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ID0821400800

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    Plenarprotokoll 8/214 Deutscher Bundestag Stenographischer Bericht 214. Sitzung Bonn, Donnerstag, den 24. April 1980 Inhalt: Begrüßung einer Delegation der schweizerischen Bundesversammlung 17151 A Beratung des Antrags des Ausschusses nach Artikel 77 des Grundgesetzes (Vermittlungsausschuß) zu dem Gesetz über die Prozeßkostenhilfe — Drucksache 8/3905 — Kleinert FDP 17151 B Beratung des Antrags des Ausschusses nach Artikel 77 des Grundgesetzes (Vermittlungsausschuß) zu dem Gesetz über Rechtsberatung und Vertretung für Bürger mit geringem Einkommen (Beratungshilfegesetz) — Drucksache 8/3906 — Kleinert FDP 17152 A Beratung der Großen Anfrage der Abgeordneten Konrad, Frau Dr. Hartenstein, Schäfer (Offenburg), Wittmann (Straubing), Brandt (Grolsheim), Egert, Ibrügger, Dr. Jens, Liedtke, Müller (Schweinfurt), Dr. Penner, Dr. Schäfer (Tübingen), Dr. Schmidt (Gellersen), Dr. Wernitz, Wolfram (Recklinghausen), Dr. Wendig, Wolfgramm (Göttingen), Kleinert, Paintner, Dr. Zumpfort, Wurbs, Angermeyer, Frau Matthäus-Maier und der Fraktionen der SPD und FDP Umweltpolitik — Drucksachen 8/3279, 8/3713 — in Verbindung mit Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Zweiten Gesetzes zur Änderung des Abfallbeseitigungsgesetzes — Drucksache 8/3887 — in Verbindung mit Beratung der Beschlußempfehlung und des Berichts des Ausschusses für Verkehr und für das Post- und Fernmeldewesen zu dem Antrag der Abgeordneten Dr. von Geldern, Dreyer, Sick, Dr. Narjes, Nordlohne, Dr. Köhler (Wolfsburg), Schröder (Lüneburg), Dr. Jobst, Pfeffermann, Feinendegen, Hanz, Dr. Freiherr Spies von Büllesheim, Dr. Reimers, Damm, Metz, Blumenfeld und Genossen und der Fraktion der CDU/CSU Maßnahmen zur Verhinderung von Tankerunfällen und zur Bekämpfung von Ölverschmutzungen der Meere und Küsten — Drucksachen 8/2692, 8/3725 — in Verbindung mit Beratung des Antrags der Fraktion der CDU/CSU Umweltvorsorge — Drucksache 8/3936 — II Deutscher Bundestag — 8. Wahlperiode — 214. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 24. April 1980 Konrad SPD 18153 A Dr. Riesenhuber CDU/CSU 17157D Wolfgramm (Göttingen) FDP 17161 D Baum, Bundesminister BMI 17165 D Dick, Staatsminister des Freistaates Bayern 17173B Schäfer (Offenburg) SPD 17181 D Schwarz CDU/CSU 17184D Dr. Zumpfort FDP 17186B Volmer CDU/CSU 17188D Frau Dr. Hartenstein SPD 17190B Dr.-Ing. Laermann FDP 17194A Biechele CDU/CSU 17197A Dr. Gruhl fraktionslos 17199B Dr. von Geldern CDU/CSU 17201 C Paterna SPD 17203 D Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zu dem Vertrag vom 17. Juni 1977 zwischen der Bundesrepublik Deutschland und dem Königreich Norwegen über die gegenseitige Anerkennung und Vollstreckung gerichtlicher Entscheidungen und anderer Schuldtitel in Zivil- und Handelssachen — Drucksache 8/3864 — 17205 D Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Ausführung des Vertrages vom 17. Juni 1977 zwischen der Bundesrepublik Deutschland und dem Königreich Norwegen über die gegenseitige Anerkennung und Vollstreckung gerichtlicher Entscheidungen und anderer Schuldtitel in Zivil- und Handelssachen — Drucksache 8/3865 — 17205 D Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zu dem Vertrag vom 20. Juli 1977 zwischen der Bundesrepublik Deutschland und dem Staat Israel über die gegenseitige Anerkennung und Vollstreckung gerichtlicher Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen — Drucksache 8/3866 — 17205 D Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Ausführung des Vertrages vom 20. Juli 1977 zwischen der Bundesrepublik Deutschland und dem Staat Israel über die gegenseitige Anerkennung und Vollstreckung gerichtlicher Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen — Drucksache 8/3867 — 17206A Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zu der in Genf am 13. Mai 1977 unterzeichneten Fassung des Abkommens von Nizza über die internationale Klassifikation von Waren und Dienstleistungen für die Eintragung von Marken — Drucksache 8/3886 — 17206A Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Siebzehnten Gesetzes zur Änderung des Zollgesetzes — Drucksache 8/3870 — 1706A Beratung der Sammelübersicht 65 des Petitionsausschusses über Anträge zu Petitionen — Drucksache 8/3897 — 17206B Beratung der Beschlußempfehlung des Haushaltsausschusses zu der Unterrichtung durch den Bundesminister der Finanzen Überpla unäßige Ausgabe bei Kap. 25 02 Tit. 882 02 — Prämien nach dem Wohnungsbauprämiengesetz — Drucksachen 8/3516, 8/3839 — . . . 17206C Beratung der Beschlußempfehlung des Haushaltsausschusses zu der Unterrichtung durch den Bundesminister der Finanzen Überplanmäßige Ausgabe bei Kap. 60 06 Tit. 686 18 — Beitrag zum Europäischen Ausrichtungs- und Garantiefonds für die Landwirtschaft — Abt. Ausrichtung — zur Abwicklung des Rückvergütungsverfahrens —— Drucksachen 8/3513, 8/3840 — . . 17206C Nächste Sitzung 17206 D Anlage Liste der entschuldigten Abgeordneten . 17207* A 214. Sitzung Bonn, den 24. April 1980 Beginn: 16.00 Uhr
  • folderAnlagen
    Anlage Liste der entschuldigten Abgeordneten Abgeordnete (r) entschuldigt bis einschließlich Dr. Abelein 25. 4. Dr. Ahrens** 25. 4. Dr. van Aerssen* 25. 4. Dr. Aigner * 25. 4. Alber* 25. 4. Dr. Bangemann* 25. 4. Dr. Bardens** 25. 4. Blumenfeld* 25. 4. Böhm (Melsungen) ** 25. 4. Frau von Bothmer** 25. 4. Büchler 25. 4. Büchner (Speyer) ** 25. 4. Conrad 25. 4. Dr. Dollinger 25. 4. Egert 24. 4. Dr. Enders** 25. 4. Dr. Evers** 25. 4. Fellermaier* 25. 4. Flämig* 25. 4. Friedrich (Würzburg) * 25. 4. Dr. Früh * 24. 4. Dr. Fuchs* 25. 4. Dr. George 25. 4. Gertzen 25. 4. Dr. Geßner** 25. 4. Handlos** 25. 4. Hansen 25. 4. Höffkes 25. 4. * für die Teilnahme an Sitzungen des Europäischen Parlaments ** für die Teilnahme an Sitzungen der Parlamentarischen Versammlung des Europarates Anlage zum Stenographischen Bericht Abgeordnete (r) entschuldigt bis einschließlich Dr. Holtz ** 25. 4. Katzer 25. 4. Kittelmann** 24. 4. Dr. Klepsch 25. 4. Lagershausen** 25. 4. Lampersbach 24. 4. Lange* 24. 4. Lemmrich** 25. 4. Lenzer** 25. 4. Dr. Luda 25. 4. Luster * 24. 4. Marquardt** 24. 4. Dr. Marx 25. 4. Matthöfer 25. 4. Mattick** 25. 4. Dr. Mende** 25. 4. Dr. Müller** 25. 4. Pawelczyk** 25. 4. Reddemann** 25. 4. Russe 24. 4. Dr. Schäuble** 25. 4. Scheffler** 25. 4. Frau Schleicher* 25. 4. Schmidt (Wattenscheid) 25. 4. Schmidt (Würgendorf) ** 25. 4. Dr. Schwencke (Nienburg) * 25. 4. Seefeld* 25. 4. Sieglerschmidt* 25. 4. Sybertz 25. 4. Tönjes 25. 4. Frau Tübler 25. 4. Dr. Vohrer** 25. 4. Frau Dr. Walz 25. 4. Wawrzik* 25. 4. Wischnewski 25. 4. Zebisch 25. 4.
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    Rede von Dr. Heinz Riesenhuber


