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ID0820801300

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  • tocInhaltsverzeichnis
    Plenarprotokoll 8/208 Deutscher Bundestag Stenographischer Bericht 208. Sitzung Bonn, Donnerstag, den 20. März 1980 Inhalt: Glückwünsche zum Geburtstag des Abg. Ziegler 16615A Verzicht des Abg. Ahlers auf die Mitgliedschaft im und Eintritt des Abg. Dr. Schweitzer in den Deutschen Bundestag . . . . 16615A Begrüßung der Präsidentin des Europäischen Parlaments, Frau Simone Veil, und einer Delegation 16615 A Absetzung eines Punktes von der Tagesordnung 16706 B Erweiterung der Tagesordnung . . . 16706B Bericht zur Lage der Nation Schmidt, Bundeskanzler 16615 D Dr. h. c. Strauß, Ministerpräsident des Frei- staates Bayern 16624 A Genscher, Bundesminister AA 16635 D Dr. Marx CDU/CSU 16642 B Brandt SPD 16650 C Hoppe FDP 16656 C Dr. Dregger CDU/CSU 16660 C Wehner SPD 16665 D Möllemann FDP 16670 A Franke, Bundesminister BMB 16674 D Graf Huyn CDU/CSU 16679 B Frau Schlei SPD 16683 A Beratung der Entschließung des Europäischen Parlaments zur sowjetischen Intervention in Afghanistan — Drucksache 8/3667 — 16686 A Zweite und dritte Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung des Krankenhausfinanzierungsgesetzes — Drucksache 8/2067—Bericht des Haushaltsausschusses gemäß § 96 der Geschäftsordnung — Drucksache 8/3826 — Beschlußempfehlung und Bericht des Ausschusses für Arbeit und Sozialordnung — Drucksachen 8/3495, 8/3758 — Egert SPD 16686B, 16688 A Dr. Becker (Frankfurt) CDU/CSU . . . . 16686 C Hölscher FDP 16690 A Höpfinger CDU/CSU 16691 D Urbaniak SPD 16693 B II Deutscher Bundestag — 8. Wahlperiode — 208. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 20. März 1980 Spitzmüller FDP 16694 D Grobecker SPD 16696 B Frau Dr. Neumeister CDU/CSU . . . 16696 D Dr. Ehrenberg, Bundesminister BMA . 16697B Zweite und dritte Beratung des vom Bundesrat eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung dienstrechtlicher Vorschriften — Drucksache 8/873 — Bericht des Haushaltsausschusses gemäß § 96 der Geschäftsordnung — Drucksache 8/3827 — Beschlußempfehlung und Bericht des Innenausschusses — Drucksache 8/3764 — Brandt (Grolsheim) SPD . . . . 16701B, 16703A Regenspurger CDU/CSU 16701 B Wolfgramm (Göttingen) FDP 16704 B Zweite und dritte Beratung des von den Abgeordneten Prinz zu Sayn-Wittgenstein-Hohenstein, Schulte (Unna), Spitzmüller und Genossen eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Berücksichtigung des Denkmalschutzes im Bundesrecht — Drucksache 8/3105 — Beschlußempfehlung und Bericht des Innenausschusses — Drucksache 8/3716 — 16705 B Zweite und dritte Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Kaffee- und Teesteuergesetzes — Drucksache 8/3297 — Bericht des Haushaltsausschusses gemäß § 96 der Geschäftsordnung — Drucksache 8/3769 — Beschlußempfehlung und Bericht des Finanzausschusses — Drucksache 8/3745 — 16705 D Zweite und dritte Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Abgeltung von Kriegsschäden deutscher Staatsangehöriger in Italien — Drucksache 8/3419 —Beschlußempfehlung und Bericht des Finanzausschusses — Drucksache 8/3744 — 16706 A Zweite und dritte Beratung des Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung des Gesetzes über Bergmannsprämien — aus Drucksache 8/3688 — Erster Bericht des Haushaltsausschusses gemäß § 96 der Geschäftsordnung — Drucksache 8/3830 — Erste Beschlußempfehlung und erster Bericht des Finanzausschusses — Drucksache 8/3824 — 16706 C Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung besoldungsrechtlicher und versorgungsrechtlicher Vorschriften 1980 — Drucksache 8/3624 — von Schoeler, Parl. Staatssekretär BMI 16706D Regenspurger CDU/CSU 16707 C Liedtke SPD 16709 B Wolfgramm (Göttingen) FDP 16710 B Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Zweiten Gesetzes zur Änderung des Gesetzes über den Ausbau der Bundesfernstraßen in den Jahren 1971 bis 1985 — Drucksache 8/3662 — Lemmrich CDU/CSU 16711A Topmann SPD 16713A Merker FDP 16714 C Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zu dem Zusatzprotokoll Nr. 2 vom 17. Oktober 1979 zu der am 17. Oktober 1868 in Mannheim unterzeichneten Revidierten Rheinschiffahrtsakte — Drucksache 8/3748 — 16717A Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zu dem Zusatzprotokoll Nr. 3 vom 17. Oktober 1979 zu der am 17. Oktober 1868 in Mannheim unterzeichneten Revidierten Rheinschiffahrtsakte — Drucksache 8/3749 — 16717A Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zu dem Vertrag vom 12. Dezember 1979 zur Änderung des Vertrages vom 11. September 1970 zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Republik Osterreich über Rechts- und Amtshilfe in Zoll-, Verbrauchsteuer- und Monopolangelegenheiten — Drucksache 8/3746 — 16717A Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zu dem Abkommen vom 15. März 1978 zwischen der Bundesrepublik Deutschland und Mauritius zur Vermeidung der Deutscher Bundestag — 8. Wahlperiode — 208. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 20. März 1980 III Doppelbesteuerung auf dem Gebiet der Steuern vom Einkommen und vom Vermögen und zur Förderung des Handels und der Investitionstätigkeit zwischen den beiden Staaten — Drucksache 8/3747 — 16717 B Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines ... Gesetzes zur Änderung der Bundeshaushaltsordnung — Drucksache 8/3785 — 16717 B Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Siebenten Gesetzes zur Änderung des Soldatenversorgungsgesetzes — Drucksache 8/3750 — 16717B Erste Beratung des von den Fraktionen der SPD und FDP eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes über Maßnahmen für im Rahmen humanitärer Hilfsaktionen aufgenommene Flüchtlinge — Drucksache 8/3752 — 16717 C Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Fünften Gesetzes zur Änderung des Wohngeldgesetzes — Drucksache 8/3766 — 16717 C Beratung des Antrags der Fraktionen der CDU/CSU, SPD und FDP Förderung der Menschenrechtserziehung — Drucksache 8/3751 — 16717 D Beratung der Beschlußempfehlung und des Berichts des Ausschusses für Bildung und Wissenschaft zur Unterrichtung durch die Bundesregierung UNESCO-Empfehlung über die Fortentwicklung der Weiterbildung — Drucksachen 8/1130, 8/3763 — . . . 16717D Beratung der Sammelübersicht 64 des Petitionsausschusses über Anträge zu Petitionen — Drucksache 8/3768 — 16718A Beratung der Beschlußempfehlung des Ausschusses für Wahlprüfung, Immunität und Geschäftsordnung Aufhebung der Immunität von Mitgliedern des Deutschen Bundestages - Drucksache 8/3770 — 16718B Beratung des Berichts des Ausschusses für Wirtschaft zu der Aufhebbaren Vierundvierzigsten Verordnung zur Änderung der Außenwirtschaftsverordnung Aufhebbaren Vierzigsten Verordnung zur Änderung der Ausfuhrliste — Anlage AL zur Außenwirtschaftsverordnung — Aufhebbaren Dreiundsiebzigsten Verordnung zur Änderung der Einfuhrliste — Anlage zum Außenwirtschaftsgesetz — Aufhebbaren Vierundsiebzigsten Verordnung zur Änderung der Einfuhrliste — Anlage zum Außenwirtschaftsgesetz —— Drucksachen 8/3540, 8/3539, 8/3519, 8/3544, 8/3787 — 16718C Nächste Sitzung 16718 D Anlage Liste der entschuldigten Abgeordneten . 16719* A Deutscher Bundestag — 8. Wahlperiode — 208. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 20. März 1980 16615 208. Sitzung Bonn, den 20. März 1980 Beginn: 9.00 Uhr
  • folderAnlagen
    Anlage Liste der entschuldigten Abgeordneten Abgeordnete (r) entschuldigt bis einschließlich Dr. Abelein 21. 3. Dr. van Aerssen* 20. 3. Dr. Ahrens** 21. 3. Dr. Aigner* 21. 3. Alber * 21. 3. Amling 21. 3. Dr. Bangemann* 21. 3. Dr. Bayerl 21. 3. Blumenfeld*** 20. 3. Dr. Corterier*** 21. 3. Dr. Enders** 21. 3. Fellermaier* 21. 3. Flämig*** 21. 3. Frau Geier 21. 3. Dr. Geßner** 20. 3. Kittelmann** 21. 3. * für die Teilnahme an Sitzungen des Europäischen Parlaments ** für die Teilnahme an Sitzungen des Europarates *** für die Teilnahme an Sitzungen der Nordatlantischen Versammlung Anlage zum Stenographischen Bericht Abgeordnete (r) entschuldigt bis einschließlich Dr. Klepsch* 21. 3. Dr. Kreile 21. 3. Dr. Graf Lambsdorff 21.3. Lampersbach 21. 3. Lange * 20. 3. Dr. Mende** 20. 3. Milz 21. 3. Mischnick 21. 3. Dr. Müller** 21. 3. Müller (Mülheim) 21. 3. Dr. Pfennig * 21. 3. Reddemann** 20. 3. Dr. Schäuble** 21. 3. Frau Schleicher* 21. 3. Dr. Schmidt (Gellersen) 21. 3. Schmidt (Würgendorf) ** 21. 3. Schulte (Unna) 21. 3. Dr. Schwencke (Nienburg) * 21. 3. Seefeld* 21. 3. Frau Tübler 21. 3. Dr. Vohrer** 20. 3. Walkhoff 21. 3. Dr. Wendig 21. 3. Wissmann 21. 3. Wuwer 21. 3. Zebisch** 20. 3.
  • insert_commentVorherige Rede als Kontext
    Rede von Georg Leber


