Rede:
ID0911200800

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    Plenarprotokoll 9/112 Deutscher Bundestag Stenographischer Bericht 112. Sitzung Bonn, Freitag, den 10. September 1982 Inhalt: Abwicklung der Tagesordnung 6837 A Erste Beratung des von den Fraktionen der SPD und FDP eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung des Einkommensteuergesetzes (Einkommensteueränderungsgesetz 1983) — Drucksache 9/1956 — Poß SPD 6837 B Dr. Kreile CDU/CSU 6839 D Frau Matthäus-Maier FDP 6844 B Lahnstein, Bundesminister BMF . . . 6848 B Erste Beratung des von den Fraktionen der SPD und FDP eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung von Vorschriften der gesetzlichen Rentenversicherung und von anderen Vorschriften (Sechstes Rentenversicherungs-Änderungsgesetz) — Drucksache 9/1957 — in Verbindung mit Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes über die Anpassung der Renten der gesetzlichen Rentenversicherung im Jahr 1983 — Drucksache 9/1730 — Glombig SPD 6851 B Franke CDU/CSU 6855 D Heyenn SPD 6861 B Schmidt (Kempten) FDP 6863 B Erste Beratung des von den Fraktionen der SPD und FDP eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung sozialrechtlicher Vorschriften (SVÄG 1982) — Drucksache 9/1958 — Hölscher FDP 6867 A Franke CDU/CSU 6870 C Urbaniak SPD 6873 B Westphal, Bundesminister BMA . . . 6875C Nächste Sitzung 6879 D Anlage Liste der entschuldigten Abgeordneten . 6880*A Deutscher Bundestag — 9. Wahlperiode — 112. Sitzung. Bonn, Freitag, den 10. September 1982 6837 112. Sitzung Bonn, den 10. September 1982 Beginn: 9.00 Uhr
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    6880 * Deutscher Bundestag — 9. Wahlperiode — 112. Sitzung. Bonn, Freitag, den 10. September 1982 Anlage zum Stenographischen Bericht Anlage Liste der entschuldigten Abgeordneten Abgeordnete(r) entschuldigt bis einschließlich Dr. van Aerssen * 10.9. Dr. Ahrens ** 10.9. Bamberg 10.9. Bohl 10.9. Dr. Bardens ** 10.9. Büchner (Speyer) ** 10.9. Dr. Dregger 10.9. Eickmeyer ** 10.9. Eigen 10.9. Dr. Faltlhauser 10.9. Feinendegen 10.9. Fellner 10.9. Frau Fromm 10.9. Funke 10.9. Frau Geier 10.9. Hauck 10.9. Herterich 10.9. Hoppe 10.9. Frau Luuk 10.9. Dr. Müller ** 10.9. Müller (Bayreuth) 10.9. Müller (Wadern) 10.9. Neumann (Bramsche) 10.9. Pensky ** 10.9. Rappe (Hildesheim) 10.9. Rösch 10.9. Dr. Schachtschabel 10.9. Schäfer (Mainz) 10.9. Schmidt (Wattenscheid) 10.9. Schulte (Unna) ** 10.9. Dr. Freiherr Spies v. Büllesheim ** 10.9. Stöckl 10.9. Dr. Unland ** 10.9. Dr. Vohrer ** 10.9. Dr. Warnke 10.9. Frau Dr. Wex 10.9. * für die Teilnahme an Sitzungen des Europäischen Parlaments ** für die Teilnahme an Sitzungen der Parlamentarischen Versammlung des Europarates
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    Rede von Ingrid Matthäus-Maier


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (FDP)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)

    Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Herr Kreile, lassen Sie mich versuchen, es liebenswürdig, aber dennoch bestimmt zu sagen: Ihre Rede zeigt, daß etwas Falsches auch dadurch nicht richtig wird, daß man es immer wiederholt.

    (Beifall bei der FDP und der SPD — Franke [CDU/CSU]: Hoffentlich gelingt Ihnen beides!)

    Das betrifft Ihre Vorwürfe zur Steuererhöhung.

    (Sehr wahr! bei der SPD)

    Sie wissen — sie haben es dankenswerterweise selbst gesagt —, diese Regierung und ihre Vorgängerinnen haben sich vorgenommen, die Gesamtsteuerbelastung des Bürgers über die Jahre nicht ansteigen zu lassen. Das ist ihnen auch gelungen. Ich finde zwar, daß die Steuerquote nicht unbedingt ein angemessenes Mittel ist — das gilt im übrigen für alle Quoten —, das festzustellen. Nur muß man doch festhalten: Als im Laufe der Jahre die Gefahr bestand, daß die Steuerquote möglicherweise einmal um 0,3 oder 0,5 % über der des vorhergehenden Jahres liegen würde, waren Sie es, die das Kriterium „Steuerquote" immer zum Vergleich heranzogen. Nun haben auch Sie gemerkt — alle haben es Ihnen vorgerechnet —, daß die Steuerquote in den letzten 30 Jahren nicht nur nicht angestiegen ist, sondern daß sie, wenn Sie die Umstellung der Kindergeldauszahlung hinzurechnen, sogar leicht abgesunken ist. In dem Moment fällt Ihnen ein, daß sich mit dem Begriff „Steuerquote" schlecht argumentieren läßt.