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (CDU/CSU)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CDU)

    Frau Präsident! Meine Damen und Herren! Der Kollege Konrad hat darauf hingewiesen, daß heute die Gelegenheit besteht, Grundlagen und Perspektiven der Umweltdiskussion zu debattieren. Genau dies ist unsere Aufgabe. Es ist insbesondere in dieser Eröffnungsrunde nicht unsere Aufgabe, uns in der Vielfalt der Einzelheiten, auch der technokratischen Einzelheiten, zu verlieren; sondern es ist die Aufgabe, die Grundsätze, aus denen heraus wir Umweltpolitik anlegen wollen, darzulegen und gegebenenfalls auch streitig zu besprechen.
    Die Regierungsfraktionen haben ihre Große Anfrage zur Umweltpolitik eingebracht, nachdem die Grünen ins Parlament in Bremen eingezogen waren. Aber die Umweltpolitik hat nicht mit den Grünen begonnen, und die Umweltpolitik hat auch nicht mit der Koalition begonnen. Die Umweltpolitik hat in Deutschland eine große Tradition. Sie geht zurück auf das Engagement der Jäger, der Wanderer, der Naturfreunde, der Gebirgsvereine zum Schutz von Wäldern und Landschaft und Tieren. Sie hat eine



    Dr. Riesenhuber
    zweite Tradition im verantwortlichen Umgang der Techniker mit der Technik, ausgeprägt in den VDI- Richtlinien, ausgeprägt in der technischen Überwachung.
    Diese beiden Traditionen sind in einem gemeinsamen umweltpolitischen Konzept zusammengeflossen, das sich seit den 50er Jahren in einer Fülle von Einzelgesetzen in den Ländern und im Bund ausgeprägt hat: im Wasserhaushaltsgesetz, in den Gesetzen zum Strahlenschutz in Bayern und Schleswig-Holstein, in den Gesetzen über die friedliche Nutzung der Kernenergie und zum Schutz gegen ihre Gefahren.
    Die Umweltpolitik hat in den 60er Jahren diese Arbeit weitergeführt in einer stetigen Kontinuität nach dem Maß der Entwicklung unseres Wissens über die Probleme. Sie hat die Gesetzeswerke ausgebaut zur Einhaltung von Wasser und Luft, zum Schutz vor Lärm, zu Altöl, Detergentien und Kunstdüngemitteln.
    Der Umweltschutz hat eine neue Dimension gewonnen zu Beginn der 70er Jahre. Aber dies war keine Frage eines Regierungswechsels, dies war das Aufbrechen einer weltweiten Diskussion über die Grenzen des Wachstums, eine Diskussion über die Frage, ob wir mit Wirtschaft und Technik unsere Natur nicht überfordern bis hin zu einer möglichen Katastrophe. Seit Beginn der Industrialisierung war es die unausgesprochene Grundannahme, daß Natur unerschöpflich sei, daß nur die Arbeit des Menschen, seine Erfindungskraft, Kapital und auch unsere Fähigkeit, Krisen zu vermeiden, das Maß des wirtschaftlichen Fortschritts bestimmten. In den Computermodellen des Club of Rome wurde offenkundig, was längst schon sich angedeutet hatte: Bei exponentiell wachsender Weltbevölkerung können wir Grenzen erreichen, die bei Strafe einer Katastrophe nicht ignoriert werden dürfen, bei Energieträgern, bei Rohstoffen, bei Nahrungsmitteln und schließlich bei der Belastung der Umwelt.
    In seiner Botschaft zur Lage der Nation hat Präsident Nixon zum erstenmal die weltweite Dimension dieser Probleme in die Umweltdebatte eingeführt. Nicht mehr die Heilung einzelner Schäden ist die Aufgabe, sondern die umfassende Herausforderung moderner Industriegesellschaften ist zu erkennen, eine Umweltpolitik zu betreiben in einer verletzlichen und begrenzten Welt. Und es ist wahr, was Robert Spaemann aus theologischer Sicht sagte: „Wir haben unsere Handlungen vor künftigen Generationen zu verantworten.' Dies ist ein Maßstab unserer Arbeit.
    Wir haben heute noch alle Möglichkeiten, dieser Verantwortung gerecht zu werden. Technische Kenntnisse — aber Techniken können verloren werden; dies ist etwas, was wir gerade bei der Kernenergie erfahren könnten —, ebenso wie Kapital und Organisationskraft, dies alles bei einem gewachsenen Umweltbewußtsein in der Bevölkerung. Denn dies ist ein Element von Hoffnung und ein Element von Chance in den sogenannten überraschungsfreien Szenarien der Theoretiker. Nicht nur die Krise ist möglich. Es ist auch möglich, durch den schonenden Umgang mit gefährdeten Ressourcen, durch Erfindungsgeist und Innovation, durch Tatkraft, durch verantwortlichen Umgang mit der Technik die Grenzen des Wachstums hinauszuschieben, eine neue Zukunft zu eröffnen. Wir können und wir müssen knapper werdende Rohstoffe durch reichlicher vorhandene ersetzen, neue langlebige Produkte entwickeln, kostbare Güter aus Abfall und Abwärme zurückgewinnen, neue umweltschonende Techniken, neue Energieträger entwickeln. Dies sind die Chancen. Dies aber bedeutet, daß wir Technik und eine stets bessere Technik brauchen und daß die Antwort nicht sein kann ein Rückzug in die Idylle und eine Flucht vor den Tatsachen, eine Flucht vor den Notwendigkeiten unserer Industriewelt.
    In dieser Lage haben die Kritiker uns drei grund-_ legende Fragen an die Politik vorgelegt: Ist weiteres Wachstum der Wirtschaft vertretbar; kann Marktwirtschaft, auch Soziale Marktwirtschaft, unsere Probleme lösen, kann sie die kommenden Gefährdungen bewältigen; ist Demokratie imstande, die Opfer zu erzwingen, die auch zur Lösung der Umweltprobleme erbracht werden müssen? Für Deutschland haben wir heute an der Schwelle der 80er Jahre diese Fragen zu diskutieren.
    Wirtschaftswachstum ist kein Ziel an sich, an dieser Stelle sind wir uns alle einig. Wir haben die Zuversicht, daß die Stabilität unserer Demokratie und unserer Freiheit nicht vom Wirtschaftswachstum abhängen. Aber es ist offenkundig, daß bei wachsender Wirtschaft zahlreiche Probleme leichter gelöst werden können, sehr viel leichter. Wir haben heute schon Wechsel gezogen auf die Zukunft in einem Maß wie zu keiner anderen Zeit in der Existenz unserer Republik.

    (Beifall bei der CDU/CSU)

    Wir haben eine Staatsschuld aufgebaut, die in zwei Jahren die gesamte mögliche Neuverschuldung für die Zinslast der alten Schulden braucht. Wir haben dynamische Elemente — und dies ist gut — im System unserer sozialen Sicherungen eingebaut, die unter der heutigen Politik möglicherweise nicht mehr durchgehalten werden können. Wir haben die Notwendigkeit, neue Arbeitsplätze zu schaffen, sowohl für die, deren Arbeitsplätze bei der Umstrukturierung unserer Wirtschaft verlorengehen, als auch für die, die neu in das Berufsleben eintreten. Wir haben die Überbesteuerung unserer Wirtschaft und der Bürger abzubauen, die zu einem Hemmnis der weiteren gesellschaftlichen Entwicklung zu werden droht.