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (SPD)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)

    Als nächster Redner hat Herr Abgeordneter Dr. Marx das Wort.


Rede von Dr. Werner Marx
  • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (CDU/CSU)
  • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CDU)
Herr Präsident! Meine verehrten Damen und Herren! Ich möchte zunächst, Herr Kollege Genscher, einige Stichworte, die Sie in Ihrer Rede vorgetragen haben, aufnehmen und dazu die Auffassungen meiner Fraktion sagen.
Sie haben sich zunächst noch einmal — wenn ich so sagen darf — an Herrn Strauß zu reiben versucht, und zwar wegen seiner Kritik an einem Satz im deutsch-französischen Kommuniqué. Der Kollege Jäger hat in einer Zusatzfrage deutlich zu machen versucht, um was es uns geht. Es geht gar nicht um irgendeine Diskussion z. B. über den ganzen Teil 1., den Sie vorgetragen haben. Niemand von uns hat sich dagegen gewehrt. Wir halten die dortigen Feststellungen für richtig.
Ich muß jetzt aber den Punkt 3 vorlesen. Da heißt es:
Sie
die beiden Teile, die Franzosen und die Deutschen —
stellen fest, daß durch die Ereignisse in Afghanistan die Entspannung schwieriger und unsicherer geworden ist und daß deshalb der Rückzug der ausländischen Truppen aus Afghanistan erforderlich ist. Sie erklären, daß die Entspannung einem neuen Schlag gleicher Art. nicht standhalten würde. In diesem Falle würden Frankreich und die Bundesrepublik Deutschland zusammen mit ihren Bündnispartnern die Maßnahmen ergreifen, die unter diesen Umständen erforderlich sind, um ihre Sicherheit zu gewährleisten und die internationale Stabilität zu verteidigen.

  • insert_commentNächste Rede als Kontext
    Rede von: Unbekanntinfo_outline


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: ()
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: ()

    Warum nur in diesem Falle?

    (Jäger [Wangen] [CDU/CSU]: Sehr gut!)

    Warum kann man nicht in einem solchen Kommuniqué feststellen, was die Not der Stunde gebietet, nämlich daß wir bereits jetzt unsere Maßnahmen ergreifen, miteinander sprechen, sie miteinander abstimmen, weil wir eben nicht einen Satz in der Tasche haben, den wir künftig in alle Kommuniqués hineinschreiben könnten, der — ironischerweise gesagt — heißen könnte: „Aber beim nächsten Mal ..."? Wir müssen vielmehr klarmachen, daß wir schon dieses Mal bei der Okkupation eines armen und tapferen Volkes nicht damit einverstanden sind, dies noch in den Gesamtkomplex der Entspannungspolitik hineinzunehmen. Die Sowjetunion hat damit ihre Entspannungspolitik als Spannungspolitik enthüllt. Das muß man sehen und offen sagen.

    (Beifall bei der CDU/CSU)

    Meine Damen und Herren, lassen Sie mich im Zusammenhang mit der Diskussion über die Lage in der Dritten Welt kurz einen zweiten Punkt aufnehmen. Herr Bundesaußenminister, ich glaube, wir haben darüber nicht strittig zu diskutieren. Aber ich möchte gern für uns festhalten, daß schon bei der Konferenz in Havanna, als die sogenannten nichtgebundenen Staaten zusammen waren, die Sowjetunion versucht hatte, über die Kubaner eine Entwicklung in Gang zu setzen und eine Resolution verabschieden zu lassen, in der sie selbst — die Sowjetunion — als der „natürliche Verbündete der nichtgebundenen Staaten" verstanden wird. Dies ist, infolge vieler Einwirkungen von anderer Seite, nicht geglückt. Aber jedermann weiß, daß sich die Sowjet-



    Dr. Marx
    union durch einen Fehlschlag nicht entmutigen läßt. Sie hat auch weiterhin ihren Plan und ihr Ziel.
    Es ist für uns wichtig, zu sehen, daß die Sowjetunion durch die Vorgänge in Afghanistan ihren eigenen Überlegungen jetzt doch einen wichtigen Teil des Bodens, auch des psychologischen Bodens, entzogen hat. Daher muß ein wichtiger Teil unserer Politik in der Reaktion auf Afghanistan auch darin bestehen, daß wir den suchenden, den fragenden, den in mancherlei Hinsicht irritierten Ländern der Dritten Welt unsere eigene Hilfe, unseren eigenen Rat, unsere unaufdringliche Partnerschaft anbieten, nicht weil wir närrisch darauf wären, den Ost-West-Konflikt in die Dritte Welt zu verlagern, sondern weil die Sowjetunion ihn dorthin verlagert hat, viele heute nach der deutschen Stimme fragen und wir ihnen diese Frage in einer richtigen und sauberen Weise, die mit unseren außenpolitischen Grundsätzen übereinstimmt, beantworten sollten.
    Ein dritter Punkt. Der Außenminister hat — und mir ist aufgefallen, daß er damit wohl nicht die CDU gemahnt haben kann — mit großem Nachdruck darauf hingewiesen, daß die Sicherung des militärischen Gleichgewichts eine vorrangige Bedeutung habe und daß das militärische Gleichgewicht, von dem ja auch der Bundeskanzler — siehe „Frankfurter Allgemeine" vom 10. März — sagt, daß es immer weniger bestehe, und von dem er in seiner Fraktion offenbar gesagt hat, daß sich die sowjetische militärische Überlegenheit von „Quartal zu Quartal" steigere, die Grundlage einer, wie der Bundesaußenminister jetzt sagt, realistischen Entspannungspolitik sein müsse.
    Meine Damen und Herren, die Fraktion der CDU/ CSU hat in all ihren Einlassungen nie etwas anderes gesagt. Wir haben auch in den Jahren nach 1969 immer wieder, z. B. wenn wir Probleme der Verteidigung diskutiert haben oder wenn es um Stellungnahmen zu NATO-Kommuniqués ging, darauf hingewiesen, daß es nicht nur darauf ankommt, eine hübsche politische Formel zu finden und zu hoffen, daß der Partner den gleichen Inhalt meint, sondern auch darauf, daß wir unsere Politik durch die notwendige militärische Kraft und Macht innerhalb des Bündnisses abstützen.
    Aber ich bitte, folgendes hinzufügen zu dürfen. Wir bekommen doch heute von der Regierung, wenn wir sie hinsichtlich der Beschlüsse von Brüssel vom 12. Dezember letzten Jahres, der Nachrüstungsbeschlüsse der NATO, wonach die Waffen Pershing II und Cruise Missile gebaut werden sollen, fragen, wann sie in der Lage sei, diese Waffen nach Europa zu bringen, einen Zeitraum genannt, der etwa in der Mitte dieses Jahrzehnts liegt. Dann wird gesagt: Wir haben halt eine ,,Lücke". — Aber, meine Damen und Herren, so einfach ist das nicht. So einfach können sich auch die Bundesregierung und der verehrte Herr Verteidigungsminister nicht aus der Verantwortung stehlen. Sie können nicht einfach sagen: Da haben wir halt eine Lücke. Unsere Frage an die Bundesregierung heißt: Warum ist die Lücke da? Wer hat sie zu verantworten?

