Beitrag von 1,3 % — 0,65 % für die Arbeitnehmer und 0,65 % für die Betriebe — sind leider lange vorbei. Wir werden die Zustimmung zu dieser Erhöhung versagen. Aus Ihrer Sicht wäre es in Verbindung mit dem, was ich vorher über die Krankenversicherung und die Kürzung des Zuschusses dort gesagt habe, allerdings konsequent gewesen, wenn Sie z. B. die Absenkung der Beiträge durch die Bundesanstalt auf 70 % des Bruttoarbeitsentgeltes an die Krankenversicherung unterlassen hätten und dafür eine Beitragssatzanhebung um 0,7 statt um 0,5 % vorgenommen hätten. Dann hätten



    Franke
    Sie sich den ganzen Kram der Belastung der einzelnen Positionen, über die wir nachher noch beraten werden, wahrscheinlich gespart. Ich sage: Aus Ihrer Sicht wäre das konsequent gewesen. Dann hätten Sie sich auch, verehrte Kollegen Cronenberg und Schmidt (Kempten), die kassenartübergreifende Finanzmanipulation, die Sie im § 157 AFG geplant haben, gespart. Aber die Regelung dieser Frage erledigen Sie kurzerhand in einem anderen Gesetzentwurf.
    Auch hier gilt, daß wir uns im Ausschuß nach der Sachverständigenanhörung intensiv über diesen Komplex unterhalten müssen. Ein Leitmotiv für unser gemeinsames politisches Handeln könnte das sein, was Professor Weichmann am 17. Juni dieses Jahres uns Politikern und den Bürgern ins Stammbuch geschrieben hat:
    Um aber nicht nur von Politikern, Unternehmern und der Tragweite einer persönlichen Qualität zu sprechen: Der mündige Bürger, von dem wir reden, benutzt seinen Mund vielfach nur, um Forderungen an die öffentliche Hand zu stellen, und offenbart keine innere Stimme, mit der er sich selbst die Aufgabe zuweist. Er will bedient werden, aber nicht dienen. An dem Begehren der Bürger gemessen ist auch der demokratische Staat irgendwie ein totalitärer Staat, der rechte Adressat für alle Wünsche. Darum ist auch hier an jene demokratische Gesinnung zu appellieren, bei der Libertas nicht mit Libertinage gleichzusetzen ist, bei der Freiheit auch Beschränkung bedeutet, die Pflicht zur moralischen Verantwortung im Denken an sich selbst und an die Gemeinschaft.

    (Zuruf des Abg. Löffler [SPD]) — Das war Herbert Weichmann.

    Wenn ich die Rede meines Parteivorsitzenden gestern und die von Herrn Genscher gestern noch richtig in Erinnerung und richtig verstanden habe, dann heißt das, meine Damen und Herren, daß auch diese beiden Männer meinen, daß wir zu einer Veränderung der Anspruchshaltung unserer Bevölkerung, ausgehend von den Politikern, die mit gutem Beispiel vorangehen sollten, kommen müssen. Ich glaube, daraus wird deutlich, daß es sich hier nicht nur um eine materielle Krise, sondern um eine geistig-moralische Krise handelt. Diese gilt es zu bewältigen.

    (Löffler [SPD]: Die haben Sie nur verschärft!)

    Sozialisten sind zu einer Veränderung dieses Klimas in der Bundesrepublik Deutschland nicht in der Lage.

    (Beifall bei der CDU/CSU)



Rede von Georg Leber
  • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (SPD)
  • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)
Das Wort hat der Herr Abgeordnete Heyenn.

  • insert_commentNächste Rede als Kontext
    Rede von Günther Heyenn


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (SPD)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)

    Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Es redet sich leicht von moralischer Krise,
    Herr Kollege Franke. Es redet sich leicht vom falschen Weg. Es redet sich leicht von Verwirrspiel.

    (Zuruf von der CDU/CSU: Das ist alles richtig!)