    (Zurufe von der SPD)

    Um diese Probleme anzugehen, brauchen wir in der Tat eine wachsende Wirtschaftskraft. Sie sind nicht unlösbar ohne wachsende Wirtschaft. Aber diskutieren Sie einmal darüber, Herr Kollege, ob die Gewerkschaften damit einverstanden sind, neue Aufgaben durch eine Neuverteilung des Vorhandenen ohne Zuwächse des Bruttosozialprodukts bei Minderung der Arbeitseinkommen hinzunehmen.

    (Beifall bei der CDU/CSU)




    Dr. Riesenhuber
    Meine Damen und Herren, wir werden im Umweltschutz in den kommenden Jahren jährlich hohe Milliardenbeträge aufbringen müssen für Industrieanlagen und kommunale Klärwerke, zur schrittweisen Umstellung von Millionen von Ölheizungen; dies auch aus energiepolitischen Gründen, denn 01 wird knapp. Zu einem erheblichen Teil brauchen wir die Summe, um die Altlasten abzutragen, die wir ererbt haben. In der Industrie ist Umweltschutz häufig durch Nachrüstung vorhandener Anlagen möglich. Wirtschaftlicher, wirksamer und sinnvoller im Sinne des Vorsorgeprinzips ist es jedoch, wenn bei Neuanlagen umweltschonende Technik stets von vornherein eingeplant wird. Dies ist nur bei der Abfolge der Generationen von Anlagen in einer dynamisch weiter wachsenden Wirtschaft möglich.
    Herr Kollege Konrad hat darauf hingewiesen, daß Umweltschutzauflagen grundsätzlich die Wirtschaftlichkeit von Unternehmen beeinträchtigen und Arbeitsplätze gefährden können. Bisher hat jedoch Umweltschutz wahrscheinlich überwiegend Arbeitsplätze geschaffen. Ob dies so bleibt, hängt wesentlich und entscheidend von unserem Augenmaß beim weiteren Ausbau des Umweltschutzes ab.
    Umweltschutz und Wirtschaftswachstum schließen einander nicht aus. Umweltschutz und Wirtschaftswachstum können einander ermöglichen, wenn die politischen Rahmenbedingungen stimmen.
    Es gab die Behauptung, Soziale Marktwirtschaft könne keinen Umweltschutz schaffen, planwirtschaftliche Elemente seien verstärkt einzuführen. Diese Meinung hat sich in den letzten zehn Jahren erledigt. Marktwirtschaft produziert keinen Umweltschutz, Marktwirtschaft erzeugt von selbst auch keine soziale Sicherung und keine Gerechtigkeit von Chancen. Die politische Entscheidung Konrad Adenauers und Ludwig Erhards für die Soziale Marktwirtschaft hat die Dynamik der Marktwirtschaft erhalten und freigesetzt. Ihre Stärke: Kapital und Arbeit, Arbeit und Kapital jeweils dort einzusetzen, wo sie den größten Nutzen zu stiften vermögen; ihre Fähigkeit: die beste technisch-wirtschaftliche Lösung in einem Suchprozeß herauszufinden. In Ludwig Erhards Konzept der Sozialen Marktwirtschaft hat Politik einen verbindlichen Rahmen gesetzt, um politische Ziele zu erreichen: soziale Sicherheit, funktionierenden Wettbewerb, Chancen zur persönlichen Lebensgestaltung nach Fähigkeit und Leistungsbereitschaft; dies alles nicht als ein für allemal abgeschlossene, sondern als ständig neue Aufgabe und als Ziel und politischen Rahmen.
    Was wir in diesen Jahren geschaffen und in den kommenden Jahren zu schaffen haben werden, wird ein ökologischer Rahmen für die Marktwirtschaft sein. Er entsteht aus vielen Einzelgesetzen nach dem Maß unseres fortschreitenden Wissens um Gefährdung und ihre Vermeidung. Marktwirtschaft bei vernünftigen politischen Rahmenbedingungen ist eine gute Voraussetzung für Umweltschutz, besser als jedes zentralistische System. Vielleicht können wir künftig zunehmend marktwirtschaftliche Steuerungsmechanismen im Umweltschutz einführen, in die Umweltpolitik selbst einbauen. Hier ist das Abwasserabgabengesetz ein erster und guter Schritt.
    Schließlich die dritte Frage, die Behauptung, Demokratien könnten diese Herausforderung nicht bestehen. Die Demokratien waren bisher im Umweltschutz unvergleichlich erfolgreicher als totalitäre Systeme. Eine Diktatur könnte Umweltschutz schneller und rigoroser erzwingen. Dies liegt auf der Hand. Es fehlt Diktaturen jedoch offenkundig jede Motivation. Vorrang hat der Ausbau von wirtschaftlicher Macht, von militärischer Stärke. Der Vergleich der Belastungen von Luft und Wasser, der Sicherheitsauflagen für Kernreaktoren in Industriestaaten des Ostblocks und Industriestaaten der freien Welt, belegt dies offenkundig. Was die Schwäche der Demokratien zu sein schien, die notwendige Rücksichtnahme auf die Meinung der Bürger, dies eben hat sich als ihre eigentliche Stärke erwiesen. Denn die Bereitschaft der Bürger, für den Umweltschutz Opfer zu bringen, ist gewachsen. Sie wurde in der offenen Diskussion mit den Parteien und durch die freie Presse artikuliert. Damit wurde dem Politiker nicht nur die Möglichkeit gegeben, sondern es wurde auch der notwendige Druck auf ihn ausgeübt, Volkseinkommen zugunsten des Umweltschutzes umzuverteilen; und das ist richtig.
    Der Rang der Aufgaben hat sich verschoben, die Werte haben sich gewandelt. Vorrang hatten in den 50er Jahren ohne Zweifel der Aufbau unseres zerstörten Landes, die Schaffung von Arbeitsplätzen für Millionen von Flüchtlingen und Vertriebenen, die mit nichts in den Bereich der Bundesrepublik kamen, mit nichts außer mit dem unschätzbaren Kapital einer Ausbildung, einer generationenlangen Tradition von handwerklicher Fertigkeit und fachlicher Disziplin. Unsere Umweltpolitik war in dem Maße erfolgreich und möglich, in dem die Erkenntnis wuchs: Nicht ein Mehr von allem, was wir jetzt schon haben, ist die Grundlage zum Glück. Es geht auch um den Reichtum und die Schönheit der Natur, die wir vorgefunden haben, und die Umwelt, die wir zu gestalten haben.
    Diese Umweltpolitik haben alle parlamentarischen Parteien gemeinsam aufgebaut; die Bundesregierung hat in ihrer Antwort auf die Große Anfrage darauf hingewiesen. Eine solche Gemeinsamkeit der Parteien ist von besonderer Wichtigkeit in Bereichen, in denen langfristige Kontinuität über Regierungswechsel hinweg für alle absehbar und verläßlich sein muß. Wie verheerend es für eine vernünftige Entwicklung ist, wenn in Bereichen, in denen langfristig geplant werden muß, Kontinuität und Einmütigkeit nicht gegeben sind, zeigt die Energiepolitik, in der nichts mehr läuft, weil sich die Regierungsparteien untereinander selbst streiten, so daß niemand mehr weiß, was als Ergebnis nach einem Parteitag herauskommt. Absehbar sein müssen die Ergebnisse für die Bürger, für die Unternehmer bei der Planung von Anlagen und Produkten, für die Gemeinden bei den Investitionsvorhaben, bei den Investitionshaushalten.
    Bei all dieser Gemeinsamkeit hat sich jedoch in den letzten Jahren zunehmend ein unterschiedli-



