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ID0900804100

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    Plenarprotokoll 9/8 Deutscher Bundestag Stenographischer Bericht 8. Sitzung Bonn, Freitag, den 28. November 1980 Inhalt: Fortsetzung der Aussprache über die Erklärung der Bundesregierung Schmidt, Bundeskanzler 217 B Dr. Dregger CDU/CSU 230 B Liedtke SPD 238 C Dr. Hirsch FDP 243 B Baum, Bundesminister BMI 246 B Nächste Sitzung 251 D Anlage Liste der entschuldigten Abgeordneten . 253*A Deutscher Bundestag — 9. Wahlperiode — 8. Sitzung. Bonn, Freitag, den 28. November 1980 217 8. Sitzung Bonn, den 28. November 1980 Beginn: 9.00 Uhr
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    Anlage Liste der entschuldigten Abgeordneten Abgeordnete(r) entschuldigt bis einschließlich Dr. Abelein 28. 11. Dr. van Aerssen 28. 11. Dr. Ahrens* 28. 11. Amrehn 28. 11. Dr. Barzel 28. 11. Dr. Dollinger 28. 11. Egert 28. 11. Dr. Faltlhauser 28. 11. Dr. von Geldern 28. 11. Dr. Häfele 28. 11. Handlos 28. 11. Höffkes 28. 11. Hoffie 28. 11. Dr. Hornhues 28. 11. Frau Hürland 28. 11. Korber 28. 11. Dr. Kreile 28. 11. Kunz (Berlin) 28. 11. Landré 28. 11. Máhne 28. 11. Dr. Mertens (Bottrop) 28. 11. Michels 28. 11. Anlage zum Stenographischen Bericht Abgeordnete(r) entschuldigt bis einschließlich Milz 28. 11. Müller (Bayreuth) 28. 11. Müller (Remscheid) 28. 11. Neuhaus 28. 11. Neumann (Bramsche) 28. 11. Pawelczyk 28. 11. Picard 28. 11. Pohlmann 28. 11. Rappe (Hildesheim) 28. 11. Rayer 28. 11. Repnik 28. 11. Dr. Ritz 28. 11. Schmidt (Wattenscheid) 28. 11. Schmöle 28. 11. Dr. Schwarz-Schilling 28. 11. Spilker 28. 11. Dr. Sprung 28. 11. Dr. Stark (Nürtingen) 28. 11. Dr. Steger 28. 11. Timm 28. 11. Dr. Todenhöfer 28. 11. Dr. von Wartenberg 28. 11. Dr. Wieczorek 28. 11. Zierer 28. 11. für die Teilnahme an Sitzungen der Parlamentarischen Versammlung des Europarates
  • insert_commentVorherige Rede als Kontext
    Rede von Dr. Burkhard Hirsch


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (FDP)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (FDP)

    Herr Kollege, sind Sie bereit, zur Kenntnis zu nehmen, daß eine faire Behandlung dieses Gesamtvorgangs nur möglich ist, wenn man den Gesamtzusammenhang darstellt, und nicht, wenn man sich einzelne Positionen herauspickt? Ich sage



    Dr. Hirsch
    Ihnen noch einmal: Lassen Sie das im Interesse Ihres eigenen Ansehens.

    (Beifall bei der FDP und der SPD — Dr. Dregger [CDU/CSU]: Das ist völlig überflüssig! — Weiterer Zuruf von der CDU/CSU: Herr Hirsch, Sie zwingen uns zu einem Untersuchungsausschuß!)

    Überlassen Sie die Argumentation zu diesem Punkt denjenigen Ihrer Kollegen, die über alle Einzelheiten informiert worden sind.

    (Dr. Dregger [CDU/CSU]: Die beurteilen es aber genauso wie ich!)

    Wir haben eine bemerkenswerte Debatte erlebt; bemerkenswert dadurch, daß die Bereiche der Innen- und Rechtspolitik an den Rand der Diskussion gerückt sind.

    (Dr. Jenninger [CDU/CSU]: Das ist doch nicht wahr!)

    — Zur Rechtspolitik, verehrter Herr Kollege Jenninger, haben wir kaum fünf Minuten gehört.
    Die Rechtspolitik, die die Freiheit des einzelnen im täglichen Leben beschreibt und regelt, die Diskriminierungen abbaut, auf Strafdrohungen verzichtet, wo sie sich als überflüssig erweisen, die die Verbesserung der Rechte der Verteidigung und die Reform des Strafvollzuges erreichen möchte, ist am Rande geblieben.
    Ich erinnere mich an die Formel, mit der wir diese Legislaturperiode begonnen haben: „Wes das Herz voll ist, des fließt der Mund über." Wir haben uns über Schutzraumbau unterhalten. Etwas aphoristisch war es bei Problemen des bundesstaatlichen Aufbaues. Ich halte es für ein vielleicht ungewolltes Kompliment der Opposition, daß sie zum Dreh- und Angelpunkt ihrer Kritik nicht die Innenpolitik, nicht das Verhältnis der Mitbürger — insbesondere der Jugend — zum Staat, nicht die Fragen der Kriminalitätsbekämpfung einschließlich der Terrorismusbekämpfung gemacht hat, die früher zu leidenschaftlichen Auseinandersetzungen geführt haben. Diese Verschiebung der politischen Gewichte ist sicherlich keine Selbstverständlichkeit, sondern ein Erfolg einer gelassenen und nicht aufgeregten Politik im Bereich der inneren Sicherheit.

    Die große Mehrheit der Bevölkerung hat — das
    möchte ich zum Thema „Staatsverständnis" sagen — ein Staatsgefühl mit großer Gelassenheit und Toleranz entwickelt — im Gegensatz zu allen aufgeregten Kassandrareden, die wir gehört haben. Der Bürger weiß sehr wohl, daß er sich nicht durch markige Wahlentscheidungen aus einem innen- oder sicherheitspolitischen Jammertal hätte befreien müssen, um Leib und Leben zu retten. Ich denke, daß die Bürger in ihrer ganz überwältigenden Mehrheit — und das ist die notwendige Basis für die Probleme der 80er Jahre — den Staat akzeptieren, Vertrauen haben, sich sicher und im sicheren Besitz dieses Staates überall da fühlen, wo der Staat nicht als schlichte Obrigkeit auftritt, sondern sich bemüht, die Zustimmung der Bürger zu seinen Entscheidungen zu suchen und zu finden.
    Diese Sicherheit bei der großen Mehrheit der Bevölkerung gilt auch für das Verhältnis zur Polizei, in der ich in den letzten Jahren sehr viel Zivilcourage, sehr viel rechtsstaatliches Bewußtsein und sehr viel Hingabe an die Sache gefunden habe. Das gilt auch für das Verhältnis der ganz überwältigenden Mehrheit der Bevölkerung zur Bundeswehr, die ein unbestrittener Bestandteil unserer demokratischen Gesellschaft ist und sich nicht aus der Öffentlichkeit zurückzuziehen braucht.
    Es ist hier über die geistige Führung und deren Notwendigkeit gesprochen worden. Ich glaube, Herr Kollege Dregger, mit den Vokabeln „christlicher Glaube" und „Vaterlandsliebe" ist das wohl etwas zu eng gegriffen. Das erinnert mich so etwas an „Thron und Altar".

