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ID0821400600

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    Plenarprotokoll 8/214 Deutscher Bundestag Stenographischer Bericht 214. Sitzung Bonn, Donnerstag, den 24. April 1980 Inhalt: Begrüßung einer Delegation der schweizerischen Bundesversammlung 17151 A Beratung des Antrags des Ausschusses nach Artikel 77 des Grundgesetzes (Vermittlungsausschuß) zu dem Gesetz über die Prozeßkostenhilfe — Drucksache 8/3905 — Kleinert FDP 17151 B Beratung des Antrags des Ausschusses nach Artikel 77 des Grundgesetzes (Vermittlungsausschuß) zu dem Gesetz über Rechtsberatung und Vertretung für Bürger mit geringem Einkommen (Beratungshilfegesetz) — Drucksache 8/3906 — Kleinert FDP 17152 A Beratung der Großen Anfrage der Abgeordneten Konrad, Frau Dr. Hartenstein, Schäfer (Offenburg), Wittmann (Straubing), Brandt (Grolsheim), Egert, Ibrügger, Dr. Jens, Liedtke, Müller (Schweinfurt), Dr. Penner, Dr. Schäfer (Tübingen), Dr. Schmidt (Gellersen), Dr. Wernitz, Wolfram (Recklinghausen), Dr. Wendig, Wolfgramm (Göttingen), Kleinert, Paintner, Dr. Zumpfort, Wurbs, Angermeyer, Frau Matthäus-Maier und der Fraktionen der SPD und FDP Umweltpolitik — Drucksachen 8/3279, 8/3713 — in Verbindung mit Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Zweiten Gesetzes zur Änderung des Abfallbeseitigungsgesetzes — Drucksache 8/3887 — in Verbindung mit Beratung der Beschlußempfehlung und des Berichts des Ausschusses für Verkehr und für das Post- und Fernmeldewesen zu dem Antrag der Abgeordneten Dr. von Geldern, Dreyer, Sick, Dr. Narjes, Nordlohne, Dr. Köhler (Wolfsburg), Schröder (Lüneburg), Dr. Jobst, Pfeffermann, Feinendegen, Hanz, Dr. Freiherr Spies von Büllesheim, Dr. Reimers, Damm, Metz, Blumenfeld und Genossen und der Fraktion der CDU/CSU Maßnahmen zur Verhinderung von Tankerunfällen und zur Bekämpfung von Ölverschmutzungen der Meere und Küsten — Drucksachen 8/2692, 8/3725 — in Verbindung mit Beratung des Antrags der Fraktion der CDU/CSU Umweltvorsorge — Drucksache 8/3936 — II Deutscher Bundestag — 8. Wahlperiode — 214. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 24. April 1980 Konrad SPD 18153 A Dr. Riesenhuber CDU/CSU 17157D Wolfgramm (Göttingen) FDP 17161 D Baum, Bundesminister BMI 17165 D Dick, Staatsminister des Freistaates Bayern 17173B Schäfer (Offenburg) SPD 17181 D Schwarz CDU/CSU 17184D Dr. Zumpfort FDP 17186B Volmer CDU/CSU 17188D Frau Dr. Hartenstein SPD 17190B Dr.-Ing. Laermann FDP 17194A Biechele CDU/CSU 17197A Dr. Gruhl fraktionslos 17199B Dr. von Geldern CDU/CSU 17201 C Paterna SPD 17203 D Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zu dem Vertrag vom 17. Juni 1977 zwischen der Bundesrepublik Deutschland und dem Königreich Norwegen über die gegenseitige Anerkennung und Vollstreckung gerichtlicher Entscheidungen und anderer Schuldtitel in Zivil- und Handelssachen — Drucksache 8/3864 — 17205 D Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Ausführung des Vertrages vom 17. Juni 1977 zwischen der Bundesrepublik Deutschland und dem Königreich Norwegen über die gegenseitige Anerkennung und Vollstreckung gerichtlicher Entscheidungen und anderer Schuldtitel in Zivil- und Handelssachen — Drucksache 8/3865 — 17205 D Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zu dem Vertrag vom 20. Juli 1977 zwischen der Bundesrepublik Deutschland und dem Staat Israel über die gegenseitige Anerkennung und Vollstreckung gerichtlicher Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen — Drucksache 8/3866 — 17205 D Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Ausführung des Vertrages vom 20. Juli 1977 zwischen der Bundesrepublik Deutschland und dem Staat Israel über die gegenseitige Anerkennung und Vollstreckung gerichtlicher Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen — Drucksache 8/3867 — 17206A Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zu der in Genf am 13. Mai 1977 unterzeichneten Fassung des Abkommens von Nizza über die internationale Klassifikation von Waren und Dienstleistungen für die Eintragung von Marken — Drucksache 8/3886 — 17206A Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Siebzehnten Gesetzes zur Änderung des Zollgesetzes — Drucksache 8/3870 — 1706A Beratung der Sammelübersicht 65 des Petitionsausschusses über Anträge zu Petitionen — Drucksache 8/3897 — 17206B Beratung der Beschlußempfehlung des Haushaltsausschusses zu der Unterrichtung durch den Bundesminister der Finanzen Überpla unäßige Ausgabe bei Kap. 25 02 Tit. 882 02 — Prämien nach dem Wohnungsbauprämiengesetz — Drucksachen 8/3516, 8/3839 — . . . 17206C Beratung der Beschlußempfehlung des Haushaltsausschusses zu der Unterrichtung durch den Bundesminister der Finanzen Überplanmäßige Ausgabe bei Kap. 60 06 Tit. 686 18 — Beitrag zum Europäischen Ausrichtungs- und Garantiefonds für die Landwirtschaft — Abt. Ausrichtung — zur Abwicklung des Rückvergütungsverfahrens —— Drucksachen 8/3513, 8/3840 — . . 17206C Nächste Sitzung 17206 D Anlage Liste der entschuldigten Abgeordneten . 17207* A 214. Sitzung Bonn, den 24. April 1980 Beginn: 16.00 Uhr
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    Anlage Liste der entschuldigten Abgeordneten Abgeordnete (r) entschuldigt bis einschließlich Dr. Abelein 25. 4. Dr. Ahrens** 25. 4. Dr. van Aerssen* 25. 4. Dr. Aigner * 25. 4. Alber* 25. 4. Dr. Bangemann* 25. 4. Dr. Bardens** 25. 4. Blumenfeld* 25. 4. Böhm (Melsungen) ** 25. 4. Frau von Bothmer** 25. 4. Büchler 25. 4. Büchner (Speyer) ** 25. 4. Conrad 25. 4. Dr. Dollinger 25. 4. Egert 24. 4. Dr. Enders** 25. 4. Dr. Evers** 25. 4. Fellermaier* 25. 4. Flämig* 25. 4. Friedrich (Würzburg) * 25. 4. Dr. Früh * 24. 4. Dr. Fuchs* 25. 4. Dr. George 25. 4. Gertzen 25. 4. Dr. Geßner** 25. 4. Handlos** 25. 4. Hansen 25. 4. Höffkes 25. 4. * für die Teilnahme an Sitzungen des Europäischen Parlaments ** für die Teilnahme an Sitzungen der Parlamentarischen Versammlung des Europarates Anlage zum Stenographischen Bericht Abgeordnete (r) entschuldigt bis einschließlich Dr. Holtz ** 25. 4. Katzer 25. 4. Kittelmann** 24. 4. Dr. Klepsch 25. 4. Lagershausen** 25. 4. Lampersbach 24. 4. Lange* 24. 4. Lemmrich** 25. 4. Lenzer** 25. 4. Dr. Luda 25. 4. Luster * 24. 4. Marquardt** 24. 4. Dr. Marx 25. 4. Matthöfer 25. 4. Mattick** 25. 4. Dr. Mende** 25. 4. Dr. Müller** 25. 4. Pawelczyk** 25. 4. Reddemann** 25. 4. Russe 24. 4. Dr. Schäuble** 25. 4. Scheffler** 25. 4. Frau Schleicher* 25. 4. Schmidt (Wattenscheid) 25. 4. Schmidt (Würgendorf) ** 25. 4. Dr. Schwencke (Nienburg) * 25. 4. Seefeld* 25. 4. Sieglerschmidt* 25. 4. Sybertz 25. 4. Tönjes 25. 4. Frau Tübler 25. 4. Dr. Vohrer** 25. 4. Frau Dr. Walz 25. 4. Wawrzik* 25. 4. Wischnewski 25. 4. Zebisch 25. 4.
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    Rede von Klaus Konrad