    Dr. Riesenhuber
    cher Stil in der Umweltpolitik entwickelt. Im Gegensatz zur Antwort der Bundesregierung auf die Große Anfrage läuft die praktische Regierungspolitik zunehmend darauf hinaus, daß ein ständig dichter geknüpftes Netz von Verordnungen, Überwachungen, Kontrolle und Bürokratie Umweltschutz sichern soll. Wir sind ganz entschieden — um Mißverständnisse gleich auszuräumen — für verbindliche Rahmenbedingungen und Grenzwerte, für die Durchsetzung des Verursacherprinzips dort, wo dies überhaupt anwendbar sein kann. Aber wir haben ein größeres Vertrauen in die Eigenverantwortlichkeit der Bürger, der Unternehmer, der Stadtdirektoren und der Bürgermeister. Wir erwarten vom Unternehmer nicht nur, daß er bei einer neuen Anlage prüft, ob und wie die vorgegebenen Grenzwerte eingehalten werden können, sondern wir erwarten auch, daß er prüft, ob es technisch-wirtschaftlich vertretbare Möglichkeiten gibt, diese Grenzwerte zu unterschreiten; oft geschieht dies schon. Diese Bereitschaft wird aber gefährdet, wenn diese neuen Erfolge — ohne Rücksicht auf die Besonderheiten des Einzelfalles — umgehend für alle verbindlich festgeschrieben werden sollen.
    Ein wesentlicher Teil unserer sichtbaren Erfolge im Umweltschutz entstand in einer verantwortlichen Partnerschaft vor Ort zwischen Unternehmen und Behörden. Heute wachsen die Bürokratien; die Entscheidungsspielräume werden eingeengt. Eine Haltung breitet sich aus, die nicht nur nicht die bestmögliche Lösung vor Ort sucht, sondern auch Eigenverantwortung mit Verordnungen, mit vielfältig zersplitterten Zuständigkeiten zudeckt. Die Gewerbeaufsichtsämter werden zugleich überlastet und in ihrer Wirkungsmöglichkeit eingeschränkt. Absurd wird es, wenn ein Betriebsleiter, ein Beamter, der betroffene Bürger nicht mehr alle Vorschriften übersieht, die ihn angehen. Auf diesen Punkt weist der Sachverständigenrat für Umweltfragen ebenso hin wie dankenswerterweise auch der Kollege Konrad.
    Der Erfolg von Umweltschutz erweist sich nicht in einem perfekten System von Gesetzen und Verordnungen. Er zeigt sich vielmehr in sauberer Luft, in reinerem Wasser, in der Dämpfung des Lärms. Dies werden wir nur in dem Maße erreichen, in dem wir die Eigenverantwortlichkeit aller Betroffenen zu mobilisieren imstande sind. Wir brauchen nicht mehr Gesetze, sondern wir brauchen genaue und wirksame Gesetze.
    Über erhebliche Zeit haben wir Umweltschutz ohne Grundlagenforschung betrieben. Was uns fehlt, ist weitgehend das Verständnis der Wirkung der einzelnen Stoffe. Was uns fehlt, ist eine hinreichende Einsicht in die Zusammenhänge. Was uns fehlt, ist eine hinreichend genaue Kenntnis von Systemen, um sie wirklich angehen zu können und die entscheidenden Punkte zu treffen.
    Was uns fehlt, ist eine hinreichende Kenntnis der volkswirtschaftlichen Wirkungsmechanismen. Wir gehen nicht davon aus, daß volkswirtschaftliche Kosten-Nutzen-Rechnungen die wesentlichen Voraussetzungen für Umweltpolitik sein können. Daß sie aber in der Diskussion überhaupt nicht vorhanden sind und nicht einbezogen werden können, ist das Risiko. Das kann bedeuten, daß in enormem Maß Mittel fehlgeleitet .und unsere Ziele nicht erreicht werden.
    Wir brauchen Umweltschutz nicht nur aus richtigen Entscheidungen, sondern auch aus einer sachlich tragfähigen Begründung der Vorlagen. Die Möglichkeiten des Parlaments, fachliche Probleme aufzuarbeiten, sind bis heute absolut ungenügend. Die Regierungskoalition hat es auch in dieser Wahlperiode für richtig gehalten,uns kein Instrument zur Technologiefolgenabschätzung zu genehmigen. Wir haben das seit sieben Jahren beantragt. Es gibt großartige und zustimmende Sonntagsreden, aber keine positive Entscheidung.
    Die Verantwortung für die fachliche Qualität der Gesetze liegt bei der Exekutive. Das Verkehrslärmschutzgesetz wurde in einer Form vorgelegt, daß Folgelasten und damit Schätzungen zur Finanzierung in Milliardenhöhe streitig waren — bis selbst zwischen den Ressorts der Bundesregierung. Die Vorstellungen der Bundesregierung zum Bundes-Immissionsschutzgesetz und zur Reinhaltung der Luft wurden kürzlich in einer Sachverständigenanhörung so hart kritisiert, daß nicht mehr zu erkennen ist, wo eine tragfähige Grundlage für die weiteren Beratungen liegen kann. Die Federführung für das Chemikaliengesetz wurde so lang zwischen den Ressorts hin und hergeschoben, daß es trotz äußerster Anstrengung des Parlaments unsicher geworden ist, ob dieses Gesetz noch in dieser Wahlperiode verabschiedet werden kann.
    Es geht in der Umweltpolitik um sachlich begründete Konzepte, die allein die Grundlage für einen vernünftigen politischen Streit sein können. Es geht nicht um spektakuläre Verlautbarungen, die einen Minister als grün profilieren sollen. Der „grüne Baum" — das ist vielleicht ein Wirtshausschild; das ist kein Markenzeichen für einen verantwortlichen Minister. Er soll zwischen Vorteilen und Nachteilen abwägen. Er soll sich nicht nach einer Seite profilieren.
    Es geht um Nüchernheit. Es geht darum, daß keine Versprechen gegeben werden, die nachher nicht realisiert werden können. Die Schadstoffe in den Autoabgasen sind entgegen den Ankündigungen der Bundesregierung nicht auf ein Zehntel der Werte von 1969 gesenkt worden. Solches Erwecken von Erwartung führt zu Enttäuschung, und diese führt zu Frustration und zu mangelndem Vertrauen in unsere Ernsthaftigkeit. Es geht um die präzise Beschreibung von Risiken, um sie beseitigen zu können; nicht um Demagogie.
    In der Unfallstatistik der Berufsgenossenschaften steht die Chemie an 26. Stelle. Diese Technik hat einen hohen Standard an langfristig gezüchteter Sicherheit. Wenn das Innenministerium mit dem Wort von der „Zeitbombe Chemie" öffentlich polemisiert, so ist das unredlich und gefährlich.

    (Spranger [CDU/CSU]: Sehr wahr!)

    Die Bundesregierung bedauert, daß die Leistungen im Umweltschutz nicht hinreichend anerkannt werden. In der Tat: 60 % der Hauptschulabgänger



    Dr. Riesenhuber
    gehen davon aus, daß in Deutschland die Verhältnisse in der Umwelt immer schlechter werden. Ein Schlagwort wie das von der „Zeitbombe Chemie" kann hier mehr zerschlagen, als die Fülle korrekter und konkreter einzelner Erfolgsberichte wieder aufbauen kann.

    (Beifall bei der CDU/CSU — Dr. Dregger [CDU/CSU]: Sehr richtig!)

