Herr Präsident! Meine Damen und meine Herren! Es hat verschiedentlich Verwunderung ausgelöst, daß der neueste Bericht des Bundesrechnungshofes auf Verlangen der CDU/ CSU-Bundestagsfraktion schon jetzt, schon heute diskutiert wird. Bisher war es ja üblich, diesen Bericht erst dann hier zu besprechen, wenn ihn der Rechnungsprüfungsausschuß abschließend beraten hatte.
Aber wir haben dies aus gutem Grund verlangt. Demnächst — Mitte Januar — wird j a hier ein neuer Bundeshaushalt beraten.
Wir sollten schon mit verwerten, was der Bundesrechnungshof an berechtigter Kritik gegenüber der Exekutive vorzubringen hatte.
Wenn wir das Kontrollrecht des Parlaments, Herr Kollege Walther, richtig verstehen, dann muß es ja so laufen, daß Anregungen des Rechnungshofs die berechtigt sind, ihren Niederschlag in den Finanzansätzen des nächsten Jahres finden.
Dies war der Sinn unseres Vorschlages und unseres Antrags. Wir danken Ihnen, daß es mit Ihrer Hilfe möglich war.
Ich habe gesagt: Es ist die Aufgabe des ganzen Parlaments, die Exekutive zu kontrollieren; ich betone: des ganzen Parlaments. Ich gebe hier gerne zu, daß ich im Rechnungsprüfungsausschuß über Jahre hinweg festgestellt habe, wie auch die Kollegen der Koalition solche vom Rechnungshof vorgetragenen Fälle — auch der eigenen Regierung gegenüber — kritisch aufgreifen und das, was Recht ist, hier auch als Recht behandeln und Kritik dort anbringen, wo sie auch angebracht ist. Ich vermerke dies ausdrücklich mit Anerkennung, denn wir müssen uns darüber im klaren sein, daß wir gemeinsam die Regierung und die Exekutive zu kontrollieren haben. Der übliche Gegensatz zwischen Opposition und Koalition sollte auf diesem Gebiet zurücktreten. Ich räume auch gerne ein, daß jeder Minister nicht immer jede Kleinigkeit in seinem Bereich wissen kann. Insoweit ist die Kritik des Bundesrechnungshofes an der Exekutive nicht in jedem Fall eine Kritik an der Person und an der Qualität des Ministers.
Zu allen Zeiten war das Finanzgebaren der Exekutive zu kritisieren; dies wird natürlich auch künftig so sein. Wenn so viele Milliarden ausgegeben werden, kann es vorkommen und ist es menschlich verständlich, daß dann und wann einmal etwas schiefgeht. Aber vor diesem Hintergrund — ich bitte, dies jetzt als gemeinsame Aufgabe zu sehen — möchte ich doch einige Entwicklungslinien ansprechen, die sich auch in dem jetzigen Prüfbericht niederschlagen; bitte verstehen Sie meine Ausführungen aber so, daß wir den Dingen gemeinsam nachzugehen haben.
Um mich nicht zu verzetteln, möchte ich drei Bereiche herausgreifen: den Bereich des Arbeitsministers, die Bundesbahn und die Bundespost.
Zunächst zum Bereich des Arbeitsministers. Wir hatten j a hierüber vor einiger Zeit die Auseinandersetzung wegen der Milliardenlöcher in Nürnberg. Diese Diskussion möchte ich hier nicht fortsetzen.
Das wird bei der Beratung des Bundeshaushalts im Januar weitergehen.
— Ich könnte Ihnen neueste Zahlen von heute morgen nennen — was einem an Angaben zufließt, ist recht interessant —, nur Zahlen haben es ja an sich, daß sie ans Tageslicht kommen. Wir werden dann in Ruhe darüber reden können.
Hier geht es um Entwicklungslinien, die mir wichtig erscheinen. Da gibt es z. B. in Dortmund die Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Unfallforschung.
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Deren Präsident hat Mittel, die durch uns gesperrt waren, durch Vertragsabschlüsse gebunden, ohne daß dies vom Parlament sanktioniert gewesen wäre.
Niemand kann dies billigen. Es geht zwar nur um einen Betrag von 250 000 DM, aber Herr Ehrenberg hat dem Rechnungshof gegenüber die Auffassung vertreten, daß dieses Verhalten in Ordnung war. Das ist ein Punkt, den wir alle nicht durchgehen lassen dürfen. Der Respekt vor dem Parlament muß auch einem Minister abverlangen, daß er solche Dingen nicht abdeckt.