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (SPD)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)

    Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Die Bundesregierung trifft in ihren einleitenden Bemerkungen in der Antwort auf die Große Anfrage der Koalitionsfraktionen zur Umweltpolitik folgende Feststellung:
    Die von allen Fraktionen des Deutschen Bundestages getragene Umweltpolitik hat sich bewährt. Die durchgeführten und eingeleiteten Maßnahmen zeigen mehr und mehr ihren Erfolg. Bei gestiegener Produktionstätigkeit und gestiegenem Komsum, insbesondere auch einer erheblichen Zunahme der Kraftfahrzeuge, konnten in zahlreichen Bereichen Verbesserungen erzielt werden. Im übrigen konnte eine Verschlechterung verhindert werden.
    Diese berechtigte und in elf Einzelantworten begründete Beurteilung kann sich auf den Unterabschnitt „zusammenfassende Bewertung" im Umweltgutachten 1978 des Rates von Sachverständigen für Umweltfragen stützen.
    Dabei ist nicht zu verkennen, daß eine formale Bewertung des Gesamtzustands unserer Umwelt mit Hilfe von Sozialindikatoren auf große Schwierigkeiten stößt, wenn nicht sogar unmöglich ist. Aber für Teilbereiche ist sie wissenschaftlich abgesichert und deshalb möglich.
    Die Bundesregierung hat für die herkömmlichen Umweltbereiche entsprechend den ihr gestellten Fragen mit anerkennenswerter Offenheit die Probleme behandelt, die Gesetze erwähnt, die Programme erläutert und das Zahlenwerk vorgelegt, das die beträchtlichen Mittel ausweist, die die öffentliche Hand, die Wirtschaft und nicht zuletzt die mit Kosten belasteten Verbraucher und Benutzer zur Verbesserung der Umweltqualität ausgegeben haben.
    Hervorzuheben ist: Nichts ist beschönigt, nichts verniedlicht worden. Wo Erfolge, insbesondere als Dauerlösungen, zu verzeichnen waren, ist das Erreichte auch als Erfolg bezeichnet worden. Das ist gut und richtig; denn es scheint Mode geworden zu sein, in der Umweltdiskussion nur dann von Sachverstand zu sprechen, wenn der Gegenwart Zweifel und Pessimismus entgegengebracht und Fernziele als unabdingbare Tagesforderungen eingebracht werden. Dem Bürger, dessen Umweltbewußtsein erfreulich gewachsen ist und der, wie Umfrageergebnisse zeigen, mehr als früher zu Opfern an Geld und Bequemlichkeit für eine bessere Umwelt bereit ist, ist dagegen an sachlicher Information in verständlicher Sprache gelegen.
    Zwar wird ihn an der Anzeigenserie der Bundesregierung aus dem Vorjahr mehr die gefällige Darstellung der heilen Welt erfreut als die Sachaussage im Text überzeugt haben; aber bei gerechter Abwägung des Zustands unserer Umwelt im Jahre 1969 gegen den des Jahres 1980 wird auch der kritische Bürger nicht geringschätzig vom „Nachbeten der Leistungsbilanz der Bundesregierung" sprechen, wenn ihm Politiker verantwortungsbewußt erläutern, was zum Schutz und zur Sicherung der Lebensgrundlagen geschehen ist und noch geschehen muß.
    Es darf und wird die Bundesregierung — und hier den mit der umfangreichsten Zuständigkeit ausgestatteten Bundesminister des Innern — mit Befriedigung und Stolz erfüllen, daß das Umweltprogramm vom 29. September 1971 noch immer die richtungsweisende Grundlage der Umweltpolitik in der Bundesrepublik Deutschland ist. Unter Einbeziehung seines Vorläufers, des Sofortprogramms Umweltschutz vom 17. Dezember 1970 und seiner Fortschreibung vom 14. Juli 1976, die als „Umweltbericht '76" erschienen ist, läßt sich sagen, daß die Umweltpolitik zu einem eigenständigen Politikbereich geworden ist. Auch die vier Regierungserklärungen der Bundeskanzler Brandt und Schmidt machen dies deutlich. Aber vielleicht hat der Deutsche Bundestag doch versäumt, sich öfter mit Grundlagen, Ergebnissen und Perspektiven der Umweltpolitik zu befassen.
    In der 6. und 7. Wahlperiode ist bis auf das jetzt in der Beratung befindliche Chemikaliengesetz das Gesetzgebungsprogramm der Bundesregierung vollständig und recht zügig erfüllt worden. Die Aussprachen bei der Einbringung und Verabschiedung waren aber sehr eng an den Beratungsgegenstand angelehnt und wegen der meist vorhandenen Übereinstimmung unter den Fraktionen verhältnismäßig kurz. Umweltschützer aller Fraktionen scheinen nicht frei von selbstkritischer Einsicht zu sein. Weil sich bei weitgehend gleichen Ansichten Wiederholungen in den Reden nicht immer vermeiden lassen, wollten sie sich wenigstens nicht dem Vorwurf aussetzen, die Kollegen allzusehr zu ermüden. Diese Rücksicht, den Beratungen dienlich, war aus heutiger Sicht nicht unbedingt von Vorteil für die Darstellung der guten Sache, über die man eben auch reden soll. Aber grundsätzliche Aussprachen hat es seit der „Umweltpremiere" des Deutschen Bundestages am 3. Dezember 197 1 nicht mehr gegeben. Das war ein Grund mehr für die Koalitionsfraktionen, mit ihrer Großen Anfrage einen Anlaß zur Rückschau, Bestandsaufnahme und Vorschau zu geben. Wir begrüßen auch die Möglichkeit des parlamentarischen Gedankenaustausches mit der Opposition.
    An zwei Tatsachen soll dabei nicht gerüttelt werden. Es hat schon vor der sozialliberalen Koalition Gesetze zum Schutz der Umwelt gegeben. Die Gewerbeordnung z. B. war für genehmigungsbedürftige Anlagen maßgebend, bis sie insoweit vom Bundesimmissionsschutzgesetz abgelöst wurde. Die Wassergesetze der deutschen Länder, allen voran das Preußische Wassergesetz von 1916, waren die Vorläufer des Wasserhaushaltsgesetzes. Aber diese und andere Regelungen standen nebeneinander,



    Konrad
    waren nicht aufeinander abgestimmt und nicht Teile einer umfassenden Konzeption.
    Das ist seit 1969 anders geworden. Die bereits erwähnten Programme haben dem Schutz der Naturgrundlagen unter Berücksichtigung des Verursacherprinzips, der stärkeren Betonung des Vorsorgeprinzips und in jüngster Zeit der Entwicklung des Kooperationsprinzips den gleichen Rang wie anderen großen öffentlichen Aufgaben gegeben. Von dem damit erreichten Stand aus ist es begreiflich, daß sich eine bis heute ergebnislose Diskussion darüber entwickeln konnte, ob ein — wahrscheinlich nicht praktikables und deshalb unzweckmäßiges — Grundrecht auf Umweltschutz geschaffen oder der Umweltschutz wenigstens als „Staatszielbestimmung" im Grundgesetz verankert werden sollte. Das könnte positive Wirkungen für die Umweltpolitik haben.
    Die einstimmige oder fast einmütige Verabschiedung der Umweltschutzgesetze bei einem nicht sehr großen, aber auch nicht völlig bedeutungslosen Bodensatz an nicht erzielten Einigungen ist die zweite Tatsache. Sie ist ein überzeugender Beweis dafür, daß im Deutschen Bundestag auf einem anerkannt schwierigen politischen Feld über ein Jahrzehnt hinweg weitgehende Übereinstimmung zwischen Koalition und Opposition erzielt und erhalten werden konnte. Bis zum Beweis des Gegenteils lasse ich die Frage offen, ob diese der Sache so dienliche Gemeinsamkeit an die Person des Kollegen Dr. Gruhl gebunden war, was die bedauerliche Schlußfolgerung unausweichlich machen würde, daß er beim Verlassen der CDU/CSU-Fraktion den oppositionellen Umweltsachverstand in seine grüne Einsiedelei mitgenommen und seine früheren Kollegen ohne guten Hirten der Gefahr ausgesetzt hätte, den Versuchungen jener, allerdings meist südlich-derben Geister, die stets verneinen, zu erliegen.

