Rede von
Christian
Lenzer
- Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede:
(CDU/CSU)
- Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CDU)
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich möchte jetzt der Versuchung widerstehen, in einer Wadenbeißerei Punkt für Punkt die einzelnen angesprochenen Komplexe hier zu widerlegen, möchte aber feststellen, daß es die Fraktion der CDU/CSU nie an dem nötigen Ernst und an der nötigen Sorgfalt hat fehlen lassen — und das wird auch in der Zukunft so bleiben —, wenn es darum geht, sich sachlich auseinanderzusetzen und alle strittigen Punkte in der angemessenen Form zu behandeln.
Ich möchte diese Haushaltsdebatte aber auch nicht nur als eine Veranstaltung auffassen, wo es nur ums Geld geht; die Haushaltskollegen werden mir das nachsehen. Sie bietet auch die Gelegenheit, sich prinzipiell mit der Politik der Bundesregierung auseinanderzusetzen. Dazu einige Bemerkungen, um quasi auch die ideologischen Grundlagen einer solchen Politik deutlich zu machen.
Die Förderung von Wissenschaft, Forschung und technologischer Entwicklung ist für die kulturelle, geistige und wirtschaftliche Entwicklung unseres Landes von grundsätzlicher Bedeutung. Wissenschaft, Forschung und neue Technologien gestalten die Zukunft unserer Gesellschaft entscheidend mit. Sie helfen, die Probleme zu lösen. Deshalb muß Forschungspolitik ein wesentliches Element einer langfristigen und auf die Zukunft gerichteten Gesamtpolitik sein.
Europa steht vor der permanenten Herausforderung, durch verstärkte Forschungs- und Entwicklungsaufwendungen — das gilt auch für unser Land in besonderer Weise — ein Abgleiten in die Mittelmäßigkeit aufzufangen und abzuwehren. Dabei kann wissenschaftliche und technologische Betätigung heute wie in der Vergangenheit wirkungsvoll dem Wohle des Menschen dienen. Wissenschaftlicher Rückstand dagegen muß schwerwiegende Folgen z. B. für die Beschäftigung haben und das gesamte Gesellschaftssystem in seiner sozialen Ausgewogenheit in Frage stellen. Wir brauchen weiteres Wachstum, um Strukturänderungen zu ertragen und soziale Belastungen abzufangen. Es muß die Frage gestellt werden, ob die Forschungs- und Technologiepolitik dieser Bundesregierung hier dieser Verpflichtung gerecht wird.
Je mehr Forschung und technologische Entwicklung zum Instrument der Politik gemacht wird, um so größer wird nämlich die Gefahr, daß auch die Bereiche, die nicht auf bestimmte Ziele und Zwecke hin orientiert sind, in einen schematischen und geisttötenden Kontrollmechanismus eingespannt werden. Ausgeklügelte Instrumente sind für die Forschungsförderung entwickelt worden, die aber
Deutscher Bundestag — 8. Wahlperiode — 193. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 13. Dezember 1979 15377
Lenzer
leicht das Gegenteil von dem bewirken können, was sie bewirken sollen.
Die Tendenz in der Wissenschaft, sich der Bewertung durch staatliche Bürokratien zu entziehen, hat zugenommen. Mehr Vertrauen statt Reglementierung tut not. Dies bedeutet eine Abkehr von der administrativ-interventionistisch angelegten Forschungs- und Technologiepolitik. Das staatliche Handeln, das sich hier in wohlverstandener Zurückhaltung und auf das Setzen von verläßlichen langfristigen forschungs- und ordnungspolitischen Rahmenbedingungen beschränken sollte, beeinflußt Forschung und Technologie durchgreifend, dies vor allem kurzfristig in Abhängigkeit von jeweils rasch wechselnden haushalts- und konjunkturpolitischen Zielen. Dies muß vermieden werden. Die Forderungen insbesondere der Sozialdemokraten, Forschungs- und Technologiepolitik stärker am gesellschaftlichen Bedarf, an der gesellschaftlichen Relevanz zu orientieren, qualitatives und selektives Wachstum sowie die Aktivierung von Investitionen auf den „richtigen" Gebieten zu veranlassen und Systemveränderung im Sinne staatlich reglementierter, vorausschauender, aktiver Strukturpolitik zu bewirken, verraten die gefährlichen Ansätze einer antimarktwirtschaftlichen Ideologie. Das mangelnde Vertrauen der SPD und der Bundesregierung in den Markt und die Marktbeteiligten, für sich selber richtig zu erkennen und entscheiden zu können, welches die privaten Bedürfnisse des Bürgers sind und welches die angemessenen Produktionsstrukturen und -prozesse sind und wie sie sich entwickeln sollen, führt zur Bevormundung — zumindest besteht diese Gefahr — durch ins Detail ausgearbeitete Förderprogramme.