    Aber wo ist eigentlich die moralische Krise zu suchen, Herr Kollege Franke, wenn man hier einerseits von leeren Kassen spricht, aber andererseits schon völlig verdrängt hat, daß es einmal einen Gesetzentwurf der Unionsfraktionen zum Erziehungsgeld, der 11 Milliarden DM jährliche Belastung gebracht hätte, gegeben hat? Stellen Sie sich einmal vor, wir hätten diese Ausgabe heute im Bundeshaushalt? Wo ist denn die moralische Frage? Haben Sie denn vergessen, Herr Kollege Franke, was 1972 geschehen ist? Ich meine die vorgezogene Anpassung, die Öffnung der Rentenversicherung für Selbständige. Wie viele Milliarden DM hat uns das, was Sie uns damals, 1972, eingebrockt haben, gekostet?

    (Sehr wahr! bei der SPD)

    Angesichts dessen finde ich es schon relativ frech, hier von moralischer Krise zu reden.

    (Zustimmung bei der SPD)

    Wir kennen ja Ihre einführenden zehn Minuten, in denen Sie sich immer als Wirtschaftspolitiker versuchen. Ich mußte schon in den vergangenen Jahren für mich immer feststellen — diesmal will ich es einmal aussprechen —, daß ich den Eindruck habe, daß Sie ein verhinderter Wirtschaftspolitiker sind und die Wirtschaftspolitiker ganz froh sein können, daß Sie verhindert sind, dort mitzutun.

    (Zuruf von der CDU/CSU: Das war aber nicht gekonnt!)

    Herr Kollege Franke, Sie haben über den Krankenversicherungsbeitrag der Rentner gesprochen. Ich will darauf eingehen.

    (Zuruf des Abg. Jagoda [CDU/CSU])

    — Wo hat hier Arroganz gelegen, Herr Kollege Jagoda? Dies möchte ich lieber nicht werten. Bei ein wenig Objektivität wird auch Ihnen das aufgehen.

    (Jagoda [CDU/CSU]: Gucken Sie einmal Ihre Ergebnisse an!)

    Ich will vom Krankenversicherungsbeitrag der Rentner reden, den wir bei einer Unionsregierung j a schon im vergangenen Jahr gehabt hätten mit 2 oder 3 %. Wir führen ihn ein, weil sich die Arbeitnehmer- und die Rentnereinkommen nicht weiter auseinanderentwickeln dürfen. Dies ist ein wichtiger Schritt in die richtige Richtung.

    (Kolb [CDU/CSU]: Es dient zur Entlastung des Haushalts!)

    — Auch das, darauf komme ich noch. — Aber wir müssen bedenken, daß die Renten in der Rentenversicherung seit 1969 um real 43 % gestiegen sind und die Arbeitnehmereinkommen nur um knapp 30 %. Wir haben das gewollt. Es gab einen Nachholbedarf. Obwohl die ursprünglichen Anpassungsvorhaben durch die Anpassungsgesetze 1977 und 1978 reduziert werden mußten, konnte der Kollege Glombig zu Recht darauf hinweisen, daß wir heute bei 40 Versicherungsjahren ein Nettorentenniveau von rund



    Heyenn
    65% haben, das sich sehen lassen kann. Die Scherenteile müssen sich also wieder annähern: Arbeitnehmer/Rentner. Denn gerade in wirtschaftlich schwierigen Zeiten kann sonst bei dem Arbeitnehmer seine Beitragsbelastung auf Unverständnis stoßen, wenn sein Realeinkommen stagniert oder sinkt. Denn der Arbeitnehmer finanziert zusammen mit dem Bund im Umlageverfahren die heute gezahlten Renten.
    Im übrigen möchte ich eines wiederholen. 5,6 % minus 1 % bedeutet 4,6 % Anpassung der Renten ab 1. Januar 1983. Wir erfüllen mit dem Krankenversicherungsbeitrag einen doppelten Zweck. Einmal wird der Gleichklang in der Einkommensentwicklung zwischen Beitragszahler und Rentner erreicht, ohne eine Verschlechterung bei den Rentnern herbeizuführen, die nicht zu vertreten wäre. Zum anderen ist das ein Konsolidierungsbeitrag für die Rentenversicherung und bedauerlicherweise zunächst noch einmal 1983 ein Konsolidierungsbeitrag für den Bundeshaushalt.