    (Dr. Dregger [CDU/CSU]: Das sind verschiedene Dinge!)

    Die geistige Führung im Staat wird nicht vermißt, wo es überzeugende Vorbilder gibt, und zwar nicht nur in der Politik, sondern ebenso in der Kultur und in der Wissenschaft. Es ist die vornehmste Aufgabe des Staates, die Rolle des Vorbilds nicht für sich zu monopolisieren, sondern die geistige Freiheit und die Freiheit von schlichter Not zu sichern. Dann ist er mehr als eine bloße Anspruchsbefriedigungsmaschine oder ein Versicherungsverein auf Gegenseitigkeit zur Wahrung der materiellen Interessen. Dann findet er auch die Bereitschaft, Pflichten zu übernehmen — eine Bereitschaft, die auf Einsicht und nicht auf Anordnung beruhen muß.
    Dieses sichere Selbstverständnis des Bürgers ist nicht aus einer sich ständig steigernden Machtentfaltung des Staates, aus einer „konservativen Erneuerung" entstanden, sondern im Gegenteil aus einer großen Sensibilität in der Anwendung staatlicher Machtmittel und in der Erhaltung der Pluralität und aus der Bereitschaft, der Anwendung staatlicher Macht Grenzen zu setzen und sie zu definieren, wo sie sich nicht als unbedingt erforderlich erweist. Liberale wünschen sich weder den alles beherrschenden noch den alles wissenden und möglichst umfassenden Dienstleistungsstaat, der seine Leistungen an immer ausgefeiltere oder kompliziertere Anspruchsgrundlagen knüpft. Er würde uns in der Tat ersticken. Es ist auch nicht die Hauptaufgabe des Staates, dem Menschen jedes Lebensrisiko abzunehmen. Sondern er hat sich auf seine Hauptaufgaben zu besinnen; den äußeren und den inneren Frieden zu wahren, die notwendigen natürlichen Lebensgrundlagen zu erhalten, auch wenn das gegen wirtschaftliche Interessen durchgesetzt werden muß, das Recht auf Bildung nach den Fähigkeiten des einzelnen zu entwickeln, aber nicht Ausbildungschancen nach einer Bedarfsschätzung zuzuteilen, soziale Verantwortung zu beweisen, niemanden fallenzulassen, der wirklich in Not ist, und Lasten über Generationen gerecht zu verteilen. Das ist der Kern.
    Ich halte es für einen etwas leichtgewichtigen Ansatz, die Bürokratiediskussion allein am Umweltschutz festmachen zu wollen. Denn in der Kritik steht die gesamte staatliche Tätigkeit auf allen Ebenen unseres Gemeinwesens, nicht beschränkt auf



    Dr. Hirsch
    einzelne sachliche Bereiche, nicht beschränkt auf einzelne Länder oder Kommunen. Das ist eine Klage, die unabhängig von der jeweiligen Zusammensetzung einer Regierung geführt wird. Es ist leicht, Remedur zu fordern, aber es ist sehr schwierig, zu sagen, was denn nun im einzelnen wegfallen soll. Denn der Grund für die Bürokratisierung, für die, wie es immer heißt, Flut von Verordnungen, Richtlinien, Erlassen oder anderer Normen liegt doch nicht nur in der puren Lust irgendwelcher Menschen, beamteter Menschen, andere zu reglementieren, sondern liegt auch darin, daß wir hergehen und nicht nur Wünsche, sondern auch „echte Anliegen" an den Staat richten. Und „echte Anliegen" heißt in der Sprache der Politik immer, daß es notwendig sein sollte, sie zu normieren, sie in Gesetze zu binden. Sie, Herr Kollege Dregger, fordern j a sehr leichtfüßig eine Pflicht zum Einbau von Schutzräumen in Häusern, j a sogar in Einfamilienhäusern, begleitet von Zuschüssen und anderen finanziellen Erleichterungen. Wie viele gesetzliche Regelungen, wie viele Verordnungen, Richtlinien, Erlasse, wie viele Kontrollmechanismen werden allein durch einen solchen Wunsch, der nun gerade Ihnen persönlich am Herzen liegt, notwendig werden? Das kann also nicht der Weg sein.

    (Spranger [CDU/CSU]: Das Gesetz ist seit 1968 in Kraft!)