Tiber sie soll der Einstieg in die Lenkung privater Investitionen und damit auch von Produktionsstrukturen durch den Staat geschaffen werden. Mit Steuermitteln wird versucht, zunehmend in die Wirtschaft hineinzuregieren.
Neben den Branchen, die ungeschützt dem Wettbewerb ausgesetzt sind, gibt es jetzt jene Subventionsbranchen, bei denen der Wettbewerb durch staatliche Lenkung reduziert ist und die durch das süße Gift der staatlichen Alimentation ständig von den Bürokratien abhängig werden.
Die von Mißtrauen in die Wirtschaft gekennzeichnete Politik der Bundesregierung erzeugt naturgemäß auch ein Mangel an Vertrauen auf der anderen Seite, vor allem in die Verläßlichkeit der Rahmenbedingungen, die Stetigkeit und die Langfristigkeit der Maßnahmen und grundsätzlich in die staatliche Kontrolle und die Kompetenz der Kontrolleure.
Die Innovationskraft der Industrie hat eine Schlüsselfunktion für den wirtschaftlichen Wohlstand unseres Landes. Wichtig für die Innovationsentscheidungen der Unternehmer sind dabei die Einschätzung der gesamtwirtschaftlichen Situation und die Beurteilung der zukünftigen wirtschaftlichen Erwartungen. Hier kann die Politik ihren Beitrag leisten, indem sie Rahmenbedingungen setzt, die eine Kontinuität und Kalkulierbarkeit der politischen Entwicklung ermöglichen. .
Bei einer Auseinandersetzung mit der Forschungspolitik dieser Bundesregierung muß deshalb in erster Linie geprüft werden, ob diese Voraussetzungen auch erfüllt werden. Die Prüfung z. B. des Bundesforschungsberichts, über den wir uns sicherlich auch hier in diesem Plenum noch auseinandersetzen werden, zeigt, daß sich den klassischen Zielsetzungen, die sich kaum geändert haben, die auch konsensfähig sind, neue hinzugesellt haben, nämlich jetzt die Schonung der Ressourcen und z. B. auch die Abwägung der Chancen und Risiken technologischer Entwicklungen. Das ist eine Thema, das uns am Herzen liegt. Diese Zielsetzungen, meine Damen und Herren, bieten jedoch bei der Umsetzung in die Praxis vielerlei Ansätze für Kritik.
Ein Wort zur Grundlagenforschung. Ich möchte das wegen der Kürze der Zeit nicht ausführen. Ich verweise auf die Debatte, die wir hier am 21. September dieses Jahres geführt haben. Der Kollege Dr. Riesenhuber z. B. hat in seiner Rede damals einige Zahlen genannt, die für sich selbst sprechen. Es zeigt sich, daß seit dem letzten Bericht im Jahre 1975 die Bundesmittel in der Grundlagenforschung nominal kaum gewachsen und real sogar reduziert worden sind.
Ein weiterer Punkt betrifft die Bewertung technologischer Entwicklungen. Hier muß man sagen, daß schon in der 7. Legislaturperiode ein entsprechender Antrag der Unionsfraktionen gescheitert ist, obwohl in zahlreichen Hearings und Gutachten Notwendigkeit und Richtigkeit des Konzepts bewiesen waren. Der neue Antrag unserer Fraktion in der 8. Legislaturperiode hat zwischenzeitlich versucht, die Einwände aufzunehmen. Beim Präsidium des Deutschen Bundestages sollte eine kleine Arbeitsgruppe eingerichtet werden, die sich mit dieser Problematik befaßt.
In den vergangenen Jahren ist — das muß man sagen — von seiten der SPD- und der FDP-Fraktion kein konstruktiver Beitrag gekommen, sondern es kamen immer nur Einwände. Man hat alle unsere Anträge immer wieder abgeschmettert.