Der Rechnungshof hat jene Behörde — und ich werde noch weiteres aufzeigen — auch noch aus einem anderen Gesichtspunkt angesprochen. In jener Behörde gibt es eine Institutsleiterin, die das Bundeszentrum „Humanisierung der Arbeitswelt" zu leiten hat. Offensichtlich wollte sie ein Vorbild dafür geben, wie ein humaner Arbeitsplatz auszusehen hat. Dies ist geschehen, indem das Büro für 33 000 DM ausgestattet wurde:
mit einer Bücherwand aus Rio-Palisander, mit einer Schrankwand mit eingebautem Kühlschrank, mit sonderanfgefertigtem Schreibtisch und Diktiergeräteschrank, natürlich mit indirekter Beleuchtung.
Der Präsident fand dies gut und wollte das gleiche in seinem Büro tun, indem auch er nachbesserte. Er ließ sein Büro für 12 000 DM auch auf einen angenehmeren Stand bringen.
— Das weiß ich nicht. — Aber damit das Ganze nicht so auffiel, wurde die Rechnung auf einen Titel ausgestellt, aus dem die Ausgaben der Institutsleiterin bezahlt wurden. Die Rechnung war also so nicht in Ordnung, was der Bundesrechnungshof aufgedeckt hat.
Ich bin mir sicher, auch die Koalition wird dies nicht abdecken.
Herr Ehrenberg hat dem Rechnungshof gegenüber aber darauf bestanden — so steht es im Bericht —, daß dies in Ordnung sei, und zwar mit der Begründung, das sei j a nicht eine neue Ausrüstung des Zimmers, sondern ein Umbau.
Trotzdem — darauf wollte Herr Grobecker Sie jetzt hinweisen —: Nachdem die Kritik in der Öffentlichkeit zunahm
— Ihre Kritik —, hat er ein Disziplinarverfahren eingeleitet. Herr Grobecker, ich meine allerdings, dazu
hätte es nicht erst Ihres Drucks bedurft, sondern das
hätte Herr Ehrenberg rechtzeitig und vorher erkennen sollen.
— Zunächst hat er das ja verteidigt.
Da es hier schon um jene Anstalt geht, möchte ich die Aufmerksamkeit noch auf zwei weitere Dinge lenken, die der Rechnungshof noch nicht beanstandet hat. Ich möchte aber den Rechnungshof bitten, darauf zu achten.
Jene Bundesanstalt soll z. B. Aufgaben nach dem Chemikaliengesetz wahrnehmen. Auf Grund der neuen Gesetzeslage müssen Chemikalienhersteller für die neuen Produkte eine Zulassung haben. Dafür ist die Bundesanstalt in Dortmund zuständig. Dafür wurden zwar im letzten Jahr Stellen für 28 Mitarbeiter genehmigt. Weitere 18 Stellen wären nach Meinung der Regierung nötig gewesen. Sie hat aber die Zahlen nicht in den Haushaltsentwurf eingesetzt und darauf vertraut, daß die Berichterstatter das nachschieben würden. Wir haben dies nicht getan, weil wir nicht die Geschäfte der Regierung zu besorgen haben.
Aber man muß jetzt die Konsequenz bedenken: Die Firmen wissen, daß die Bundesanstalt aus personellen Gründen nicht in der Lage ist, ihrer Prüfpflicht nachzukommen. Aber nach 45 Tagen gelten alle Anträge automatisch als genehmigt. Infolgedessen räumen die Firmen jetzt natürlich ab: Alles, was der Genehmigung bedarf, wird vorgelegt und gilt nach 45 Tagen als genehmigt. Das heißt, der Sinn des Gesetzes wird so genau ins Gegenteil verkehrt, ist jedenfalls nicht erfüllt. Herr Ehrenberg und Frau Fuchs, ich möchte Ihnen dringend empfehlen, sich dieser Sache anzunehmen.