    Ich möchte einige Positionen der Regierungserklärung unterstreichen. Wir werben für die Anerkennung besonderer Staatsziele, die als neue Probleme im Verhältnis zum Staat in das Bewußtsein unserer Mitbürger getreten sind, weil in ihnen besonders starke Interessen aufeinanderprallen: das Recht auf Schutz der persönlichen Daten — ein Grundrecht, das mit Zustimmung aller Fraktionen z. B. in der nordrhein-westfälischen Landesverfassung verwirklicht wurde — und ein Grundrecht auf gesunde Umwelt.
    Zum Datenschutz: Wir halten ihn nicht für einen Luxus. Die moderne Datenverarbeitung gibt in der Tat außerordentlich weitreichende Möglichkeiten, die Privatsphäre des einzelnen zu verletzen, Möglichkeiten, die kaum in das Bewußtsein der breiten Öffentlichkeit gedrungen sind. Ein hervorragendes Beispiel in diesem Bereich sind die Möglichkeiten, die sich aus der Nutzung der neuen Medien ergeben. Es gibt eine hochinteressante Untersuchung der Datenschutzbeauftragten des Landes Baden-Württemberg, Frau Dr. Leuze, in der das in sehr eindrucksvoller Weise dargestellt wird.
    Wir wollen die Entwicklung der Informationstechnologien nicht verhindern. Aber darum ist es notwendig, klare Grenzen zu ziehen und die Rechtsposition des Bürgers zu verstärken. Der Ausbau des Datenschutzes muß fortgeführt werden, insbesondere im staatlichen Bereich. Es ist ganz ohne Zweifel richtig, daß es eine moderne Kriminalitätsbekämpfung ohne elektronische Datenverarbeitung nicht geben kann. Aber gerade deswegen sind bereichsspezifische Lösungen im Sicherheitsbereich erforderlich, nicht um die Arbeit der Sicherheitsorgane zu erschweren, sondern um den Einsatz moderner Informationstechnologien dem politischen Streit auf
    Dauer zu entziehen und sie damit zu ermöglichen. Dafür ist die Definition der Grenzen, eine gesetzliche Regelung unverzichtbar.
    Zum Umweltschutz: Hier ist in der Debatte sehr viel vorgetragen worden. Er ist ein elementares Erfordernis jeder Industriegesellschaft, unabhängig von ihrer Wirtschaftsform. Aber Umweltschutz zum Nulltarif wird es nicht geben. Ich halte es für eine Verharmlosung, zu glauben, daß er so zur allgemeinen Bewußtseinslage gehöre, daß man die Dinge treiben lassen könne. So hören wir hier von der Opposition, wenn es über das allgemeine Grundbekenntnis zum Umweltschutz hinausgeht, immer dieselbe Formel: Umweltschutz ja, aber nicht hier, nicht jetzt und nicht so. Das heißt auf deutsch: überhaupt nicht. Umweltschutz ist ein mühsamer Weg. Es geht um viele kleine Schritte beim Lärmschutz, beim Straßenbau, bei der Luft- und Wasserreinhaltung. Es geht um die Durchsetzung des Vorsorge- und des Verursacherprinzips. Überall dort, wo die Abwägung zwischen wirtschaftlichen Zielen und Umweltschutz endet und der Umweltschutz den absoluten Vorrang auch gegenüber wirtschaftlichen Interessen erhalten muß, müssen die Grenzen beschrieben werden. Diese Prioritätsentscheidungen lassen sich nicht mit schönen Worten verbergen.
    Wir wollen die Verbandsklage beim Natur- und Landschaftsschutz und begrüßen diese Entscheidung in der Regierungserklärung. Ich habe mir immer nur schwer erklären können, warum jemand ein Klagerecht haben soll, der einige Quadratmeter Grund und Boden in einer natur- und landschaftsschutzrelevanten Gegend hat, der andere aber, dessen natürliche Lebensumwelt in der gleichen Weise von einer Entscheidung berührt wird, deswegen, weil er keinen Grund und Boden besitzt, nicht klagen kann. Das kann nicht richtig sein.
    Zum Thema „Umweltschutz und Kernenergie": Ich will hier nicht wieder die ganze Energiedebatte aufrühren, aber es ist natürlich eine Mogelpackung, wenn man den Ausbau der Kernenergie als aktiven Umweltschutz bezeichnen will. Wahr ist doch, daß der wachsende Energieverbrauch — ganz gleich, auf welcher Energiebasis er vonstatten geht — die Umwelt belastet.

    (Zustimmung bei der SPD)

    Umweltschutz in der Energiepolitik muß auch heißen: weg von der unglaublichen Energieverschwendung, die wir uns leisten zu können glauben.

    (Beifall bei der FDP und der SPD)

    Zur Ausländerpolitik: Sie, Herr Kollege Dregger, haben in Ihren Ausführungen eine ganze Reihe von Fragen gestellt, von denen ich annahm, daß sie im Grundsatz beantwortet sind. Die Bundesregierung hat j a in der Regierungserklärung ausführliche Aussagen zur Ausländerpolitik gemacht, und Sie kennen sicherlich — so nehme ich an — die Beschlüsse der vorangegangenen Bundesregierung vom 19. März zu Fragen der Weiterentwicklung der Ausländerpolitik mit den Positionen zur sozialen Integration der zweiten und der dritten Generation, zur Eingliederung in deutsche Kindergärten und Schulen, um eine angemessene Eingliederung in das Be-



    Dr. Hirsch
    rufsleben zu ermöglichen, zum Ausbau der sozialen Beratungsdienste, zur Verbesserung der Wohnverhältnisse, die dringend erforderlich ist, unter Beachtung und Wahrung ihrer kulturellen Identität. Es ist die eigene Entscheidung der unter uns lebenden Ausländer, ob sie hierbleiben wollen, ob sie sich integrieren wollen. Wenn sie sich dazu entscheiden — und es muß ihre eigene Entscheidung bleiben —, müssen sie auch die rechtlichen Möglichkeiten dazu bekommen. Das sage ich insbesondere in bezug auf die Ausländerkinder, die hier geboren und aufgewachsen sind.

    (Zustimmung der Abg. Frau Berger [Berlin] [CDU/CSU])

    Wichtig ist schließlich die Hilfe für diejenigen, die zurückkehren wollen, durch Förderung der Reintegration in das Erwerbs- und Berufsleben in ihrer Heimat, in ihren eigenen Ländern. Gerade in bezug auf die Türkei und auf Griechenland sind solche Reintegrationsprogramme seit Jahren kontinuierlich aufgebaut worden, und ich meine, das sollte bekannt sein.
    Ich will hier keine Detailausführungen zum Zivilschutz anfügen. Niemand in diesem Hause zweifelt daran, daß der Zivilschutz ein Bestandteil der Verteidigungspolitik ist, und es ist unstreitig, daß der Schutzraumbau hinter dem wünschenswerten Maß zurückgeblieben ist. Das ist ein Problem der Kosten und ein Problem der Haushalte.
    Aber Zivilschutz geht doch wohl weit über den Schutzraumbau hinaus. Er zeigt sich auch in der Ausrüstung der im einfachen und im erweiterten Katastrophenschutz tätigen freiwilligen Verbände, in der Ausrüstung und Ausstattung des Technischen Hilfswerks, der Johanniter, der Malteser, des Deutschen Roten Kreuzes, Organisationen, in denen sich Tausende junger Menschen für eine Aufgabe einsetzen. Wenn wir zwischen finanziellen Leistungen für den Schutzraumbau und der Ausrüstung und Ausstattung dieser freiwilligen Organisationen abzuwägen haben, kann es keine Frage geben, daß die Ausrüstung dieser Organisationen den Vorrang haben muß.

    (Zustimmung des Abg. Kleinert [FDP])

    Ich will es mit diesen Bemerkungen bewenden lassen und abschließend sagen: Wir leben in einem Staat, der die Zustimmung seiner Bürger gefunden hat, weil er ein liberaler Rechtsstaat ist, und der die Zustimmung seiner Bürger behalten wird, solange er das bleibt. Das ist ein festes Fundament, das dem gerecht wird, was als Motto über dieser Regierungserklärung steht: Mut zur Zukunft, und nicht etwa aufgeregt in die 80er Jahre.

    (Beifall bei der FDP und der SPD)



Rede von Dr. Richard von Weizsäcker
  • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (CDU)
  • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CDU)
Das Wort hat der Herr Bundesminister des Innern.