    (Zuruf von der CDU/CSU: Was soll das? — Weitere Zurufe von der CDU/CSU)

    Anders ausgedrückt: Die bis auf einige — allerdings bedeutsame — Ausnahmen in der Vergangenheit bewiesene Bereitschaft der Opposition, beim Umweltschutz mit den Regierungsparteien gemeinsam die Gesetze zu verabschieden und die Programme zu tragen, wird anerkannt. Wird sie auch in Zukunft noch vorhanden sein?
    Ein Prüfstein könnte bereits mit dem Verkehrslärmschutzgesetz ins Haus stehen. Noch vor wenigen Wochen hat sich bei seiner Verabschiedung die CDU/CSU-Fraktion ihrer Verdienste um dieses bedeutsame Umweltschutzgesetz berühmt. Wer vermutete, daß im Bundesrat mit der Zustimmung der unionsgeführten Länder gerechnet werden dürfe, ist enttäuscht worden. Das mit der Mehrheit der CDU/ CSU-Länder im Bundesrat beschlossene Vermittlungsbegehren stellt jetzt die Bundestagsfraktion derselben Parteien vor die Entscheidung, vor allem die für die Gesundheit der Bürger unvertretbare Verschlechterung durch die Erhöhung der Lärmgrenzwerte um 3 Dezibel (A) zurückzuweisen. Sollte dieses Gesetz im Vermittlungsverfahren scheitern, so können sich die Kollegen der CDU/CSU-Fraktion mit ihren Freunden in den Bundesländern parteiintern streiten, wer nach wohltönenden Lippenbekenntnissen die Verantwortung dafür trägt, daß trotz vorwurfsvoller Mahnung des Bundesverwaltungsgerichts der Gesetzgeber seiner Pflicht nicht nachkommen konnte. Für die Bevölkerung steht fest, daß dieses Versagen den Unionsparteien anzulasten ist.
    Nicht nur in der Gesetzgebung sind Bund und Länder aufeinander angewiesen. Mindestens in gleichem Umfang gilt dies für den Vollzug aller dem Umweltschutz dienenden Vorschriften, zu denen auch die Gesetze, Verordnungen und Verwaltungsvorschriften der Länder gehören.
    Als der Rat von Sachverständigen für Umweltfragen im Umweltgutachten 1974 die Probleme unter dem Begriff „Vollzugsdefizit" angesprochen hatte, setzte eine lebhafte Diskussion ein, in der einerseits der Begriff zur billigen Worthülse zu verkümmern drohte, andererseits aber verschiedene Untersuchungen zu einer genaueren und zurückhaltenderen Betrachtungsweise führten. Aus verständlichen Gründen hat die Bundesregierung in ihrer Antwort eine Aufzählung der Koordinierungsmöglichkeiten von der Umweltministerkonferenz bis zu den Ausschüssen und Arbeitsgemeinschaften auf der Ebene der Länder bevorzugt, statt auf das gelegentlich schwierige und zeitraubende Verfahren gegenseitiger Abstimmung zu verweisen, das sich gewiß verbessern ließe. Doch soll aus der Sicht des Bundestages gern anerkannt werden, daß wir in verschiedenen Gesetzgebungsverfahren Nutzen aus der bereitwilligen Mitarbeit der Länderarbeitsgemeinschaften und des in ihnen konzentrierten Sachverstandes haben ziehen können.
    Deshalb will ich unter Bezugnahme auf das Umweltgutachten 1978 auch ein Wort sagen, das sowohl an die eigene Adresse des Bundestages als auch an die der Länder gerichtet ist. Die Gesetzgebungsorgane dürfen in den Gesetzen die Ziele nicht mit jenem Absolutheitsanspruch formulieren, der zu Konflikten mit anderen Gesetzen oder Politikbereichen führt. Die Gesetze sollten eine Struktur haben, die sie für ausführende Behörden durchschaubar und nachvollziehbar macht; aber niemals sollten die Gesetze mit Konflikten behaftet sein, deren Lösung den ausführenden Verwaltungsbehörden aufgebürdet wäre.
    Der Sachverständigenrat erinnert an die Selbstverständlichkeit, daß Zielkonflikte in den politischen Lenkungsorganen auszutragen sind. Dazu bedarf es im Verhältnis Bund/Länder eines Mindestmaßes an Vertrauen und Kompromißbereitschaft, die in der Vergangenheit durchaus vorhanden waren.
    An dieser Stelle möchte ich darauf hinweisen, daß die Kommission für Umweltfragen der Interparlamentarischen Arbeitsgemeinschaft seit drei Jahrzehnten in der Stille eine Arbeit leistet, die als Beitrag zur guten Zusammenarbeit zwischen Bund und Ländern angesehen werden kann. Gesetzesinitiativen aus dieser Kommission wie Altölgesetz und Fluglärmgesetz sind zwar nicht mehr zu verzeichnen, aber die Kollegen aus diesem Haus und aus den Landtagen sind jetzt sehr bemüht, ihre Erfahrungen



    Konrad
    beim Vollzug der Umweltgesetze auszutauschen und die Landesgesetzgebung mit Anregungen zu versehen. Eine bessere Beteiligung der Kollegen aus diesem Hause wäre für die 9. Wahlperiode zu wünschen.
    Die Darstellung der Bundesregierung über die Auswirkungen des Bundes-Immissionsge setz es und der mit ihm im Zusammenhang stehenden Programme weist überzeugend nach, was zur Reinhaltung der Luft und zur Verminderung der Lärmbelästigung unternommen werden konnte. Es kann nicht Sinn dieser Aussprache sein, das Zahlenmaterial im einzelnen zu wiederholen. Wenn aber die Im-missionswerte der Technischen Anleitung zur Reinhaltung der Luft für Schwefeldioxyd, Stickstoffoxyde, Kohlenmonoxyd im wesentlichen eingehalten und bei Staubniederschlag beachtliche Verbesserungen in den Ballungsgebieten, insbesondere im Ruhrgebiet, nachgewiesen werden, ist das ein Erfolg, an dem gesetzgeberische Maßnahmen, Überwachung und die planmäßig geförderten Forschungs- und Entwicklungsvorhaben gleichermaßen beteiligt sind. Allerdings darf es nicht zu einem Stillstand kommen. Wie die Bundesregierung zutreffend hervorhebt, ist bei den produktbezogenen Maßnahmen z. B. eine Herabsetzung der Emissionen von Kraftfahrzeugen dringlich, um die bisher im Sinne des Umweltprogramms 1971 erreichte Absenkung der Grenzwerte fortzusetzen. Leider gehen die Verhandlungen in der Europäischen Gemeinschaft nur schleppend voran, obwohl die Erfahrungen in Schweden, Japan und in den USA zeigen, daß verschärfte Werte eingehalten werden können.
    Schon in naher Zukunft werden gebietsgezogene Maßnahmen zur besseren Luftreinhaltung erhöhte Aufmerksamkeit beanspruchen. Die großräumige Immissionsbelastung nimmt zu und ist Gegenstand internationaler Verhandlungen geworden, die im November 1979 zum Abschluß einer Konvention im Rahmen der Wirtschaftskommission der Vereinten Nationen für Europa, ECE, zu ihrer Eindämmung geführt haben.
    Der besonderen Sorge für die Belastungsgebiete entspringt das Altanlagenprogramm des Bundes mit Zuwendungen von 560 Millionen DM in den Jahren 1979 und 1980. Der Stand der Technik zur Emissionsverminderung soll durch den Bau von Demonstrationsanlagen im großtechnischen Maßstab verbessert werden.
    Ob die von der Bundesregierung vorgelegte Novelle zum Bundes-Immissionsschutzgesetz der richtige Weg zur Sanierung der Belastungsgebiete und weitgehenden Erhaltung der nichtbelasteten Gebiete ist, kann nach dem Ergebnis einer umfangreichen Anhörung nicht mit Sicherheit gesagt werden. Da aber die Vorschläge des Bundesrates ebenso massiv kritisiert worden sind, ist die gesetzgeberische Lösung des Problems sehr schwierig und bedarf noch gründlicher Überlegung.
    Dabei darf aber nicht in Vergessenheit geraten, daß die Technische Anleitung zur Reinhaltung der Luft aus dem Jahre 1974 auf jeden Fall der ergänzenden Überarbeitung bedarf, wenn sie den ihr vom Bundesverwaltungsgericht bestätigten Charakter des vorgezogenen Sachverständigengutachtens behalten soll. Hierauf beruht die seit 1979 gegebene größere Sicherheit in den Genehmigungs- und Verwaltungsgerichtsverfahren.
    Der zum Immissionsschutz gehörende Schutz vor Lärmbelästigungen kann am wenigsten durch Gesetze, Verordnungen und Verwaltungsvorschriften allein gewährt werden. Doch selbst unsere heute großzügig bemessene Beratungszeit erlaubt nicht, darüber zu reden, wieviel Lärmbelästigung und damit Ärger, Verfeindung und Krankheit, bis hin zum seelischen Leid, schon durch mehr gegenseitige Rücksicht vermieden werden könnten. Der Verkehrslärm wird nach den Ergebnissen von Umfragen und Gesprächen im kleinsten Kreis als das größte Ubel angesehen. Aber ganz dürfen die ortsfesten Lärmquellen auch nicht aus dem Blick verloren werden.
    Der Verkehrslärm wird dieses Haus erneut beschäftigen, wenn der Fluglärmbericht und die Ergebnisse des Vermittlungsausschusses zum Straßenverkehrslärmschutzgesetz beraten werden. Das Gesetz zum Schutz gegen den Fluglärm vom 30. März 1971 war das erste nach 1969 verabschiedete Umweltschutzgesetz. Seine Durchführung, der die Bundesregierung anerkennenswerterweise hohe Priorität eingeräumt hat, hat in der Umgebung von Flughäfen und teilweise auch von militärischen Flugplätzen Erleichterungen gebracht. Die aus der Erfahrung gewonnenen Erkenntnisse, wo und wie Verbesserungen des Gesetzes möglich sind, sollten baldmöglichst in einem Änderungsgesetz ihren Niederschlag finden.
    Ganz allgemein macht die Antwort der Bundesregierung deutlich, daß die Bekämpfung des Lärms an der Quelle der beste Ansatzpunkt wäre, daß aber der Verkehrslärm ebenso der Eindämmung durch raumordnende und insbesondere durch verkehrslenkende und verkehrsordnende Maßnahmen bedarf. An die Vorschrift des § 50 des Bundes-Immissionsschutzgesetzes wäre hier zu erinnern, um einmal die Gabe der Voraussicht des Gesetzgebers zu erwähnen. Die Bundesregierung kann auf unsere Unterstützung bei der zügigen und nachdrücklichen Durchführung des Aktionsprogramms „Lärmbekämpfung" vom 3. Oktober 1979 rechnen.
    Der Gewässerschutz, von der Bundesregierung im Umweltprogramm 1971 zu einem Schwerpunkt der Umweltpolitik erklärt, ist im vergangenen Jahrzehnt wirksamer geworden. Wenn ich ein persönliches Urteil abgeben darf, so möchte ich diesem Umweltbereich den größten Fortschritt zubilligen. Die Bundesregierung hat in ihrer Antwort auf die Frage 9 der Koalitionsfraktionen den Stand der Gesetzgebung, die hier besonders aufwendigen Finanzierungshilfen des Bundes und der Länder — ich nenne das Rhein/Bodensee-Sanierungsprogramm mit einem Investitionsvolumen von mehr als 3 Milliarden DM, die Gemeinschaftsaufgabe „Verbesserung der Agrarstruktur und des Küstenschutzes", das Programm „Wasserwirtschaftliche Zukunftssorge" und die zinsgünstigen Kredite im Rahmen des ERP-Sondervermögens — und die nicht zu leugnenden Erfolge in einer anhaltend positiven Entwicklung ein-