Noch einen anderen Punkt möchte ich hier ansprechen. Es geht dort auch um die Humanisierung der Arbeitswelt. Ursprünglich hatte man geglaubt, dafür 130 Mitarbeiter zu brauchen. Davon sind neun Mitarbeiter vorhanden. Dort ist jetzt Stillstand der Rechtspflege. Wenn man aber meint, die Arbeiten müßten fortgesetzt werden — Herr Grobecker hat mich belehrt, hier würde jetzt endlich einmal im Sinne des Arbeitnehmers geforscht, nachdem jahrzehntelang nur für das Kapital geforscht worden sei
— ich. hoffe, Sie richtig wiedergegeben zu haben, Kollege Grobecker; jetzt ist also erkennbar, daß man, weil kein Geld mehr da ist, die Mitarbeiter nicht einstellen kann —, sollte Herr Ehrenberg sich überlegen, wie er da über die Runden kommt.
Ich meine: Da diese Arbeiten dort auch im Sinne der Gewerkschaften, auch im Sinne der Arbeitgeber sind, ist es nicht ungeziemend, den Versuch zu unternehmen, ob diese beiden Gruppen wenigstens einen Teil der Finanzierung übernehmen können, Gewerkschaften und Arbeitgeber. Es geht dort ja um die Arbeitswelt, an der beiden Gruppen etwas liegen sollte. Ich möchte den Rechnungshof bitten, bei den weiteren Prüfungen darauf zu achten, daß keine
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Fehlentwicklungen eintreten. Wenn Herr Ehrenberg auf dem Weg nach Dortmund ist, bitte ich ihn, gleich nach Wilhelmshaven weiterzufahren. Dort gibt es eine Künstlerversicherungskasse. Sie war ursprünglich als ein kleines Gebilde geplant. Ich habe im Protokoll noch einmal nachgelesen: Herr Ehrenberg und vor allem die SPD-Kollegen Lattmann und Lutz haben vor zwei Jahren, im Dezember 1979, einvernehmlich erklärt, daß dies eine kleine leistungsfähige Einheit mit acht bis zehn Personen werden solle. Gestern hat sich im Haushaltsausschuß herausgestellt, daß zwar ein kommissarischer Leiter und erst drei Mitarbeiter eingestellt seien, daß aber in der Zeit vom 1. Januar bis zum August nächsten Jahres 30 weitere Mitarbeiter eingestellt werden sollen. Die Verträge seien schon abgeschlossen.
Im Raume stand damals — dem Parlament, d. h. uns allen gegenüber — die Aussage: Dort entsteht eine kleine Einheit mit acht bis zehn Mitarbeitern; jetzt aber hören wir, es werden 35 Mitarbeiter sein.
Dies ist auch nicht in Ordnung. In diesem Fall sind wir alle nicht mit der Wahrheit konfrontiert worden. Deshalb bitte ich den Rechnungshof, sich auch dieser Sache anzunehmen, und Herrn Ehrenberg, rechtzeitig Vorsorge zu treffen.
Meine Damen und Herren, ein weiterer Schwerpunkt ist wieder einmal die Bundesbahn. Ich möchte hier ausdrücklich sagen, daß die Kritik, die nun folgt, nicht den Verkehrsminister Hauff trifft. Er hat erst seit kurzem die Verantwortung für dieses Sondervermögen. Aber wer seit Jahren die Arbeit dieses Sondervermögens verfolgt, kann nur immer wieder staunen. Wer da gemeint haben sollte, der Bundesbahnvorstand hätte keinen Bewegungsspielraum für eine erfolgreiche Unternehmenspolitik, weil ihm durch Gesetz und Politik Hände und Füße gebunden seien, der täuscht sich.
Wie ein roter Faden zieht sich durch dieses Gutachten, welche Möglichkeiten der Vorstand hat, wenn es um die Minimierung der Kosten und um die Ausnutzung vorhandener Freiräume geht. Dies beginnt bereits mit einer für meine Begriffe unzweckmäßigen Organisation bei der Bundesbahn. Bei den Direktionen ist die Büroverfassung parallel neben der Dezernatsverfassung. Dies heißt, daß die Kompetenzen nicht abgegrenzt sind, daß die Verantwortung nicht eindeutig zurechenbar ist. Ein Beispiel: Allein bei einer einzigen Direktion sind mit der Verwaltung von Grundstücken und Liegenschaften drei Abteilungen,
in diesen Abteilungen 80 — ich wiederhole: 80 — Dezernate, darüber hinaus 15 Betriebsämter und 3 Generaldirektionen befaßt. Daß dann keiner mehr weiß, was er machen soll und daß, wenn etwas
schiefgeht, keiner zu packen ist, liegt auf der Hand.
