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    Plenarprotokoll 9/50 Deutscher Bundestag Stenographischer Bericht 50. Sitzung Bonn, Freitag, den 11. September 1981 Inhalt: Erweiterung der Tagesordnung 2809 A Beratung der Unterrichtung durch die Bundesregierung Umweltprobleme der Nordsee Sondergutachten Juni 1980 des Rats von Sachverständigen für Umweltfragen — Drucksache 9/692 — Duve SPD 2809 B Dr. von Geldern CDU/CSU 2812 B Wolfgramm (Göttingen) FDP 2816 D Baum, Bundesminister BMI 2819 A Jansen SPD 2822 C Bredehorn FDP 2824 C Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Zweiten Gesetzes zur Änderung des Abfallbeseitigungsgesetzes — Drucksache 9/667 — von Schoeler, Parl. Staatssekretär BMI . . 2827 A Volmer CDU/CSU 2828 A Frau Dr. Hartenstein SPD 2830 B Wolfgramm (Göttingen) FDP 2831 D Beratung der Beschlußempfehlung und des Berichts des Innenausschusses zu der Unterrichtung durch die Bundesregierung Bericht der Bundesregierung an den Deutschen Bundestag über „Umweltradioaktivität und Strahlenbelastung im Jahre 1978" — Drucksachen 8/4101, 9/726 — in Verbindung mit Beratung des Berichts der Bundesregierung an den Deutschen Bundestag über „Umweltradioaktivität und Strahlenbelastung im Jahre 1979" — Drucksache 9/644 — Dr. Laufs CDU/CSU 2833 A Schäfer (Offenburg) SPD 2835 A Dr. Hirsch FDP 2837 A Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Vierten Gesetzes zur Änderung des Weingesetzes — Drucksache 9/785 — 2838 D Nächste Sitzung 2839 A Anlage 1 Liste der entschuldigten Abgeordneten 2840*A Anlage 2 Amtliche Mitteilungen 2840* C Deutscher Bundestag — 9. Wahlperiode — 50. Sitzung. Bonn, Freitag, den 11. September 1981 2809 50. Sitzung Bonn, den 11. September 1981 Beginn: 9.01 Uhr
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    2840* Deutscher Bundestag — 9. Wahlperiode — 50. Sitzung. Bonn, Freitag, den 11. September 1981 Anlagen zum Stenographischen Bericht Anlage 1 Liste der entschuldigten Abgeordneten bgeordnete(r) entschuldigt bis einschließlich Dr. Abelein 11.9. Dr. van Aerssen 11.9. Becker (Nienberge) 11.9. Dr. Bugl 11.9. Burger 11.9. Cronenberg 11.9. Eigen 11.9. Dr. Enders* 11.9. Dr. Faltlhauser 11.9. Dr. Fellner 11.9. Fischer (Hamburg) 11.9. Gattermann 11.9. Dr. Götz 11.9. Dr. Haack 11.9. Hauck 11.9. Hauser (Krefeld) 11.9. Hölscher 11.9. Frau Hoffmann (Soltau) 11.9. Dr. Hubrig 11.9. Kolb 11.9. Dr. Kreile 11.9. Dr. Lammert 11.9. Dr.-Ing. Laermann 11.9. Dr. Lenz (Bergstraße) 11.9. Mahne 11.9. Dr. Müller * 11.9. Müller (Bayreuth) 11.9. Neumann (Bramsche) 11.9. Rainer 11.9. * für die Teilnahme an Sitzungen der Parlamentarischen Versammlung des Europarates Reuschenbach 11.9. Dr. Riemer 11.9. Dr. Rose 11.9. Frau Roitzsch 11.9. Dr. Schachtschabel 11.9. Schartz (Trier) 11.9. Frau Schlei 11.9. Schmöle 11.9. Schröder (Hannover) 11.9. Schröder (Wilhelminenhof) 11.9. Schröer (Mülheim) 11.9. Dr. Schwörer 11.9. Frau Simonis 11.9. Dr. Solms 11.9. Dr. Warnke 11.9. Wartenberg (Berlin) 11.9. Baron von Wrangel 11.9. Anlage 2 Amtliche Mitteilung Der Präsident des Deutschen Bundestages hat gemäß § 92 der Geschäftsordnung im Benehmen mit dem Ältestenrat die nachstehende Vorlage überwiesen: Aufhebbare Neunundsiebzigste Verordnung zur Änderung der Einfuhrliste — Anlage zum Außenwirtschaftsgesetz — — Drucksache 9/789 — Überweisung an den Ausschuß für Wirtschaft mit der Bitte, den Bericht dem Plenum rechtzeitig zum 11. Dezember 1981 vorzulegen.
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    Rede von Günther Jansen