    Konrad
    drucksvoll vermittelt. Auf der Grundlage des vorhandenen Instrumentariums ist die ergänzende Gesetzgebung der Länder möglich, allerdings auch dringend nötig. Die auf die Rahmengesetzgebung beschränkte Kompetenz des Bundes gibt der engen Zusammenarbeit mit den Ländern schon im Bereich der Gesetzgebung und selbstverständlich auch im Vollzug einen besonderen Stellenwert.
    Hier ist nun auf die im Interesse des Gewässerschutzes nur als unverständlich zu bezeichnende Haltung einiger Bundesländer einzugehen, die seit etwa eineinhalb Jahren zum Kampf gegen das Abwasserabgabengesetz von 1976 angetreten sind.

    (Dr. Schäfer [Tübingen] [SPD]: Dem sie zugestimmt hatten!)

    Obwohl dieses Gesetz nach fast einmütiger Verabschiedung durch den Bundestag die Zustimmung des Bundesrates gefunden hatte, liegt nach längerem Vorgeplänkel, auf das ich nicht eingehen will, jetzt ein Gesetzentwurf der Länder Bayern, Niedersachsen und Schleswig-Holstein beim Bundesrat vor. Mit ihm sollen wichtige Teile des Abwasserabgabengesetzes verändert oder gestrichen werden.

    (Ey [CDU/CSU]: Verbessert werden!)

    Dieser Entwurf bedeutet nicht nur für das am 1. Januar 1981 wirksam werdende Abwasserabgabengesetz, sondern für das gesamte Gesetzgebungswerk zum Gewässerschutz die Gefahr eines schweren Rückschlages, denn Wasserhaushaltsgesetz und Wasserabgabengesetz sind eng miteinander verzahnt. Die Eingriffsmöglichkeiten des Wasserhaushaltsgesetzes werden durch die marktwirtschaftlich ausgerichteten Abgaberegelungen des Abwasserabgabengesetzes zunächst maßvoll steigend, aber von Anfang an wirkungsvoll ergänzt.
    Die Argumente der drei Bundesländer, die in der Vergangenheit auch von Baden-Württemberg gebraucht wurden, gehen am Inhalt und am Sinn des Gesetzes vorbei. Vordergründig wird auf die ohnehin fleißig geschürte Bürokratieunwilligkeit der Bürger abgehoben. Dabei ist offenkundig, daß der behauptete Verwaltungsaufwand bei der Erhebung der Abwasserabgabe sich durch die Anknüpfung an das Wasserhaushaltsgesetz in der Form der Bescheidlösung erklärt. Die Kritik am Meßverfahren, das Ziel der Streichung von absetzbaren Stoffen und Fischgiftigkeit als Berechnungsgröße müssen um so mehr als ungerechtfertigt bezeichnet werden, als das Abwasserabgabengesetz in den Beratungen der Jahre 1975 und 1976 ständig vereinfacht und den Wünschen der Bundesländer angepaßt worden ist. Unerfindlich bleibt, warum weder das „Nordlicht" noch das „Kreuz des Südens" die zuständigen Ministerien der drei den Gesetzentwurf tragenden Länder erleuchten konnte, rechtzeitig eine Gesetzgebung für ihre Landtage vorzubereiten, wie das Land Nordrhein-Westfalen sie bereits abgeschlossen hat.

    (Dr. Schäfer [Tübingen] [SPD]: In NordrheinWestfalen einstimmig!)

    Es ist bekannt, daß nicht nur durch Industrieunternehmen, sondern vereinzelt auch im kommunalen Bereich das Abwasserabgabengesetz bereits bei den Investitionen zur Reinhaltung der Gewässer berücksichtigt worden ist. Nach dem Willen der Bundesländer Bayern, Niedersachsen und Schleswig-Holstein sollen nun aber diejenigen, die auf den Bestand eines von allen Fraktionen des Deutschen Bundestages und vom Bundesrat verabschiedeten Gesetzes vertraut haben, enttäuscht und dafür die Säumigen belohnt werden. Ein solches Verhalten zeigt deutlich, daß die Umweltpolitik bei der CSU und Teilen der CDU nicht in den richtigen Händen liegt und nicht mit der gebotenen Gewissenhaftigkeit gemacht wird.

    (Beifall bei der SPD und der FDP — Ey [CDU/CSU]: Und der SPD-regierten Länder!)

    Der Gewässerschutz

    (Schwarz [CDU/CSU]: Bremen soll mal seine Kläranlage bauen!)

    wirft zunehmend Probleme im innerdeutschen Verhältnis und in der internationalen Zusammenarbeit auf. Die Versalzung von Werra und Weser, die nicht auf Einleitungen aus der Bundesrepublik Deutschland zurückzuführen ist, muß einer diese Flüsse nachhaltig entlastenden Lösung zugeführt werden. Das gilt auch für die Verringerung der Salzbelastung des Rheins. So erfreulich es ist, daß das Chemieabkommen von den Anrainerstaaten in Kraft gesetzt wurde, so bedauerlich bleibt, daß Frankreich das 1976 unterzeichnete Übereinkommen zum Schutze des Rheins gegen Verunreinigung durch Chloride noch nicht ratifiziert hat.