    Es wird nicht mehr zur Kenntnis genommen und nicht mehr akzeptiert, was wir geleistet haben. Der Strahlenschutzbericht mit seiner Bestätigung der geringen Belastung der Umwelt durch Reaktoren, der Rückgang des Bleis in der Luft in den Städten und in der Belastung der Äcker entlang der Landstraßen und der Autobahnen, die Sanierung des Bodensees, der am Umkippen war und dessen Wasserqualität sich der Trinkwasserqualität wieder nähert, die Stagnation der Emissionen an Kohlenmonoxyd, an Staub bis hin zum Feinstaub, an Schwefeldioxyd, an Stickoxyden, die Stagnation trotz wachsender Wirtschaft — dies alles wird nicht zur Kenntnis genommen, und dies in einer wachsenden Wirtschaft, obwohl überständige Steinkohlenkraftwerke veralteter Technik nicht abgelöst werden konnten. Wenn es uns nicht gelingt, den Bürger davon zu überzeugen, daß unsere Umweltpolitik Aussicht auf Erfolg hat, dann werden wir diese Umweltpolitik langfristig nicht durchführen können.
    Niemand von uns glaubt daran, daß wir in irgendeine Idylle zurückkehren können, in eine heile Welt, wenn es sie jemals gegeben hat. Die heile Welt, das goldene Zeitalter ist immer schon in der Vergangenheit gewesen; das können Sie auch bei Platon nachlesen. Wir leben in einer Industriegesellschaft, und wir sind auf Technik und Industrie angewiesen. Aber jeder muß wissen, daß wir die Möglichkeit haben und entschlossen sind, riskante Folgen der Technik zu erkennen und im Griff zu halten, gerade weil wir die Technik brauchen. Es geht nicht darum, beliebig lange Forschungsreihen abzuwarten, bevor man zu Entscheidungen kommt. Optionen und Moratorien sind keine Mittel der Politik. Kant sagt, daß die Notwendigkeit zum Handeln immer weiter reicht als die Möglichkeit des Erkennens. Aber es muß offenkundig sein, daß wir bereit und imstande sind, das, was wir wissen, zu tun.
    Wir vertreten die Überzeugung, daß die politischen Entscheidungen in den verfassungsmäßigen, demokratischen Institutionen fallen müssen. Die Bürgerinitiativen vertreten ein legitimes Eigeninteresse, oft auch eine grundsätzliche Sorge. Wir haben stets abzuwägen zwischen Eigeninteresse, Einzelinteresse und Gemeinwohl. Aber das bedeutet, daß wir vorher in einer offenen, umfassenden und redlichen Diskussion, im offenen Gespräch unsere Position prüfen und hinterher rechtfertigen müssen. Das bedeutet, daß wir, wenn über Programme entschieden worden ist, uns hinterher nicht aus der Entscheidung wegstehlen dürfen, wie es die SPD in Niedersachsen und in Schleswig-Holstein in der Frage der Kernenergie getan hat.

    (Beifall bei der CDU/CSU)

    Das bedeutet, daß wir Entscheidungen nicht auf die Gerichte delegieren, weil wir selbst nicht imstande sind, hinreichend klare Vorlagen zu verabschieden, so daß eindeutige Entscheidungen in begrenzter Zeit beim vollen Rechtsschutz des Bürgers gewährleistet sind. Hier war unsere Arbeit nicht immer uneingeschränkt überzeugend.
    Gewachsen ist die Anziehungkraft grüner Parteien auf viele junge Erwachsene. Sie suchen Auswege aus den Zwängen einer Industriegesellschaft. Sie vermuten, daß bürokratische Technik, bürokratische Organisation, komplizierte Technik, daß diese ganze Fülle an Organisationsstrukturen die gleichen Ursachen haben wie die Bedrohung unserer Umwelt. Es geht ihnen um Chancen für sinnerfülltes Leben, um Geborgenheit in überschaubaren Gruppen, um mehr Freiraum für schöpferische Individualität. Es gilt, diesen Männern und Frauen ein Konzept darzustellen, das sie für unsere Arbeit gewinnt.
    Die Antwort der Bundesregierung auf die Große Anfrage, die Fakten, Daten und Ansichten — über gute Strecken ist es ordentliches Handwerk; nicht ganz — bieten nicht das schlüssige Konzept über die Technokratie hinaus, das Konzept, das Mut und Zuversicht gibt, das Konzept, das die Lust erweckt, an einer offenen Zukunft mitzugestalten. Das ist es, was wir in der heutigen Zeit brauchen.

    (Beifall bei der CDU/CSU)



Rede von Richard Wurbs
  • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (FDP)
  • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (FDP)
Das Wort hat der Abgeordnete Wolfgramm.

  • insert_commentNächste Rede als Kontext
    Rede von Torsten Wolfgramm


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (FDP)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (FDP)

    Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen! Meine Herren! Herr Kollege Dr. Riesenhuber, es ist sicher richtig, daß der Umweltschutz bei der Menschheit schon immer eine Rolle gespielt hat. Aber die Frage ist: Wie intensiv, unter welcher Programmatik und unter welcher globaler Strategie? Schon die alten Römer haben eine Kanalisation eingeführt, weil sie sich bewußt waren, daß Menschen, die in einer 1-Millionen-Stadt zusammengepfercht sind, nicht ohne einen solchen Schutz auskommen können.
    Aber ich darf darauf hinweisen, daß diese Bundesregierung 1971 zum erstenmal ein umfassendes und anspruchsvolles Umweltschutzprogramm vorgelegt hat. Wir haben unseren Part dazu beigetragen; denn wir haben vorher auf dem Freiburger Parteitag — ebenfalls als erste Partei — ein solches Programm verabschiedet. Die tragenden Gedanken dieses FDP-Konzepts und des Umweltschutzprogramms der Bundesregierung sind in der Zwischenzeit weitgehend in den Gesetzen verwirklicht worden; sowohl im Abfallbeseitigungsgesetz wie im Benzinbleigesetz — das ja übrigens inzwischen eine besondere Vorreiterrolle in der Europäischen Gemeinschaft spielt—, im Immissionsschutzgesetz, im Wasserhaushaltsgesetz und in Waschmittel-, Natur- und Landschaftspflegegesetzen. Ich darf für meine Fraktion positiv unterstreichen, daß die Regierung das Verursacher- und Vorsorgeprinzip konsequent umgesetzt hat. Diese Gesetze haben vieles aufhalten können, was sich auf dem Weg einer ganz erheblichen Verschlechterung befand.



    Wolfgramm (Göttingen)

    Sie haben auch Verbesserungen bringen können, zum Teil entscheidende Verbesserungen. Aber sie sind nur ein Teil auf dem Wege der Gesamtstrategie des Umweltschutzes. Hier sehe ich in diesem Hause eine grundsätzliche und positive Übereinstimmung. Diese Gesamtstrategie kann sich nicht darin erschöpfen, den Status quo zu erhalten oder an einigen Stellen drohende Verschlechterungen zurückzudrängen, sondern wir müssen langfristig dazu kommen, eine akzeptable Umweltsituation zu erreichen.
    Die Umweltbelastung ist in weiten Bereichen noch beängstigend. Weder ist der staubfreie und schadstofffreie Himmel über der Ruhr erreicht, noch ist in absehbarer Zeit zu erwarten, daß das Wasser in unseren Flüssen Trinkwasserqualität hat; das Beispiel des Bodensees vielleicht ausgenommen. Sie, Herr Dr. Riesenhuber, und die Opposition helfen uns in diesem Punkt der Wasserqualität gar nicht. Darauf werde ich noch eingehen.
    Im Zusammenhang mit dem Umweltschutz und den Möglichkeiten, die wir im Augenblick anbieten können, stellt sich die Frage nach der Lebensqualität für den Menschen. In diesem Zusammenhang, Herr Kollege Riesenhuber, bin ich der Meinung, daß ein „grüner Baum" als gepflegter Gasthof einen ganz besonderen Stellenwert für Lebensqualität hat.

    (Dr. Riesenhuber [CDU/CSU]: Wenn Sie vom Bier reden, ja, aber nicht beim Umweltschutz! — Heiterkeit)

    Der technische Fortschritt brachte Wohlstand. Er brachte die Seuchenbekämpfung, die Steigerung des Lebensalters. Er brachte uns ein umfassendes Sozialnetz, das aus Mitteln finanziert wurde, die aus der gewachsenen Steuerkraft kamen. Er brachte uns ein vermehrtes schulisches Ausbildungsangebot. Auch da könnten Sie uns sehr viel intensiver unterstützen, Herr Kollege; aber wir wollen hier keine bildungspolitische Debatte führen.