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (SPD)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)

    Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich freue mich, daß dieses Thema in einer doch sehr grundsätzlichen Sachlichkeit behandelt wird. Ich glaube, auch sagen zu sollen: Wer Umweltprobleme oder diese speziellen Probleme der Nordsee durch Profilierung und Parteienstreit angehen würde, dem fehlt Verantwortungsbewußtsein und gesellschaftspolitischer Takt, weil ich meine, vernünftige Leute sollten einen Streit am Krankenbett vermeiden,

    (Beifall bei der SPD und der FDP — Dr. von Geldern [CDU/CSU]: Sehr richtig!)

    es sei denn, hier ist jemand unter uns, der glaubt, es handele sich um eine eingebildete Krankheit.
    Ich darf zitieren, was der Rat der Sachverständigen zu dieser Frage im Gutachten formuliert:
    Die Nordsee läßt nach dem derzeitigen Stand des Wissens noch keine großräumigen Schädigungen erkennen; geschädigt sind aber bereits Teile des Küstenmeeres und die Ästuarien,
    — also die Bereiche der Flußmündungen —
    weil sie übermäßig starken Belastungen ausgesetzt sind. Damit ist aber auch die Nordsee als Ganzes erheblich gefährdet.
    Diese Formulierung sagt zwei wichtige Dinge, die wir uns einmal vor Augen führen sollten.
    Erstens. Die Nordsee ist als Ganze erheblich gefährdet.
    Zweitens. Nach dem derzeitigen Stand des Wissens sind keine großräumigen Schädigungen der Nordsee zu erkennen.

    (Sick [CDU/CSU]: Was denn sonst?)

    Was heißt „nach dem derzeitigen Stand des Wissens"? Hier müssen wir uns doch fragen: Wissen wir eigentlich genug? Wissen wir, welche Substanzen jeweils für sich und darüber hinaus in unkontrolliert eintretenden Verbindungen welche Wirkungen haben? Wissen wir wirklich, wann Quecksilber, wann andere Gifte über die Tierwelt des Meeres und die Nahrungskette unwiderrufliche gesundheitliche Schäden bei den Menschen bewirken?

    (Dr. von Geldern [CDU/CSU]: Ja, was wissen wir?)

    Es ist ja nicht nur die Elbe, für deren Fische ein Verzehrverbot ausgesprochen worden ist; es ist z. B.