    (Zuruf von der CDU/CSU)

    Auch an der Mosel und ihren Nebenflüssen sind verstärkt Sorgen über die anhaltende Verunreinigung grenzüberschreitender Flüsse aufgetreten. Im Interesse der Bevölkerung wird die Bundesregierung gebeten, die Arbeiten an einem Wärmelastplan und an einem Sanierungskonzept voranzutreiben.
    Was die Bundesregierung zum internationalen Aspekt des Gewässerschutzes sowie zur allgemeinen Umweltschutzpolitik der Europäischen Gemeinschaft und der Vereinten Nationen ausgeführt hat, gibt einen zum Nachdenken zwingenden Überblick über den unterschiedlichen Stand in manchen Staaten und auch über den unterschiedlichen Willen zu einer durchgreifenden Umweltpolitik. Es muß wohl festgestellt werden, daß trotz der Aktionsprogramme und der Richtlinien der Europäischen Gemeinschaft der Umweltschutz in ihr nur zurückhaltend behandelt wird. Die Umsetzung der von der EG erlassenen Regelungen in nationales Recht macht oft nicht geringe Schwierigkeiten. Der Bundesregierung kann bestätigt werden, daß sie vor dem Erlaß von EG-Regelungen die aus den Beratungen des Innenausschusses entwickelten Anregungen häufig aufgenommen hat. Aber insgesamt ist im Hinblick auf die Beteiligung und Verantwortung des Deutschen Bundestages bei allem, was auf supranationaler und internationaler Ebene auf dem Gebiet des Umweltschutzes geschieht oder nicht geschieht, ein Gefühl des Unbehagens nicht zu unterdrükken.



    Konrad
    Ein kurzes Wort noch zu der Auswirkung der Umweltpolitik auf die wirtschaftliche Entwicklung. Die Diskussion darüber, ob und welche Auswirkung der Umweltschutz auf den Arbeitsmarkt hat, ist seit der Vorlage mehrerer Studien entschärft. Sie wird aber ebenso wie die Diskussion über die internationale Wettbewerbsfähigkeit der Bundesrepublik Deutschland unter Umweltgesichtspunkten weitergehen. Es mag stark vereinfacht klingen, was ich jetzt sage; ich hoffe dennoch, den Kern der Sache zu treffen. Die Bundesrepublik Deutschland ist ein dichtbesiedeltes und nicht sehr großes Land mit stark entwickelter Industrie. Umweltbelastungen, die sich zu Umweltschäden entwickeln können, treffen unsere Bürger härter als die anderer Staaten. Zum Schutze ihrer Gesundheit und ihres Lebens, zur Erhaltung unserer natürlichen Lebensräume können wir auf einen wirksamen Umweltschutz nicht verzichten. Diese Aufgabe wird auch von den Gewerkschaften im Interesse der Arbeitnehmer richtig gesehen.
    Von einer auf die Spitze getriebenen Alternative „Ökologie oder Ökonomie" ist kein Gewinn für Lösungen der unumgänglichen Zielkonflikte zwischen wirtschaftlicher Entwicklung und Umweltschutz zu erwarten. Die SPD hat in der siebenten ihrer Thesen zur Umweltpolitik, die auf dem Berliner Parteitag im Dezember 1979 beschlossen wurden, sich darauf festgelegt, Umweltgesichtspunkte überall, besonders aber bei allen öffentlichen und privaten Investitionsentscheidungen, im Gesamtbereich der gesellschaftsbezogenen Forschung und in der Arbeitswelt einzubeziehen. Die Antwort der Bundesregierung läßt erkennen, daß sie ebenso denkt. So läßt sich auch aus der Antwort auf die Frage 3 ein Ansatz zu einem ökologisch-ökonomischen Gesamtkonzept entwickeln.
    Die Opposition hat zur Aussprache über die Große Anfrage einen Entschließungsantrag vorgelegt. Sich mit ihm trotz der langen schriftlichen Begründung eingehend zu beschäftigen, ehe ein Kollege der CDU/CSU-Fraktion dazu gesprochen hat, wäre kein guter Stil. In Teilen verdient er Dank, weil er auf seine Weise aufnimmt, manchmal auch fordert, was in den mehrfach erwähnten Programmen der Bundesregierung steht oder verwirklicht ist. Wie wahr, daß Verkehrslärm die Menschen in Stadt und Landbelastet! Ebenso wahr, daß das Verkehrslärmschutzgesetz in der Substanz verschlechtert werden soll und zu scheitern droht. Antrag und Wirklichkeit!
    Andere Teile des Antrags mit Begründung sind wohl nur als Wahlkampfmunition einzuordnen. „Die Flucht von Parlament und Regierung in Leerformeln", wie zu lesen ist, ist doch hoffentlich umfassend gemeint und soll die Opposition nicht vom Gebrauch ihrer so geliebten Leerformeln ausschließen. In dieser Form ist der Oppositionsantrag eher eine Belastung als eine Hilfe für die Aussprache und für künftige Zusammenarbeit im Umweltschutz. Da hilft es nicht, daß die Antragsbegründung vom „grundsätzlichen Konsens zwischen den Fraktionen in der Zielsetzung" des Umweltschutzes spricht, den es zu bewahren gelte.
    Meine Aufgabe war es, unter Einbeziehung des Immissions- und des Gewässerschutzes einige übergreifende Gesichtspunkte aus der Großen Anfrage der Koalitonsfraktionen und der Antwort der Bundesregierung für die SPD-Fraktion im Bundestag zu behandeln. Dabei waren so wichtige Einzelprobleme wie z. B. die Emissionen von Kohleveredelungsanlagen oder das Verbot von Fluorchlorkohlenwasserstoff als Treibgas in den Einzelheiten auszuscheiden. Sie sind in ihrer Bedeutung erkannt, meist in der Vergangenheit behandelt oder werden aufgegriffen, wenn sich eine aktuelle Notwendigkeit ergibt. Die weiteren Redner der SPD-Fraktion werden die von mir überhaupt nicht angesprochenen Fragen in ihre Beiträge einbeziehen.

    (Zuruf von der CDU/CSU: Das ist aber nicht mehr viel!)

    Mir bleibt nur noch, der Bundesregierung und dabei vor allem dem für die Antwort zuständigen Bundesminister des Innern namens der SPD-Bundestagsfraktion herzlich zu danken. Der Dank gilt auch seinen mit der Abfassung beauftragten Mitarbeitern. Die Anfrage und die Antwort sind hervorragend geeignet, der interessierten Öffentlichkeit ein zutreffendes Bild der Umweltschutzpolitik zu vermitteln,

    (Zuruf von der CDU/CSU: Das ist Eigenlob, Herr Konrad!)

    für die die Bundesregierung und die Koalitionsparteien SPD und FDP die Verantwortung tragen. Weil wir Sozialdemokraten diese Umweltpolitik zum Nutzen der Bürger in der Bundesrepublik Deutschland trotz einiger Einschränkungen und Wünsche für gut und richtig halten, gilt unser Dank den Bundesregierungen seit 1969, die sie eingeleitet und gemäß unserem Grundgesetz in fruchtbarer Zusammenarbeit mit vielen durchgesetzt haben.

    (Beifall bei der SPD und der FDP)



Rede von Dr. Annemarie Renger
  • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (SPD)
  • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)
Das Wort hat der Abgeordnete Dr. Riesenhuber.

  • insert_commentNächste Rede als Kontext
    Rede von Dr. Heinz Riesenhuber


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (CDU/CSU)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CDU)

    Frau Präsident! Meine Damen und Herren! Der Kollege Konrad hat darauf hingewiesen, daß heute die Gelegenheit besteht, Grundlagen und Perspektiven der Umweltdiskussion zu debattieren. Genau dies ist unsere Aufgabe. Es ist insbesondere in dieser Eröffnungsrunde nicht unsere Aufgabe, uns in der Vielfalt der Einzelheiten, auch der technokratischen Einzelheiten, zu verlieren; sondern es ist die Aufgabe, die Grundsätze, aus denen heraus wir Umweltpolitik anlegen wollen, darzulegen und gegebenenfalls auch streitig zu besprechen.
    Die Regierungsfraktionen haben ihre Große Anfrage zur Umweltpolitik eingebracht, nachdem die Grünen ins Parlament in Bremen eingezogen waren. Aber die Umweltpolitik hat nicht mit den Grünen begonnen, und die Umweltpolitik hat auch nicht mit der Koalition begonnen. Die Umweltpolitik hat in Deutschland eine große Tradition. Sie geht zurück auf das Engagement der Jäger, der Wanderer, der Naturfreunde, der Gebirgsvereine zum Schutz von Wäldern und Landschaft und Tieren. Sie hat eine



