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ID0821404200

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    Plenarprotokoll 8/214 Deutscher Bundestag Stenographischer Bericht 214. Sitzung Bonn, Donnerstag, den 24. April 1980 Inhalt: Begrüßung einer Delegation der schweizerischen Bundesversammlung 17151 A Beratung des Antrags des Ausschusses nach Artikel 77 des Grundgesetzes (Vermittlungsausschuß) zu dem Gesetz über die Prozeßkostenhilfe — Drucksache 8/3905 — Kleinert FDP 17151 B Beratung des Antrags des Ausschusses nach Artikel 77 des Grundgesetzes (Vermittlungsausschuß) zu dem Gesetz über Rechtsberatung und Vertretung für Bürger mit geringem Einkommen (Beratungshilfegesetz) — Drucksache 8/3906 — Kleinert FDP 17152 A Beratung der Großen Anfrage der Abgeordneten Konrad, Frau Dr. Hartenstein, Schäfer (Offenburg), Wittmann (Straubing), Brandt (Grolsheim), Egert, Ibrügger, Dr. Jens, Liedtke, Müller (Schweinfurt), Dr. Penner, Dr. Schäfer (Tübingen), Dr. Schmidt (Gellersen), Dr. Wernitz, Wolfram (Recklinghausen), Dr. Wendig, Wolfgramm (Göttingen), Kleinert, Paintner, Dr. Zumpfort, Wurbs, Angermeyer, Frau Matthäus-Maier und der Fraktionen der SPD und FDP Umweltpolitik — Drucksachen 8/3279, 8/3713 — in Verbindung mit Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Zweiten Gesetzes zur Änderung des Abfallbeseitigungsgesetzes — Drucksache 8/3887 — in Verbindung mit Beratung der Beschlußempfehlung und des Berichts des Ausschusses für Verkehr und für das Post- und Fernmeldewesen zu dem Antrag der Abgeordneten Dr. von Geldern, Dreyer, Sick, Dr. Narjes, Nordlohne, Dr. Köhler (Wolfsburg), Schröder (Lüneburg), Dr. Jobst, Pfeffermann, Feinendegen, Hanz, Dr. Freiherr Spies von Büllesheim, Dr. Reimers, Damm, Metz, Blumenfeld und Genossen und der Fraktion der CDU/CSU Maßnahmen zur Verhinderung von Tankerunfällen und zur Bekämpfung von Ölverschmutzungen der Meere und Küsten — Drucksachen 8/2692, 8/3725 — in Verbindung mit Beratung des Antrags der Fraktion der CDU/CSU Umweltvorsorge — Drucksache 8/3936 — II Deutscher Bundestag — 8. Wahlperiode — 214. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 24. April 1980 Konrad SPD 18153 A Dr. Riesenhuber CDU/CSU 17157D Wolfgramm (Göttingen) FDP 17161 D Baum, Bundesminister BMI 17165 D Dick, Staatsminister des Freistaates Bayern 17173B Schäfer (Offenburg) SPD 17181 D Schwarz CDU/CSU 17184D Dr. Zumpfort FDP 17186B Volmer CDU/CSU 17188D Frau Dr. Hartenstein SPD 17190B Dr.-Ing. Laermann FDP 17194A Biechele CDU/CSU 17197A Dr. Gruhl fraktionslos 17199B Dr. von Geldern CDU/CSU 17201 C Paterna SPD 17203 D Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zu dem Vertrag vom 17. Juni 1977 zwischen der Bundesrepublik Deutschland und dem Königreich Norwegen über die gegenseitige Anerkennung und Vollstreckung gerichtlicher Entscheidungen und anderer Schuldtitel in Zivil- und Handelssachen — Drucksache 8/3864 — 17205 D Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Ausführung des Vertrages vom 17. Juni 1977 zwischen der Bundesrepublik Deutschland und dem Königreich Norwegen über die gegenseitige Anerkennung und Vollstreckung gerichtlicher Entscheidungen und anderer Schuldtitel in Zivil- und Handelssachen — Drucksache 8/3865 — 17205 D Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zu dem Vertrag vom 20. Juli 1977 zwischen der Bundesrepublik Deutschland und dem Staat Israel über die