    (Beifall bei der CDU/CSU)

    Es ist auch nach der Bedeutung von Kommentaren zu fragen — ich will sie meinerseits jetzt nicht kommentieren —, die in den letzten Tagen im Zusammenhang mit der Aufnahme einer Forderung des SPD-Parteitags von Anfang Dezember des letzten Jahres zu vernehmen waren, wonach man Mittelstreckenraketen auf deutschem Gebiet — dann wird in Klammern hinzugefügt: nicht allein — nicht stationieren dürfe. Ich war verblüfft, Herr Bundesaußenminister, weil Sie ja auch gesagt haben, man sei sich in der Regierung völlig einig. Das ist eine Mitteilung, die uns hier überrascht und für die wir in der Wirklichkeit keine Tatsachen finden.

    (Beifall bei der CDU/CSU)

    Dann aber hat uns ein anderer autorisierter Sprecher der Bundesregierung gesagt, daß die Formulierungen, die wir vor einigen Tagen aus Pirmasens und St. Ingbert gehört haben, in der Tat die Meinung der Bundesregierung deckten. Ich frage, ob Sie wirklich der gleichen Auffassung sind. Denn dann allerdings müßten wir uns darauf einrichten, daß Ihre eigenen verteidigungspolitischen Überlegungen ganz andere als jene sind, die in den Vorlagen der Bundesregierung bei der NATO-Konferenz in Brüssel enthalten waren.

    (Sehr wahr! bei der CDU/CSU)

    Der Bundesaußenminister sagt: „Ungleichgewichte zerstören die Voraussetzungen einer realistischen Entspannungspolitik." Wer würde dem nicht zustimmen? Ich habe es eben getan. Herr Außenminister, wir sind ja dankbar für diese Bemerkung heute, und wir wollen nicht nachkarten. Aber wir müssen auch der historischen Wahrheit wegen darauf hinweisen, daß in den letzten Jahren hier fast ein Jahrzehnt lang eine ganz andere Melodie gepfiffen worden ist, daß man ganz anderen politischen Horizonten zueilte, weil man glaubte, die Diskussion über politische Macht sei im Grunde genommen etwas Unvornehmes, damit könne man sich nicht beschäftigen.

    (Beifall bei der CDU/CSU)

    Lassen Sie mich eine weitere Bemerkung machen. Der Bundesaußenminister und sein Haus und, ich denke, viele andere sind offenbar hinsichtlich der Rede von Edward Gierek, dem Generalsekretär der polnischen Vereinigten Arbeiterpartei, bei seinem jüngsten Parteitag in Warschau immer noch in der Prüfung begriffen. Damals hat Herr Gierek vorgeschlagen, daß eine Abrüstungskonferenz in Warschau stattfinden solle. Einzelne Stimmen der Regierung haben damals etwas unterschiedlich gewertet, aber sie haben gesagt, man wolle das prüfen, das sei eine sehr interessante Sache. Neu war daran nur eines, nämlich daß man den Ort Warschau in Vorschlag gebracht hatte.
    Wir sind, Herr Bundesaußenminister — das wissen Sie aus unserer Mitarbeit in vielen Bereichen, hier im Hause, in den Ausschüssen, im Auswärtigen, im Verteidigungsausschuß, im Unterausschuß für Abrüstung und Rüstungskontrolle —, überhaupt nicht gegen Abrüstung. Wir sind gar nicht gegen Rüstungskontrolle. Wir sind aber dagegen, daß man sie zum Gegenstand eines allgemein vernebelnden



    Dr. Marx
    Palavers macht, während doch viele von denjenigen im Osten, die Entspannung schreien und Abrüstung verlangen, in Wirklichkeit Spannung betreiben und alle Elemente einer überbordenden Rüstung aufgebaut haben.

    (Beifall bei der CDU/CSU)

    Ich habe schon einmal darauf hingewiesen und möchte es noch einmal tun, damit es in unserem Gedächtnis haften bleibt: Im vergangenen Jahr gab es eine Konferenz der Regierungs- und Parteichefs der Warschauer-Pakt-Staaten in Moskau. Dort hat man einen flammenden Appell an uns alle gerichtet. Dieser Appell ist durch den Präsidenten des Obersten Sowjets auch den Parlamentspräsidenten in aller Welt zugestellt worden. Es war ein flammender Appell zur Abrüstung. Wenige Tage später haben wir gehört, was sich dahinter verbirgt. Da hat nämlich damals der rumänische Ministerpräsident und Parteichef Ceausescu in seinem Lande vor einer großen Funktionärskonferenz seiner Partei erklärt, warum er nicht in der Lage gewesen war, den von ihm verlangten Beschlüssen zuzustimmen, nämlich massiv aufzurüsten. Er hat damals erklärt, daß er niemanden im Westen sehe, der einen Krieg vorbereite. Richtig, denn niemand von uns ist toll genug, bei der Anfüllung der Waffen in der Welt, an einen Krieg zu denken. Die Pflicht, die Aufgabe unserer Politik vom ersten Tage an war, alles in unseren Kräften Stehende zu tun, um niemand dazu zu verleiten — auch durch Schwäche nicht —, daß er sich zu einem militärischen Abenteuer oder zu einem gezielten Krieg gedrängt fühlt.

    (Beifall bei der CDU/CSU)

    Das war immer der Inhalt unserer Politik. Insoweit hat es durch alle Auseinandersetzungen hindurch — das wußten Sie auch, und darauf konnten Sie sich immer verlassen — in dieser entscheidenden Frage eine gemeinsame politische Überzeugung gegeben. Nur füge ich noch einmal hinzu: Wir haben daraus nicht pazifistische Parolen abgeleitet, sondern wir haben gesagt: nur ein Staat, nur ein Bündnis, das in der Lage ist, sich zu verteidigen, seine eigene Freiheit zu bewahren, und das dem Gegner das Risiko eines Krieges unkalkulierbar hoch macht, nur ein solcher Staat wird in der Lage sein, seine und seiner Bündnispartner Freiheit und den Frieden auch wirklich zu gewährleisten.
    Ich darf noch einmal zu Ceausescu zurückkommen. Meine Damen und Herren, was ich mit dieser Erinnerung an jene Konferenz und an die Bukarester Bemerkungen darstellen wollte, war, daß man der westlichen Welt gegenüber mit viel Aplomb und mit vielen einzelnen Überlegungen einen Abrüstungsvorschlag machte, daß sich aber die Warschauer-Pakt-Staaten selber in Wirklichkeit nicht für einen Beitrag zu einer allgemeinen weltweiten Abrüstung entschlossen haben, sondern daß sie von sich gegenseitig einen Beitrag zu einer erheblichen Aufrüstung verlangt haben. So doppelbödig ist die Politik, die die andere Seite mitunter betreibt. Deshalb ist es richtig, wenn man nicht nur auf die Worte hört, sondern wenn man auch die Taten wägt, denn reden kann man viel. Reden können bestechlich und täuschend sein, die Taten selbst aber nicht. Daher richtet sich diese Fraktion nicht nach Versicherungen, die man ihr gibt, sondern nach den Taten, die man messen und zählen kann.