  • insert_commentNächste Rede als Kontext
    Rede von Gerhart Rudolf Baum


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (None)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (FDP)

    Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich möchte noch einiges sagen, ohne Ihre Geduld allzu sehr, was die Zeit angeht, zu strapazieren. Ich habe — wie Sie alle — in diesen Tagen am Anfang einer
    Legislaturperiode nach Gemeinsamkeiten gesucht und wie alle habe auch ich solche festgestellt. Selbst in Ihrer Rede, Herr Dregger! Das sage ich am An fang, wenn ich auch noch einiges Kritische zu Ihnen zu sagen habe.
    Ich finde es z. B. wohltuend, daß wir zu einer Versachlichung in der Ausländerpolitik kommen. Ici möchte nicht verhehlen, daß die Debatte des vergan genen Sommers Bitterkeit bei mir zurückgelasser hat. Damals gab es keine sachliche Debatte. Es wur den einseitig die anderen auf die Anklagebank ge setzt für Aufgaben, die alle zu leisten haben: Bund Länder und Gemeinden, und nicht der Bund allein
    Für uns beruht die Legitimation staatlicher Herr schaft in der freiheitlichen Demokratie ganz wesentlich auch auf der Fähigkeit des Staates, Bürgerfreiheiten und Bürgerrechte zu gewährleisten und aus zubauen. Das ist nach wie vor ein Stück Reformpoli tik dieser sozialliberalen Koalition.

    (Beifall bei der FDP und der SPD)

    Ich meine, diese Fähigkeit zur Liberalität, die wir haben, ist das größte Vertrauenskapital jeder demokratischen Ordnung. Es ist bemerkenswert, daß nicht nur die junge Generation sehr sensibel ist wenn es um die Gefahren für die individuelle Freiheit und um die Einschränkung von Bürgerrechter geht, sondern auch die ältere Generation. Ich erinnere nur an die sehr intensiv geführte Bürokratiediskussion in unserem Lande.
    Ich frage Sie, Herr Dregger, und Ihre Parteifreunde: Warum zeigen Sie diese Sensibilität so unzureichend, wenn es um die Sicherheitsdienste und um die Gesetze im Sicherheitsbereich geht? Natürlich wollen wir die Freiheit der Bürger sichern, und zur Freiheit gehört auch die Freiheit von Gefahren; aber wir wollen sie auch auf dem Gebiet der Sicherheitspolitik nicht in gesetzliche Regelungen und bürokratische Strukturen einengen, die dort zur Sicherung der Freiheit nicht notwendig sind. Warum sind Sie, Herr Kollege Dregger, da nicht genau so sensibel wie auf den anderen Gebieten, die Sie genannt haben? Wir werden diese Politik der Freiheitssicherung fortsetzen. Das ist nicht nur eine Folgerung aus dem Wahlergebnis, sondern ein Beitrag zur Stabilität unserer Demokratie.
    Nicht nur der Sinn für individuelle Freiheit ist gewachsen, sondern — darauf wurde wiederholt hingewiesen — auch der Sinn für die Zerstörung unserer Umwelt, die Bewältigung der wichtigen Aufgaben des Umweltschutzes, des Datenschutzes, der Medienpolitik, um nur diese zu nennen, sind, meine ich, Gradmesser für die Bereitschaft und die Fähigkeit des Staates, mit Zukunftsproblemen fertig zu werden.
    Wir messen Staat und Gesellschaft nicht zuletzt daran, wie wir mit gefährlichen, langfristig wirkenden wirtschaftlichen und technologischen Entwicklungen fertig werden, Herr Kollege Dregger. Da genügt es nicht, vom Monster der Technologie zu sprechen, sondern da hätten Sie einmal darauf hinweisen müssen, daß alle großen neuen Technologien Ge-



    Bundesminister Baum
    fährdungsdimensionen aufweisen, wie wir sie früher überhaupt nicht gekannt haben,

    (Beifall bei der FDP und der SPD)

    und daß wir also zu einer Technologiefolgenabschätzung verpflichtet sind. Ich wehre mich entschieden gegen jede Dramatisierung und Verteufelung der Technik. Ich wehre mich aber auch gegen eine undifferenzierte Verharmlosung und Verniedlichung, wie das manchmal gerade aus Ihren Reihen in der Kernenergiedebatte geschehen ist und noch heute geschieht.
    Diese Legislaturperiode stellt uns im Bereich der Innenpolitik drei Hauptaufgaben. Ich will sie kurz nennen:
    Erstens. Im Bereich der inneren Sicherheit wird die Effektivität weiter verbessert, und gleichzeitig werden die rechtsstaatlichen Garantien gestärkt. Die Politik der Vertrauenswerbung für die Arbeit der Sicherheitsbehörden, die Schaffung klarer Rechtsgrundlagen für ihre Arbeit, die offene Diskussion werden wir fortsetzen.
    Zweitens. Wir treten in eine neue Phase der Umweltpolitik, bei der das Vorsorgeprinzip noch mehr als bisher zu beachten ist.
    Drittens. Wir brauchen eine neue ausländerpolitische Initiative aller staatlichen Ebenen des Bundes, der Länder und der Gemeinden.
    Wir haben die innere Sicherheit unseres Landes in schwierigen Situationen gewährleisten können. Wir wollen auch künftig unsere Liberalität bewahren und den Rechtsstaat ausbauen. Beides ist notwendig und ist kein Widerspruch. Dank der gemeinsamen Anstrengungen der Sicherheitsbehörden in Bund und Ländern, Dank der mühevollen und schwierigen Arbeit der Justiz sind wichtige Erfolge bei der Bekämpfung der Kriminalität, aber auch des Terrorismus erzielt worden. Dazu beigetragen hat auch intensive geistig-politische Auseindersetzung, mit der wir versucht haben und mit der wir versuchen, den Graben der Sprachlosigkeit zu überwinden, der zur Gewalt geführt hat und der weiter zur Gewalt führen wird, wenn wir nicht aufpassen.
    Herr Kollege Dregger, Sie haben erneut einen öffentlichen Vorwurf wegen meines angeblichen Fehlverhaltens im Zusammenhang mit einer Aktion des Hamburger Verfassungsschutzes erhoben, die dort, wie Sie wissen, auch die Billigung Ihrer Parteifreunde gefunden hat.

    (Dr. Dregger [CDU/CSU]: Das ist keine Parteisache!)

    Ich bedaure, daß Sie die Praxis fortsetzen, als Nichtinformierter Vorwürfe zu erheben. Ich habe die Kontrollkommission dieses Hohen Hauses voll informiert. Es ist im Interesse der Fahndung auch heute nicht möglich, zu Ihren Vorwürfen Stellung zu nehmen.

    (Dr. Dregger [CDU/CSU]: Sie teilen meine Meinung!)

    Eine solche Stellungnahme ginge nämlich auf
    Kosten der Fahndung, und ich denke nicht daran,
    durch Richtigstellung oder Dementi den deutschen
    Terroristen ihr verbrecherisches Tun zu erleichtern.

    (Beifall bei der FDP und der SPD — Dr. Dregger [CDU/CSU]: Brauchen Sie auch gar nicht! Warum haben Sie Herold nicht unterrichtet? — Weitere Zurufe von der CDU/CSU)

    Ich möchte zu Ihren Vorwürfen eines ganz deutlich sagen: Es trifft nicht zu, daß der Generalbundesanwalt und die Polizei zu spät informiert worden sind.