Meine sehr verehrten Kollegen, wenn aber der Bundesbahnvorstand nicht anfängt, bei sich selber zu sparen, dann braucht er sich nicht zu wundern, daß immer mehr Mitarbeiter der Bahn nicht mehr bereit sind mitzuhelfen.
Hier beim Bund haben wir einvernehmlich Richtlinien eingeführt, welche Wagen Minister und Staatssekretäre fahren dürfen. Das gilt auch für die Bundesbahnvorstände. Diese aber sind hingegangen und haben einfach leicht eingefahrene Wagen gekauft, weil die etwas billiger waren und damit im Rahmen der Höchstgrenzen blieben. Von der Klasse her liegen sie aber weit über dem, was den Herren zusteht.
— Ich kann nicht auf alles eingehen. Ich bitte um Nachsicht. Die Zeit drängt.
Wenn aber der Bundesbahnvorstand ein so schlechtes Vorbild gibt, braucht sich kein Mensch zu wundern, wenn die sicher gutwilligen Mitarbeiter der Bundesbahn zu resignieren beginnen und nicht mehr richtig mitziehen.
Ich möchte uns alle einmal bitten, das Beschaffungswesen der Bahn anzusehen. 3 /2 Milliarden DM hat die Bahn ausgegeben, davon 3 Milliarden durch die beiden zentralen Betriebsämter. Man höre und staune: Keine einzige Mark von den 3 Milliarden DM wurde öffentlich ausgeschrieben — keine einzige! Alles wurde freihändig vergeben, ohne oder mit beschränktem Wettbewerb. Was heißt das denn? Da treten die Beschaffungsbeamten der Bahn den Firmenvertretern gegenüber, mit denen sie immer zu tun haben, handeln mündlich oder fernmündlich einen Preis aus, der oft nicht einmal schriftlich festgehalten wird. Das ist dann die Grundlage der Vergabepraxis.
Während bei öffentlicher Ausschreibung immer ein Unbeteiligter dabeisein muß, wenn ein Angebot eröffnet wird, ist dies bei der freihändigen Vergabe nicht der Fall. Ich möchte hier niemanden etwas Böses unterstellen, aber wie sieht es denn aus, wenn Menschen jahraus, jahrein miteinander zu tun haben? Dann kennt man doch die gegenseitigen Sorgen und Nöte und ist auch geneigt, einmal nachzugeben, wo man sonst nicht nachgegeben hätte.
Ich bitte den Bundesrechnungshof ausdrücklich, hier weiter nachzuforschen, und ich bitte uns alle, dieser Vergabepraxis der Bundesbahn, soweit dies
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geht, ein Ende zu bereiten; denn so darf es nicht weitergehen.
Es ist interessant, wenn man sich z. B. das Ziegenschafts- und Hausvermögen der Bundesbahn vornimmt. Als der Bundesbahnvorstand sich einen Überblick verschaffen wollte, welches verwertbare Vermögen er hat, wurden ihm z. B., man höre und staune, Grundstücke gemeldet, die schon längst verkauft worden waren. Es wurden ihm Grundstücke gemeldet, die der Bahn noch nie gehört haben. Nur durch Zufall ist man darauf gestoßen, daß ein Grundstück von 15 000 qm Größe durch einen Gleisanschluß und durch eine Straße erschlossen worden war.
Es mag sein, daß dies Einzelbeispiele sind; aber dies alles zeigt, daß bei der Bundesbahn durch Organisation und durch interne Kontrolle mehr zu machen ist.
Da gibt es z. B. zwar eine Kosten- und Erlösrechnung, aber damit arbeitet man nur in der Hauptverwaltung der Bahn; an den Direktionen geht dies total vorbei. Nun kenne ich natürlich die bestehenden Schwierigkeiten, eine Kosten- und Erlösrechnung regional abzugrenzen. Aber es ist doch nicht zuviel von den Präsidenten der Bundesbahndirektionen verlangt, wenn man ihnen zumutet, diese Rechnung als Führungsinstrument zu nutzen.
Ich halte folgenden Vorgang wirklich für einen Skandal: Da hat die Bundesbahn ihre Stellwerke auf die Drucktastentechnik umgestellt — ein Projekt von 3,5 Milliarden DM. Es wurde weder eine Vorkalkulation noch eine Nachkalkulation angestellt.
Es geht doch nicht, daß man in Milliardenhöhe Gelder ausgibt, ohne sich über deren Effizienz Gedanken zu machen.