    (Zuruf des Abg. Dr. Riesenhuber [CDU/ CSU])

    Mit der Position, daß Sie inzwischen dazu übergehen, Gesamtschulabschlüsse nicht mehr anzuerkennen, tragen Sie nicht dazu bei, die Lebensqualität der Bürger zu verbessern.
    Die Frage ist also: Ist das ausreichend, was wir hier gewonnen haben? Welchen Preis müssen wir dafür zahlen? Unsere Bürger können erwarten, daß zu einem menschenwürdigen Dasein gehört, daß man frei atmen kann, ohne die Furcht haben zu müssen, Schadstoffe aufzunehmen, daß man Wasser trinken kann, ohne die Furcht haben zu müssen, sich mit Stoffen zu vergiften, daß man essen kann, ohne Gefahr zu laufen, Blei oder Kadmium oder andere kumulativ wirkende Giftstoffe aufzunehmen. Der Bürger hat ein Recht darauf, nicht von Motor- und Maschinenlärm gestört zu werden.
    Vegetation und Tierwelt sind gefährdet, und die Ausbeutung der unbelebten Natur durch den Abbau nicht erneuerbarer mineralischer und fossiler Rohstoffe ist deutlich. Wir versuchen, etwas für 50 Jahre aufzuhalten und zu strecken. In diesem Zusammenhang erlaube ich mir die Anmerkung: Wenn wir in 4 000 Jahren Menschheitsgeschichte mit den vorhandenen Ressourcen ausgekommen sind, dann erscheinen 50 Jahre für die Zukunft etwas wenig. Wir müssen zusätzlich Überlegungen anstellen, wie wir Austauschrohstoffe schaffen und zusätzlich zu anderen Verbindungen kommen, um nicht nur für 50 oder 60 Jahre in dem einen oder anderen Fall die Rohstoffposition zu strecken .und es unseren Nachfolgern, unseren Enkeln, zu überlassen, welche Antwort sie auf die verminderte Rohstoff- und damit auf die verminderte Lebensgrundlage finden.
    Das Wort Ökologie kommt von dem griechischen Wort Oikos: Haus oder Hausgemeinschaft. Daran sehen wir etwas deutlicher, daß sich die menschliche Existenz hier in bestimmte Zusammenhänge einfügt. Dieser Komplex, den wir hier Ökosystem nennen und der sich auch in einzelne Ökosysteme abgrenzt — Organismen und unbelebte Materie — ist aber für uns noch weitgehend unerforscht. Die Kenntnisse über diese Systematik sind zu gering. Wir können bisher noch keine Antworten darauf finden, wie sich Einzelmaßnahmen — von uns isoliert als unschädlich oder in ihrem Stellenwert jedenfalls als nicht beachtenswert angesehen — insgesamt in diesem System auswirken.
    Es wird deutlich, daß der Mensch in intakte Lebenskreisläufe von anorganischen Stoffen, Pflanzen und Tieren eingebettet ist. Der Unterschied ist, daß der Mensch bewußt gestaltet; denn kulturelles und geschichtlich bezogenes Wissen heißt sich verwirklichen mit Zielen und Zukunftserwartungen. Diese bewußte Gestaltung greift in die Umwelt ein. Sie bietet aber auch die Möglichkeit, nicht nur physisch zu überleben. Ich meine, das, was wir mit dem Begriff Menschenwürde bezeichnen können, ist etwas, was wir den Nachfolgern erhalten müssen, was wir ihnen in stärkerem Maße wiedergeben müssen. Denn diese Position erschöpft sich ja nicht in dem, was wir uns als Wohlstand, als Konsumgesellschaft vorstellen.
    Vieles, was technisch machbar ist, ist und bringt keine Lebensqualitätsverbesserung. Ich erinnere an das Beispiel Concorde, die die Vereinigten Staaten in einer um eine Stunde kürzeren Zeit erreicht, aber unter einer ganz erheblichen zusätzlichen Luftverschmutzung. Ich stelle mir vor, daß es für Urlauber kein Gewinn ist, wenn sie die Erholung, die sie in der Urlaubszeit gewonnen haben, bei dem Streß der Rückfahrt in den Kolonnen auf den Autobahnen wieder verlieren. So können Sie diese Beispiele — Ihr Generalsekretär hat neulich einen Aufsatz über Freizeitverhalten geschrieben — fortsetzen.
    Carl Friedrich von Weizsäcker hat einmal gesagt, daß eine der negativen seelischen Wirkungen der technischen Kultur gerade die Konsumentenmentalität und damit die Unwilligkeit zur Teilhabe an der Verantwortung ist. Es wird an uns sein, nicht nur durch blitzende und strahlende Appelle, sondern auch durch eine Umgestaltung unserer Wertvorstellungen hier diese Abhängigkeit zu vermeiden und zu einer echten Lebensqualität zurückzukehren.
    Der Club of Rome, der hier schon zitiert worden ist, hat dazu bemerkenswerte Überlegungen angestellt. Sicher sind aber nicht alle Voraussagen, die ja



    Wolfgramm (Göttingen)

    schon einige Zeit zurückliegen, eingetroffen, wie ja überhaupt die Frage der Prognose problematisch ist. Die „Zeit" hat vor einigen Jahren eine Veröffentlichung gebracht, in der sie einmal die Prognosen des Jahres 1965 dargestellt hat. Von diesen Prognosen sind bis auf ganz wenige keine eingetroffen. Auf der einen Seite hat man die Dinge zu intensiv gesehen und hat technische Entwicklungen betrachtet, die an den Problemen überhaupt vorbeigehen. Auf der anderen Seite hat man sich in der Machbarkeit der technischen Möglichkeiten ganz erheblich getäuscht.
    Wir werden den Weg nicht zurückgehen können. Wir werden nicht Fabriken und Maschinen stillegen können. Wir wollen unser Sozialnetz erhalten. Wir wollen die Möglichkeiten der Bildung — der Ausbildung und der Fortbildung — erhalten. Wir wollen dem Menschen die Vielfalt der Chancen erhalten und weiter ausbauen; denn nur auf diesem Wege kann er sich selbst verwirklichen. Aber es wird bedeuten, daß wir eine umfassende Verzahnung aller künftigen Entwicklungen im technischen Bereich und deren Auswirkungen im gesellschaftlichen Bereich besonders berücksichtigen. Ich erinnere daran, daß wir in der Enquete-Kommission „Zukünftige Kernenergie-Politik" die Auswirkungen auf die gesellschaftlichen Möglichkeiten und Verwerfungen ausdrücklich mit einbezogen haben, daß wir diese Auswirkungen auf die Umwelt abstimmen und Verhaltensveränderungen beim Bürger zu erzielen suchen.
    Wohlstand ist kein Lebenszweck an sich. Die Steigerung des Bruttosozialprodukts ist kein Wertmesser für Lebensqualität. — Herr Kollege Riesenhuber, Sie haben sich in Ihren etwas weitgreifenden Ausführungen auch zur Verschuldungspolitik und zur Haushaltspolitik geäußert. Es hilft natürlich wenig, dies hier zu beklagen

    (Zuruf von der CDU/CSU: Obwohl das stimmt!)

    und auf der anderen Seite zusätzlich Anträge in Milliardenhöhe zu stellen.

    (Beifall bei der FDP und der SPD)

    Dann müssen Sie das auch seriös unter sich abstimmen. Daran sehen wir wieder, wie unterschiedlich die Motivation in Ihrer Fraktion ist. Sie müssen da einmal zu einem gemeinsamen Konsens kommen.

    (Dr. Riesenhuber [CDU/CSU]: Legen Sie einmal vor, was Sie streichen wollen!)

    — Das ist dann Ihre Sache, wenn Sie hier 1,3 Milliarden DM zusätzlich fordern und in einem Atemzug andererseits die Verschuldensposition beklagen.

    (Sehr richtig! bei der FDP)

    Ich meine aber — das möchte ich hier ganz deutlich sagen —, die Verschmutzung des Rheins ist dieselbe wie die der Moldau. Es zeigt sich hier klar, daß planwirtschaftliche Systeme in keiner Weise besser in der Lage sind, mit den Problemen des Umweltschutzes und mit den daraus resultierenden nötigen
    Veränderungen und Wandlungen des Bewußtseins der Bürger fertig zu werden.

    (Daweke [CDU/CSU]: Im Gegenteil! Es ist noch schlimmer! Siehe DDR!)