    (Beifall bei der FDP)

    Sie wissen ganz genau: Wir sind keine „Steuererhöhungskoalition", wie Sie es formuliert haben. Wir haben dafür gesorgt, daß die Steuern in regelmäßigen Abständen abgesenkt worden sind.

    (Beifall bei der FDP und der SPD)

    Eines ist richtig: Die Verteilung innerhalb des Steueraufkommens zwischen den direkten Steuern einerseits und den indirekten Steuern andererseits gefällt uns nicht; die gefällt uns ebensowenig, wie sie Ihnen gefällt. Leider ist der Anteil der direkten Steuern, also insbesondere der Lohn- und Einkommensteuer, in den letzten Jahrzehnten angestiegen. Aber warum haben Sie uns denn beim letzten Gesetz vor der Sommerpause an dem gehindert, was wir vorgeschlagen hatten, nämlich schon jetzt eine umfangreiche Senkung der Lohn- und Einkommensteuer bei gleichzeitiger Anhebung der Mehrwertsteuer für das Jahr 1984 zu vereinbaren?

    (Beifall bei der FDP und der SPD)

    Dies hätte genau zu diesem Ziel geführt. Ich kann Sie nur darauf aufmerksam machen und an Sie appellieren: Unterstützen Sie uns bei diesem Vorhaben, das wir nach wie vor haben,

    (Dr. Langner [CDU/CSU]: Aber nicht Kasse gegen Hoffnung!)

    nämlich im Laufe des kommenden Jahres Senkungen bei der Lohn- und Einkommensteuer vorzunehmen und dies dadurch zu bezahlen, daß wir zugleich die indirekten Steuern — hier in erster Linie die Mehrwertsteuer — anheben.
    Aber, Herr Kreile, wenn man dies weiß und wenn man — das ist die Meinung meiner Fraktion und dieser Koalition — in einer Situation der knappen Kassen nicht den bequemen Weg über Steuersatzanhebungen gehen will, dann muß man natürlich auch im Steuerrecht Schlupflöcher stopfen, Umgehungsmöglichkeiten beseitigen und Reformen, die schon aus anderen Gründen notwendig wären, bei leeren Kassen durchzusetzen versuchen. Sie können doch wohl nicht in diesem Sozialbereich oder bei den Transferleistungen eine Änderung fordern, weil es dort Mißbrauchs- und Umgehungsmöglichkeiten gibt, aber



    Frau Matthäus-Maier
    das Steuerrecht von vornherein von solcher Argumentation ausnehmen.

    (Beifall bei der FPD und der SPD)

    Ich halte die fünf Punkte, die dieses Steueränderungsgesetz bzw. die entsprechende Änderung der Einkommensteuerrichtlinien enthält, für wichtige Punkte. Ich bin der Ansicht, daß leere Kassen nicht nur keine Katastrophe darstellen, weil man dann Gesetze ändern muß, sondern daß sie auch die Chance bieten, überfällige Reformen durchzusetzen und Ärgerlichkeiten abzubauen, zu denen man bei vollen Kassen nicht den politischen Mut hat.

    (Beifall bei der FDP und der SPD)

    Dazu gehören überwiegend diese fünf Punkte, insbesondere Punkt 1: Ausschluß des Ausgleichs bestimmter ausländischer Verluste. Verluste aus Vermietung und Verpachtung von ausländischem Grundbesitz, aus Land- und Forstwirtschaft sowie Verluste aus ausländischer gewerblicher Tätigkeit, die nicht produktiv im Sinne des § 5 des Auslandsinvestitionsgesetzes ist, sollen nicht mehr steuermindernd mit positiven Einkünften im Inland verrechnet werden können.
    Was heißt dieses Steuerchinesisch auf deutsch? Seit Jahren bekommen wir — um nur ein Beispiel zu nennen — von engagierten Bürgern Eingaben, in denen sie uns fragen: Wieso ist der Landkauf von Deutschen in Paraguay steuerlich begünstigt, ein Landkauf, der in vielen Fällen dazu führt, daß die einheimische Urbevölkerung, die Indios, dann vertrieben wird?

    (Beifall bei der FDP und der SPD)