gegenseitige Anerkennung und Vollstreckung gerichtlicher Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen — Drucksache 8/3866 — 17205 D Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Ausführung des Vertrages vom 20. Juli 1977 zwischen der Bundesrepublik Deutschland und dem Staat Israel über die gegenseitige Anerkennung und Vollstreckung gerichtlicher Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen — Drucksache 8/3867 — 17206A Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zu der in Genf am 13. Mai 1977 unterzeichneten Fassung des Abkommens von Nizza über die internationale Klassifikation von Waren und Dienstleistungen für die Eintragung von Marken — Drucksache 8/3886 — 17206A Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Siebzehnten Gesetzes zur Änderung des Zollgesetzes — Drucksache 8/3870 — 1706A Beratung der Sammelübersicht 65 des Petitionsausschusses über Anträge zu Petitionen — Drucksache 8/3897 — 17206B Beratung der Beschlußempfehlung des Haushaltsausschusses zu der Unterrichtung durch den Bundesminister der Finanzen Überpla unäßige Ausgabe bei Kap. 25 02 Tit. 882 02 — Prämien nach dem Wohnungsbauprämiengesetz — Drucksachen 8/3516, 8/3839 — . . . 17206C Beratung der Beschlußempfehlung des Haushaltsausschusses zu der Unterrichtung durch den Bundesminister der Finanzen Überplanmäßige Ausgabe bei Kap. 60 06 Tit. 686 18 — Beitrag zum Europäischen Ausrichtungs- und Garantiefonds für die Landwirtschaft — Abt. Ausrichtung — zur Abwicklung des Rückvergütungsverfahrens —— Drucksachen 8/3513, 8/3840 — . . 17206C Nächste Sitzung 17206 D Anlage Liste der entschuldigten Abgeordneten . 17207* A 214. Sitzung Bonn, den 24. April 1980 Beginn: 16.00 Uhr
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    Anlage Liste der entschuldigten Abgeordneten Abgeordnete (r) entschuldigt bis einschließlich Dr. Abelein 25. 4. Dr. Ahrens** 25. 4. Dr. van Aerssen* 25. 4. Dr. Aigner * 25. 4. Alber* 25. 4. Dr. Bangemann* 25. 4. Dr. Bardens** 25. 4. Blumenfeld* 25. 4. Böhm (Melsungen) ** 25. 4. Frau von Bothmer** 25. 4. Büchler 25. 4. Büchner (Speyer) ** 25. 4. Conrad 25. 4. Dr. Dollinger 25. 4. Egert 24. 4. Dr. Enders** 25. 4. Dr. Evers** 25. 4. Fellermaier* 25. 4. Flämig* 25. 4. Friedrich (Würzburg) * 25. 4. Dr. Früh * 24. 4. Dr. Fuchs* 25. 4. Dr. George 25. 4. Gertzen 25. 4. Dr. Geßner** 25. 4. Handlos** 25. 4. Hansen 25. 4. Höffkes 25. 4. * für die Teilnahme an Sitzungen des Europäischen Parlaments ** für die Teilnahme an Sitzungen der Parlamentarischen Versammlung des Europarates Anlage zum Stenographischen Bericht Abgeordnete (r) entschuldigt bis einschließlich Dr. Holtz ** 25. 4. Katzer 25. 4. Kittelmann** 24. 4. Dr. Klepsch 25. 4. Lagershausen** 25. 4. Lampersbach 24. 4. Lange* 24. 4. Lemmrich** 25. 4. Lenzer** 25. 4. Dr. Luda 25. 4. Luster * 24. 4. Marquardt** 24. 4. Dr. Marx 25. 4. Matthöfer 25. 4. Mattick** 25. 4. Dr. Mende** 25. 4. Dr. Müller** 25. 4. Pawelczyk** 25. 4. Reddemann** 25. 4. Russe 24. 4. Dr. Schäuble** 25. 4. Scheffler** 25. 4. Frau Schleicher* 25. 4. Schmidt (Wattenscheid) 25. 4. Schmidt (Würgendorf) ** 25. 4. Dr. Schwencke (Nienburg) * 25. 4. Seefeld* 25. 4. Sieglerschmidt* 25. 4. Sybertz 25. 4. Tönjes 25. 4. Frau Tübler 25. 4. Dr. Vohrer** 25. 4. Frau Dr. Walz 25. 4. Wawrzik* 25. 4. Wischnewski 25. 4. Zebisch 25. 4.
  • insert_commentVorherige Rede als Kontext
    Rede von Dr. Herbert Gruhl