    Dr. Riesenhuber
    zweite Tradition im verantwortlichen Umgang der Techniker mit der Technik, ausgeprägt in den VDI- Richtlinien, ausgeprägt in der technischen Überwachung.
    Diese beiden Traditionen sind in einem gemeinsamen umweltpolitischen Konzept zusammengeflossen, das sich seit den 50er Jahren in einer Fülle von Einzelgesetzen in den Ländern und im Bund ausgeprägt hat: im Wasserhaushaltsgesetz, in den Gesetzen zum Strahlenschutz in Bayern und Schleswig-Holstein, in den Gesetzen über die friedliche Nutzung der Kernenergie und zum Schutz gegen ihre Gefahren.
    Die Umweltpolitik hat in den 60er Jahren diese Arbeit weitergeführt in einer stetigen Kontinuität nach dem Maß der Entwicklung unseres Wissens über die Probleme. Sie hat die Gesetzeswerke ausgebaut zur Einhaltung von Wasser und Luft, zum Schutz vor Lärm, zu Altöl, Detergentien und Kunstdüngemitteln.
    Der Umweltschutz hat eine neue Dimension gewonnen zu Beginn der 70er Jahre. Aber dies war keine Frage eines Regierungswechsels, dies war das Aufbrechen einer weltweiten Diskussion über die Grenzen des Wachstums, eine Diskussion über die Frage, ob wir mit Wirtschaft und Technik unsere Natur nicht überfordern bis hin zu einer möglichen Katastrophe. Seit Beginn der Industrialisierung war es die unausgesprochene Grundannahme, daß Natur unerschöpflich sei, daß nur die Arbeit des Menschen, seine Erfindungskraft, Kapital und auch unsere Fähigkeit, Krisen zu vermeiden, das Maß des wirtschaftlichen Fortschritts bestimmten. In den Computermodellen des Club of Rome wurde offenkundig, was längst schon sich angedeutet hatte: Bei exponentiell wachsender Weltbevölkerung können wir Grenzen erreichen, die bei Strafe einer Katastrophe nicht ignoriert werden dürfen, bei Energieträgern, bei Rohstoffen, bei Nahrungsmitteln und schließlich bei der Belastung der Umwelt.
    In seiner Botschaft zur Lage der Nation hat Präsident Nixon zum erstenmal die weltweite Dimension dieser Probleme in die Umweltdebatte eingeführt. Nicht mehr die Heilung einzelner Schäden ist die Aufgabe, sondern die umfassende Herausforderung moderner Industriegesellschaften ist zu erkennen, eine Umweltpolitik zu betreiben in einer verletzlichen und begrenzten Welt. Und es ist wahr, was Robert Spaemann aus theologischer Sicht sagte: „Wir haben unsere Handlungen vor künftigen Generationen zu verantworten.' Dies ist ein Maßstab unserer Arbeit.
    Wir haben heute noch alle Möglichkeiten, dieser Verantwortung gerecht zu werden. Technische Kenntnisse — aber Techniken können verloren werden; dies ist etwas, was wir gerade bei der Kernenergie erfahren könnten —, ebenso wie Kapital und Organisationskraft, dies alles bei einem gewachsenen Umweltbewußtsein in der Bevölkerung. Denn dies ist ein Element von Hoffnung und ein Element von Chance in den sogenannten überraschungsfreien Szenarien der Theoretiker. Nicht nur die Krise ist möglich. Es ist auch möglich, durch den schonenden Umgang mit gefährdeten Ressourcen, durch Erfindungsgeist und Innovation, durch Tatkraft, durch verantwortlichen Umgang mit der Technik die Grenzen des Wachstums hinauszuschieben, eine neue Zukunft zu eröffnen. Wir können und wir müssen knapper werdende Rohstoffe durch reichlicher vorhandene ersetzen, neue langlebige Produkte entwickeln, kostbare Güter aus Abfall und Abwärme zurückgewinnen, neue umweltschonende Techniken, neue Energieträger entwickeln. Dies sind die Chancen. Dies aber bedeutet, daß wir Technik und eine stets bessere Technik brauchen und daß die Antwort nicht sein kann ein Rückzug in die Idylle und eine Flucht vor den Tatsachen, eine Flucht vor den Notwendigkeiten unserer Industriewelt.
    In dieser Lage haben die Kritiker uns drei grund-_ legende Fragen an die Politik vorgelegt: Ist weiteres Wachstum der Wirtschaft vertretbar; kann Marktwirtschaft, auch Soziale Marktwirtschaft, unsere Probleme lösen, kann sie die kommenden Gefährdungen bewältigen; ist Demokratie imstande, die Opfer zu erzwingen, die auch zur Lösung der Umweltprobleme erbracht werden müssen? Für Deutschland haben wir heute an der Schwelle der 80er Jahre diese Fragen zu diskutieren.
    Wirtschaftswachstum ist kein Ziel an sich, an dieser Stelle sind wir uns alle einig. Wir haben die Zuversicht, daß die Stabilität unserer Demokratie und unserer Freiheit nicht vom Wirtschaftswachstum abhängen. Aber es ist offenkundig, daß bei wachsender Wirtschaft zahlreiche Probleme leichter gelöst werden können, sehr viel leichter. Wir haben heute schon Wechsel gezogen auf die Zukunft in einem Maß wie zu keiner anderen Zeit in der Existenz unserer Republik.

    (Beifall bei der CDU/CSU)

    Wir haben eine Staatsschuld aufgebaut, die in zwei Jahren die gesamte mögliche Neuverschuldung für die Zinslast der alten Schulden braucht. Wir haben dynamische Elemente — und dies ist gut — im System unserer sozialen Sicherungen eingebaut, die unter der heutigen Politik möglicherweise nicht mehr durchgehalten werden können. Wir haben die Notwendigkeit, neue Arbeitsplätze zu schaffen, sowohl für die, deren Arbeitsplätze bei der Umstrukturierung unserer Wirtschaft verlorengehen, als auch für die, die neu in das Berufsleben eintreten. Wir haben die Überbesteuerung unserer Wirtschaft und der Bürger abzubauen, die zu einem Hemmnis der weiteren gesellschaftlichen Entwicklung zu werden droht.

    (Zurufe von der SPD)

    Um diese Probleme anzugehen, brauchen wir in der Tat eine wachsende Wirtschaftskraft. Sie sind nicht unlösbar ohne wachsende Wirtschaft. Aber diskutieren Sie einmal darüber, Herr Kollege, ob die Gewerkschaften damit einverstanden sind, neue Aufgaben durch eine Neuverteilung des Vorhandenen ohne Zuwächse des Bruttosozialprodukts bei Minderung der Arbeitseinkommen hinzunehmen.

    (Beifall bei der CDU/CSU)