    Jansen
    auch die irische See, wo die Verschmutzung durch die Engländer zu Fischkrankheiten geführt hat und deshalb Fanggründe aufgegeben wurden.
    Wenn die Nordseeanrainerstaaten oder die Europäische Gemeinschaft sich über die Schutzbedürftigkeit dieses Meeres unterhalten, ist nach wie vor festzustellen — und Herr Minister Baum hat das völlig zu Recht betont —, daß es unterschiedliche Gewässerphilosophien gibt. Insbesondere geht der Streit darum, ob ein konsequent immissionsbezogener Ansatz, der eine Überwachung der Folgen fordert, oder eine Verringerung Emissionen entsprechend dem Vorsorgeprinzip Anwendung finden soll. Über diese Frage oder über die vielschichtigen Gründe, die zur Schädigung der Nordsee führen, wie z. B. die Schiffahrt mit ihren Tankspülungen, die Abfallbeseitigung auf hoher See, die Schmutzeinbringung vom Lande aus oder die unnötigen Großeindeichungen, ließe sich unendlich viel sagen. Ich will das nicht tun, sondern ich möchte jeden Parlamentarier auffordern, das Nordsee-Gutachten gründlich zu lesen, auch wenn Interessenvertreter, ich weiß nicht aus welchem Lager, die verteilten Gutachten von den Tischen des Plenarsaals wieder eingesammelt haben — offensichtlich im Vertrauen auf ihre Immunität. Sie haben j a mitbekommen, wieviele Exemplare hier in den letzten Tagen plötzlich nicht mehr auf den Tischen lagen.
    Wer das Gutachten gelesen hat oder lesen wird, konnte oder wird feststellen, daß es neben wichtigen Fakten und Analysen offensichtlich nicht an Vorschriften fehlt, sondern daß das Problem nach wie vor der nicht ausreichend konsequente Vollzug dieser Vorschriften ist. Es gibt — und lassen Sie mich das ruhig einmal aufzählen, um dies deutlich zu machen — seit 1973 europäische Aktionsprogramme und mehrere Fortschreibungen. Es liegen Umweltgutachten von 1974, von 1978 und jetzt von 1980 vor. Wir kennen das Helsinki-Abkommen von 1974, die Pariser Konvention von 1974, die erst jetzt bei uns ratifiziert worden ist, die 3. Seerechtskonferenz der Vereinten Nationen und ihre Ergebnisse von 1980, die EG-Gewässerschutzrichtlinien von 1976, die London-Konvention, , die Oslo-Konvention, beide von 1972, das Wasserhaushaltsgesetz und das Abwasserabgabengesetz aus dem Jahre 1976. Und das ist noch lange nicht alles.
    Ob diese Vielschichtigkeit allerdings erforderlich bzw. wirkungsvoll ist, bleibt für mich sehr fraglich. Aber eines sollte Ihnen bei meiner Auflistung an den Jahreszahlen aufgefallen sein: Alle diese Regelungen oder auch nur Regelungsversuche sind unter der Zuständigkeit der jetzigen Regierung entstanden. Es gibt keine entsprechenden Umweltschutzaktivitäten aus Zeiten anderer Regierungen. Und es ist objektiv richtig, daß diese Bundesregierung im Vergleich zu den Regierungen aller anderen Anrainerstaaten der Nordsee am konsequentesten gehandelt hat.

    (Zustimmung bei der SPD)

    Dabei hat sich das Bundesforschungsministerium
    — das will ich hier einmal ausdrücklich sagen — mit
    einer Vielzahl richtiger Forschungsaufträge besondere Verdienste erworben, und zwar über die Interessen der Bundesrepublik hinaus.
    Aber auch dieses bleibt natürlich relativ; denn unsere Forderungen auf Grund des Gutachtens müssen jetzt weitergehen. Es wird nicht möglich sein, schwere Kreislaufstörungen durch Handauflegen zu beseitigen. Wir sollten unsere Forderungen für die Behandlung des Nordsee-Gutachtens durch die Parlamente, die Fachausschüsse und die Regierungen im Bund und insbesondere in den norddeutschen Ländern formulieren, und ich will versuchen, einige Bereiche vorzuschlagen.
    Erstens. Unsere Gewässerschutzphilosophie muß sich ändern. Geschützt wird die Umwelt um ihrer selbst willen und weil wir Menschen Teil dieser Umwelt sind. Das gilt auch für die Nordsee.
    Zweitens. Es muß schrittweise, aber gezielt erreicht werden, daß eine Abwägung zwischen möglichen Schädigungen der Nordsee und der wirtschaftlichen Bedeutung einer Maßnahme, z. B. einer Abfallbeseitigungsart, nicht mehr stattfindet. Nur noch nachgewiesen unschädliche Einleitungen dürfen zulässig sein.

    (Zustimmung bei der SPD)

    Drittens. Wir dürfen z. B. bei der Klärschlammbeseitigung die Ablagerungen nicht mehr von den Flüssen in die Nordsee und von der Nordsee in den Atlantik verlagern. Unser Konzept muß im Endergebnis sogar heißen, den Entwicklungsländern mit ihrer Industrialisierung auch Umweltschutztechnologien zu liefern, damit sie möglichst die Fehler vermeiden, die wir in den letzten hundert Jahren erst machen mußten, um ihre Folgen zu bemerken.