    Seit Jahren finden wir das nicht gut. Jetzt nutzen wir knappe Kassen dazu, dies zu korrigieren. Das halte ich für richtig.
    Aus der Bevölkerung kommt öfter der Vorwurf: Warum habt ihr all das nicht schon früher getan? Ich möchte einmal aufzählen, was wir in diesem Bereich schon gemacht haben: Seit 1980 sind Verlustzuweisungsmöglichkeiten, die durch Beteiligung an sogenannten Abschreibunsgesellschaften bestanden, bereits erheblich eingeschränkt worden. Folgende Maßnahmen wurden verwirklicht:
    1. Die Einschränkung des negativen Kapitalkontos.
    2. Die Begrenzung der degressiven Abschreibung gemäß § 7 Abs. 5 des Einkommensteuergesetzes auf inländische Gebäude.
    3. Die Beschränkung der Berücksichtigung ausländischer Verluste gemäß § 2 des Auslandsinvestitionsgesetzes auf sogenannte berücksichtigungswürdige gewerbliche Aktivitäten, z. B. Ausschluß des Tourismus.
    4. Die einkommensteuerliche Begrenzung von Bauherren- und Erwerbermodellen im Erlaßwege.
    5. Das Auslaufen der Mehrwertsteueroption bei Bauherrenmodellen zum 31. Dezember 1984.
    In diesem Zusammenhang taucht die Frage auf: Warum habt ihr das, was ihr jetzt macht, nicht schon vorher getan? — Weil der Gesetzgeber gar nicht in der Lage ist — ich darf es einmal ganz konkret formulieren —, so schnell Löcher zu stopfen, wie auf der anderen Seite gut oder höchstbezahlte Steuerberater und andere Fachleute danach suchen und sie natürlich schneller finden als wir sie stopfen können. Deswegen müssen wir dafür sorgen, daß wir hinterherkommen.

    (Beifall bei der FDP und der SPD — Dr.-Ing. Kansy [CDU/CSU]: Meinen Sie Herrn Gattermann oder wen meinen Sie? — Weitere Zurufe von der CDU/CSU)

    Punkt 2: Begrenzung der sogenannten Vorsorgepauschale für nicht rentenversicherungspflichtige Arbeitnehmer, insbesonder Beamte, auf 2 000/4 000 DM. Zum einen möchte ich darauf hinweisen, daß diese Begrenzung nicht das Vorhandensein von Kindern betrifft. Außerdem können die betroffenen Arbeitnehmer ihre tatsächlichen Vorsorgeaufwendungen — sofern sie nachgewiesen sind — im Rahmen der unveränderten Sonderausgabenhöchstbeträge beim Lohnsteuerjahresausgleich geltend machen.
    Was heißt dieses Fachchinesisch auf deutsch? Es ist heute so, daß speziell Beamte — das gilt aber für alle nicht rentenversicherungspflichtigen Arbeitnehmer — keine Beiträge zur Rentenversicherung und keine Beiträge zur Arbeitslosenversicherung zahlen. Die Vorsorgepauschale hat aber den Sinn, durch ihre 18 % die normalerweise anfallenden Sozialversicherungsbeiträge im vorhinein abzugelten. Wenn nun feststeht, daß diese Ausgaben bei einer bestimmten Berufsgruppe gar nicht anfallen, dann handelt es sich ohne Zweifel um ein Privileg, das man sich vielleicht bei vollen Kassen leisten kann, aber nicht bei knappen Kassen. Deswegen grenzen wir es ein. Wir schaffen es allerdings nicht ab, weil wir natürlich alle wissen, daß auch Beamte Beiträge zur Krankenversicherung zahlen.
    Dritter Punkt: Erhöhung der pauschalierten Lohnsteuer für Beiträge zur Direktversicherung und Zuwendungen an Pensionskassen von 10 auf 15 %. Herr Dr. Keile, lassen Sie es mich hier kurz machen: Ich finde schon, daß man um der Redlichkeit willen wissen muß, wie man argumentiert. Es sind doch gerade — das wird der SPD-Fraktion nicht so gefallen, aber ich muß das hier einmal sagen — Selbständige und Freiberufler gewesen und entsprechend die Lebensversicherungsunternehmen, die uns gesagt haben: Das ist ein ungerechtfertigtes Privileg für Arbeitnehmer, daß sie mit einem besonderen Steuersatz solche zusätzlichen Regelungen der Altersversorgung erreichen können. Wenn wir dies nun dadurch erschweren, daß wir den Pauschsteuersatz von 10 auf 15 % anheben, dann kann das eigentlich von Ihnen nicht in der Form kritisiert werden, wie Sie es hier getan haben.
    Vierter Punkt: Änderung der Einkommensteuerrichtlinien. Die bisherige Übung, daß als privater Nutzungsanteil ein Vomhundertsatz von 20 bis 25 anzusetzen ist, wird geändert. In Zukunft wird ein genereller Vomhundertsatz von 40 vorausgesetzt. Auch dies halte ich für richtig. Wir wissen doch alle aus der praktischen Alltagsarbeit, wieviel Mißbrauch in diesem Bereich herrscht, wenn auch die Finanzämter in der Vergangenheit die Zügel schon



