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ID0819313800

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  • tocInhaltsverzeichnis
    Plenarprotokoll 8/193 Deutscher Bundestag Stenographischer Bericht 193. Sitzung Bonn, Donnerstag, den 13. Dezember 1979 Inhalt: Erweiterung des Tagesordnung . . . . 15311B Fortsetzung der zweiten Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes über die Feststellung des Bundeshaushaltsplans für das Haushaltsjahr 1980 (Haushaltsgesetz 1980) — Drucksachen 8/3100, 8/3354 — Beschlußempfehlungen und Berichte des Haushaltsausschusses Einzelplan 11 Geschäftsbereich des Bundesministers für Arbeit und Sozialordnung — Drucksache 8/3381 — in Verbindung mit Einzelplan 15 Geschäftsbereich des Bundesministers für Jugend, Familie und Gesundheit — Drucksache 8/3385 — in Verbindung mit Zweite und dritte Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Zweiten Gesetzes zur Änderung des Gesetzes über die Errichtung einer Stiftung „Hilfswerk für behinderte Kinder" — Drucksache 8/3293 — Bericht des Haushaltsausschusses gemäß § 96 der Geschäftsordnung — Drucksache 8/3489 — Beschlußempfehlung und Bericht des Ausschusses für Jugend, Familie und Gesundheit — Drucksache 8/3451 — Prinz zu Sayn-Wittgenstein-Hohenstein CDU/CSU 15312A Grobecker SPD 15315D Dr. Rose CDU/CSU 15318C Ewen SPD 15321 B Cronenberg FDP 15324 B Müller (Remscheid) CDU/CSU 15325 B Urbaniak SPD 15328 A Hölscher FDP 15329 B II Deutscher Bundestag — 8. Wahlperiode — 193. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 13. Dezember 1979 Dr. Ehrenberg, Bundesminister BMA . 15331 A Burger CDU/CSU 15336 A Fiebig SPD 15338 B Eimer (Fürth) FDP 15341 A Frau Huber, Bundesminister BMJFG . 15343 C Frau Verhülsdonk CDU/CSU 15348A Glombig SPD 15351 D Kroll-Schlüter CDU/CSU 15355 B Kuhlwein SPD 15357 D Höpfinger CDU/CSU 15360A Jaunich SPD 15362 C Einzelplan 30 Geschäftsbereich des Bundesministers für Forschung und Technologie — Drucksache 8/3391 — Dr. Stavenhagen CDU/CSU 15364 B Dr. Dübber SPD 15367 A Dr.-Ing. Laermann FDP 15369 B Dr. Hauff, Bundesminister BMFT . . . 15372D Lenzer CDU/CSU 15376 C Dr. Vohrer FDP 15379 B Stockleben SPD 15380 B Einzelplan 31 Geschäftsbereich des Bundesministers für Bildung und Wissenschaft — Drucksache 8/3392 — Frau . Benedix-Engler CDU/CSU . . . . 15381 C Dr. Meinecke (Hamburg) SPD 15385 B Frau Schuchardt FDP 15387 C Schmude, Bundesminister BMBW . . 15391 A Pfeifer CDU/CSU 15395 C Lattmann SPD 15397 B Beratung des vom Ausschuß für Wahlprüfung, Immunität und Geschäftsordnung vorgelegten Entwurfs einer Geschäftsordnung des Deutschen Bundestages — Drucksache 8/3460 — Dr. Lenz (Bergstraße) CDU/CSU . . . . 15398 D Einzelplan 23 Geschäftsbereich des Bundesministers für wirtschaftliche Zusammenarbeit — Drucksache 8/3388 — Picard CDU/CSU 15399A Esters SPD 15401 C Gärtner FDP 15402 C Dr. Hoffacker CDU/CSU 15405A Dr. Holtz SPD 15407 D Dr. Vohrer FDP 15410D Offergeld, Bundesminister BMZ . . . 