    (Zustimmung bei der SPD)

    Viertens. Die Großschiffahrt mit ihrer Mineralöl- und Chemikalientransportkapazität und den großen Gefahren für das Öko-System — nicht nur der Wattenmeere — braucht zwar mehr Landradar, UKW-Seefunk und Lotsen im engen Revier wie der inneren Deutschen Bucht. Aber insbesondere braucht sie konsequente Vorschriften, daß Schiffe, die sich nicht über eine Tankerdatei überwachen lassen, und Tanker, die nicht bis zu einem festzulegenden Zeitpunkt doppelte Tankwandungen haben, europäische Häfen nicht mehr anlaufen dürfen.

    (Zustimmung bei der SPD)

    Wir müssen dann aber auch, meine sehr geehrten Damen und Herren, verhindern, daß neben Gefälligkeitsflaggen auch noch Gefälligkeitshäfen entstehen.

    (Beifall bei der SPD)

    Fünftens. Die industrielle Entwicklung des Küstenraums bedarf einer genauen Untersuchung und einer Orientierung auf Umweltverträglichkeit hin. Auf keinen Fall dürfen Küstenstandorte deshalb ein Vorteil sein, weil Industrieabfälle billig ins Meer geleitet werden können.
    Sechstens. Eindeichungen, die aus Gründen des Küstenschutzes zur Sicherung von Menschenleben nicht zwingend geboten sind, insbesondere großflä-



    Jansen
    chige Eindeichungen, sind nicht mehr vorzunehmen.

    (Zustimmung bei der SPD)

    Deshalb sollte die Bundesregierung zukünftig keine Mittel aus der Gemeinschaftsaufgabe „Küstenschutz" für die das Wattenmeer zerstörende großflächige Vordeichung der Nordstrander Bucht mehr zur Verfügung stellen.

    (Zustimmung bei der SPD)

    Die Bundesregierung sollte durch politische Einwirkungen auf das Land Schleswig-Holstein das Konzept einer Verstärkung der vorhandenen Deiche unterstützen bzw. unabdingbare neue Deichtrassen nur in direkter Nähe zu den bisherigen Deichen mitfinanzieren.

    (Zustimmung bei der SPD und der FDP)

    Wir müssen — damit möchte ich das aufgreifen, was Herr Minister Baum gesagt hat — nicht nur diese Forderung formulieren und sie prinzipiell für richtig ansehen und vom Vorsorgeprinzip reden, sondern wir müssen bei den Fakten, wo wir merken, was passiert, handeln. Wenn es darum geht, über Zuschüsse zu entscheiden, müssen Zuschüsse auch Mittel sein, politische Macht auszuüben.

    (Beifall bei der SPD und der FDP)

    Siebtens. Die Bundesregierung muß im EG-Bereich noch konsequenter vorgehen und z. B. verlangen, daß im Rahmen der EG-Gewässerschutzrichtlinien von 1976 endlich, nach über fünf Jahren, Grenzwerte — mindestens für die gefährlichsten Stoffe — auf sehr niedrigem Niveau festgelegt werden.
    Achtens. Viele Kompetenzen müssen reduziert, und, wo dieses nicht möglich ist, besser koordiniert werden, auch zwischen Bundesministerien. Dieses darf keine Personalfrage sein.
    Neuntens. Die Bundesregierung sollte den vier norddeutschen Ländern unverzüglich ihre konkrete Hilfe für eine Gesamtplanung zum Schutz der Nordsee und der damit im Zusammenhang stehenden strukturellen Entwicklung der Küsten anbieten.
    Zehntens. Es sollte zu einer gemeinsamen Planungsebene z. B. über Verwaltungsabkommen zwischen dem Bund und den norddeutschen Ländern kommen. Dabei ist aus meiner Sicht auch eine interparlamentarische Zusammenarbeit, z. B. über eine Art gemeinsamer Enquete-Kommission „Nordsee", zu prüfen.
    Elftens. Alle vorhandenen für die Nordsee geltenden Rechtsvorschriften und internationalen Vereinbarungen sollten zusammengefaßt werden. Die Durchführung von Genehmigungs- und Kontrollverfahren muß bei möglichst wenig Behörden liegen. Dasselbe gilt für die Bekämpfung von eventuellen Umweltkatastrophen, z. B. durch Tankerunfälle.
    Meine sehr geehrten Damen und Herren, der Sachverständigenrat für Umweltfragen hat 1980 das Nordsee-Gutachten vorgelegt. Der Tenor des Gutachtens lautet: Die Nordsee ist der Testfall für das Vorsorgeprinzip. Ein Jahr nach der Fertigstellung des Gutachtens gibt es noch kein Handlungskonzept, sondern nur Teilstellungnahmen. Vielleicht wäre mehr auch zuviel gefordert. Aber ich halte es für dringend erforderlich, daß wir jetzt nicht selbstbefriedigt auf eine Debatte sehen, sondern in die Handlung eintreten.
    Ich möchte über die anwesenden Bundestagsabgeordneten hinaus an die Kolleginnen und Kollegen, die jetzt in ihren Arbeitszimmern sitzen und das Nordsee-Gutachten durchlesen,