    Frau Matthäus-Maier
    angezogen haben. Viele Arbeitnehmer, die diese Möglichkeit nicht haben, sind zu Recht darüber verärgert, daß wir Mißbräuche im Sozialbereich — zu Recht — abbauen, aber Mißbrauchs- und Umgehungsmöglichkeiten im steuerrechtlichen Bereich belassen. Dies abzuändern, dazu dient diese Änderung der Einkommensteuerrichtlinien.
    Letzter Punkt: Begrenzung des Splitting-Vorteils. Herr Kreile, Sie wissen genausogut wie ich, daß das Splitting in seiner bisherigen Form seit vielen Jahren heftig umstritten ist, auch in Ihrer Fraktion. Ich darf darauf hinweisen, daß in dem Bericht der Enquete-Kommission „Frau und Gesellschaft", in der auch Sie vertreten waren, ausdrücklich die Aufforderung an den Deutschen Bundestag enthalten ist, dieses Einkommensplitting unter die Lupe zu nehmen, insbesondere deswegen, weil es die sogenannten Ein-Eltern-Familien, also z. B. Witwer mit Kindern oder alleinstehende Mütter mit Kindern, sehr viel schlechter behandelt als die sogenannten vollständigen Familien. Zum anderen haben die sehr hoch Verdienenden von diesem Einkommensteuersplitting sehr viel mehr als andere, und zwar — das ist wichtig — unabhängig davon, ob in der Familie Kinder vorhanden sind oder nicht. Ich halte daher diese Form des Einstiegs in eine Reform des Ehegattensplittings für den richtigen Weg.

    (Zustimmung bei der FDP und der SPD)

    Herr Dr. Kreile, Sie sprechen hier nun von „Nivellierung". Nivellierung hin, Nivellierung her, es handelt sich hier um Einkommen oberhalb einer Grenze von ungefähr — das wissen Sie — 9 000 Mark im Monat. Ich finde, diese Form der „Nivellierung", die Sie hier ankreiden, kann man sich politisch durchaus leisten.

    (Beifall bei der FDP und der SPD)

    Einen Schönheitsfehler hat dieser Vorschlag in der Tat; das will ich als jemand, der sich seit Jahren bemüht, eine umfassende Reform in Gang zu setzen, gerne zugeben. Mir wäre lieber gewesen, wir hätten eine Reform des Ehegattensplittings mit einer grundsätzlichen Überprüfung des Familienlastenausgleichs verbunden,

    (Zustimmung bei der FDP und der SPD)

    also des Kindergeldes, des Ehegattensplittings, des Kinderbetreuungsbetrages und der Ausbildungsfreibeträge.

    (Zustimmung bei der SPD)

    Aber, Herr Dr. Kreile, dieses Beispiel zeigt erneut, daß wir, nachdem dies jahrelang nicht möglich war und nachdem entsprechende Äußerungen etwa von mir in Ihrer Fraktion immer sehr schnell auf den Vorwurf trafen, das sei ja blanker Sozialismus, erst knappe Kassen brauchen, um den Einstieg in bestimmte Reformmaßnahmen zu finden.

    (Zuruf von der CDU/CSU: Eine neue Begründung für Sozialismus!)

    Ich halte diese Änderung beim Ehegattensplitting für einen entsprechenden Einstieg.

    (Zustimmung bei der FDP und der SPD)

    Ein Wort zu dem jetzt, wenn ich es richtig mitbekommen habe, von der Gewerkschaft Nahrung, Genuß, Gaststätten wieder vorgeschlagenen Weg von Begrenzung des Kindergeldes nach Einkommensgrenzen beim Kindergeld. Meine Damen und Herren, dies klingt nach außen sehr schön, und ich glaube, wenn es machbar wäre, hätten wir es tun sollen. Es war mein Parteivorsitzender, der trotz der Bedenken in unserer Fraktion, die er auch selber hatte, dies zweimal ins Gespräch gebracht hat. Aber alle an den Vereinbarungen Beteiligten haben gemeinsam festgestellt, daß — und dies geht jetzt an Sie, meine Damen und Herren Kollegen von der SPD — dies nicht sinnvoll ist, und zwar insbesondere aus zwei Gründen: Es ist verfassungsrechtlich bedenklich, keine Kinderfreibeträge zuzulassen und auch das Kindergeld oberhalb einer bestimmten Einkommensgrenze total zu streichen.

    (Zuruf von der SPD: Nie total!)

    — Sie wissen, daß es Modelle gab, für das erste Kind 45 statt 50 DM zu zahlen und für das zweite 100 statt 120 DM; und damit komme ich zum nächsten Punkt.
    Wenn Sie es verfassungsrechtlich wasserdicht machen wollen, wird es so kompliziert, daß Ihnen mindestens ein Viertel bis ein Drittel dessen, was Sie an Minderausgaben haben, durch Verwaltungskosten weggefressen wird.
    Ich will Ihnen ehrlich sagen, daß ich mich über Außerungen der Frau Kollegin Fuchs geärgert habe, die nach den Vereinbarungen, wo beide Partner — SPD und FDP — festgestellt haben, daß es nicht geht, wieder gesagt hat, man müsse das prüfen. Ich bitte nun wirklich darum, daß solche Überlegungen eingestellt werden, denn sie erwecken in der Bevölkerung den Eindruck, das sei ganz schön, und wir sollten das machen, nur seien wir zu faul und zu dumm dazu. Wir sind nicht zu faul und nicht zu dumm dazu! Wir wissen, daß es schlicht nicht geht, und deshalb sollte man die Diskussion auf die wirklich wichtigen Punkte lenken, nämlich auf Kinderbetreuungsbetrag, Ehegattensplitting und Überprüfung des Gesamtsystems.
    Wenn sogar Herr Späth sagt, das mit den Einkommensgrenzen sei erwägenswert, ist das natürlich besonders schlitzohrig. Herr Späth verteidigt nämlich gleichzeitig den Kinderbetreuungsbetrag oder die Kinderfreibeträge und weiß sehr wohl, daß bei diesem steuerlichen Instrumentarium die Vorteile für die besser Verdienenden sehr viel größer sind als beim Kindergeld. Die Diskussion um die nicht durchführbaren Einkommensgrenzen beim Kindergeld lenkt nur von diesem Tatbestand ab. Und deswegen sollten wir sie nicht selber immer wieder beginnen.
    Meine Damen und Herren, Herr Dr. Kreiles Rede hat gezeigt, daß wir noch unsicher sein müssen, ob der Bundesrat diese Vorschläge annimmt.