    (Kolb [CDU/CSU]: Die Sünden werden doch ewig sein!)

    — Was hätten wir erst für Sünden, wenn wir Ihnen gefolgt wären! —
    Wir wollen hier nicht leugnen, daß die Krise von Wirtschaft und Wirtschaftspolitik, die weltweite Struktur- und Ressourcenkrise auch die Finanzsituation bei den Rentenversicherungsträgern beeinflußt. Wer wollte auch leugnen, daß es Liquiditätsprobleme im kommenden Jahr geben kann? Aber — und das vergißt auch der Kollege Franke immer wieder — die Rentenversicherung ist eben keine Insel mit heiler Welt, Sonnenschein und ruhigem blauen Wasser, wo nur ringsherum am Horizont überall Gewitter aufleuchten. Die Rentenversicherung ist ein Teil unserer Gesellschaft.
    Wir betrachten das mit Sorgen. Aber wir wissen alle, daß der Weg in einer solchen Situation über die vorzeitige Auszahlung von Bundeszuschüssen geht. Herr Kollege Franke hat davon gesprochen, wie es im Jahr 2030 aussehen wird und was Herr Professor Meinhold dazu sagt. Er hätte sagen sollen, daß Herr Professor Meinhold grundsätzlich noch heute sagt, daß die Rentenfinanzen bis 1986 in Ordnung sind, im mittelfristigen Zeitraum. Das habe ich hier nicht gehört.

    (Kolb [CDU/CSU]: Bei anderen Annahmen!)

    Eines ist dabei sicher — und auch das höre ich nie bei der CDU/CSU —: Der Rentner weiß, seine Rente ist gesichert. Dabei ist es mehr als bedauerlich, daß Institutionen, Verbände und Opposition dem Rentner diese Tatsache permanent auszureden versuchen.

    (Kolb [CDU/CSU]: Herr Kollege, Sie müssen sagen, welche Voraussetzungen da vorgesehen sind!)

    Einige machen das unbewußt. Aber einige begreifen auch die Folgen. Einige kochen wie der Kollege Franke mit heller Freude diese Suppe. Sie tun das auf dem Rücken von Menschen, die ein Leben lang gearbeitet haben und vor denen es mehr Achtung
    geben sollte. Ich möchte einiges zitieren, was wir in den vergangenen Monaten gehört haben: Schwere Krise in der Rentenversicherung, leider düstere Lage — so auch heute der Kollege Franke wieder —, es droht parteiideologische Willkür, Sondersteuer für Rentner. Diese Ausdrücke — ich kann Ihnen das belegen — schaffen Unsicherheit, obwohl Sie genau wissen, daß für den einzelnen keinerlei Gefahr für Höhe und Stetigkeit der Rentenzahlung besteht. Ich möchte an Sie appellieren: Machen Sie Schluß mit der Verunsicherung, denn sie ist und bleibt ein unwürdiges Spiel auf dem Rücken der alten Menschen! Diese Verunsicherung ist unseriös. Wer Franke, Blüm und Geißler hört, muß sich eigentlich darüber wundern, daß die Rente an jedem Ersten wieder auf dem Konto ist und auch noch jedes Jahr erhöht wird.
    Die Union warnt: Die Renten nicht weiter kürzen! Wir müssen heute auch langfristig wirkende Korrekturen vornehmen. Aber Ihre Kürzungsvorstellungen lauten doch: 5 bis 7 % bei der Rente.

    (Zuruf von der CDU/CSU: Wer sagt das denn?)

    — So der Kollege Höpfinger beim VdK: minus 5 bis 7 % bei den sozialen Leistungen; das sind doch wohl auch Renten.

    (Franke [CDU/CSU]: Nein!)

    Sie betreiben ein Verwirrspiel. Sie versuchen, Ihre Kürzungsabsichten zu verschleiern, und werfen uns Verwirrung vor. Wer kann denn noch erkennen, was Ihre eigentliche Meinung ist? Sie wollen eine realistische Diskussion unmöglich machen.

    (Beifall bei der SPD)