    (Beifall bei der CDU/CSU)

    Meine Damen und Herren, lassen Sie mich noch ein Wort zu den Versuchen sagen, die die Außenminister der Ostblock-Staaten Anfang Dezember bei ihrer Konferenz in Ost-Berlin unternommen haben. Auch dabei ist der Gedanke geäußert worden, die künftige KSZE-Konferenz in Madrid umzufunktionieren, sie ihres wichtigen Gehaltes zu entkleiden und sie zu einer Abrüstungskonferenz zu machen.
    Ich möchte gern festhalten, daß wir wiederholt in diesem Raume über die KSZE, ihre Inhalte, über ihre Bedeutung und über die einzelnen „Körbe" gesprochen haben. — Herr Bundesminister des Auswärtigen, Sie haben soeben gesagt: Wir werden keine Gespräche absagen. Gut, niemand von uns fordert Sie auch auf, dies zu tun; aber Gespräche um der Gespräche willen — das ist eine Sache, die sich vielleicht nur mühsam rentiert. Es muß bei den Gesprächen etwas herauskommen. Sie müssen einen Inhalt, ein Ziel und einen politischen Grund haben. Wenn Sie und wir alle zusammen über die KSZE sprechen, muß es möglich sein, daß die entscheidenden Themen der Bewahrung der Menschenrechte in allen Teilen Europas immer wieder auf die Tagesordnung gesetzt werden; wir sind auf keinen Fall bereit, davon abzugehen.

    (Beifall bei der CDU/CSU)

    Meine Damen und Herren, die Fraktion der CDU/ CSU hat oft in diesem Hause gesagt und durch ihr Handeln bewiesen, daß wir niemals Außenpolitik formulieren wollten, niemals führen wollten und uns niemals zu einzelnen Bereichen der Außenpolitik entscheidend äußern wollten, ohne den Blick auf die Lebensnotwendigkeiten aller Deutschen zu richten. Wir haben soeben etwas Ähnliches von dem Bundesaußenminister gehört. Herr Bundesminister, Sie haben beispielhaft einige Städte in Mitteldeutschland, Dresden usw., genannt. Ich sage noch einmal, um es nicht geographisch einzuschränken — denn es gibt Millionen Deutsche, die nicht in der DDR leben, sondern in ganz anderen Bereichen —: Wir meinen alle Deutschen. Dies ist ein wichtiger Zusatz, den wir machen müßten; denn unsere Außenpolitik gegenüber anderen Ländern kann z. B. nicht ohne die Berücksichtigung der Situation der Deutschen in Polen, der Deutschen in der Tschechoslowakei, der Deutschen in anderen Balkanländern und vor allen Dingen der Deutschen, die heute noch in der Sowjetunion sind, geführt werden. Ich möchte das der Sauberkeit halber für uns ausdrücklich hier in die Diskussion einführen.
    Nun, Herr Bundesaußenminister, haben Sie eine, wie ich glaube, bemerkenswerte Passage in Ihrer Rede gehabt, in der Sie gesagt haben, Sie würden gern nicht nur die Politik der letzten zehn Jahre, sondern auch die vorherige Politik untersucht wissen und auf die Waage der politischen Kritik gelegt sehen. Gut, dem werden wir gerne entsprechen. Wir haben' keinen Grund, unsere eigenen politischen Bekenntnisse und Handlungen seit dem Jahre 1949 ir-



    Dr. Marx
    gendwie unter den Scheffel zu stellen. Sie waren ja — ich sage das ausdrücklich — auch fair genug, darauf hinzuweisen, daß in der amerikanisch-deutschen Presseerklärung der wichtige Satz steht, man meine jene Entspannungspolitik, die über zwei Jahrzehnte betrieben worden sei. Fügen Sie ruhig hinzu: drei Jahrzehnte; denn wenn Sie, meine Damen und Herren, Reden von Konrad Adenauer nachlesen wollen — es gibt heute wohlfeile Ausgaben, die man sich leicht besorgen kann —, dann werden Sie finden, daß der erste Vorsitzende unserer Partei, der erste Bundeskanzler, der von dieser Stelle aus oft die Grundzüge und die Grundlinien seiner Politik vorgetragen hat, an den entscheidenden Scharnieren seiner politischen Philosophie immer wieder darauf hingewiesen hat, daß das Ziel der Politik Entspannung sei. Aber — und hier liegt der zentrale Punkt — er hat unter Entspannung durchaus etwas anderes als sein später Nachfolger Willy Brandt verstanden.

    (Beifall bei der CDU/CSU)

    Er hat unter Entspannung verstanden, daß wir bemüht sind, miteinander die Spannungsursachen zu mindern und, wenn es geht, zu beseitigen. Wenn das heute noch unser Ziel ist — ich denke, wir antworten auf die Frage mit Ja —, dann betreiben wir in der Tat auch heute bei allem, was wir denken, planen und tun, Entspannungspolitik; denn die Forderung, die Sowjets müßten ihre Truppen aus Afghanistan zurückziehen, diese Forderung, die nicht nur eine verbale, allgemein dahingeredete Forderung sein kann, sondern die mit einem politischen Inhalt und Willen gefüllt sein soll, ist Entspannungspolitik. Denn die sowjetischen Truppen in Afghanistan sind eine der bemerkenswertesten Ursachen für neu aufgelebte schwierige Spannungen.
    Ich erinnere an das, was Franz Josef Strauß vorhin gesagt hat. Er sagte: Nach der Entwicklung in Afrika, nach vielen Einbrüchen, die der Westen ziemlich wortlos hingenommen hat, hat Afghanistan gezeigt, daß wir uns an einer Wende der Weltpolitik befinden, und es wird sehr darauf ankommen — und ohne daß wir uns überschätzen, füge ich hinzu: es kommt auch auf uns an, auf jede der Fraktionen, auf dieses Haus, auf seine gemeinsamen Entschlüsse, darauf, ob es in entscheidenden Fragen Übereinstimmung zwischen den verschiedenen politischen Kräften hier geben kann —, ob wir in der Lage sind, diese Wende zum Besseren herbeizuführen, weil die Alternative dazu, wie Strauß sagte, die Wende zum Bösen sei. Dies muß man, glaube ich, ganz ernst nehmen, wenn man die gegenwärtige Entwicklung Revue passieren läßt und wenn man sich dazu politisch einstellen will.
    Herr Bundesaußenminister, Sie haben in Ihren Darlegungen immer wieder vom Bündnis, von der Wichtigkeit des Bündnisses und von der Wichtigkeit gesprochen, im Bündnis verläßlich arbeiten zu können. Ich will den Weg zum Bündnis nicht im einzelnen darlegen; die Geschichte weiß es, und sie wird darüber positiv urteilen. Aber die Tatsache, daß es dieses Bündnis gibt, daß die Europäische Gemeinschaft aus einem Kern entwickelt und weiter entfaltet worden ist, lag gerade in jener Zeit vor 1969. Das ist die Zeit der Regierung der CDU/CSU, von der man uns vorgeworfen hat, sie sei eine Zeit, gepflastert mit Unterlassungen.
    Wer ein bißchen historisch denkt, wird wissen, daß ein Staat, noch dazu ein geteiltes Land und ein Teilstaat in diesem Land, wie wir, der sich aus den Trümmern, die nicht nur materielle, sondern auch moralische Trümmer gewesen waren, langsam wieder herausarbeitet, zunächst einmal neben der Befriedigung der inneren Notdurft darauf sehen mußte, daß er draußen in der Welt Partner findet, daß das zerstörte Vertrauen in die Deutschen einem neuen Vertrauen Platz macht. Dieser Aufgabe haben wir uns damals alle, Konrad Adenauer und die damaligen Männer und Frauen der CDU/CSU, zuvörderst unterzogen. Man kann nicht sagen, wir hätten damals sozusagen alles auf einmal machen können.
    Sie werden bitte nicht vergessen, daß es Adenauer, Erhard und Kiesinger waren, die in vielen Diskussionen, in vielen Ansprachen, in diplomatischen Noten immer wieder versucht haben, mit der sowjetischen Seite in ein förderliches Gespräch zu kommen, daß aber die sowjetische Seite dies immer zu- rückgewiesen hatte, weil sie Bedingungen aufstellte, von denen wir überzeugt waren, daß man sie nicht erfüllen könne, ohne auf Dauer dem eigenen Volk einen schweren Schaden zuzumuten.
    Daß der Bundesaußenminister den Deutschland-Vertrag angesprochen hat, nehmen wir dankbar ad notam; denn das ist fast vergessen. Wenn heute gesagt wird „die Verträge", dann meinen die meisten Leute, damit seien die Ostverträge gemeint. Wenn gesagt wird „pacta sunt servanda", dann meine viele, damit meine Strauß nur die Ostverträge. Nein, es geht nicht nur darum, daß in Art. 4 der Ostverträge steht, daß andere Verträge und Vereinbarungen von seinem Inhalt nicht berührt werden, sondern wir meinen alle Verträge. Wir meinen vor allem die Basis — so möchte ich es sagen — unserer Sicherheit und Freiheit in den fünfziger Jahren, nämlich jene Westverträge, die damals entwickelt worden sind und die weiterhin gelten. Es ist mitunter bestürzend -- und da hat die Bundesregierung ihre Aufklärungspflicht der deutschen Öffentlichkeit gegenüber wirklich nicht gewahrt —, wie in Diskussionen an Hochschulen mit studentischen Gruppen der verschiedensten Art, wenn man auf dieses Thema kommt und sagt „Was heißt denn für Sie ,Verträge'?", oft ein Schulterzucken festzustellen ist, weil das junge Publikum — dafür können die jungen Leute gar nichts, weil es ihnen niemand gesagt hat — die eigentliche Vertragsgrundlage des westlichen Bündnisses und, ich wiederhole es, unserer Sicherheit und Freiheit leider gar nicht kennt.
    Meine Damen und Herren, es ist auch vom Bündnis gesprochen worden. Der Bundeskanzler hat in seiner Regierungserklärung auf die gemeinsamen Grundlagen hingewiesen. Es ist richtig: Die Grundlage des Bündnisses ist nicht nur die Übereinstimmung von Interessen. Sie ist es natürlich und besonders. Aber die gemeinsamen Grundlagen sind, daß wir über das gleiche Wertsystem verfügen, daß wir ein Menschenbild haben, das sehr vergleichbar ist mit den anderen in West- und Mitteleuropa, daß wir