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (CDU)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CDU)

    Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Wir haben in
    der heutigen Debatte über die Umweltpolitik sehr Richtiges und in den Einzelheiten Interessantes gehört. Meine Kritik wird sich in den mir zur Verfügung stehenden 15 Minuten nicht mit den Einzelheiten befassen können. Ich werde an Hand einiger Beispiele darstellen, daß diese Bundesregierung — und die hier vertretenen drei Parteien ebensowenig — kein Konzept für die Zukunftspolitik hat.

    (Volmer [CDU/CSU]: Und wie ist es mit den Grünen?)

    — Ich spreche von den hier vertretenen Parteien.
    Diese Feststellung mindert nicht die große Leistung der Beamten der Bundesregierung, die in der 45seitigen Antwort eine ausgezeichnete Aufstellung über den Stand der Maßnahmen und Absichten geliefert haben. Aber sie haben das eben aus ihren rein fachlichen Gesichtspunkten heraus getan, vor allem denen des Innenministeriums. Für eine umfassende politische Antwort wäre die gesamte Bundesregierung zuständig gewesen. Aber leider ist außer dem Herrn Innenminister heute auch niemand hier vertreten.

    (Widerspruch bei der SPD) — Von den Ministern.

    Leider waren auch schon die Fragen der Koalitionsfraktionen fachspezifisch und nicht gesamtpolitisch. Die Antwort der Bundesregierung enthält nichts über ein langfristiges ökologisches Konzept, obwohl sie ein solches am Anfang mit folgenden Sätzen als notwendig bezeichnet:
    Umweltpolitik erschöpft sich nicht in der Abwehr drohender Gefahren und in der Beseitigung eingetretener Schäden.

    (Konrad [SPD]: Sehr gut!)

    Vorsorgende Umweltpolitik verlangt darüber hinaus, daß die Naturgrundlagen geschützt und schonend in Anspruch genommen werden. Maßgebliche Richtschnur muß es sein, den Naturhaushalt in allen seinen Bestandteilen funktionsfähig zu halten und auch hinsichtlich seiner Leistungs- und Regenerationsfähigkeit zu sichern. Dies erfordert einen sparsamen Umgang mit den natürlichen Ressourcen, eine schonende Nutzung des energetischen und biologischen Ausgleichspotentials der Natur.
    Soweit, so gut.
    Die anderen Ministerien der Bundesregierung verfolgen aber genau die entgegengesetzte Zielrichtung, nämlich das sogenannte wirtschaftliche Wachstum. Würden die angestrebten Steigerungsraten von über 3 % jährlich erreicht, hätten wir im Jahre 2000 eine Verdoppelung und bei über 2 % jährlicher Zunahme bis zum Jahre 2030 eine weitere Verdoppelung, d. h. nach 50 Jahren eine Vervierfachung des Wirtschaftspotentials der Bundesrepublik Deutschland.
    Dies ist ja auch der einzige Sektor, auf dem die Bundesregierung ein Programm, nämlich ein Ener-



    Dr. Gruhl
    gieprogramm hat, das die Verdoppelung der Energieerzeugung schon bis zum Jahre 2000 vorsieht.

    (Gerster [Mainz] [CDU/CSU]: Ihre Rede haben Sie hier aber schon einmal gehalten!)