    — Ich weiß, daß es in einigen Bereichen schlimmer ist; es mag sein, daß es in anderen Bereichen besser ist. Ich will jetzt kein pauschales abqualifizierendes Urteil fällen, aber ich will deutlich machen, daß es dort um keinen Deut besser ist.
    Nach unserer Meinung wird die marktwirtschaftliche Ordnung als einzige in der Lage sein, durch Anreize und durch die Möglichkeit, flexibler und rascher zu reagieren, diese Veränderungen zu vollziehen, allerdings — da scheint mir auch eine gewisse Differenzierung nötig zu sein — auch mit der Möglichkeit der begleitenden Kontrolle. Wir dürfen hier nicht blindes Vertrauen haben, denn die Folgen sind zu ernst. Wir werden das entsprechend kontrollieren müssen, wie wir das bei Recycling-Verfahren auch tun, und wenn sich herausstellt, daß Industrie und Wirtschaft nicht willens und in der Lage sind, das zu erbringen, was unumgänglich nötig ist, dann kann und darf es auch nicht an Gesetzen und Verordnungen fehlen. Ich erinnere an die Frage der Fluorchlorkohlenwasserstoffe, wo wir erwarten, daß eine sukzessive Reduzierung erfolgt. Aber wenn wir feststellen, daß eine solche Reduzierung nicht erfolgt, dann werden wir uns hier nicht nur mit gutem Zureden und einer Regelung auf freiwilliger Basis begnügen.
    Ich bin der Meinung, daß wir bei unserer Umweltschutzposition berücksichtigen müssen, daß etwa 18 % der Weltbevölkerung heute 60 % der Primärenergie aufbrauchen, nur um hier einmal ein Zahlenbeispiel zu nennen. Wir können nicht auf Kosten anderer Nationen der Dritten Welt unsere Möglichkeiten des Wohlstandes ausbauen und das Gefälle zwischen armen und reichen Nationen immer weiter vergrößern. Wir werden mit ihnen über einen vernünftigen und auch für sie annehmbaren Konsens sprechen müssen, und wir werden versuchen müssen, auch dort klarzumachen, daß sie die Fehler, die wir begangen haben, nicht wiederholen sollten. Ich erinnere hier an das Problem der Abholzung des Amazonas-Waldes, an die sich dadurch ergebende Klimaveränderung und an die geringen Möglichkeiten durch die Neugewinnung eines landwirtschaftlich nutzbaren Geländes für dieses Land. Wir werden also uneigennützig helfen müssen, indem wir durch einen entsprechenden Know-how-Transfer umweltfreundliche Technologie einbringen. Wir müssen auch ein Zeichen setzen, daß wir den Anteil von 0,7 % des Bruttosozialproduktes rasch und schnell erreichen wollen.

    (Zustimmung bei der FDP und der SPD)

    Wir wollen einen sparsamen Umgang mit Energie und mit den natürlichen Rohstoffen erreichen. Über das Verfahren des Recyclings, der Wiederverwendung, brauche ich mich, glaube ich, nicht ausführlich zu äußern.
    Wir wollen weg von der Wegwerf-Gesellschaft. Wir wollen wieder — und ich meine, das ist auch eine gesellschaftliche Frage — die Beziehung zu ei-



    Wolfgramm (Göttingen)

    ner Sache herstellen, bei deren Erwerb sich jemand eine lange Zeit dadurch engagiert hat, daß er Konsumverzicht geleistet hat. Es wäre nützlich, wenn in der Frage der Werterhaltung das Handwerk seine Fähigkeiten der Reparatur wieder stärker zur Geltung bringen könnte und nicht nur, wie das inzwischen üblich geworden ist, neue Maschinen, neue Installationen verwendet werden.
    Wir müssen das deutlich machen; denn wir sitzen alle in einem Boot. Niemand kann sich da ausschließen. Wir werden auch erleben — und dieser Bundestag steht in Kürze vor einer solchen Aufgabe; er wird den Generalverkehrsplan beraten —, wie an jeden Abgeordneten aus seinem Wahlkreis Wünsche im Hinblick auf zusätzliche Maßnahmen im Verkehrsbereich herangetragen werden, während auf der anderen Seite Initiativen von Bürgerinitiativen stehen werden, die sich dagegen wenden und mit Recht in vielen Fällen sagen: Wir möchten diese Umwelt erhalten, und wir wollen die Möglichkeiten der Mobilität in diesem Bereich nicht ausbauen, so wichtig Mobilität für unsere Gesellschaft auch sein mag.
    Wir wollen die Motivationen und die Innovationen fördern. Das bedeutet ein Umdenken bei den Behörden und bei den Bürgern.
    Niemandem wird es einfallen, von einer antiasketischen Gesellschaft, die wir sicher sind, in eine asketische Gesellschaft umsteigen zu wollen. Aber wir müssen die Relationen in jedem Fall prüfen. Wir müssen menschliche Phantasie und Fähigkeiten anregen, die es uns ermöglichen, die Richtung zu ändern.
    Die Antwort der Bundesregierung auf die Große Anfrage ist eine gute Antwort; denn sie stellt, wie ich finde, das bisher Erreichte sorgfältig und umfassend dar. Sie begründet meinen Dank an den Bundesinnenminister und die Mitarbeiter, an alle, die sich mit Engagement im Bereich des Umweltschutzes und seiner Verbesserung betätigt haben.
    Wir ermutigen den Bundesinnenminister, auch weiterhin den Kern des Umweltschutzes, das Verursacherprinzip und das Vorsorgeprinzip, bei allen anstehenden Vorhaben engagiert zu vertreten — wie bisher.
    Meine Damen und Herren, ich glaube, niemand hat vor zehn Jahren, nachdem das Umweltschutzprogramm verkündet war, erwartet, daß wir nach zehn Jahren solche Erfolge haben würden. — Sie kennen alle die Fülle der Erklärungen, die von der Opposition und auch von der Koalition abgegeben werden, deren Umsetzung sich aber in einem solchen Zeitraum nicht realisieren läßt. — Ich meine, das ist wirklich etwas, worauf wir stolz sein können. Aber es stehen eben noch wichtige Dinge zur Beseitigung der größten Schäden aus.
    Ich erkläre für meine Fraktion, daß wir das Umweltchemikaliengesetz noch in dieser Legislaturperiode verabschieden wollen, um einen ersten Einstieg in diese wichtige Materie zu leisten.

    (Beifall bei der FDP und der SPD — Zuruf von der CDU/CSU: Große Worte!)

    Wir werden uns aber mit Nachdruck dagegen wenden, daß das Zustandekommen des Abwasserabgabengesetzes verzögert und dieses Gesetz verwässert werden soll.

    (Zuruf von der CDU/CSU: Verabwässert!)

    Herr Kollege Riesenhuber, Sie haben dazu nur sehr marginal Stellung genommen.

    (Dr. Riesenhuber [CDU/CSU]: Wenn ich so lange reden könnte wie Sie, hätte ich das genauer gemacht!)

    Sie haben von Problemen bei der Durchführung gesprochen. Probleme bei der Durchführung haben wir, Herr Kollege Dr. Riesenhuber, bei jedem Gesetz. Wir werden kein Patentrezept für ein Testverfahren finden. Das wissen Sie genauso gut wie ich. Ihre Kollegen in der Unterkommission „Abwasserabgabengesetz" des Ausschusses haben sich intensiv mit diesen Fragen beschäftigt und sich um ein solches Verfahren bemüht. Wenn wir ein Patentrezept zur Prüfung hätten, hätten wir es natürlich eingebracht. So werden wir uns mit den Instrumentarien begnügen müssen — und das wollen wir auch tun —, die im Augenblick „Stand und Technik" sind. Wir werden es nicht hinnehmen, daß auf diese Weise durch die Länder Bayern, Niedersachsen und Schleswig-Holstein und deren Ministerpräsidenten Strauß, Albrecht und Stoltenberg versucht wird, das Zustandekommen eines so wichtigen Gesetzes zu verzögern. Sie können das mit einem Blick erkennen, wenn Sie sich einmal die Gewässergütekarte betrachten. Die Gewässergütekarte enthält zur Unterscheidung der Wasserqualität die Farben blau, grün, gelb und rot. Dabei ist blau eine Wasserqualität, wie sie für den Bodensee beschrieben wird und die man natürlich auf dieser Gewässergütekarte nur ganz marginal findet. Wir wären schon froh, wenn sich der grüne Anteil ganz erheblich vergrößern würde — das würde durch dieses Wasserabgabengesetz erreicht —, im Gegensatz zu den gelben und roten, die nämlich beide bedeuten, daß starke und stärkste Verschmutzungen herrschen.