Wir wollen das auch richtig einschätzen. Man kann nicht sagen: Das ist Sache der Bundesbahn, das geht uns nichts an. Jede Mark, die die Bahn vertut, kommt auf den Steuerzahler in Form von Zuschüssen des Bundes zu. Daran führt kein Weg vorbei.
Auch die Ausnutzung von Preisspielräumen ist keine Kleinigkeit. Da werden Güterwagen an nichtbundesbahneigene Eisenbahnen zu 27 % der sonst üblichen Miete vermietet, da werden durchgängig vom Rechnungshof aufgezeigte Personaleinsparungsmöglichkeiten nicht genutzt, z. B. bei den Bezirkskassen, bei den Hauptkassen, bei den Instandsetzungsstellen für maschinentechnisches Gerät, bei Instandsetzungsstellen für Güterwagen, bei Fernschreibstellen und wo auch immer. Der Bundesbahnvorstand — ich wiederhole dies; und ich sage dies dem Minister wegen des neuen Vorstands — hat viele Möglichkeiten, die Ertragslage der Bahn positiv zu beeinflussen; er muß diese Möglichkeiten allerdings auch nutzen.
Bei der Deutschen Bundespost, verehrte Kolleginnen und Kollegen, sind die Beanstandungen des Rechnungshofs anderer Natur. Sie sind mehr wirtschaftspolitischer und unternehmenspolitischer Art. Ich möchte nur zwei Dinge herausgreifen: das neue Vermittlungssystem und das Personalbemessungssystem. Die interessierte Öffentlichkeit hat sicher verfolgt, daß die Post seit 1966 versucht, ein elektronisches Wählsystem zu entwickeln und dann einzuführen. Seit 1966! — Herr Präsident, ich weiß, Ihre Bindungen zur Post waren damals noch intensiver als heute; sie sind aber auch heute noch intensiv.
Seit 1966 hat das die Bundespost versucht. Mit diesem EWS-System sollte die heute noch eingesetzte EMD-Technik — die Edelmetall-Drehstrom-Wählertechnik — ersetzt werden. Die neue Technik — dieses EWS-System — hätte den Vorteil gehabt, daß schon in der Ursprungs-Ortsvermittlungsstelle der Fernverkehr abgespalten worden wäre, was zur Folge gehabt hätte, daß zwar die Ortsvermittlungsstellen komplizierter und teurer geworden wären, aber die Fernvermittlungsstellen billiger geworden wären.
Die Entwicklung — darüber hat die Bundespost mit vier deutschen Firmen Verträge abgeschlossen — hat sich hingezogen, weil die Bundespost einmal ihre Vorgaben änderte, aber auch weil der technologische Fortschritt eingefangen werden sollte. Weil sich die Entwicklungsphase verlängerte, kam, von den deutschen Hochschulen und von anderen Industriefirmen entwickelt, eine andere Technik auf den Markt, und zwar die digitale Vermittlungstechnik. Man sah ein, daß es sinnvoller sei, sich auf diese andere Technik einzustellen, und versuchte, aus den alten Entwicklungsverträgen herauszukommen. Das ist — wie der Rechnungshof sagt — ohne wirtschaftlichen Schaden für die Post gelungen.
Aber das Problem ist hier ein anderes. Die Bundespost ist so ziemlich der einzige Nachfrager für Fernmeldeeinrichtungen in Deutschland, jedenfalls der allergrößte. Sie steht einem Angebot von nur wenigen Elektrofirmen mit oligopolitischer Marktstruktur gegenüber. Es kommt also entscheidend darauf an, wie die Bundespost diese Firmen mit Entwicklungen steuert; denn durch ihre Entwicklungsvorgabe hat die Bundespost bei der Industrie j a erhebliche Entwicklungskapazitäten gebunden. Wenn die Industrie durch die Post in eine falsche Richtung gelenkt wird, produziert sie Erzeugnisse, mit denen sie gegenüber der Konkurrenz auf dem Weltmarkt nicht bestehen kann.
Genau das ist hier geschehen. Während die deutsche Industrie noch in die falsche Richtung galoppierte, hat die ausländische Konkurrenz die digitale Technik entwickelt und auf Grund des Vorsprungs vor der deutschen Wirtschaft mit Erfolg verkauft.