    (Dr. Dregger [CDU/CSU]: Herold überhaupt nicht! — Zuruf von der CDU/CSU: Das ist doch im Innenausschuß alles klar gewesen!)

    — Nein, das haben Sie nicht klären können. Herr Kollege Hirsch hat vollkommen recht, wenn er sagt, daß der Sachverhalt überhaupt nur zu bewerten ist, wenn er in vollem Umfang bekannt ist.

    (Spranger [CDU/CSU]: Im Ausschuß ist alles klar gewesen!)

    Herr Kollege Dregger, das ist jetzt so ein Punkt: Wenn Sie von der Bereinigung von Verletzungen des Wahlkampfes sprechen, dann hätten Sie hier die Gelegenheit gehabt, zu bereinigen. Ich sage das mit aller Deutlichkeit.

    (Beifall bei der FDP und der SPD — Dr. Dregger [CDU/CSU]: Keine Verletzungen! Das ist eine Sachfrage, ein sachlicher Vorwurf!)

    Ich möchte zu den Sicherheitsbehörden in diesem Lande sagen, daß wir allen Anlaß haben, ihnen für ihren Einsatz und ihre Arbeit zu danken. Die Tatsache, daß der Präsident des Bundeskriminalamtes nach fast zehnjähriger Leitung dieses Amtes aus Gesundheitsgründen

    (Lachen bei der CDU/CSU)

    um Versetzung in den Ruhestand zum 31.3. bitten muß, gibt mir Veranlassung, ihm an dieser Stelle für seine aufopferungsvolle und erfolgreiche Arbeit zu danken. Ihm ist eine einzigartige Aufbauleistung im Bundeskriminalamt zu danken.

    (Beifall bei der FDP und der SPD — Dr. Lenz [Bergstraße] [CDU/CSU]: Und die demontieren Sie im Augenblick!)

    Herr Kollege Dregger, der Präsident des Bundeskriminalamtes hätte es sicher gewürdigt, bei früheren Gelegenheiten, als es um die innere Sicherheit in diesem Lande ging, von Ihnen zu erfahren, was er für die innere Sicherheit in diesem Lande getan hat. Ich erinnere mich sehr genau an unsere Debatte über den Höcherl-Bericht in diesem Saal. Es war meine erste Debatte als Minister. Dort habe ich den Herrn Präsidenten ausdrücklich in eine Vertrauenserklärung für die deutschen Sicherheitsorgane eingeschlossen, und Herr Spranger hat mehrfach dazwischengerufen: „Ausschließen!" Also bitte, meine Damen und Herren, keine Heuchelei, sondern eine klare Position!

    (Beifall bei der FDP und der SPD)




    Bundesminister Baum
    Ich habe es vermißt, daß Herr Kollege Zimmermann klare Position bezogen hat. Er hat versucht, aus der Krankheit eines verdienten Beamten parteipolitisches Kapital zu schlagen. Das ist wirklich ein Nachklang des Wahlkampfes, meine Damen und Herren, und das sollten wir endlich beenden.

    (Spranger [CDU/CSU]: So eine Heuchelei! — Dr. Miltner [CDU/CSU]: Die Spatzen pfeifen es ja von den Dächern!)

    Die Bedrohung der inneren Sicherheit durch links- wie rechtsextremistischen Terrorismus ist nicht gebannt. Der terroristische Mord an zwei Vietnamesen in Hamburg vor wenigen Monaten hat gezeigt, daß auch von rechts neue Gefahren drohen. Es ist mir unverständlich, wie Menschen 30 Jahre nach Ende der nationalsozialistischen Schreckensherrschaft sich durch dieses irrational-bornierte, primitiv-gespenstische Gedankengut wieder zu Gewalttaten hinreißen lassen. Hier ist höchste Wachsamkeit geboten, und hier darf nichts verniedlicht und verharmlost werden, wie es im Wahlkampf geschehen ist.

    (Beifall bei der FDP und der SPD)

    Es geht nämlich darum, daß auch der Terrorismus von rechts zunehmend internationale Beziehungen hat. Es geht darum, daß der Rechtsextremismus sich jetzt als eine terroristische Bewegung versteht, jedenfalls in kleinen, aktiven' Gruppen.
    Ich sehe es mit großer Besorgnis, daß die Ausländerfeindlichkeit, die es in Teilen dieses Landes gibt — zugegebenermaßen: in kleinen Teilen dieses Landes —, sich mit den Bestrebungen des Rechtsextremismus trifft. Das sollte uns doch Anlaß geben, die Frage der Ausländerpolitik unter den demokratischen Parteien mit größter Sachlichkeit zu behandeln, so, wie es heute hier geschehen ist.
    Die Bekämpfung der Rauschgiftkriminalität hat für die Bundesregierung weiterhin einen außerordentlich hohen Stellenwert. Es ist für uns eine moralische Verpflichtung, gerade junge Menschen vor den Verbrechern zu schützen, die das Geschäft mit der tödlichen Sucht betreiben.
    Ein Wort zum Datenschutz. Das Bundesdatenschutzgesetz war die erste Antwort auf die Gefährdung der Privatsphäre durch die moderne Informationstechnologie. Wir wollen auf diese Technologie nicht verzichten, hat Herr Kollege Hirsch gesagt, wir wollen aber diese technische Entwicklung gestalten, wir wollen sie in der Hand behalten, damit sie den Bürger, der in Freiheit leben will, nicht überrollt. Deshalb werden wir das Bundesdatenschutzgesetz überprüfen müssen, wir werden es novellieren müssen, wir werden Konsequenzen aus den Erfahrungen ziehen, die wir in den letzten vier Jahren gewonnen haben. Ich hoffe auf Ihre Unterstützung, meine Damen und Herren von der Opposition.
    Ich frage mich nur: Warum fehlt diese Unterstützung in Ihrer Rede, Herr Kollege Dregger, wenn es um eine klare Rechtsgrundlage für die Datensammlung und den Datenaustausch bei den Sicherheitsbehörden geht?

    (Dr. Dregger [CDU/CSU]: Ich habe doch Vorschläge gemacht!)