    Dr. Marx
    die Demokratie als ein Ordnungssystem verstehen, von dem wir glauben, es sei bei allen Fehlern, die es haben mag, das beste System, das menschlicher Geist ersonnen hat und Politiker haben erproben können. Dies war für uns von Anfang an die Grundlage unseres Denkens und unseres Handelns, als wir an das Bündnis herangingen und das Bündnis festigten.
    Ich darf dazu eine Bemerkung machen, obwohl der Kollege Strauß dies schon sehr gründlich getan hat. Ich habe, Herr Bundeskanzler, nicht verstanden, daß Sie ausgerechnet Ihren Besuch in den Vereinigten Staaten dazu benutzt haben, um eine Besonderheit der deutschen Interessen herauszupräparieren und sie als Begründung dafür anzugeben, daß Sie einer Reihe von amerikanischen Vorschlägen hinsichtlich der Reaktion auf den sowjetischen Überfall in Afghanistan offenbar nicht oder nur halben Herzens zustimmen wollen. Sie haben recht, wenn Sie darauf hinweisen, daß die Deutschen — das haben wir übrigens auch immer getan; insoweit ist das gar nichts Neues — ein geteiltes Land sind. Sie haben recht, wenn Sie darauf hinweisen, daß niemand von uns daran interessiert sein kann, die menschenrechtlichen Erleichterungen in irgendeiner Weise einzuschränken. Niemand von uns will das.
    Aber, Herr Bundeskanzler, Sie haben auch Berlin genannt. Da muß ich mich allerdings fragen, was dies bedeuten soll; denn jedermann von uns ist sich doch klar darüber, daß für den Status der Stadt Berlin, für ihre Freiheit und Sicherheit die drei westlichen Alliierten stehen.

    (Beifall bei der CDU/CSU)

    Sie stehen dort — auch das muß ich der historischen Richtigkeit wegen hinzufügen — nicht nur wegen des Viermächteabkommens, sondern das Viermächteabkommen baut auf den historischen Siegerrechten auf.

    (Dr. Mertes [Gerolstein] [CDU/CSU]: Und bestätigt diese!)

    — Sie werden bestätigt, Herr Kollege Mertes.
    Es wird uns immer wieder deutlich, wenn hier und draußen Berlin-Diskussionen stattfinden, wie sehr es notwendig ist, die Alliierten in diesen ihren Berlin betreffenden Rechten und Pflichten nicht nur nicht zu stören, sondern sie zu unterstützen.
    Meine Damen und Herren, wenn der Eindruck entsteht, wir können das eine oder andere wegen Berlin nicht tun, und wenn dies den Amerikanern ins Gesicht gesagt wird, dann werden sich die Amerikaner eines Tages, wenn diese Krise, wie ich hoffe, bald vorbei ist, die Frage stellen: Wer hat eigentlich damals von unseren Bündnispartnern, wer hat von denen, die in einer ganz besonders schwierigen, geschichtlich gewordenen Situation gewesen sind, in dem Augenblick, da wir in einer schwierigen Lage waren, ohne Wenn und Aber zu uns gestanden, an unserer Seite gestanden?

    (Graf Huyn [CDU/CSU]: Sehr wahr!)

    Wer hat die wichtigen, die übergreifenden, die gemeinsamen, die grundlegenden Interessen zur
    Grundlage von allem gemacht? Wer hat die einzel-
    nen Interessen zu einer, wie ich sagen darf, kleinkarierten Grundlage seiner eigenen Überlegungen gemacht?

    (Beifall bei der CDU/CSU)

    Wichtig war in dem, was der Herr Bundesaußenminister vortrug, eine Korrektur des bisherigen politischen Bildes, das aus dem Munde vieler seiner Freunde und Koalitionspartner in den ganzen Jahren gezeichnet wurde. Man hatte nämlich immer gesagt, unsere frühere Politik, die Politik der Einbettung in den Westen, dorthin, wohin wir auf Grund unserer Geschichte und unseres Willens, unserer politischen und ethischen Vorstellungen eben gehören, gar noch das Bündnis, gar noch die Europäische Gemeinschaft hätten der Deutschlandpolitik widersprochen, diese Einbettung habe sie schwierig, ja fast unmöglich gemacht. Der Bundesaußenminister hat gesagt — deshalb hebe ich die Sache hervor —, daß das Bündnis — ich verkürze das ein wenig — nicht im Gegensatz zur deutschen Frage und ihrer Weiterentwicklung und nicht im Gegensatz zur Deutschlandpolitik stehe. Das möchten wir gerne festhalten; denn niemand von uns hatte je daran gedacht, hier einen Gegensatz konstruieren zu wollen. Wir waren damals schon der Meinung, daß Entspannung unteilbar sei.

    (Graf Huyn [CDU/CSU]: Sehr wahr!) Damals schon!