    Dr. Riesenhuber
    Meine Damen und Herren, wir werden im Umweltschutz in den kommenden Jahren jährlich hohe Milliardenbeträge aufbringen müssen für Industrieanlagen und kommunale Klärwerke, zur schrittweisen Umstellung von Millionen von Ölheizungen; dies auch aus energiepolitischen Gründen, denn 01 wird knapp. Zu einem erheblichen Teil brauchen wir die Summe, um die Altlasten abzutragen, die wir ererbt haben. In der Industrie ist Umweltschutz häufig durch Nachrüstung vorhandener Anlagen möglich. Wirtschaftlicher, wirksamer und sinnvoller im Sinne des Vorsorgeprinzips ist es jedoch, wenn bei Neuanlagen umweltschonende Technik stets von vornherein eingeplant wird. Dies ist nur bei der Abfolge der Generationen von Anlagen in einer dynamisch weiter wachsenden Wirtschaft möglich.
    Herr Kollege Konrad hat darauf hingewiesen, daß Umweltschutzauflagen grundsätzlich die Wirtschaftlichkeit von Unternehmen beeinträchtigen und Arbeitsplätze gefährden können. Bisher hat jedoch Umweltschutz wahrscheinlich überwiegend Arbeitsplätze geschaffen. Ob dies so bleibt, hängt wesentlich und entscheidend von unserem Augenmaß beim weiteren Ausbau des Umweltschutzes ab.
    Umweltschutz und Wirtschaftswachstum schließen einander nicht aus. Umweltschutz und Wirtschaftswachstum können einander ermöglichen, wenn die politischen Rahmenbedingungen stimmen.
    Es gab die Behauptung, Soziale Marktwirtschaft könne keinen Umweltschutz schaffen, planwirtschaftliche Elemente seien verstärkt einzuführen. Diese Meinung hat sich in den letzten zehn Jahren erledigt. Marktwirtschaft produziert keinen Umweltschutz, Marktwirtschaft erzeugt von selbst auch keine soziale Sicherung und keine Gerechtigkeit von Chancen. Die politische Entscheidung Konrad Adenauers und Ludwig Erhards für die Soziale Marktwirtschaft hat die Dynamik der Marktwirtschaft erhalten und freigesetzt. Ihre Stärke: Kapital und Arbeit, Arbeit und Kapital jeweils dort einzusetzen, wo sie den größten Nutzen zu stiften vermögen; ihre Fähigkeit: die beste technisch-wirtschaftliche Lösung in einem Suchprozeß herauszufinden. In Ludwig Erhards Konzept der Sozialen Marktwirtschaft hat Politik einen verbindlichen Rahmen gesetzt, um politische Ziele zu erreichen: soziale Sicherheit, funktionierenden Wettbewerb, Chancen zur persönlichen Lebensgestaltung nach Fähigkeit und Leistungsbereitschaft; dies alles nicht als ein für allemal abgeschlossene, sondern als ständig neue Aufgabe und als Ziel und politischen Rahmen.
    Was wir in diesen Jahren geschaffen und in den kommenden Jahren zu schaffen haben werden, wird ein ökologischer Rahmen für die Marktwirtschaft sein. Er entsteht aus vielen Einzelgesetzen nach dem Maß unseres fortschreitenden Wissens um Gefährdung und ihre Vermeidung. Marktwirtschaft bei vernünftigen politischen Rahmenbedingungen ist eine gute Voraussetzung für Umweltschutz, besser als jedes zentralistische System. Vielleicht können wir künftig zunehmend marktwirtschaftliche Steuerungsmechanismen im Umweltschutz einführen, in die Umweltpolitik selbst einbauen. Hier ist das Abwasserabgabengesetz ein erster und guter Schritt.
    Schließlich die dritte Frage, die Behauptung, Demokratien könnten diese Herausforderung nicht bestehen. Die Demokratien waren bisher im Umweltschutz unvergleichlich erfolgreicher als totalitäre Systeme. Eine Diktatur könnte Umweltschutz schneller und rigoroser erzwingen. Dies liegt auf der Hand. Es fehlt Diktaturen jedoch offenkundig jede Motivation. Vorrang hat der Ausbau von wirtschaftlicher Macht, von militärischer Stärke. Der Vergleich der Belastungen von Luft und Wasser, der Sicherheitsauflagen für Kernreaktoren in Industriestaaten des Ostblocks und Industriestaaten der freien Welt, belegt dies offenkundig. Was die Schwäche der Demokratien zu sein schien, die notwendige Rücksichtnahme auf die Meinung der Bürger, dies eben hat sich als ihre eigentliche Stärke erwiesen. Denn die Bereitschaft der Bürger, für den Umweltschutz Opfer zu bringen, ist gewachsen. Sie wurde in der offenen Diskussion mit den Parteien und durch die freie Presse artikuliert. Damit wurde dem Politiker nicht nur die Möglichkeit gegeben, sondern es wurde auch der notwendige Druck auf ihn ausgeübt, Volkseinkommen zugunsten des Umweltschutzes umzuverteilen; und das ist richtig.
    Der Rang der Aufgaben hat sich verschoben, die Werte haben sich gewandelt. Vorrang hatten in den 50er Jahren ohne Zweifel der Aufbau unseres zerstörten Landes, die Schaffung von Arbeitsplätzen für Millionen von Flüchtlingen und Vertriebenen, die mit nichts in den Bereich der Bundesrepublik kamen, mit nichts außer mit dem unschätzbaren Kapital einer Ausbildung, einer generationenlangen Tradition von handwerklicher Fertigkeit und fachlicher Disziplin. Unsere Umweltpolitik war in dem Maße erfolgreich und möglich, in dem die Erkenntnis wuchs: Nicht ein Mehr von allem, was wir jetzt schon haben, ist die Grundlage zum Glück. Es geht auch um den Reichtum und die Schönheit der Natur, die wir vorgefunden haben, und die Umwelt, die wir zu gestalten haben.
    Diese Umweltpolitik haben alle parlamentarischen Parteien gemeinsam aufgebaut; die Bundesregierung hat in ihrer Antwort auf die Große Anfrage darauf hingewiesen. Eine solche Gemeinsamkeit der Parteien ist von besonderer Wichtigkeit in Bereichen, in denen langfristige Kontinuität über Regierungswechsel hinweg für alle absehbar und verläßlich sein muß. Wie verheerend es für eine vernünftige Entwicklung ist, wenn in Bereichen, in denen langfristig geplant werden muß, Kontinuität und Einmütigkeit nicht gegeben sind, zeigt die Energiepolitik, in der nichts mehr läuft, weil sich die Regierungsparteien untereinander selbst streiten, so daß niemand mehr weiß, was als Ergebnis nach einem Parteitag herauskommt. Absehbar sein müssen die Ergebnisse für die Bürger, für die Unternehmer bei der Planung von Anlagen und Produkten, für die Gemeinden bei den Investitionsvorhaben, bei den Investitionshaushalten.
    Bei all dieser Gemeinsamkeit hat sich jedoch in den letzten Jahren zunehmend ein unterschiedli-



    Dr. Riesenhuber
    cher Stil in der Umweltpolitik entwickelt. Im Gegensatz zur Antwort der Bundesregierung auf die Große Anfrage läuft die praktische Regierungspolitik zunehmend darauf hinaus, daß ein ständig dichter geknüpftes Netz von Verordnungen, Überwachungen, Kontrolle und Bürokratie Umweltschutz sichern soll. Wir sind ganz entschieden — um Mißverständnisse gleich auszuräumen — für verbindliche Rahmenbedingungen und Grenzwerte, für die Durchsetzung des Verursacherprinzips dort, wo dies überhaupt anwendbar sein kann. Aber wir haben ein größeres Vertrauen in die Eigenverantwortlichkeit der Bürger, der Unternehmer, der Stadtdirektoren und der Bürgermeister. Wir erwarten vom Unternehmer nicht nur, daß er bei einer neuen Anlage prüft, ob und wie die vorgegebenen Grenzwerte eingehalten werden können, sondern wir erwarten auch, daß er prüft, ob es technisch-wirtschaftlich vertretbare Möglichkeiten gibt, diese Grenzwerte zu unterschreiten; oft geschieht dies schon. Diese Bereitschaft wird aber gefährdet, wenn diese neuen Erfolge — ohne Rücksicht auf die Besonderheiten des Einzelfalles — umgehend für alle verbindlich festgeschrieben werden sollen.
    Ein wesentlicher Teil unserer sichtbaren Erfolge im Umweltschutz entstand in einer verantwortlichen Partnerschaft vor Ort zwischen Unternehmen und Behörden. Heute wachsen die Bürokratien; die Entscheidungsspielräume werden eingeengt. Eine Haltung breitet sich aus, die nicht nur nicht die bestmögliche Lösung vor Ort sucht, sondern auch Eigenverantwortung mit Verordnungen, mit vielfältig zersplitterten Zuständigkeiten zudeckt. Die Gewerbeaufsichtsämter werden zugleich überlastet und in ihrer Wirkungsmöglichkeit eingeschränkt. Absurd wird es, wenn ein Betriebsleiter, ein Beamter, der betroffene Bürger nicht mehr alle Vorschriften übersieht, die ihn angehen. Auf diesen Punkt weist der Sachverständigenrat für Umweltfragen ebenso hin wie dankenswerterweise auch der Kollege Konrad.
    Der Erfolg von Umweltschutz erweist sich nicht in einem perfekten System von Gesetzen und Verordnungen. Er zeigt sich vielmehr in sauberer Luft, in reinerem Wasser, in der Dämpfung des Lärms. Dies werden wir nur in dem Maße erreichen, in dem wir die Eigenverantwortlichkeit aller Betroffenen zu mobilisieren imstande sind. Wir brauchen nicht mehr Gesetze, sondern wir brauchen genaue und wirksame Gesetze.
    Über erhebliche Zeit haben wir Umweltschutz ohne Grundlagenforschung betrieben. Was uns fehlt, ist weitgehend das Verständnis der Wirkung der einzelnen Stoffe. Was uns fehlt, ist eine hinreichende Einsicht in die Zusammenhänge. Was uns fehlt, ist eine hinreichend genaue Kenntnis von Systemen, um sie wirklich angehen zu können und die entscheidenden Punkte zu treffen.
    Was uns fehlt, ist eine hinreichende Kenntnis der volkswirtschaftlichen Wirkungsmechanismen. Wir gehen nicht davon aus, daß volkswirtschaftliche Kosten-Nutzen-Rechnungen die wesentlichen Voraussetzungen für Umweltpolitik sein können. Daß sie aber in der Diskussion überhaupt nicht vorhanden sind und nicht einbezogen werden können, ist das Risiko. Das kann bedeuten, daß in enormem Maß Mittel fehlgeleitet .und unsere Ziele nicht erreicht werden.
    Wir brauchen Umweltschutz nicht nur aus richtigen Entscheidungen, sondern auch aus einer sachlich tragfähigen Begründung der Vorlagen. Die Möglichkeiten des Parlaments, fachliche Probleme aufzuarbeiten, sind bis heute absolut ungenügend. Die Regierungskoalition hat es auch in dieser Wahlperiode für richtig gehalten,uns kein Instrument zur Technologiefolgenabschätzung zu genehmigen. Wir haben das seit sieben Jahren beantragt. Es gibt großartige und zustimmende Sonntagsreden, aber keine positive Entscheidung.
    Die Verantwortung für die fachliche Qualität der Gesetze liegt bei der Exekutive. Das Verkehrslärmschutzgesetz wurde in einer Form vorgelegt, daß Folgelasten und damit Schätzungen zur Finanzierung in Milliardenhöhe streitig waren — bis selbst zwischen den Ressorts der Bundesregierung. Die Vorstellungen der Bundesregierung zum Bundes-Immissionsschutzgesetz und zur Reinhaltung der Luft wurden kürzlich in einer Sachverständigenanhörung so hart kritisiert, daß nicht mehr zu erkennen ist, wo eine tragfähige Grundlage für die weiteren Beratungen liegen kann. Die Federführung für das Chemikaliengesetz wurde so lang zwischen den Ressorts hin und hergeschoben, daß es trotz äußerster Anstrengung des Parlaments unsicher geworden ist, ob dieses Gesetz noch in dieser Wahlperiode verabschiedet werden kann.
    Es geht in der Umweltpolitik um sachlich begründete Konzepte, die allein die Grundlage für einen vernünftigen politischen Streit sein können. Es geht nicht um spektakuläre Verlautbarungen, die einen Minister als grün profilieren sollen. Der „grüne Baum" — das ist vielleicht ein Wirtshausschild; das ist kein Markenzeichen für einen verantwortlichen Minister. Er soll zwischen Vorteilen und Nachteilen abwägen. Er soll sich nicht nach einer Seite profilieren.
    Es geht um Nüchernheit. Es geht darum, daß keine Versprechen gegeben werden, die nachher nicht realisiert werden können. Die Schadstoffe in den Autoabgasen sind entgegen den Ankündigungen der Bundesregierung nicht auf ein Zehntel der Werte von 1969 gesenkt worden. Solches Erwecken von Erwartung führt zu Enttäuschung, und diese führt zu Frustration und zu mangelndem Vertrauen in unsere Ernsthaftigkeit. Es geht um die präzise Beschreibung von Risiken, um sie beseitigen zu können; nicht um Demagogie.
    In der Unfallstatistik der Berufsgenossenschaften steht die Chemie an 26. Stelle. Diese Technik hat einen hohen Standard an langfristig gezüchteter Sicherheit. Wenn das Innenministerium mit dem Wort von der „Zeitbombe Chemie" öffentlich polemisiert, so ist das unredlich und gefährlich.