    (Zuruf von der CDU/CSU: Sicher nicht!)

    Bei der Opposition herrscht j a ein großes Durcheinander. Herr Strauß sagte erst: Alles ablehnen. Herr Geißler sagt: Selbstverständlich müssen wir gerade in diesem Bereich auch etwas tun. Dann sagt Herr



    Frau Matthäus-Maier
    Strauß, Sie hätten das Ganze noch nicht endgültig überarbeitet, und erst einmal müßten die Zahlen überprüft werden. Mit dem Gerede von den Zahlen drücken Sie sich um eine klare Stellungnahme. Sie wollen keine Wähler verprellen, und deswegen sagen Sie nicht, was Sie denken. Sie wollen weder die Wähler verprellen, die das Ehegattensplitting so wollen, noch die, die es so nicht wollen. Deswegen ist von Ihnen bis heute nichts Klares zu hören.

    (Dr.-Ing. Kansy [CDU/CSU]: Das gerade aus Ihrem Mund hört sich richtig komisch an!)

    Daß Sie in dieser ganzen Finanzdebatte diesen Weg — Nicht-verprellen-Wollen — wählen, haben schon andere Leute festgestellt, die Ihnen sehr viel näherstehen. Im Juli hat Herr Bucerius in der „Zeit" etwas Schönes geschrieben. Unter der Überschrift „Feigheit vor dem Freunde" nimmt er Stellung zu Ihrem Verhalten in der Frage der Verschiebung der Anhebung der Beamtenbesoldung um drei Monate. Er sagt, er sei dafür gewesen, daß eine andere Regierung drankommt — nämlich Sie —, in der Hoffnung, dann würde hier mehr getan. Er sagt weiter:
    Von einer CDU/CSU-Regierung erwarten sie — die Wähler —
    Sparsamkeit und Gewissenhaftigkeit im Umgang mit öffentlichen Geldern. So habe auch ich gedacht — bis zur vorigen Woche. Ich verstehe die Abneigung gegen Franz-Josef Strauß, habe aber immer gesagt: Ein Finanzminister oder Kanzler Strauß hätte der Nation die nötigen Opfer zugemutet.
    Und jetzt geht er auf den Gesetzentwurf ein:
    Aber die Opposition hat schon beim erstenmal versagt.
    Weiter:
    Ja, aber wer auf das wichtigste Staatsamt hofft, muß bereit und fähig zum Streit sein. Er verstehe nicht zu entscheiden und zu führen, werfen seine Gegner Kohl vor; mit seiner Kapitulation vor den Beamten hat er ihnen recht gegeben.
    Wer hier schon nachgibt und kapituliert, wie will der uns eigentlich erzählen, daß er besser sparen kann und daß er mehr konsolidieren kann als wir?

    (Beifall bei der FDP und der SPD — Kolb [CDU/CSU]: Sie mit Ihrer Schlitzohrigkeit!)

    Herr Bucerius kennt j a nicht einmal die eigentlichen Verhältnisse. Das kann er auch nicht. Denn er liest ja nur die Zeitung. Er weiß ja nicht, was im Finanzausschuß vorgeht. Das weiß aber ich, weil ich ihm seit sechs Jahren angehöre. Und da habe ich miterlebt, daß das nicht ein einmaliger Punkt ist, sondern daß immer, wenn es darauf ankam, Steuersubventionen einzuschränken oder zu streichen, und Konsolidierungsmaßnahmen vorzunehmen, Sie sich, von ganz wenigen Ausnahmen abgesehen, zumindest enthalten, in der Regel aber mit Nein gestimmt haben.
    Und davon leben Sie im Moment. Davon leben Sie genauso wie die Grünen: von dieser Fundamentalopposition, ohne zu sagen, was Sie wollen und wo Sie konkret etwas wollen.

    (Beifall bei der FDP und der SPD — Dr. Langner [CDU/CSU]: Sie haben doch keine Ahnung!)