    (Heiterkeit)

    appellieren, dieses Thema ernst zu nehmen.
    Meine sehr geehrten Damen und Herren, es gibt einen Film mit dem Titel „Nordsee ist Mordsee". Er hat eine ganz andere Bedeutung. Wir sollten dafür sorgen, daß er diese andere Bedeutung behält.

    (Beifall bei der SPD und der FDP — Dr. von Geldern [CDU/CSU]: Die soll er auch nicht haben!)



Rede von Georg Leber
  • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (SPD)
  • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)
Das Wort hat der Abgeordnete Bredehorn.

  • insert_commentNächste Rede als Kontext
    Rede von Günther Bredehorn


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (FDP)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (FDP)

    Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Lassen sie mich zunächst meiner Freude Ausdruck geben, daß das Sondergutachten über Umweltprobleme der Nordsee allen Mitgliedern dieses Hauses vorgelegt worden ist. Ich bedaure aber, daß unsere Kollegen aus dem Binnenland hier heute morgen so wenig vertreten sind, um die großen Probleme, die wir im Bereich der Nordsee sehen, vielleicht mit diskutieren zu können.
    Als Bewohner und Vertreter der Küstenregion habe ich große Sorge um den Erhalt unseres einzigartigen Natur- und Erholungsraumes Nordsee. Das Sondergutachten führt eine ganze Reihe von negativen Faktoren an, die das Leben in und an der Nordsee gefährden.
    Ich meine, die Nordsee darf nicht zum Abfalleimer für alle Anrainerstaaten werden. Auf vielen Wegen gelangen riesige Mengen von Schadstoffen in das Meer und in unsere Nordsee: von Land aus über die Flüsse und Rohrleitungen, durch die Atmosphäre oder durch Schiffe, durch Meeresbodenausbeutung oder durch Abfallbeseitigung. So gelangen Schwermetalle wie Quecksilber oder Blei, Chemikalien, chlorierte und hochchlorierte Kohlenwasserstoffe in die Nordsee und stellen eine riesige Belastung dar.
    Eine der größten Gefahren für das Leben in und an der Nordsee stellt sicher ein Tankerunfall dar. Angesichts der Beinahekatastrophe der „Afran Zenith" im Hamburger Hafen müssen wir uns doch fragen: Wie sieht es mit der Sicherheit, Vorbeugung und Bekämpfung eines Tankerunfalls aus? Im Bereich der Deutschen Bucht, der am meisten befahrenen Seestraße der Welt, leben wir mit einem ständigen Unfallrisiko. Im Jade-Revier vor Wilhelmshaven hatten wir seit 1976 fünf Unglücksfälle durch Kollision oder Strandung von Großtankern, die fast zur Katastrophe führten. Glücklicherweise brach bisher noch kein Tanker auseinander oder wurde aufgerissen. Für die gesamte Nordseeküste hätte das auf Jahre hinaus verheerende Folgen. Die Regenerationszeit für Watt, Strände, Tierwelt und den gesam-



    Bredehorn
    ten Naturhaushalt beträgt sicher fünf Jahre und mehr. Fischerei und Fremdenverkehr wären ruiniert.
    Wir dürfen und können uns aber nicht nur auf das Glück verlassen. Die Bundesregierung hat auch eine Reihe von Maßnahmen eingeleitet, wie z. B. die Verstärkung der Verkehrsüberwachung und der Verkehrslenkung, die Verbesserung der Fahrwasserbezeichnung, Einrichtung der Landradarkette Jade und die Erweiterung der Lotsenannahmepflicht. Angesichts der Tatsache, daß weltweit ständig rund 2 000 Tanker auf Fahrt sind, sollte die Bundesregierung ihre Bemühungen auf europäischer Ebene verstärken, um verschärfte Sicherheitsvorkehrungen und eine Überwachung des Schiffsverkehrs in europäisches Recht umzusetzen.