    Sie werden mir doch zustimmen, daß wir gerade dort, wo die Freiheit der Bürger unmittelbar berührt ist, Eingrenzungen, klare Festlegungen durch dieses Parlament brauchen. Ich verstehe Ihre Polemik nicht, daß die Sicherheitsbehörden nicht das wüßten, was sie wissen müßten. Ich gehe davon aus und ich weiß es, daß der Informationsfluß unter den Sicherheitsbehörden in Ordnung ist und daß wir jetzt hier in diesem Bundestag weitere gesetzliche Präzisierungen der Amtshilfegrenzen vornehmen müssen, um die Behörden in die Lage zu versetzen, ihre Arbeit auf der Grundlage von guten und klaren rechtlichen Grundsätzen durchzuführen.
    Von Gewicht für die Qualität unserer Demokratie ist die Liberalisierung der Verfassungstreueprüfung bei Bewerbern für den öffentlichen Dienst. Das ist heute früh vom Bundeskanzler und auch von anderen angesprochen worden. Die Regelanfrage — das ist auch meine Meinung, meine Damen und Herren — war Ausdruck eines Mißtrauens des Staates gegenüber seinen jungen Bürgern; eines Mißtrauens, das zu Anpassung und Duckmäuserei führen kann und geführt hat, zu Leisetreterei und Furcht.

    (Beifall bei der FDP und der SPD)

    Deshalb haben wir diese Regelanfrage abgeschafft, aus diesem Grunde.

    (Beifall bei der FDP und der SPD — Zurufe von der CDU/CSU)

    Die CDU/CSU-Länder sind diesem Beispiel nicht gefolgt. Ich werde mich weiter für die Anwendung der Grundsätze von 1979 in allen Bundesländern einsetzen, so wie wir das im Bund hier beschlossen haben.

    (Dr. Lenz [Bergstraße] [CDU/CSU]: Sie sollten sich besser um die Grundsätze der Verfassung und des Verfassungsgerichts bemühen!)

    Die Politik der Vertrauenswerbung für unsere Demokratie ist unteilbar. Sie sollte alle Länder umfassen — nicht nur einige — und den Bund. Vor einigen Tagen hat der Kollege Friedrich Vogel in einem Interview die unterschiedliche Praxis in den einzelnen Bundesländern als beklagenswert bezeichnet. Er hat dazu einige Gedanken geäußert, die mir geeignet zu sein scheinen für Gespräche, die wir vielleicht einmal führen sollten, meine Damen und Herren von der Opposition.
    Die Bundesregierung wird auch in Zukunft bei der Prüfung der Verfassungstreue den Grundsatz der Einzelfallprüfung und den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit beachten. Das aber heißt: Auch wenn grundsätzlich die Treuepflicht für alle Beamten gilt, treten wir dafür ein, daß bei der Feststellung, ob ein bestimmtes Verhalten die Treuepflicht verletzt, der Lokomotivführer oder Postschaffner oder Friedhofsgärtner nicht einfach so behandelt wird wie der



    Bundesminister Baum
    Präsident des Bundesamtes für Verfassungsschutz.

    (Dr. Lenz [Bergstraße] [CDU/CSU]: War das denn bisher so?)

    Wann eine Verletzung der Treuepflicht „evident" im Sinne der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts ist — die wir natürlich sehr genau kennen —, kann nach unserer Auffassung nicht festgestellt werden, ohne daß auch die konkreten Dienstpflichten des Beamten im Einzelfall in die Waagschale geworfen werden. So jedenfalls versteht die Bundesregierung das Gebot der Einzelfallprüfung und den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit, der seinerseits das Rechtsstaatsprinzip artikuliert und auf dessen strikte Beachtung wir drängen.
    Ein positives Signal für die mögliche Überwindung des noch bestehenden Grabens zwischen Bundesregierung und Opposition sehe ich in dem genannten Interview des Kollegen Vogel. Ich zitiere Herrn Kollegen Vogel:
    Es kommt auch nicht so sehr darauf an, daß wir nun in alle Bereiche hineinleuchten, sondern es kommt darauf an, daß wir da, wo zentral das Verhältnis zu unserem Staat eine Rolle spielt, dafür sorgen, daß nicht die falschen Leute an die falschen Plätze kommen.
    Darüber kann man also reden. Das ist ein interessantes Signal.
    Sie sprechen, meine Damen und Herren von der Opposition, über die Befreiung des Bürgers von gesetzlichen Einengungen. Das hat an vielen Stellen der Debatte eine Rolle gespielt. Mit den zur Bekämpfung des Terrorismus getroffenen Regelungen ist, wie der Bundesgerichtshof im Jahre 1979 formuliert hat, eine Einbuße an Liberalität verbunden gewesen. Das müssen wir einfach zur Kenntnis nehmen. Mit den Gesetzen, die wir alle in diesem Hause beschlossen haben, ist eine „Einbuße an Liberalität" verbunden gewesen.

    (Beifall bei der FDP und der SPD)

    Daher müssen wir diese Vorschriften immer wieder auf ihren Erfolg und ihre fortdauernde Notwendigkeit überprüfen. Das gilt z. B. für die Bestimmungen der §§ 88 a und 130 a. Sie sind nach unserer Meinung entbehrlich. Beim Kontaktsperregesetz wird eine Regelung angestrebt, die ohne Verminderung des Schutzes für die durch terroristische Aktivitäten Bedrohten die strafprozessualen Garantien auch in diesem Bereich noch stärker gewährleistet.

    (Beifall bei der FDP)

    Noch ein Wort zur Umweltpolitik, die ja in dieser Debatte über die Regierungserklärung des Bundeskanzlers erfreulicherweise ein zunehmendes Gewicht gefunden hat und auch in der Erklärung des Bundeskanzlers mit ganz bemerkenswerten Feststellungen und Ankündigungen vertreten war. Ich meine, die Politik der Sparsamkeit darf nicht zu Abstrichen am Umweltschutz führen. Umweltschutz ist eben nicht etwas, das wir uns in wirtschaftlich schwierigen Zeiten nicht mehr leisten können. Im Gegenteil: Wenn es künftig um sparsames Haushalten geht, werden wir auf manches umweltbelastende
    Projekt verzichten müssen, wenn wir uns die Kosten für den Umweltschutz nicht leisten können.
    Hier widerspricht sich der Kollege Dregger, wenn er einerseits sagt „Pause für Vernunft" — wenn ich das richtig verstanden habe — —

    (Dr. Dregger [CDU/CSU]: Nein, überhaupt nicht!)

    — Überhaupt nicht. Also keine Pause für Vernunft. Ich weiß nicht, ob Sie diesen Widerspruch auf Pause oder Vernunft beziehen, Herr Kollege Dregger.

    (Dr. Dregger [CDU/CSU]: Ich bin für Vernunft, aber nicht für Pause!)

    — Also gut. Ich meine nur, wenn Sie beklagen, daß die Infrastruktur in Teilen unseres Landes inzwischen so ist, daß man Sorge um die Lebensbedingungen haben muß — in den anderen Teilen sei sie nicht so gut entwickelt, sagen Sie —, warum wehren Sie sich dann so vehement gegen das Verkehrslärmschutzgesetz, über dessen Ausgestaltung man ja reden kann? Hier soll doch Nachdenklichkeit geweckt werden. Es sollen eben nicht mehr so viele Straßen gebaut werden, sondern weniger Straßen mit Lärmschutz. Das ist doch der Sinn dieses Gesetzes.