    Die Grünen sind wenigstens ehrlich. Ich habe deren Programm durchgearbeitet. Unter der Überschrift „Finanz- und Wirtschaftspolitik" steht: Dieses Kapitel wird im Moment noch erarbeitet. Die Grünen haben also keine Vorschläge in diesem Bereich und geben es auch zu.
    Aber Sie behaupten, Sie hätten eines. Sie behaupten, Sie würden dreimal so viel sparen wie wir. Und wenn es konkret wird, bringen Sie nicht einmal die Hälfte zustande. Kein Gesetz hat im Vermittlungsausschuß das gleiche Volumen behalten, mit dem wir es hineingeschickt haben. Es kam immer mit weniger heraus. Eines war allerdings immer sicher: Es kam nicht so sozial ausgewogen heraus, wie wir es hineingeschickt hatten.
    Dazu paßt, daß Herr Strauß z. B. schon schriftlich den Privatfliegern versichert hat — das stelle man sich in dieser Situation vor! —, daß er die Mineralölsteuer für Privatflieger, die wir im 1. Subventionsabbaugesetz eingeführt haben, abschaffen wird, sobald er an der Regierung ist. Dies hängt alles zusammen.
    Ich halte die soziale Ausgewogenheit für einen wichtigen Punkt, nicht nur, um dies draußen allen Bevölkerungsteilen erträglich zu machen, sondern, ich wiederhole es, weil nicht nur im Sozialbereich bei den Transferleistungen, sondern auch im Bereich der Subventionen und der Steuervergünstigungen wichtige Umgehungsmöglichkeiten und Mißbräuche vorhanden sind.
    Herr Dr. Kreile, das sage ich hier: Sie sind gegen die Ergänzungsabgabe, und ich bin es, und meine Fraktion ist es, weil wir der Ansicht sind, daß man nicht den bequemen Weg über Steuererhöhungen, was die Ergänzungsabgabe j a wäre, sondern den konkreten Abbau von Einzelmaßnahmen wählen soll. Wenn Sie sich aber wie bisher weigern, soziale Ausgewogenheit in den Gesetzespaketen dadurch herzustellen, daß Sie die Schlupflöcher im Steuerrecht schließen, dann provozieren Sie die Diskussion über die Ergänzungsabgabe. Und das halte ich für schlimm.

    (Beifall bei der FDP und der SPD — Dr. Langner [CDU/CSU]: Haltet den Dieb!)

    Der letzte Punkt an meinen Koalitionspartner. Ich gehe davon aus, daß wir das, was wir hier vereinbart haben, zusammen machen werden. Ich hoffe nach neuesten Äußerungen, daß die Probleme bei der SPD klein oder sogar verschwunden sind. Ich glaube, ein Grund für die Probleme, die wir haben, ist, daß einige in der SPD — ich weiß nicht, ob es die Mehrheit oder die Minderheit ist; jedenfalls nicht der Kanzler und der Finanzminister — nicht bereit waren, zuzugeben, daß man auf geänderte wirtschaftliche Rahmenbedingungen in der Finanz- und Wirtschaftspolitik geändert reagieren muß.



    Frau Matthäus-Maier
    Herr Glotz hat ein sehr bemerkenswertes Interview dazu im „Vorwärts" gegeben. Ich glaube, es ist wichtig, daß nicht nur Herr Glotz oder Herr Glombig mit seinen Äußerungen zum Sozialversicherungssystem oder Herr Rappe mit seinen Äußerungen zur nettolohnbezogenen Rente, sondern daß Sie alle zusammen draußen den Bürger von der Richtigkeit dieser Maßnahmen nur überzeugen können, wenn sich nicht der eine Partner hinter dem anderen versteckt und sagt, das sei die böse FDP, die uns das dauernd aufzwingt: wir alleine als SPD würden das j a gar nicht machen. Es trifft doch zu, was der Kanzler in seiner Fraktion zu Recht gesagt hat. Auch wenn die SPD alleine an der Regierung wäre — was Sie Gott sei Dank nicht sind —, müßten sie dies tun. Schauen Sie sich die Regierung Rau in Nordrhein-Westfalen an; die führt sehr viel einschneidendere Maßnahmen durch.

    (Beifall bei der FDP)

    Wenn man dem Bürger draußen sagt: Geänderte Rahmenbedingungen, insbesondere geringeres wirtschaftliches Wachstum, erfordern Anpassungen im Sozialsystem, im Subventionssystem, im Wirtschafts- und Finanzsystem insgesamt, wenn man das gemeinsam offensiv nach draußen vertritt, meine ich, haben wir gute Chancen, dem Bürger klarzumachen, daß diese Politik in Ordnung ist und daß Sie, meine Damen und Herren von der Opposition, weder inhaltlich noch personell eine Alternative darstellen. — Ich danke Ihnen.

    (Beifall bei der FDP und der SPD)



Rede von Richard Stücklen
  • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (CSU)
  • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CSU)
Das Wort hat der Herr Bundesminister der Finanzen.