    Der Bundesaußenminister hat mit Bedacht, wie ich annehme, alle diejenigen Teile, Punkte und Paragraphen aus bilateralen oder multilateralen Verabredungen der letzten Wochen und Monate noch einmal vorgetragen, in denen — z. B. durch den französischen Staatspräsidenten und den Chef der kommunistischen Partei der Sowjetunion — von der Unteilbarkeit des Friedens und von der Unteilbarkeit der Entspannung die Rede war. Auch das möchten wir gerne festhalten.
    Wir werden am heutigen Nachmittag in der Debatte im einzelnen wohl auch noch zu anderen Themen kommen, z. B. zu der Frage, die ich jetzt nur kurz ansprechen will: Ist denn jenes Versprechen, das Willy Brandt damals in seiner ersten Regierungserklärung und in seiner ersten Erklärung zur Lage der Nation am 14. Januar 1970 abgegeben hat, der Friede werde in der Konsequenz dieser Politik, die er angeboten habe, sicherer werden, eingehalten worden? Ist der Friede in der Tat sicherer geworden? Ich will jetzt kein Urteil vortragen, aber doch jeden bitten, einmal darüber nachzudenken, sich selbst einmal die Frage zu beantworten: Was und wieviel ist von deutscher Seite aus der Substanz geleistet worden, und was hat die sowjetische Seite, dieselbe, die mit uns die Verträge schließt und ihre Truppen nach Afghanistan schickt, eigentlich dazu beigetragen, daß der Friede in der Konsequenz der Entspannungspolitik, in der Konsequenz der Abrüstungspolitik sicherer geworden ist?
    Nun darf ich mit Blick auf die Regierungserklärung des Bundeskanzlers noch drei Punkte ansprechen. Dabei folge ich seinem Denkschema — das allerdings sehr unvollkommen ausgeführt worden ist —, nämlich von den Punkten, die Brandt



    Dr. Marx
    vorgeschlagen hatte, die damals Stoph und Brandt entwickelt hatten, auszugehen. Ich beziehe mich ganz kurz auf Punkt 7, in dem es heißt, daß von deutschem Boden niemals wieder ein Krieg ausgehen dürfe. Darüber haben wir auch schon einmal gesprochen, aber der Bundeskanzler hat sich darauf berufen, daß er beim letzten SPD-Parteitag und fast zur gleichen Zeit auch Herr Honecker in Ost-Berlin dieselbe Formel verwendet hätten. Formeln sind eine geduldige Sache. Was ist der Inhalt?
    Herr Bundeskanzler, wenn Sie sich schon darauf beziehen, daß auch Herr Honecker so etwas sagt, dann müßten Sie der Ehrlichkeit und der Wahrheit wegen sagen, daß Herr Honecker, obwohl er die Flagge, nie wieder dürfe von deutschem Boden ein Krieg ausgehen, seit Jahren vor sich herträgt, eigene Truppen in die Tschechoslowakei zur Besetzung eines Nachbarlandes geschickt hat

    (Beifall bei der CDU/CSU)

    und daß sich 16 000 bis 18 000 Soldaten der Nationalen Volksarmee — die ja immer noch national und Volksarmee heißt, obwohl sie des eigentlichen Charakters einer nationalen und vom Volke getragenen Armee völlig entbehrt — in Afrika befinden. Man überlege sich einmal, dort wären nur drei Soldaten der Bundeswehr! Dort aber sind es etwa 16 000 bis 18 000 Soldaten der Nationalen Volksarmee. Angesichts dieser Tatsachen hätte ich mir gewünscht, daß der Bundeskanzler, wenn er eine Regierungserklärung abgibt, auch seine Sorge — die er, wie ich annehme, ebenfalls hat — darüber ausdrückt, daß es heute in einer Reihe von afrikanischen Ländern militärische Aktivitäten gibt, die von deutschen Soldaten getragen und von sowjetischen Offizieren und Inspekteuren organisiert und kontrolliert werden. Das darzustellen hätte ihm nichts ausgemacht. 1m Gegenteil: Er hätte sich dabei der Wirklichkeit näher befunden als in vielen Passagen der Regierungserklärung.

    (Beifall bei der CDU/CSU)

    Meine Damen und Herren, ich habe den Wortlaut der Regierungserklärung des Bundeskanzlers vor mir liegen und muß auf einen merkwürdigen Umstand aufmerksam machen. Herr Bundeskanzler, Sie sagen wörtlich:
    Er
    — das ist Willy Brandt —
    fügte — Punkt 8 — hinzu, daß beide Staaten alles unterlassen, was das friedliche Zusammenleben der Völker zu stören geeignet ist.

    (Jäger [Wangen] [CDU/CSU]: Sehr richtig!)

    Sie bringen diesen Punkt, und Sie kommentieren ihn nicht mit einem einzigen Wort. Genau hier hätte man doch die Frage stellen und eine Antwort erwarten dürfen: Was ist denn nun nach diesen zehn Jahren, auf die Sie sich berufen haben, daraus geworden? Hat der andere Staat wirklich alles unterlassen, was das friedliche Zusammenleben der Völker stören könnte? Er hat nicht alles unterlassen, sondern hat vieles getan,

    (Zuruf von der CDU/CSU: Alles getan!)

    um das friedliche Zusammenleben nicht möglich zu machen,

    (Jäger [Wangen] [CDU/CSU]: So ist es!)

    um es an seiner Wurzel, in seiner Entwicklung zu stören.

    (Beifall bei der CDU/CSU)

    Wir glauben schon, daß es notwendig wäre, dazu ein bißchen mehr zu sagen, statt sich in einer Welt ziemlich leerer Formeln aufzuhalten.

    (Dr. Mertes [Gerolstein] [CDU/CSU]: Sehr richtig!)

    Herr Bundeskanzler, Sie nehmen dann Bezug auf den damaligen Punkt 9 und sagen:
    ... bekräftigte Brandt unseren Willen, alle Bemühungen um Abrüstung und Rüstungskontrolle zu unterstützen, die der Verbesserung der Sicherheit Europas dienen.
    Jawohl, dazu habe ich mich vorhin, was unseren eigenen Beitrag und unseren eigenen Willen anlangt, geäußert. Aber, meine Damen und Herren, auch hier wäre natürlich eine Antwort auf die Frage notwendig gewesen: Was hat denn die DDR bisher auf dem Felde der Rüstungskontrolle wirklich getan, um durch eine solche international verbürgte Kontrolle dafür zu sorgen, daß die Sicherheit in Europa verbessert werden kann?
    Es gibt noch einen weiteren Punkt. Herr Kollege Genscher, ich will die Judos, mit denen Sie, wie ich Ihrem Kommentar entnommen habe, einige Sorgen haben, in diesem Saal nicht zu besonders politischer Bedeutung bringen; die haben sie nun wirklich nicht. Aber die deutsche Öffentlichkeit muß wissen, daß es dort eine junge Kraft, die sich „liberal" nennt, gibt, die ernsthaft verlangt, daß wir die deutsche Staatsbürgerschaft aufgeben und sie in eine der Bundesrepublik Deutschland und eine der DDR aufspalten, daß wir also der DDR sozusagen auf einem goldenen Teller unsere politische Bereitschaft präsentieren sollten, ihr diesen sehnlichen Wunsch zu erfüllen. Wenn man das liest, fragt man sich wirklich, ob sich nicht der Redakteur, der diese Meldung in die Zeitung gesetzt hat, getäuscht hat, ob nämlich diese Forderung nicht von irgend jemandem in der FDJ erhoben worden ist.

    (Oho-Rufe bei der SPD)

    Denn die Gedanken beider passen sehr gut zusammen.

    (Beifall bei der CDU/CSU)

    Auf beiden Seiten wird verlangt, daß die DDR eine eigene Staatsbürgerschaft erhält. Was sollte eigentlich dann, wenn so etwas wirklich Schule machen sollte — was ich nicht hoffe und was niemand von uns wünscht —, noch der Satz von der „Einheit der Nation" heute, wo wir über die Lage der geteilten Nation im gespaltenen Deutschland — so hieß ja ursprünglich die Formulierung — miteinander sprechen?
    Ein letztes Wort zu dem, was der Bundeskanzler im ersten Teil seiner Regierungserklärung ausführte. In Punkt 12 heißt es:



    Dr. Marx
    Respektierung der Viermächtevereinbarung und der Bindungen zwischen West-Berlin und der Bundesrepublik.
    Ergänzen sollte man: Deutschland.
    Unterstützung der Bemühungen der Vier Mächte um eine Normalisierung der Lage in und um Berlin.
    Auch hier muß man feststellen, daß dies natürlich unsere Politik ist, auch die Politik der Bundesregierung, die Politik der westlichen Alliierten. Aber es ist nicht die Politik der DDR! Sie hat das nie respektiert.

    (Jäger [Wangen] [CDU/CSU]: So ist es!)