    (Beifall bei der FDP und der SPD — Dr. Dregger [CDU/CSU]: Ich habe etwas anderes gesagt! — Dr. Hennig [CDU/CSU]: Es ist der Sinn dieses Gesetzes, daß weniger Straßen gebaut werden?)

    — Ja, das ist ein Sinn dieses Gesetzes; denn es betrifft auch neue Straßen, Herr Kollege. Ich bin der Meinung, man sollte 'neue Straßen so bauen — und das Gesetz würde dazu zwingen —, daß eben die Bürger so wenig wie möglich auf Jahrzehnte durch Lärm geschädigt werden.

    (Dr. Lenz [Bergstraße] [CDU/CSU]: Ihre Verbandsklage wird dazu führen, daß überhaupt keine Straßen mehr gebaut werden!)

    — Nein. Die Ablehnung der Verbandsklage Ihrerseits ist j a auch eine sehr merkwürdige Sache. Ich komme darauf noch zurück.
    Wir müssen uns noch stärker am Vorsorgeprinzip orientieren. Auch hier stimme ich mit dem Bundeskanzler und mit Willy Brandt überein, die das ebenfalls gesagt haben. Das ist eine alte Forderung der Liberalen. Langfristig müssen wir zu einer ökologischen Gesamtbetrachtung kommen.
    Am Beispiel des Schutzgutes Boden sind in der letzten Zeit die Grenzen eines auf die einzelnen Umweltmedien Luft, Wasser, Lärm bezogenen Umweltschutzes sichtbar geworden. Dies ist j a der Umweltschutz der letzten 10 Jahre. Das war die erste Phase einer Umweltpolitik, die jetzt fortentwickelt werden muß.
    Die Verschlechterung der Bodenqualität auf Jahrzehnte durch die Aufbringung schwermetallhaltigen Klärschlamms, die Belastung • des Bodens durch Schwermetallemissionen aus Industrieanlagen, die Versauerung der Böden durch den sogenannten sauren Regen lassen erkennen, daß der mediale Um-



    Bundesminister Baum
    weltschutz das Schutzgut Boden stärker beachten muß.

    (Zustimmung bei der SPD)

    Ich werde dem Parlament in Kürze einen Bericht vorlegen, der die Belastung des Bodens mit dem Schwermetall Cadmium darlegt und die notwendigen Konsequenzen aufzeigt. Ich sage Ihnen jetzt schon: um, einschneidende Konsequenzen werden wir nicht herumkommen.
    Ein weiterer wichtiger Schwerpunkt der Umweltpolitik sind die Umweltbelastungen durch das Auto. Ich stimme mit Ihnen überein: Es genügt nicht, die Straßen mit Wällen zu versehen; das wird nur an einzelnen Stellen möglich sein. Wir haben die Pflicht, das Auto umweltfreundlicher zu machen. Wir wollen das Auto nicht verteufeln, wir wollen uns aber bewußt sein, daß bei dieser starken Zunahme des Autoverkehrs die Zunahme der Abgase und die Zunahme des Lärms zu einem Problem geworden sind. Deshalb wird die Bekämpfung der Schadstoffe beim Auto ein Schwerpunkt der Politik der Regierung der sozialliberalen Koalition in den kommenden vier Jahren sein.
    Die zweite Phase der Umweltpolitik verlangt auch, daß wir die Grenzen markieren, an denen der natürliche Abwägungsprozeß zwischen Ökonomie und Ökologie endet und die Ökologie Vorrang erhalten muß, damit die Funktionsfähigkeit des Naturhaushalts gesichert ist. Der Bundeskanzler hat zu Recht in seiner Regierungserklärung gesagt:
    Der Mensch kann nur mit der Natur leben, nicht aber als ihr Feind.

    (Beifall bei der SPD)

    Die Hinwendung der Umweltpolitik zu einer ökologischen Gesamtbetrachtung muß auch in den Instrumenten der Umweltpolitik ihren Ausdruck finden. Ein Instrument ist die Umweltverträglichkeitsprüfung, die jetzt zu einem Instrument auch der Europäischen Gemeinschaft ausgebildet wird. Ein weiteres Instrument, Herr Kollege Lenz, ist die Verbandsklage, die Sie hier soeben schon aufgespießt haben. Wir wollen das Engagement und die Arbeit vieler Bürger honorieren und respektieren durch ein Signal, das wir ihnen geben und das bedeutet: Ihr werdet ernstgenommen, ihr könnt mitwirken, ohne daß dadurch, Herr Kollege Waffenschmidt, die Rechte der Gemeinden berührt werden. Das ist eine Geste vielen Bürgern unseres Landes gegenüber, die sich für Umweltschutz engagieren. Warum gehen Sie nicht auf diesen Weg? Die Schweiz hat diesen Weg beschritten; er führt keineswegs zu Prozeßlawinen, sondern er führt zu einer Versachlichung der Diskussion. Reden wir doch offen und ehrlich über diesen Vorschlag.

    (Beifall bei der FDP und der SPD)

    Wir werden Vorstöße im Bereich der Luftreinhaltung, der Abfallwirtschaft und der Wasserwirtschaft unternehmen. Dies alles wird Gegenstand der Beratungen sein.
    Lassen Sie mich nur noch ein Wort zur Ausländerpolitik sagen. Die über 4 Millionen ausländischen Arbeitnehmer und ihre Familienangehörigen, die
    wir in die Bundesrepublik geholt haben, sind Mitbürger, ohne die unsere Wirtschaft nicht funktionieren würde. Diese Mitbürger haben Anspruch auf unsere Solidarität. Wir müssen bereit sein, sie in unsere Gesellschaft aufzunehmen, ohne sie zu zwingen, ihre nationale Herkunft und ihre Identität aufzugeben. Aber es ist eben kein Rezept, Herr Kollege Dregger, wenn Sie, wie Sie das heute getan haben, sehr deutlich anklingen lassen, daß es das Beste wäre, wenn eine große Zahl dieser Ausländer in ihre Heimatländer zurückkehren würde.

    (Dr. Dregger [CDU/CSU]: Das sind nicht meine Formulierungen! Das stimmt doch gar nicht! — Weitere Zurufe von der CDU/ CSU: Das hat er doch gar nicht gesagt!Das stimmt doch nicht!)

    Wie wollen Sie das den über 1 Million Kindern zumuten, die in diesem Lande geboren worden sind? Der Herr Kollege hat vollkommen recht, wenn er sagt: Insbesondere diesen Kindern, die nichts anderes kennengelernt haben als unsere Gesellschaft, gilt unsere Aufmerksamkeit.

