Rede von
Dr.
Herbert
Gruhl
- Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede:
(CDU)
- Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CDU)
Danke. Das ist eine exakte Angabe.
Für den heutigen Wachstumswahn scheint es immer noch so etwas wie „genug" nicht zu geben. Die jetzige Politik besteht aus dem Versuch, eine geistige Lücke mit materiellen Gütern und technischen Raffinessen auszufüllen. In der traditionellen religiösen Auffassung gab es so etwas wie ein materielles „Genug". Jenseits dieses — zugegebenermaßen unbestimmten und historisch schwankenden — Betrages waren die Ziele des Lebens: Weisheit, Freude, Kultivierung des Gemüts und der Seele sowie des Gemeinschaftslebens.
Es ist schwerlich eine Philosophie oder Religion auf die Dauer denkbar, in der das ständige Wachstum der Wirtschaft und des Pro-Kopf-Verbrauchs das letztendliche Ziel ist. Wir brauchen eine Ökonomie, die nicht vom fortgesetzten Wachstum abhängt.
Ich schließe mit einem Zitat des großen britischen Historikers Arnold Toynbee, der 1972 schrieb:
Mehr und mehr Leute beginnen zu begreifen, daß die Zunahme des materiellen Reichtums, welche die britische industrielle Revolution in Gang setzte, und welche die moderne in Britannien geborene Ideologie als das überragende menschheitsgemäße Ziel dargeboten hat, in Wahrheit nicht der Zug der Zukunft sein kann. Die Natur ist im Begriff, die Nachwelt zu zwingen, zu einem Gleichgewichtszustand in der materiellen Planung zurückzukehren und sich dem Reich des Geistes zuzuwenden, um des Menschen Hunger nach Unendlichkeit zu befriedigen.
So weit Toynbee.
All diese Erkenntnisse sind bisher noch in keiner Weise in die Politik eingegangen, und das ist die Katastrophe.
Ich weiß, daß ich für meine Ausführungen keinen Beifall bekomme.
— Es soll aber in künftigen Jahren, Herr Volmer, wenigstens im Protokoll nachzulesen sein, was hier einer — leider, leider nur einer — vorgetragen hat.