    Sie hat niemals respektiert, daß es noch eine Verantwortung für Berlin als Ganzes gibt.

    (Dr. Mertes [Gerolstein] [CDU/CSU]: Leider wahr!)

    Sie hat erklärt, ihr Teil Berlins sei die Hauptstadt der DDR. Sie hat die dort gewählten Abgeordneten nun als voll berechtigte Abgeordnete in die Volkskammer aufgenommen.

    (Jäger [Wangen] [CDU/CSU]: Leider wahr!)

    Sie hat einen eigenen Bezirk aufgebaut. Meine Damen und Herren, sie hat all das, was damals, vor zehn Jahren, postuliert worden ist, unmöglich gemacht, soweit sie die Kraft dazu hatte und soweit die Sowjetunion ihr dies erlaubte.
    Meine Damen und Herren, ich darf bitte noch einige Bemerkungen im Zusammenhang mit anderen Fragen anfügen, die heute hier aufgeworfen worden sind. Der Bundeskanzler gab sich Mühe, uns durch Teilzitate aus der Presseerklärung, die in Amerika gefertigt worden war, deren Inhalt noch einmal besonders drastisch zur Kenntnis zu bringen. Ich muß trotzdem bekennen, Herr Bundeskanzler, daß die Interviews, die Presseerklärungen, die Kommuniqués, die in den letzten Wochen gemacht worden sind, mir und uns nicht jene Klarheit gebracht haben, die wir brauchen: Was ist denn nun eigentlich wirklich, konkret, einvernehmlich, und, wie man heute sagt, arbeitsteilig verabredet worden? Was im Bündnis? Was bei den Amerikanern? Was soll bei uns und was im Zusammenhang mit den Europäern geschehen? Das ist nicht geschehen. Da fehlt bisher noch jede probate Mitteilung, auf die wir warten. Wir hoffen, daß heute noch jemand aus der Regierung die Gelegenheit wahrnimmt, um einmal darzustellen, was nun mit dem Konzept ist. Man sagt immer wieder nach einer neuen bilateralen Diskussion, man habe sich darüber verständigt, daß es notwendig sei, die Konturen eines gemeinsamen Konzepts zu bilden. Man hat sich zwar über die Notwendigkeit verständigt, aber über das Konzept nicht. Wir warten immer noch darauf.
    Man fragt dann immer uns, die Opposition: Wie ist das bei euch? Herr Strauß hat heute für uns in vielen Detailfragen — und in Amerika seinen Gesprächspartnern gegenüber — Punkt um Punkt genannt. Wir aber warten immer noch darauf, daß die
    Regierung, die hochverehrte, endlich einmal damit überkommt.

    (Beifall bei der CDU/CSU)

    Herr Bundeskanzler, es ist doch die Führungsaufgabe der Regierung, die den Apparat hat, die die Gespräche führt, die die internationalen Diskussionen führt und die die Papiere bekommt, nun ihrerseits Vorschläge zu machen. Ich muß Ihnen sagen, ich war naiv genug, heute morgen in dieses Haus mit der Annahme zu kommen, der Bundeskanzler werde die Gelegenheit der Regierungserklärung benutzen, um dem Hause nun im einzelnen mitzuteilen: was werden wir tun, was haben wir verabredet.

    (Dr. Mertes [Gerolstein] [CDU/CSU]: Pustekuchen!)

    Ich muß aber annehmen, daß die Mangelanzeige, die aus dem Schweigen über diese Probleme zu erkennen ist, offenkundig macht, daß man sich immer noch nicht zumindest zu den Konturen durchgerungen hat.
    Begreift man eigentlich, was dies für das Ansehen der liberalen, der parlamentarischen und der rechtsstaatlichen Demokratie bedeutet, wenn die demokratischen Staaten so lange miteinander palavern, immer neue Diskussionen und neue Resolutionen machen und offenkundig immer noch nicht in der Lage sind, jetzt miteinander einen Plan, ein Konzept — wie immer man es nennen möchte — zu entwerfen, um der sowjetischen Penetration nach Afghanistan und der Gefahr, daß man Afghanistan als Basis für weitere Angriffe verwenden könnte, wirksam entgegenzuwirken?
    Der Bundesaußenminister hat bei einem bestimmten Teil seiner Rede gesagt, was die Olympischen Spiele anlange, so sei es die Absicht — ich habe es jedenfalls so verstanden — der Bundesregierung, dafür zu sorgen, daß. die Europäer einen gemeinsamen Beschluß faßten. Wir hoffen, daß es einen klaren Beschluß geben wird und nicht wieder einen Beschluß, den jeder nach seiner Seite hin interpretieren kann.
    Ich möchte von der Bundesregierung nicht nur wissen, was sie beabsichtigt, sondern ich hätte gerne gehört, mit welchen eigenen Vorschlägen, mit welcher eigenen Haltung sie in diese europäischen Konferenzen und Diskussionen hineingeht.

    (Dr. Mertes [Gerolstein] [CDU/CSU]: Das ist der Punkt!)

    Es kann ja nicht so sein, daß man darüber nur redet, sondern es muß jemand da sein, der einen Vorschlag auf den Tisch legt, der diesen Vorschlag der Diskussion unterwirft und der davon ausgehen kann, daß dieser Vorschlag so richtig und so akzeptabel ist, daß daraus dann auch eine europäische Regelung hervorgehen wird.
    Meine Damen und Herren, damit es noch einmal klar ist: Die CDU mit ihrem Präsidium und wenige Tage später diese Fraktion haben sehr eindeutig ihre Meinung zu der Frage der Teilnahme an den Olympischen Spielen erklärt. Wir haben gesagt — ich ergänze das jetzt —, seit den ersten Olympischen Spielen, seit dem Jahre 776 vor Christus, seit



    Dr. Marx
    I es die neuen Spiele gibt, seit 1896, war mit dem olympischen Gedanken nicht nur der Wettstreit, der „edele", wie man sich in der griechischen Sprache ausdrückte, der agonale Wettstreit üblich, sondern es war auch die absolute Friedenspflicht mit ihm verbunden. Niemals was es möglich, daß ein Staat, der gleichzeitig Krieg führt oder andere heimtückisch mit Krieg überzieht, zu Olympischen Spielen seine Wettkämpfer entsendet. Ich muß Ihnen sagen, daß nach meiner festen Überzeugung der, der, obwohl er dies alles kennt, seine Athleten nach Moskau schickt, sich am olympischen Gedanken versündigt

    (Beifall bei der CDU/CSU)

    und daß er der sowjetischen politischen Macht die Möglichkeit einräumt — und die Olympischen Spiele haben ja jetzt sogar schon eine Bezeichnung, nämlich „Spiele des Friedens" —, unter diesem fälschenden Etikett die Welt vergessen zu machen, daß die gleiche Sowjetunion, die der Gastgeber für die Olympischen Spiele ist, ein Nachbarland überfällt und im Augenblick — auch darauf hat Strauß hingewiesen — mit Napalmbomben in der grausamsten Weise die, ich sage nicht Partisanen, sondern die Freiheitskämpfer in Afghanistan unterdrückt.

    (Beifall bei der CDU/CSU)

    Ich würde gern an den Herrn Bundeskanzler noch eine Reihe anderer Fragen stellen, und zwar hinsichtlich des Briefs, den Herr Breschnew ihm ins Flugzeug, als er nach Amerika reiste, nachgereicht hat. Herr Bundeskanzler, Sie nehmen es mir bitte nicht übel, daß ich dies sage: Ich habe noch nie etwas Dünneres an Kommentar gehört, als Ihre Formel, dieser Briefwechsel sei „ein Beitrag zur Kommunikation zwischen Ost und West".

    (Lachen bei der CDU/CSU — Zuruf des Abg. Jäger [Wangen] [CDU/CSU])

    Also das sollten Sie dem Haus nicht zumuten. Sie sollten auch nicht glauben, daß sich das hier irgend jemand meiner Fraktion zumuten läßt.
    Sie haben bei einer Pressekonferenz weit mehr als im Deutschen Bundestag erklärt. Was ist das eigentlich für eine Regierungserklärung, die das Haus dafür zusammenruft und so mit dem Haus und seinen Abgeordneten umgeht, daß man uns mit einem solchen sparsamen Satz abzuspeisen versucht? Ich will ja gar nicht, daß Sie den Brief hier vorlesen. Vielleicht ist er zugänglich. Aber ich möchte gern, daß Sie die Substanz vortragen und daß Sie ein bißchen über das hinausgehen, was Sie bei der Pressekonferenz gesagt haben.