    — Aber Sie ziehen keine Schlußfolgerungen daraus, Herr Gerster. Darum sage ich Ihnen das ab und zu erneut.
    Selbst die Enquete-Kommission „Zukünftige Kernenergiepolitik" — das ist neu — nimmt diese Daten jetzt als Grundlage ihrer Untersuchung. Ich will gar nicht die in der Presse genannte erste Möglichkeit von 380 Atomkraftwerken im Jahre 2030 ad absurdum führen, sondern die zweite Möglichkeit mit 120 Kernkraftwerken der Größenordnung von Biblis. Das würde bedeuten, daß wir alle 40 Kilometer im Quadrat in deutschen Landen ein solches Monstrum stehen hätten, außerdem die stillgelegten Ruinen, Wiederaufbereitungsanlagen und Zwischenlager.
    Aber das ist noch gar nicht das Entscheidende. Zu jedem Großkraftwerk gehört doch eine geballte Ladung neuer Fabriken; abgesehen davon, daß die Kühlwasserkapazitäten aller deutschen Flüsse gar nicht ausreichen würden. Die klimatischen Folgen der Abwärme wären gar nicht zu verkraften.
    Die noch entscheidendere Frage einer solchen Totalindustrialisierung der kleinen Bundesrepublik ist aber der damit verbundene Landverbrauch, worauf die Kollegin Hartenstein dankenswerterweise sehr deutlich hingewiesen hat. Laut den Ermittlungen für verschiedene Länder wächst die bebaute Fläche eines Landes im halben Ausmaß des Bruttosozialprodukts, was auch auf Seite 10 der Antwort für die Bundesrepublik Deutschland bestätigt wird. Das würde bedeuten, daß bei einer erfolgreichen Realisierung der wirtschaftlichen Ziele im Jahr 2030 die Fläche der Bundesrepublik Deutschland nicht mehr-zu 11,4% bebaut wäre, sondern zu 22,8%.
    Hier wird in erschreckender Weise deutlich, daß in allen Überlegungen der Politik der Zeitfaktor gänzlich fehlt. Die Antwort spricht zwar von der Wertminderung der Landschaft durch Zerschneiden und Zerstückelung, Verlärmung, Schadstoffbelastung sowie durch direkte Eingriffe in den Naturhaushalt, z. B. Entwässerung oder Beseitigung natürlicher Landschaftselemente — z. B. Oberflächenformen und Vegetationen —; sie spricht davon aber unter heutigen Aspekten, nicht unter dem Aspekt des Jahres 2030, erst recht nicht unter dem Aspekt des Jahres 2100, in dem die gesamte Bundesrepublik Deutschland nur noch aus betonierten Flächen bestünde.
    Z. B. auch das wahnwitzige Straßenbauprogramm läuft ja weiter. Schon bis 1990 sollen 3 000 km Autobahn und 2 000 km sonstige Bundesfernstraßen gebaut werden. Dabei besteht schon heute nur noch ein Fünftel der Bundesrepublik aus unzerschnittenen Lebensräumen für Pflanze, Tier und Mensch.
    In der Antwort wird allenthalben so getan, als sei der Umweltschutz bzw. das dafür zur Verfügung stehende Kapital die begrenzte Ressource. Die begrenzten Ressourcen dieses Landes und des Planeten sind vielmehr der fruchtbare Boden, das Wasser, die Luft, das Klima und die nicht nachwachsenden Bodenschätze. Zu diesen wirklich elementaren Fragen sind Bundesregierung und die drei Parteien hier noch gar nicht durchgestoßen. In dem Bericht steht zwar einleitend:
    Dabei wird es entscheidend darauf ankommen, das Verständnis dafür zu wecken, daß die konsequente Durchsetzung des Umweltschutzes vor dem Hintergrund knapper werdender Ressourcen in mancher Hinsicht ein Abgehen von eingefahrenen Verhaltensweisen erfordert. Dieser Prozeß des Umdenkens ist in weiten Teilen unserer Bevölkerung, vor allem in der jungen Generation, im Gange.
    Das ist sehr richtig; aber leider ist dieser Prozeß des Umdenkens bei der Bundesregierung und bei den hier vertretenen Parteien überhaupt noch nicht im Gange.

    (Zurufe von der CDU/CSU und der FDP)

    Es gibt in der Tat bereits Hunderttausende, vielleicht schon Millionen, die über die elementarsten Fragen des Lebens auf dieser Erde viel gründlicher nachgedacht haben als die alten Parteien. Soweit sich diese Menschen nun auch politisch artikulieren, wird ihnen in der Antwort eine — ich zitiere —„militante Ideologie zur Durchsetzung von nur partiellen Umweltinteressen und auch reinen Gruppeninteressen" unterstellt,

    (Zuruf des Abg. Konrad [SPD])

    die angeblich die sozialen und ökonomischen Chancen anderer Bürger unberücksichtigt lassen.
    Ein so diffamierender Vorwurf kann nur von völligen Ignoranten vorgebracht werden.
    Der verstorbene Verfassungsrechtler Ernst Forsthoff hatte schon 1972 ausgeführt, daß die bisherige Entwicklung der Industriegesellschaft immer noch von „mächtigen organisierten Interessen" vorangetrieben werden.

    (Zuruf des Abg. Konrad [SPD])

    Er sagte: „Auf der anderen Seite steht kein organisiertes Interesse, keine religiöse, weltanschauliche oder sonstige formierte soziale Gruppe, sondern das schlichte Interesse von jedermann."