    (Beifall bei der FDP und der SPD)

    Des weiteren wäre zu fordern, die Seeverkehrsüberwachung analog zu dem bestehenden Flugsicherungssystem auf den gesamten Bereich der Deutschen Bucht auszudehnen. An Bord von Schiffen mit gefährlicher Ladung sollte eine in der Luftfahrt bewährte Black-Box mitgeführt werden, die im Rahmen der Seeverkehrsüberwachung alle Funksprüche aufzeichnet.

    (Dr. von Geldern [CDU/CSU]: Der liest jetzt unsere alten Vorschläge vor!)

    Die Anstrengungen der deutschen Schiffahrtsindustrie sind zu unterstüzen, um durch optimale Ausrüstung die Folgen einer Schiffskatastrophe so gering wie möglich zu halten. Die Vorbeugungs- und Bekämpfungsmaßnahmen gegen die Ölpest sind zu intensivieren und letztendlich auch von uns zu finanzieren. Die Schaffung eines kompetenzübergreifenden Katastrophenschutzes und Katastrophenstabes ist fortzuführen. Die Bereitstellung von Mitteln für Forschungs- und Entwicklungsarbeiten, für Geräte, Fahrzeuge und Schiffe zur Bekämpfung der Ölverschmutzung ist weiter fortzuführen und zu vermehren.
    Wir haben in den nächsten Wochen den Einsatz des von der Lühring-Werft gebauten Klappschiffes zu erwarten. Wir alle sind wirklich voller Hoffnung, daß sich dieses Versuchsmodell so bewährt, daß wir endlich auch zu größeren Einheiten dieser Art kommen können.
    Ein großes Problem stellt auch die Ölverschmutzung durch Tankwaschen und Einleiten von Öl durch Schiffe dar. Nach dem internationalen Gesetz zur Verhütung der Verschmutzung der See durch Öl sind Tankwaschen und Ölabgabe verboten. Aber erst im Frühjahr dieses Jahres wurden an der europäischen Nordseeküste weit über 100 000 ölverschmutzte Seevögel gefunden. Dieses Beispiel zeigt, daß die Überwachung der Nordsee leider in keiner Weise gewährleistet ist und es dem Zufall überlassen bleibt, ob ein Sünder erwischt wird, der dann mit einer Strafe von höchstens 10 000 DM belangt wird, während das Tankreinigen vielleicht 40 000 DM gekostet hätte.
    Zur Eindämmung der Verschmutzung durch Tankerverkehr ist zu fordern: Flugüberwachung, eventuell auch unter Beteiligung von Luftwaffen- oder Marinefliegern; die Anhebung des Strafmaßes,

    (Dr. von Geldern [CDU/CSU]: Das ist nicht angemessen!)

    so daß kein Anreiz mehr besteht, gegen das Gesetz zu verstoßen; die Einführung eines sicheren Analyseverfahrens zur Beweissicherung.
    Während das Tankwaschen von Öltankern durch das eben genannte Gesetz im gesamten Bereich der Nordsee verboten ist, gibt es eine solche Regelung für Chemikalientanker nicht, d. h., daß jedes Jahr mehrere tausend Tonnen hochgiftiger Chemikalien in die Nordsee gelangen, auf den Boden sinken und in die Nahrungskette gelangen. Der Rückgang der Seehundbestände — vor 20 Jahren gab es an der ostfriesischen Küste über 13 000 Seehunde, heute sind es etwas über 1 000 — ist doch wirklich alarmierend.
    Chemikalien sind für die Gesundheit der Nordsee eine große Gefahr. Daher müssen wir gesetzlich vorschreiben, daß keine Chemikalien mehr in die Nordsee eingeleitet werden, wie es auch in der Präambel der Meeresschutzkonvention gefordert wird. In der Praxis ist zu fordern, daß alle Chemikalientanker eine Restlenzanlage besitzen und benutzen müssen.
    Lassen Sie mich etwas zur Deichbauproblematik sagen. Die vom Sachverständigenrat angesprochene Deichbauproblematik hat in jüngster Zeit durch die von der schleswig-holsteinischen Landesregierung durchgeführten bzw. geplanten Projekte „Hindenburgdamm Emmerleffkliff" und „Nordstrander Bucht" eine besondere Aktualität erhalten. Ich teile die Bedenken, die der Rat aus ökologischen Gründen insbesondere gegen technisch heute realisierbare großflächige Eindeichungen geltend gemacht hat. Von niemandem kann bestritten werden, daß durch derartige Maßnahmen der Bestand an wertvollen Wattflächen und Salzwiesen empfindlich vermindert wird und die dadurch bewirkten Beeinträchtigungen von Flora und Fauna erheblich sind.
    Gravierend sind diese Bedenken vor allem deswegen, weil die bei großflächigen Eindeichungen eintretenden Verluste an Biotopen, die für die dort lebende Artenwelt unverzichtbar sind, in aller Regel durch Ausgleichs- und Ersatzmaßnahmen nicht oder nur ungenügend wettgemacht werden können.