    (Beifall bei der CDU/CSU)

    Herr Bundeskanzler, Sie haben bei der Pressekonferenz gesagt: Die Form sei konziliant. Es gebe einen gewissen drohenden Unterton. In der Sache sei er hart. Es gebe dort Angriffe auf die amerikanische Politik. Sie selbst entnähmen aus diesem Brief keinen Hinweis auf die Bereitschaft zum Abzug der sowjetischen Truppen aus Afghanistan. Das alles ist nicht gerade eine heitere Bilanz.
    Ich muß im Ernst fragen, ob der Bundeskanzler der Bundesrepublik Deutschland, der ja auch eine
    Zeitlang Bundesminister der Verteidigung war, angesichts der sowjetischen Politik in den ganzen letzten Wochen und der Diskussion über die Frage „Olympische Spiele: ja oder nein?" tatsächlich geglaubt hat, daß dieser wohlvorbereitete, von langer Hand bedachte, systematisch geplante Angriff auf ein anderes Land so etwas wie ein Abenteuer gewesen sei, dem man mit einer europäischen Initiative, etwa unter der Losung „Wir wollen die Neutralisierung Afghanistans", entgegenwirken und damit die Sowjetunion veranlassen könne, vielleicht sogar sich aus peinlicher Verlegenheit befreit fühlend, aus Afghanistan herauszugehen.

    (Dr. Dregger [CDU/CSU]: Naiv!)

    Welches Bild sowjetischen Denkens, sowjetischer Konsequenz und — dafür ist offenbar vielen das Gefühl verlorengegangen — angewandter sowjetischer Machtpolitik liegt einer solchen Vorstellung zugrunde!
    Franz Josef Strauß hat vorhin gesagt, er halte nichts von gewissen Formeln, die man einer Großmacht gegenüber nicht verwenden sollte; er hat dabei die Formel von der Strafexpedition verwendet. Darüber sind wir uns völlig klar: daß mit keiner dieser Formeln an politischen Verhältnissen, wie sie die Sowjetunion erzwungen hat, etwas geändert werden kann; vor allem deshalb nicht, weil jeder eine andere Formel gebraucht und weil sich die Sowjetunion ja eigentlich in ihrer Politik ermuntert und ermutigt fühlen müßte. Denn sie hat ja immer noch nicht eine westliche Antwort, immer noch nicht verläßliche westliche Sätze, die nicht nur verbal gelten, sondern hinter denen politische Kraft und Macht stehen, gehört. Aus diesem Grund plant sie ja im Augenblick — auch dies hat Strauß dargestellt —, in vielen Teilen Afghanistans ihre Macht immer weiter auszubauen. Das tut sie offenbar nicht nur, um die Freiheitskämpfer dort niederzuwerfen, sondern auch, um ihre eigene Macht zumindest in der Form der Erpressungsmöglichkeit und des Klirrenlassens der Waffen auszudehnen.
    Meine Damen und Herren, wir würden gern wissen: Welche Konsequenzen zieht der Bundeskanzler aus dem politischen Inhalt des Briefwechsels mit Herrn Breschnew? Was bedeuten die Antwort Breschnews und die konkrete sowjetische Politik in Afghanistan für die Einschätzung der deutschen Bundesregierung gegenüber dieser sowjetischen Aktion überhaupt? Welche Politik will die Bundesregierung künftig durchführen, wenn sich die Sowjets jetzt in Afghanistan einrichten und nicht herausgehen? Welche Politik will die Bundesregierung dann betreiben, wenn sie ihre Positionen dort ausbauen und ihren Einflußbereich durch Umsturzpolitik oder direkten Zugriff weiter ausbreiten? Glaubt man — die nächste Frage —, daß eine allmähliche Gewöhnung an den Besatzungszustand in Afghanistan im Laufe der Zeit eine westliche Reaktion unnötig und überflüssig macht? Warum eigentlich, meine Damen und Herren, ist keine westliche Gipfelkonferenz oder zumindest Außenministerkonferenz einberufen worden?
    Dazu möchte ich gern noch ein paar Bemerkungen machen. Im Laufe der letzten Jahre sind immer



    Dr. Marx
    wieder Gipfelkonferenzen abgehalten worden, und zwar — bei Gott — über weniger wichtige Themen, als es das Thema Afghanistan ist.

    (Graf Huyn [CDU/CSU]: Sehr wahr! — Jäger [Wangen] [CDU/CSU]: Sehr richtig!)

    Es war zwar eine Außenministerkonferenz vorgesehen, die hier in Bonn stattfinden sollte, die aber dann — ich will jetzt der Delikatesse der Sache wegen nicht untersuchen, aus welchen Gründen — abgesagt werden mußte. Dann trafen sich die Außenminister der Europäer in Rom, dann kam der amerikanische Außenminister nach Europa und mußte sozusagen von einer Hauptstadt in die andere reisen. Allein dieses Bild - Abend für Abend im Deutschen Fernsehen — hat der deutschen Öffentlichkeit nicht den Eindruck vermittelt, daß die atlantische Welt, die Europäer und die Amerikaner wirklich an einem Strick ziehen, daß sie gemeinsam, miteinander versuchen, aus der schwierigen Situation herauszukommen. Vielmehr hat man auf diese Weise den Eindruck erweckt, als ob die europäischen Staats- und Regierungschefs oder die europäischen Außenminister nicht bereit seien, zu einer gemeinsamen Politik zu schreiten.
    Herr Bundesaußenminister, ich möchte mit ganz wenigen Worten gern noch auf den Nahen Osten zu sprechen kommen; auch Sie haben dazu ja Stellung genommen. Wir lesen heute in den Zeitungen, daß der amerikanische Präsident Carter sowohl Herrn Sadat als auch Herrn Begin zu unterschiedlichen Terminen in die Vereinigten Staaten eingeladen hat und dabei versuchen will, die etwas ins Stocken geratenen Autonomieverhandlungen wieder flottzumachen. Unser eigener Wille, unsere politische Auffassung ist, daß dies geschehen soll. Wir wollen sowohl die Israelis als auch die Ägypter ermutigen und — ich füge hinzu — ermuntern, in ihren Bemühungen fortzufahren, den geschlossenen Friedensvertrag weiterzuentwickeln. Wir bitten die Bundesregierung und fordern sie auf, alles zu tun, damit auch der eine oder andere arabische Staat in die nächste Phase der Entwicklung mit einsteigen kann, weil es eben nicht sein kann, daß diejenigen, die im Nahen Osten für Frieden arbeiten, öffentlich beschimpft werden. Vielmehr sollten wir denen, die sich um Frieden kümmern, unsere eigene Hilfe, unsere eigene politische Unterstützung leihen. Das gilt für die Ägypter und die Israelis

    (Dr. Mertens [Gerolstein] [CDU/CSU]: Sehr richtig!)

    wie auch für jeden anderen, der sich an einer solchen friedensvertraglichen Regelung, ohne radikale Störungen, beteiligt.

    (Beifall bei der CDU/CSU)

    Meine Damen und Herren, ich darf zum Schluß kommen: Unser Wunsch, der Wunsch der Fraktion der CDU/CSU, ist es, daß in diesem Hause auch künftig außenpolitische Diskussionen geführt werden können, die den Zusammenhang der außenpolitischen Probleme, die ihre geschichtliche Bedeutung deutlich machen. Dabei erbitten und fordern wir vom Bundeskanzler, daß er in einer dazu geeigneten Regierungserklärung Anstöße gibt und die
    Meinungen und die Haltung seiner eigenen Regierung unzweifelhaft festlegt. Dies haben wir heute — zwar nicht überall, aber zu einem wichtigen Teil — leider vermißt.

    (Anhaltender Beifall bei der CDU/CSU)