    (Zuruf des Abg. Konrad [SPD])

    So ist es, genauso. Hier geht es um die Zukunft, ja, um das Überleben von jedermann. Es sind gerade die Verantwortungsbereiten und die Uneigennützigen, die sich hier zusammentun. Daran wird keine Diffamierung etwas ändern.
    Die Politiker, die heute in allen Industrieländern den Kurs bestimmen, sehen die Umwelt immer noch als eine kleine Unterabteilung der Politik, manche sogar als Unterabteilung der Wirtschaft. Dies verraten in der Antwort auch folgende zwei Sätze:
    Umweltpolitik ist eine Langfristpolitik, die auf
    Ressourcenschonung und damit auf langfristige
    Sicherung der Existenzgrundlagen auch der



    Dr. Gruhl
    Wirtschaft gerichtet ist. Ebenso ist eine leistungsfähige Volkswirtschaft eine notwendige Bedingung für eine wirksame Umweltpolitik.
    Mit dem letzten Satz wird unsere Welt auf den Kopf gestellt: Nicht die biologischen Lebensvoraussetzungen sind das Primäre, sondern die Ökonomie samt ihrem Wachstumswahn.
    Für die natürliche Umwelt wird dann etwas Kapital abgezweigt. Das sind ganze 1,4 % des Bruttosozialprodukts. Und da ist man noch stolz und meint, daß dies sehr viel sei.
    Entscheidend ist leider immer noch die ökonomische Bilanz, nicht etwa der echte Nutzen für das Lebewesen Mensch und für seine elementaren Bedürfnisse, die auch geistige und psychische sind. Die Wirtschaft arbeitet längst mit der Grenznutzenrechnung. Was wir heute brauchen, ist eine Grenznutzenrechnung für den Menschen. Doch dies ist das Erstaunliche an der heutigen Zeit. Nach dem Nutzen für den Menschen, um dessentwillen angeblich alles geschieht, fragt kein Mensch. Ihm kann die Produktion ruhig schaden, wenn sie dem Hersteller nur Gewinn und insgesamt eine Erhöhung des Bruttosozialprodukts bringt, was für den Staat auch immer erhöhte Steuereinnahmen bedeutet. Die Entwicklung unseres Wirtschaftssystems wird längst nicht mehr durch die Frage: „Was ist gut für den Menschen?" bestimmt, sondern durch die Frage: „Was ist gut für das Wachstum der Wirtschaft?". Daß diese Steigerungen noch das Wohl der Menschen fördern, ist ein meist völlig unbegründeter Glaubenssatz. — Hier scheint die Zeitangabe nicht zu funktionieren. Mich würde interessieren, wieviel Redezeit mir noch zur Verfügung steht.


Rede von Georg Leber
  • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (SPD)
  • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)
Noch drei Minuten und 18 Sekunden.

  • insert_commentNächste Rede als Kontext
    Rede von Dr. Herbert Gruhl


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (CDU)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CDU)

    Danke. Das ist eine exakte Angabe.
    Für den heutigen Wachstumswahn scheint es immer noch so etwas wie „genug" nicht zu geben. Die jetzige Politik besteht aus dem Versuch, eine geistige Lücke mit materiellen Gütern und technischen Raffinessen auszufüllen. In der traditionellen religiösen Auffassung gab es so etwas wie ein materielles „Genug". Jenseits dieses — zugegebenermaßen unbestimmten und historisch schwankenden — Betrages waren die Ziele des Lebens: Weisheit, Freude, Kultivierung des Gemüts und der Seele sowie des Gemeinschaftslebens.
    Es ist schwerlich eine Philosophie oder Religion auf die Dauer denkbar, in der das ständige Wachstum der Wirtschaft und des Pro-Kopf-Verbrauchs das letztendliche Ziel ist. Wir brauchen eine Ökonomie, die nicht vom fortgesetzten Wachstum abhängt.
    Ich schließe mit einem Zitat des großen britischen Historikers Arnold Toynbee, der 1972 schrieb:
    Mehr und mehr Leute beginnen zu begreifen, daß die Zunahme des materiellen Reichtums, welche die britische industrielle Revolution in Gang setzte, und welche die moderne in Britannien geborene Ideologie als das überragende menschheitsgemäße Ziel dargeboten hat, in Wahrheit nicht der Zug der Zukunft sein kann. Die Natur ist im Begriff, die Nachwelt zu zwingen, zu einem Gleichgewichtszustand in der materiellen Planung zurückzukehren und sich dem Reich des Geistes zuzuwenden, um des Menschen Hunger nach Unendlichkeit zu befriedigen.
    So weit Toynbee.
    All diese Erkenntnisse sind bisher noch in keiner Weise in die Politik eingegangen, und das ist die Katastrophe.
    Ich weiß, daß ich für meine Ausführungen keinen Beifall bekomme.

    (Volmer [CDU/CSU]: Spenden Sie doch Ihrem Vorsitzenden einmal Beifalll)

    — Es soll aber in künftigen Jahren, Herr Volmer, wenigstens im Protokoll nachzulesen sein, was hier einer — leider, leider nur einer — vorgetragen hat.

    (Volmer [CDU/CSU]: Es sind eben nicht mehr!)