    (Schwarz [CDU/CSU]: Rot muß weg, da haben Sie recht!)

    — Ja, dazu können Sie beitragen, wenn Sie Ihren Einspruch und Ihren Initiativgesetzentwurf zur Änderung des Abwasserabgabengesetzes zurückziehen.
    Übrigens muß ich bei diesem Punkt einmal sagen: Es ist eindrucksvoll, daß sich die Opposition, deren Konsens bei vielen wichtigen Umweltschutzgesetzen ich nicht bestreite, bisher profiliert hat, indem sie neun Gesetzesinitiativen zur inneren Sicherheit vorgelegt hat, aber nur eine Gesetzesinitiative im Bereich des Umweltschutzes, und genau die geht nun dahin, daß sie Verwässerungen und Verminderungen beim Abwasserabgabengesetz einbauen will.

    (Beifall bei der FDP und der SPD — Dr. Laufs [CDU/CSU]: Schauen Sie sich mal die Gewässergütekarte in Baden-Württemberg an!)




    Wolfgramm (Göttingen)

    — Herr Kollege Dr. Laufs, ich möchte Ihnen folgendes sagen: Es ist unredlich, und es ist auch unglaubwürdig, wenn Sie als Partei erst versprechen — sogar in Wahlprogrammen, ich habe das noch zu Hause liegen —, daß Sie für die Vollkompetenz des Gewässerschutzes eintreten, daß Sie dies dann aber nicht durchhalten, sondern diese Vollkompetenz verweigern und dann auch noch hergehen und sagen, dieses Abwasserabgabengesetz — das schon durch das Fehlen einer Vollkompetenz des Bundes eine mühsame Angelegenheit gewesen ist und bei dem bei der Beratung und Verabschiedung die Rechte mit den Ländern mühsam austariert und ausbalanciert wurden — wird aber vielleicht zu teuer —30 % Verwaltungskosten! Haben wir denn das Gesetz gemacht, damit entsprechende Beamte bezahlt werden? Entlassen wir etwa Polizisten, weil das Bußgeldverfahren ihre Gehälter nicht deckt? Das ist doch überhaupt nicht der Punkt gewesen. Der Punkt war, hier nach marktwirtschaftlichen Kriterien einen Anreiz zu geben, indem diejenigen, die dieses Gesetz verwirklichen, keine Abgabe auferlegt bekommen, während diejenigen, die das Gesetz nicht einhalten bzw. keine Kläranlagen bauen, eine entsprechende Abgabe zahlen müssen. Das halte ich allerdings für ein sehr marktwirtschaftliches und umweltschutzpolitisch erfolgreiches System.
    Nun hat eine ganze Reihe von Kommunen — die anders kalkulieren als die Wirtschaftsbetriebe — und auch von Wirtschaftsbetrieben dieses Gesetz inzwischen verwirklicht. Das heißt: sie haben sich Kläranlagen geschaffen, was ihre Abgabe entsprechend vermindern würde, wenn eine solche Abgabe in Kraft träte. Das Gesetz ist übrigens schon in Kraft; nur die Abgabenregelung ist noch nicht in Kraft, und die wollen Sie weiter hinauszögern. Ich halte es für unfair und für unredlich, wenn Sie, Herr Kollege Riesenhuber, hier von der Unglaubwürdigkeit unserer Programmatik gesprochen haben und nun sagen: Wir werden das alles wieder verändern, wir werden die Abgabenhöhe reduzieren, und im übrigen sind wir sowieso nicht der Meinung, daß das ganze Verwaltungsverfahren sinnvoll ist. — Ich halte das nicht für richtig. Sie müssen sich auch fragen, ob verbale Bekenntnisse in solchen Punkten für den Bürger eine glaubwürdige Position bedeuten. Wenn Sie hier mit Scheinargumenten kämpfen, dann müssen Sie sich zumindest vorhalten lassen, daß Sie in wichtigen Zielsetzungen des Umweltschutzes nur mit dem Gummischwert arbeiten.
    Sie haben sich übrigens in Ihrem Antrag über das Zustandekommen des Lärmschutzgesetzes lustig gemacht. Ich finde das auch nicht sehr eindrucksvoll. Sie alle wissen,- daß die Regierung einen Lärmschutzgesetzentwurf vorgelegt hat, den die Koalitionsfraktionen noch einmal um 3 dB verbessert haben. Jetzt geht die Opposition mit ihrer Mehrheit im Bundesrat her und verlangt die Wiederherstellung des ursprünglichen Entwurfs. Das nennen Sie dann „Umweltschutz", „Eintreten für Lärmschutz Auch das ist sehr eindrucksvoll, fällt genauso unter die Problematik des unredlichen und unglaubwürdigen Verhaltens in diesen Positionen.

    (Dr. Waigel [CDU/CSU]: Was? Ist ja unglaublich!)

    Wir von der FDP werden in Zukunft nicht auf unser Engagement in der Verbandsklage verzichten. Wir meinen, daß die Verbandsklage, die übrigens Vorläufer und vergleichbare Positionen hat — um das Argument einmal auszuräumen, es gebe nichts Vergleichbares —, eine stärkere Beteiligung der Bürger bedeuten wird und damit eine Art Waffengleichheit zwischen den Naturschützern und den Verwaltungsinteressen. Außerdem wird in diesem Punkt der Bürger oder ein Naturschutzverband mit einer Art heilsamen Zwang belegt, sich frühzeitig mit dem gesamten Verfahren zu beschäftigen und sich zu beteiligen. Für die Verwaltung entsteht die, meine ich, gute Position, daß sie bei Entscheidungen den Sachverstand der entsprechenden Verbände vorher konstruktiv für sich mit einbringen kann.
    Wir meinen auch, daß ein autofreier Sonntag nicht nur eine verbale Angelegenheit sein sollte. In einigen Positionen müssen wir auch dem Bürger einmal deutlich machen, daß wir ein sichtbares Zeichen setzen,

    (Zuruf von der CDU/CSU: Wie die FDP auf Parteitagen!)

    und hier kann man das einmal tun.
    Die Liberalen fordern das ökologisch verantwortbare Wachstum, aber mit Augenmaß, um der Wirtschaft den notwendigen Anpassungszeitraum zu lassen. Wir fordern, daß die Wirtschaft den Weg der Ressourcenschonung beharrlich weitergeht und ihn noch verstärkt. Aber wir wollen eine intensive Forschung über die Wechselwirkung von Stoffen, deren Auswirkungen wir bisher nicht genügend abschätzen können. Ich bitte die Bundesregierung und auch alle nachgeordneten Forschungsanstalten und -einrichtungen, sich dieser Frage zusätzlich und noch intensiver zu widmen. Es laufen eine Fülle von Projekten und Forschungsvorhaben. Aber ich meine, wir werden dort noch mehr Anstrengungen unternehmen müssen.
    Der internationale Umweltschutz wird uns herausfordern. Wir werden bei den grenzüberschreitenden Problemen noch mehr gemeinsame multilaterale und bilaterale Abkommen haben. Wir hoffen, daß bezüglich der Werraversalzung jetzt endlich gemeinsame Überlegungen und gemeinsame Lösungen gefunden werden können.
    Die Freien Demokraten begrüßen das Erreichte. Wir werden bei bereits verabschiedeten Gesetzen — wie bei Wasser und Lärm — keine Abstriche machen. Wir appellieren an die Verwaltung und an die Bürger, den Umweltschutz umfassend zu begreifen und Verhaltensänderungen vorzunehmen. Das wird viel Mühe kosten. Aber wir sind zuversichtlich, daß wir das Ziel erreichen können.

    (Beifall bei der FDP und der SPD)