    (Beifall bei der FDP und der SPD)

    Wir haben dazu auf unserem Bundesparteitag in Köln in unserem ökologischen Aktionsprogramm eine ganz klare Aussage gemacht. Danach werden Eindeichungen zum bloßen Zwecke der Landgewinnung von uns entschieden abgelehnt.
    Nur, ein absoluter Naturschutz ist auch im Wattenmeer nicht möglich. Der Sachverständigenrat verkennt das auch nicht. Er weist auf den Vorrang des Schutzes der an der Nordseeküste lebenden Menschen ausdrücklich hin. Bei allen Maßnahmen des Küstenschutzes kommt es also darauf an, Lösungen zu finden, durch die einerseits der notwendige Schutz der Menschen sichergestellt ist, ande-



    Bredehorn
    rerseits vermeidbare Beeinträchtigungen des im Wattenmeer besonders empfindlichen Naturhaushalts und des Landschaftsbildes unterbleiben. Daß unter diesen Gesichtspunkten Vordeichungen größeren Umfangs in die freie Wattfläche hinein nur erfolgen dürfen, wenn anders der erforderliche Schutz der Menschen nicht gewährleistet werden kann, und Eindeichungen zum Zwecke der bloßen Landgewinnung — sei es zu landwirtschaftlichen oder sonstigen, z. B. industriellen, Zwecken — nicht zu rechtfertigen sind, versteht sich von selbst.
    Für die dazu erforderlichen Abwägungen und Entscheidungen sind sowohl unter dem Gesichtspunkt des Küstenschutzes wie dem des Naturschutzes nach der im Grundgesetz vorgegebenen Kompetenzverteilung allein die Länder zuständig und auch verantwortlich, im Falle der genannten Eindeichungen also die Landesregierung von Schleswig-Holstein. Ich hoffe und wünsche, daß sich die Landesregierung von Schleswig-Holstein bei der bevorstehenden Entscheidung über die Nordstrander Bucht ihrer Verantwortung, die sie nicht nur für die Sicherheit ihrer Bevölkerung, sondern auch für die Erhaltung des Wattenmeers als eines gemeinsamen Naturerbes von internationaler Bedeutung hat, bewußt ist.

    (Beifall bei der FDP und der SPD)