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    Rede von: Unbekanntinfo_outline


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (None)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: ()

    Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich denke, wir müssen Herrn Kreile für seinen Beitrag von heute morgen dankbar sein. Herr Kreile, Sie haben hier — jetzt darf ich dieses Wort ja aufgreifen — von der notwendigen Wende auch in der Steuerpolitik gesprochen. Ich habe heute morgen einen Vorgeschmack bekommen, wie diese Wende aussehen könnte. Herr Kreile, das wäre die Welt der Steuerkanzleien, die in jeder Großstadt in Deutschland mehr an hochbezahltem Sachverstand organisieren können als die kleine Steuerabteilung des Bundesfinanzministeriums. Warum wohl? — Wegen dieser Sportflieger, wegen dieser Abschreibungskünstler, wegen der anderen, die Gestaltungsmöglichkeiten suchen. Sagen Sie nur j a nicht, das hinge mit den Gesetzen zusammen. Steuergesetze sind noch immer auch mit Ihren Stimmen, spätestens im Bundesrat, zustandegekommen. Das ist dann die Wende, die Sie herbeiführen wollen. Die Welt, in die Sie die Steuerpolitik dann führen würden, ist nicht die des Arbeitnehmers, der seine Lohnsteuer auf Mark und Pfennig genau jede Woche und jeden Monat ehrlich über Abzugsverfahren abrechnen muß. Ich bin Ihnen sehr dankbar für die Hinweise, die Sie dazu heute morgen gegeben haben.

    (Beifall bei der SPD und der FDP)

    Die Bundesregierung dankt den Koalitionsfraktionen für den Initiativantrag, der uns eine zügige
    Beratung der vorgesehenen Maßnahmen ermöglicht. Nun dürfen wir allerdings — damit bin ich bei Frau Matthäus — dieses Gesetz nicht für sich betrachten. Es ist Bestandteil der haushalts- und finanzpolitischen Entscheidungen vom Juli insgesamt. Bei all diesen Entscheidungen geht es in der Tat darum, den enger gewordenen verteilungs- und finanzpolitischen Spielräumen Rechnung zu tragen. Die Bundesregierung hat dazu ein Paket von Einsparungen im Bundeshaushalt selbst, von Korrekturen bei Leistungen der Sozialversicherungen und von Abgabenumschichtungen beschlossen. Es ist unumgänglich, daß die 80er Jahre eine Anpassung der öffentlichen Haushalte und der Systeme der sozialen Sicherung erforderlich machen, wenn diese Systeme unter erschwerten Bedingungen auch künftig funktionsfähig bleiben sollen.
    Es ist aber ebenso richtig, Herr Kreile, daß diese Anpassungen nur dann ohne Schaden für das Gemeinwesen erfolgen können, wenn sie in ein Konzept sozialer Ausgewogenheit eingebettet sind, damit jedermann deutlich ist, daß die Lasten der Anpassung nicht einseitig verteilt sind. Mich hat es schon interessiert, wie in den letzten Wochen und Monaten jeder Hinweis auf soziale Ausgewogenheit von vielen Vertretern Ihrer Partei mit Begriffen wie Bürokratie, Sozialismus, Neidkomplex oder ähnlichem bedacht wurde.

    (Beifall bei Abg. Frau Matthäus-Maier [FDP])

    Auch dies wollen wir in Erinnerung behalten für die Debatten der kommenden Monate. Mit dem Einkommensteueränderungsgesetz 1983 wird genau diese sozial ausgewogene Verteilung der Gesamtlasten angestrebt. Deshalb darf man das eben auch nicht isoliert debattieren. Ohne dieses Gesetz würde auch nach meiner Überzeugung die Kritik an den von der Bundesregierung vorgeschlagenen Maßnahmen im Sozialbereich nicht widerlegt werden können.
    Nun behauptet die CDU/CSU — zumindest in Teilen —, die Sparbeschlüsse insgesamt seien sozial unausgewogen. Sie muß dabei mit dem Widerspruch fertigwerden, der darin liegt, daß sie selber seit Jahren stärkere Einschnitte in Leistungsgesetze und Sozialausgaben fordert. Aber selbst wenn ich diesen Widerspruch einmal beiseite lasse — denn auch wir kommen an unpopulären Maßnahmen nicht vorbei —, kommt mit diesen steuerlichen Vorschlägen für Sie die Nagelprobe dafür, wieviel Ihre Bekenntnisse für stärkere soziale Ausgewogenheit der Sparbeschlüsse insgesamt eigentlich wert sind.
    Mir ist jedenfalls nicht klar, wie der Oppositionsführer mit seiner Kritik an der angeblichen sozialen Unausgewogenheit der Regierungsbeschlüsse beim Deutschen Gewerkschaftsbund und bei den Arbeitnehmern tatsächlich Gefallen finden kann, wenn die Opposition und die Bundesratsmehrheit verhindern sollten, daß über die Einschränkung von Steuervorteilen auch die Höher- und die Höchstverdiener an den Lasten in volkswirtschaftlich vertretbaren Grenzen beteiligt werden.