Ich möchte aus dem Vorgang die Konsequenz ziehen — Herr Minister Gscheidle, Sie schütteln zwar
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den Kopf; ich weiß, wir sind hier verschiedener Meinung —: Im Grundsatz können sie nicht bestreiten, daß die Bundespost auf diesem Gebiet eine große Verantwortung trägt; denn sie hat bei ihrer Zusammenarbeit mit der Fernmeldeindustrie die Dinge so zu steuern, daß die Arbeitsplätze in der Privatwirtschaft genauso gesichert sind wie die bei der Bundespost. Sie können darauf nachher ja gerne antworten.
Der zweite Punkt betrifft das Personalbemessungssystem der Post. Der Minister hat oft gesagt, daß die Personalstärke bei der Post nach einem System ermittelt werde, das weitgehend objektiviert sei; es werde nach Verkehrsanfall gesteuert. Ich habe das lange geglaubt. Nachdem ich nun aber gesehen habe, wie in jüngster Zeit ein Personalbedarf von 14 000 Arbeitnehmern errechnet wurde, Herr Gscheidle in seinem Haushalt für das nächste Jahr jedoch nur die Mittel für 3 000 einstellen wollte und schließlich ein Kompromiß von 6 000 herauskam, ist mir und vielen anderen klargeworden, daß eine Zahl zugestanden wurde, die politisch beeinflußt ist. Im Grunde genommen hat der Bundeskanzler der Deutschen Postgewerkschaft zuliebe Herrn Gscheidle einen politischen Kompromiß aufgezwungen; vielleicht auch deshalb, weil er mit der Postgewerkschaft Frieden haben will. Wie man hört, hat der Bundeskanzler mit dem Vorsitzenden der Postgewerkschaft auch entsprechend Großes vor.
Hier wurden also betriebsfremde Gesichtspunkte berücksichtigt, hier wurde auf Ihrem Rücken, Herr Gscheidle, größere Politik ausgetragen. Damit ist das Argument widerlegt, daß sich Ihre Personalbemessung nach rein betrieblichen Gesichtspunkten richte.
In diesem Zusammenhang drängt sich eine weitere Tatsache auf. Die Post hat anerkennenswerterweise über Jahre hinweg mehr Nachwuchskräfte eingestellt, als sie brauchte; etwa 15 000 im Jahr. In dem Ausbildungsvertrag hat sie ausdrücklich darauf hingewiesen, daß sie aus ihrem Ausbildungsvertrag nicht ableiten könnten, nach Abschluß der Ausbildung weiterbeschäftigt zu werden. Tatsächlich sind aber alle weiterbeschäftigt worden, weil man das Personalbemessungssystem entsprechend hingebogen — ich formuliere das einmal so, Herr Minister Gscheidle — hat. Wie gesagt, es ist anerkennenswert, daß junge Leute in dieser Zahl ausgebildet wurden. Aber auch dieses Beispiel zeigt, daß Ihr Personalbemessungssystem weitgehend politisch beeinflußt ist.
Weil das so ist, möchte ich Sie ausdrücklich darum bitten, Herr Minister Gscheidle, bei den Personalverhandlungen gegenüber Ihren Personalräten und auch gegenüber den Gewerkschaften standhaft zu sein.
Ich weiß, daß Sie versuchen, standhaft zu sein. Ich habe heute morgen gelesen, daß jetzt wieder 120 000 Unterschriften gegen Ihre Personalpolitik gesammelt worden sind.
Aber man muß sehen, daß Sie trotz der Gebührenerhöhung 1984 in die Verlustzone geraten. Daher ist jede Mark, die Sie heute sparen, von großem Vorteil, nicht zuletzt auch mit Blick auf die Postangehörigen.
Ich komme zum Schluß. Bei allem Verständnis, das man für menschliches Versagen haben muß, ist das, was ich soeben erwähnt habe, sicherlich nicht zu rechtfertigen. Auf der anderen Seite möchten wir aber auch feststellen, daß die große Masse der Bediensteten bei Bahn und Post ihre Arbeit selbstverständlich leistet, ohne daß Kritik angebracht wäre. Aber man kann Menschen auch unvernünftig beschäftigen. Hier sind die Politiker angesprochen, daß dies nicht geschehen darf.
Ich möchte dem Rechnungshof nochmals danken und ihn bitten, baldmöglichst hier in Bonn — ich sehe den Herrn Präsidenten oben — eine Dependance einzurichten, damit wir mit qualifizierten Leuten des Rechnungshofs notfalls zeitnah in aktuelle Beschaffungsvorgänge eingreifen können, bevor das Kind in den Brunnen gefallen ist. — Schönen Dank.