    (Spranger [CDU/CSU]: Sehr wahr!)

    Die Bundesregierung bedauert, daß die Leistungen im Umweltschutz nicht hinreichend anerkannt werden. In der Tat: 60 % der Hauptschulabgänger



    Dr. Riesenhuber
    gehen davon aus, daß in Deutschland die Verhältnisse in der Umwelt immer schlechter werden. Ein Schlagwort wie das von der „Zeitbombe Chemie" kann hier mehr zerschlagen, als die Fülle korrekter und konkreter einzelner Erfolgsberichte wieder aufbauen kann.

    (Beifall bei der CDU/CSU — Dr. Dregger [CDU/CSU]: Sehr richtig!)

    Es wird nicht mehr zur Kenntnis genommen und nicht mehr akzeptiert, was wir geleistet haben. Der Strahlenschutzbericht mit seiner Bestätigung der geringen Belastung der Umwelt durch Reaktoren, der Rückgang des Bleis in der Luft in den Städten und in der Belastung der Äcker entlang der Landstraßen und der Autobahnen, die Sanierung des Bodensees, der am Umkippen war und dessen Wasserqualität sich der Trinkwasserqualität wieder nähert, die Stagnation der Emissionen an Kohlenmonoxyd, an Staub bis hin zum Feinstaub, an Schwefeldioxyd, an Stickoxyden, die Stagnation trotz wachsender Wirtschaft — dies alles wird nicht zur Kenntnis genommen, und dies in einer wachsenden Wirtschaft, obwohl überständige Steinkohlenkraftwerke veralteter Technik nicht abgelöst werden konnten. Wenn es uns nicht gelingt, den Bürger davon zu überzeugen, daß unsere Umweltpolitik Aussicht auf Erfolg hat, dann werden wir diese Umweltpolitik langfristig nicht durchführen können.
    Niemand von uns glaubt daran, daß wir in irgendeine Idylle zurückkehren können, in eine heile Welt, wenn es sie jemals gegeben hat. Die heile Welt, das goldene Zeitalter ist immer schon in der Vergangenheit gewesen; das können Sie auch bei Platon nachlesen. Wir leben in einer Industriegesellschaft, und wir sind auf Technik und Industrie angewiesen. Aber jeder muß wissen, daß wir die Möglichkeit haben und entschlossen sind, riskante Folgen der Technik zu erkennen und im Griff zu halten, gerade weil wir die Technik brauchen. Es geht nicht darum, beliebig lange Forschungsreihen abzuwarten, bevor man zu Entscheidungen kommt. Optionen und Moratorien sind keine Mittel der Politik. Kant sagt, daß die Notwendigkeit zum Handeln immer weiter reicht als die Möglichkeit des Erkennens. Aber es muß offenkundig sein, daß wir bereit und imstande sind, das, was wir wissen, zu tun.
    Wir vertreten die Überzeugung, daß die politischen Entscheidungen in den verfassungsmäßigen, demokratischen Institutionen fallen müssen. Die Bürgerinitiativen vertreten ein legitimes Eigeninteresse, oft auch eine grundsätzliche Sorge. Wir haben stets abzuwägen zwischen Eigeninteresse, Einzelinteresse und Gemeinwohl. Aber das bedeutet, daß wir vorher in einer offenen, umfassenden und redlichen Diskussion, im offenen Gespräch unsere Position prüfen und hinterher rechtfertigen müssen. Das bedeutet, daß wir, wenn über Programme entschieden worden ist, uns hinterher nicht aus der Entscheidung wegstehlen dürfen, wie es die SPD in Niedersachsen und in Schleswig-Holstein in der Frage der Kernenergie getan hat.

    (Beifall bei der CDU/CSU)

    Das bedeutet, daß wir Entscheidungen nicht auf die Gerichte delegieren, weil wir selbst nicht imstande sind, hinreichend klare Vorlagen zu verabschieden, so daß eindeutige Entscheidungen in begrenzter Zeit beim vollen Rechtsschutz des Bürgers gewährleistet sind. Hier war unsere Arbeit nicht immer uneingeschränkt überzeugend.
    Gewachsen ist die Anziehungkraft grüner Parteien auf viele junge Erwachsene. Sie suchen Auswege aus den Zwängen einer Industriegesellschaft. Sie vermuten, daß bürokratische Technik, bürokratische Organisation, komplizierte Technik, daß diese ganze Fülle an Organisationsstrukturen die gleichen Ursachen haben wie die Bedrohung unserer Umwelt. Es geht ihnen um Chancen für sinnerfülltes Leben, um Geborgenheit in überschaubaren Gruppen, um mehr Freiraum für schöpferische Individualität. Es gilt, diesen Männern und Frauen ein Konzept darzustellen, das sie für unsere Arbeit gewinnt.
    Die Antwort der Bundesregierung auf die Große Anfrage, die Fakten, Daten und Ansichten — über gute Strecken ist es ordentliches Handwerk; nicht ganz — bieten nicht das schlüssige Konzept über die Technokratie hinaus, das Konzept, das Mut und Zuversicht gibt, das Konzept, das die Lust erweckt, an einer offenen Zukunft mitzugestalten. Das ist es, was wir in der heutigen Zeit brauchen.

    (Beifall bei der CDU/CSU)