    Als ein positives Beispiel möchte ich hier die vorgesehene Eindeichung der Ley-Bucht an der ostfriesischen Nordseeküste herausstellen. Hier ist man von der zunächst durch die Landesregierung vorgesehene Zudeichung der gesamten Ley-Bucht zu einer kleinen Lösung gelangt, die sowohl dem Schutz der Menschen wie den Interessen der Naturschützer und der notwendigen Entwässerung des Binnenlandes entspricht.
    Durch das Gesetz über die Gemeinschaftsaufgabe zur Verbesserung der Agrarstruktur und des Küstenschutzes ist der Bund zwar verpflichtet, den Küstenländern 70 % ihrer Aufwendungen für den Küstenschutz zu erstatten, aber leider gibt uns das Gesetz nicht die Möglichkeit, hierbei auf einzelne Vorhaben, die ökologisch bedenklich sind, Einfluß zu nehmen oder sie von der Bezuschussung auszunehmen.
    Der Nordseeküstenraum hat eine große Bedeutung für die naturnahe Erholung. Der Sachverständigenrat hat zu Recht darauf hingewiesen, daß bei der Entwicklung des Fremdenverkehrs bisher die ökologische Belastbarkeit der aufnehmenden Räume zuwenig beachtet worden ist. Trotz der Ausweisung zahlreicher und zum Teil großflächiger Schutzgebiete verschiedener Kategorien reichen, wie der Rat feststellt, die bisherigen Maßnahmen nicht aus, da u. a. ein einheitliches Konzept fehlt und die Schutzverordnungen vielfach keinen ausreichenden Schutz bieten.
    Ich halte es deshalb für erforderlich, daß die Küstenländer im Wege einer grenzüberschreitenden Gesamtplanung unter Einschluß der Landschaftsplanung die Voraussetzungen dafür verbessern, die Nutzungen dieses Raums mit den ökologischen Erfordernissen so weit wie möglich in Übereinstimmung zu bringen. Vordringlich erscheinen insbesondere die großflächige Ausweisung des Insel- und Wattenraums als eines Gebietes besonderer Bedeutung für die Erhaltung von Natur und Landschaft bzw. für die naturnahe Erholung sowie die Erstellung eines differenzierten Nutzungs- und Schutzkonzepts für den Wattenmeerraum.
    Auch die Hinweise des Sachverständigenrats auf die Störung der Tierwelt durch den Fremdenverkehr, insbesondere durch Bootsfahrten, verdienen Beachtung. Um das Befahren von Bundeswasserstraßen durch Sportboote und die Ausflugsschifffahrt im Bereich von Naturschutzgebieten zu beschränken, sind erforderlichenfalls und soweit Selbstbeschränkungsvereinbarungen nicht ausreichen, entsprechende Rechtsverordnungen nach dem Bundeswasserstraßengesetz zu erlassen.
    Die Nordsee ist noch ein fischreiches Schelfmeer. Obwohl ihr Wasserinhalt nur 0,1 % des gesamten Weltmeeres beträgt, werden in ihr 5 % des Weltfischfangs erreicht. Das Wattenmeer ist die Kinderstube allen Nordseelebens. Fische und Fischbestände bilden die wirtschaftliche Grundlage eines Gewerbes, für dessen gewinnbringende und fortdauernde Ausübung Schutzmaßnahmen erforderlich sind.
    Das Nordseegutachten stellt hier fest, daß die gegenwärtigen Schwierigkeiten für die Erhaltung der Fischbestände mehr auf Überfischung und nicht so sehr auf die Schadstoffe zurückzuführen sind. Daher ist insbesondere eine Verminderung der Fanganstrengungen ungeachtet der politischen Schwierigkeiten zur Bestandserhaltung erforderlich.
    Hinsichtlich der Fischkrankheiten durch Schadstoffbelastungen müssen auch weiterhin intensive Forschungen und Untersuchungen angestellt werden. Nachdem seit 1. April 1981 die Verklappung von Klärschlämmen in der Deutschen Bucht eingestellt ist, müssen wir auch in möglichst naher Zukunft zu einem Verklappungsverbot für Dünnsäure aus der Titandioxidproduktion kommen. Neue Genehmigungen für ein Verbringen anderer Stoffe in die Deutsche Bucht oder in andere Gebiete der Nordsee dürfen von uns nicht mehr erteilt werden.
    Meine Damen und Herren, lassen Sie mich zum Schluß noch einmal aus dem Nordseegutachten zitieren. Dort wird festgestellt, daß es nicht so sehr einen Mangel an Gesetzen, Beschlüssen, Verordnungen und Sicherheitsauflagen gibt. Worum es jetzt geht, sind die Ratifizierung, die Ausfüllung, die Überwachung und die Durchsetzung dieser Gesetze und Verordnungen.
    Kranke Fische, Seehunde und krankes Kleingetier sowie Tausende verölter Seevögel sind schreckliche Zeichen der Gefährdung des Naturraums Nordsee. Wir alle sind aufgerufen, durch unser politisches Handeln und Tun der Verantwortung gegenüber nachfolgenden Generationen zum Erhalt einer gesunden Nordsee gerecht zu werden. — Danke schön.

    (Beifall bei der FDP und der SPD)