    (Beifall bei der FDP und der SPD)

    Wir werden das Ausländerrecht reformieren. Mit zunehmender Dauer des Aufenthaltes muß der rechtliche Status der Ausländer verfestigt werden, um ihnen eine Zukunftsplanung auf mittlere und längere Sicht zu ermöglichen. Wir werden auch die Einbürgerung, insbesondere für die zweite Ausländergeneration, erleichtern müssen.
    Ich sage ganz deutlich: Wir brauchen eine neue ausländerpolitische Initiative aller staatlichen Ebenen. Wir brauchen eine solche Initiative beim Bund, bei den Ländern und bei den Gemeinden. Die Bundesregierung, Herr Kollege Dregger, wird dazu Vorschläge machen. Ihr Angebot zur Mitarbeit nehmen wir gern auf.

    (Dr. Lenz [Bergstraße] [CDU/CSU]: Aber diese Verdrehungen, die Sie gegenüber Herrn Dregger gebraucht haben, sind eine schlechte Voraussetzung für eine gemeinsame Politik!)

    — Nein, ich habe Herrn Dregger zitiert. Herr Dregger drückt sich sehr klar aus, und man kann ihn sehr klar zitieren.

    (Dr. Hennig [CDU/CSU]: Sie haben nicht zitiert!)

    In diese Initiative wollen wir auch das Asylrecht mit einbeziehen. Ich möchte allerdings sagen: Die Bundesregierung bekennt sich zum Grundrecht auf Asyl. Es geht auf die Entstehungsgeschichte unseres Staates zurück. Es ist gewissermaßen unverzichtbarer Teil der Entstehungsgeschichte unseres Staates. Es ist auf die schreckliche Fluchtbewegung vieler Deutscher in andere Länder zurückzuführen. Die Verfassungsväter haben diese Fluchtbewegung, diese Emigration vor Augen gehabt, als sie gesagt haben: Jeder, der hier Zuflucht vor politischer Verfolgung sucht, soll diese Zuflucht auch finden. Dazu bekennt sich diese Bundesregierung nach wie vor.

    (Beifall bei der FDP und der SPD — Reddemann [CDU/CSU]: Wo gibt es da einen UnBundesminister Baum terschied? Sie bauen wieder falsche Fronten auf!)




    Auf der anderen Seite werden wir natürlich alles tun müssen, um den Mißbrauch dieses Asylrechtes einzuschränken und vor allen Dingen, um die Verfahren zu verkürzen.

    (Reddemann [CDU/CSU]: Na also!)

    Es muß schneller als bisher festgestellt werden, ob jemand ein politischer Flüchtling ist oder nicht. Dazu haben wir bereits eine Menge getan. Die Zahl der Asylbewerber ist in den letzten Monaten sehr stark zurückgegangen,

    (Zurufe von der CDU/CSU: Warum?)

    und zwar auf Grund des ersten Bündels von Maßnahmen, das wir hier vorgeschlagen haben.

    (Dr. Miltner [CDU/CSU]: Nicht durch Ihre Maßnahmen!)

    Die Diskussionen gehen weiter.
    Meine Damen und Herren, ich möchte zum Schluß kommen.

    (Spranger [CDU/CSU]: Gott sei Dank!)

    — Herr Kollege Spranger, wenn ich Ihren Beifall bekäme, würde es mir wirklich flau werden.

    (Beifall bei der FDP und der SPD)

    Ihr Widerspruch ist eine ständige Bestätigung meiner Politik, obwohl ich es langsam überdrüssig bin, Ihre ständigen Presseerklärungen zu lesen, die ja nur noch spärlich abgedruckt werden.
    Ich stimme mit Herrn Kohl überein, daß große und lohnende Aufgaben zu bewältigen sind, wenn es um die Liberalität in unserem Staate geht. Er sollte aber wirklich nicht so tun, wie er vorgestern getan hat, als ginge es mir oder uns nur um die Freiheit von Anwälten, die, wie er sagt, terroristischer Straftaten verdächtige Bürger verteidigen. Es geht hier gleichermaßen um die Rechte von beschuldigten Bürgern, die nicht verurteilt sind und möglicherweise zu Unrecht verdächtigt werden. Das kann doch jedem Bürger und jedem von uns passieren. In der gesamten Sicherheitspolitik, in der Umweltpolitik, in der Politik des Datenschutzes geht es letztlich darum, wie der Staat mit seinen Bürgern insgesamt umgeht.
    Zum Schluß möchte ich eine heikle Frage aufwerfen: Wie geht der Staat z. B. mit Bürgern um, die sich für Anliegen engagieren, für die Parlamente und Behörden nach unserem liberalen Verständnis kein alleiniges Entscheidungsmonopol haben? Dies ist keine theoretische Überlegung. Für die Polizei stellt
    sich diese Frage bei ihrer praktischen Arbeit, z. B. bei dem Einsatz gegenüber Demonstranten, die formelle Rechtsvorschriften verletzen, sich aber eindeutig von gewalttätigen Minderheiten distanzieren. Es geht hier, wie ich meine, um eine ganz zentrale Frage des Verhältnisses zwischen Bürgern und Polizei, zwischen Politikern und Bürgern, die demonstrieren, zwischen Politikern und Polizei, denn auch die Polizei möchte nicht Aufgaben übernehmen, bei denen die Politiker versagt haben. Dies sollten wir einmal diskutieren. Hier erwarten viele Bürger in diesem Lande eine Antwort. Wir haben versucht, im Falle Gorleben — und dies mit einem Kollegen, der Ihrer Partei angehört, meine Damen und Herren von der Opposition — einen Weg zu finden. Es wird in der Zukunft erneut solche Situationen geben, in denen wir uns bewähren müssen.
    Die Freiheit einer Gesellschaft bemißt sich aber auch danach, wie es um die Freiheit jedes einzelnen bestellt ist. Sie bemißt sich danach, wie wir mit Minderheiten umgehen. Gerade dann wird es interessant, wenn wir die Ziele der Minderheiten nicht ohne weiteres für richtig halten. Daran mißt sich die Liberalität in unserer Gesellschaft.

    (Beifall bei der FDP und der SPD)

    Ich möchte ausdrücklich zustimmen, wenn hier gesagt wurde oder doch in der Debatte der letzten Tage zum Ausdruck kam, daß es eine Kooperation über die Grenzen der Parteien nicht nur in der Außenpolitik, sondern auch in der Innenpolitik geben kann und geben sollte. Die Bundesregierung wird mit Entschiedenheit und Augenmaß ihre Politik einer konsequenten Freiheitssicherung fortsetzen. Sie fühlt sich in dieser Hinsicht gerade auch durch das eindeutige Wahlergebnis bestätigt. Wir sind bereit, jeden konstruktiven Vorschlag der Opposition aufzunehmen, und bedanken uns für die nachhaltige Unterstützung, die wir bei den Koalitionsfraktionen gefunden haben.

    (Beifall bei der FDP und der SPD)