    Bundesminister Lahnstein
    Da hilft auch nicht die ausweichende Argumentation derer — sehr vordergründig und für mich unakzeptabel, Herr Kreile —, die all diese Maßnahmen schlankweg als Steuererhöhungsvorschläge denunzieren. Natürlich ist auch der fiskalische Gesichtspunkt wichtig. Haushalte müssen immer auch von der Einnahmenseite her in Ordnung gehalten werden, nicht nur von der Ausgabenseite her. Aber im Kern handelt es sich hier um die Neuregelung von Tatbeständen, die nicht allen gleichermaßen offenstehen, sondern die einzelnen Gruppen Sondervorteile gewähren. Die Frage lautet, ob die Kappung oder Beseitigung dieser Sondervorteile zu rechtfertigen ist. Unsere Antwort darauf heißt ja.
    Herr Kreile, Sie haben mich hier heute morgen wirklich manchmal an den seligen Herrn Poujade erinnert, indem Sie alles abgelehnt haben, etwa nach dem Motto: Am liebsten überhaupt keine Steuern! Aber dies geht schon aus verschiedenen Gründen nicht.
    Ich habe mich rechtzeitig an das erinnert, was Ihr Parteivorsitzender schon lange vor der Sommerpause auf einem Kongreß in München gesagt hat: Dieser Regierung keinen Pfennig Steuern! Auch an den Satz werden wir uns zu gegebener Zeit zu erinnern haben, wenn die Diskussion in den Ausschüssen und im Bundesrat läuft. Dann ist zu fragen, welche politische Haltung sich hinter dem Satz „Dieser Regierung keinen Pfennig Steuern!" eigentlich verbirgt.
    Sie haben hier die Steuerquote angezogen. Natürlich, Herr Kreile, ist sie nicht der einzige Maßstab. Aber ich sage eines zu dem, was Frau Matthäus-Maier sagte, hinzu: Der Unternehmenssektor in der Bundesrepublik Deutschland ist noch nie so niedrig besteuert worden wie in den letzten Jahren. Es geht hier nicht nur um die Steuerquote insgesamt, es geht gerade um die von Ihnen immer wieder zu Unrecht bemühte überhöhte Steuerlastquote der Wirtschaft. Der Unternehmenssektor ist noch nie so niedrig besteuert worden wie in den letzten Jahren, und zwar aus wirtschaftspolitischen Erwägungen.

    (Dr. Sprung [CDU/CSU]: Warum ist die Eigenkapitalquote so niedrig?)

    — Aber Herr Sprung, die Eigenkapitalquote ist doch nicht wegen der Steuerlast so niedrig. Da kommen eine Vielzahl von Faktoren zusammen. Warum ist eigentlich die Eigenkapitalquote in der unternehmerischen Wirtschaft in allen Industriestaaten seit 1965 um 50 % gesunken? Da spielen doch ganz andere Faktoren eine Rolle. Das einzige, was Sie jetzt immer anführen, weiß ich wohl; es sind die ertragsunabhängigen Steuern.
    Nun: Wir haben im Grundgesetz einen Art. 106. Wir haben Kommunen, die auch in Zeiten der Flaute Infrastruktur vorhalten müssen, gerade im Interesse der dort angesiedelten Unternehmen. Wir haben unseren Finanzwissenschaftlichen Beirat an die Arbeit gesetzt. Er hat Arbeitsergebnisse vorgelegt. Diese werden wir auch mit Ihnen diskutieren. Dann werden wir sehen, ob Sie diese etwas weiterreichenden Vorstellungen mit uns zumindest mit Sympathie und Verständnis besprechen wollen.

    (Beifall bei der SPD und der FDP)

    Sie, Herr Kreile, haben die Pensionsrückstellungen angesprochen. Wissen Sie, was mir in dem Zusammenhang derzeit am meisten Sorgen macht? Wie ich mit den Hunderten von Millionen Steuermindereinnahmen fertigwerden soll, die die unbedienten und ungedeckten Pensionsverpflichtungen nur eines einzigen Großunternehmens in der Bundesrepublik Deutschland mir in die Kasse reißen.

    (Beifall bei der SPD)

    Dann haben Sie von Schlupflöchern gesprochen, die die Steuergesetzgebung in der Tat lasse. Und man dürfe das niemandem übelnehmen, denn das sei völlig legal. Wir haben die Schlupflöcher einmal ausgerechnet. Ich habe das vielleicht verkürzt wiedergegeben, was allerdings nicht beabsichtigt war. Wir haben die Schlupflöcher ausgerechnet, die sich allein dadurch ergeben, daß die an sich notwendige und gerechtfertigte Besteuerung von Erträgen, Zinsen und Kapitalerträgen nicht so vorgenommen wird, wie es eigentlich sein müßte. Das sind Minderbeträge, da kommt der größte Optimist oder Pessimist — wie Sie wollen — auf nicht unter 8 Milliarden DM im Jahr.

    (Urbaniak [SPD]: Unerhört!) Auch das muß man sehen.

    Man muß auch sehen, welche Antwort Präsident Reagan auf dieses Phänomen gefunden hat.

    (Dr. Spöri [SPD]: Das Vorbild der Union!)

    Man muß auch sehen, daß zwei Tage, nachdem ein Referent meines Hauses sich erlaubt hat, ein Blatt Papier vollzuschreiben, die „Bild"-Zeitung mit einem Artikel gefüttert war: Nun wollen die Sozis auch noch den Sparern an die Sparbücher. Das hat uns dazu gebracht, ganz eindeutig zu sagen: Solche Vorstellungen sind nicht vorhanden. Alle diese Dinge werden im Zusammenhang diskutiert werden müssen.