15412C Höffkes CDU/CSU 15415B Einzelplan 06 Geschäftsbereich des Bundesministers des Innern — Drucksache 8/3376 — in Verbindung mit Einzelplan 33 Versorgung — Drucksache 8/3394 — in Verbindung mit Einzelplan 36 Zivile Verteidigung — Drucksache 8/3396 — Dr. Riedl (München) CDU/CSU . . . 15417C Walther SPD 15421 D Gärtner FDP 15424 C Gerster (Mainz) CDU/CSU 15426 D Dr. Nöbel SPD 15429A Baum, Bundesminister BMi 15430A Spranger CDU/CSU 15435 B Dr. Wernitz SPD 15436 D Dr Wendig FDP 15438 B Einzelplan 01 Bundespräsident und Bundespräsidialamt Drucksache 8/3371 — 15439 C Einzelplan 02 Deutscher Bundestag — Drucksache 8/3372 — 15439 C Einzelplan 03 Bundesrat — Drucksache 8/3373 — 15439 D Deutscher Bundestag — 8. Wahlperiode — 193. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 13. Dezember 1979 III Einzelplan 19 Bundesverfassungsgericht — Drucksache 8/3386 — 15439 D Haushaltsgesetz 1980 — Drucksachen 8/3398, 8/3457 — . . 15440A Nächste Sitzung 15440 C Anlage Liste der entschuldigten Abgeordneten . . 15441* Deutscher Bundestag — 8. Wahlperiode — 193. Sitzung. Bonn, Donnerstag den 13. Dezember 1979 15311 193. Sitzung Bonn, den 13. Dezember 1979 Beginn: 9.00 Uhr
  • folderAnlagen
    Anlage zum Stenographischen Bericht Anlage Liste der entschuldigten Abgeordneten Abgeordnete (r) entschuldigt bis einschließlich Dr van Aerssen* 14. 12. Dr. Aigner* 14. 12. Alber * 14. 12. Dr. Bangemann* 14. 12. Dr. Becher (Pullach) 14. 12. Blumenfeld* 14. 12. Egert 14. 12. Fellermaier* 14. 12. Frau Dr. Focke* 14. 12. Friedrich. (Würzburg) * 14. 12. Dr. Früh* 14. 12. Dr. Fuchs* 14. 12. Gallus 14. 12. Genscher 13. 12. von Hassel* 14. 12. Katzer 14. 12. Klein (München) 14. 12. Dr. Klepsch* 14. 12. Lange* 14. 12. Lücker* 14. 12. Luster* 14. 12. Milz 14. 12. Dr. Müller-Hermann* 14. 12. Dr. Pfennig* 14. 12. Frau Schleicher* 14. 12. Dr. Schwarz-Schilling 13. 12. Dr. Schwencke (Nienburg) * 14. 12. Seefeld* 14. 12. Sieglerschmidt* 14. 12. Frau Tübler 14. 12. Frau Dr. Walz* 14. 12. Wawrzik*_ 14. 12. Baron von Wrangel 13. 12. * für die Teilnahme an Sitzungen des Europäischen Parlaments
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    Rede von Christian Lenzer


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (CDU/CSU)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CDU)

    Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich möchte jetzt der Versuchung widerstehen, in einer Wadenbeißerei Punkt für Punkt die einzelnen angesprochenen Komplexe hier zu widerlegen, möchte aber feststellen, daß es die Fraktion der CDU/CSU nie an dem nötigen Ernst und an der nötigen Sorgfalt hat fehlen lassen — und das wird auch in der Zukunft so bleiben —, wenn es darum geht, sich sachlich auseinanderzusetzen und alle strittigen Punkte in der angemessenen Form zu behandeln.
    Ich möchte diese Haushaltsdebatte aber auch nicht nur als eine Veranstaltung auffassen, wo es nur ums Geld geht; die Haushaltskollegen werden mir das nachsehen. Sie bietet auch die Gelegenheit, sich prinzipiell mit der Politik der Bundesregierung auseinanderzusetzen. Dazu einige Bemerkungen, um quasi auch die ideologischen Grundlagen einer solchen Politik deutlich zu machen.
    Die Förderung von Wissenschaft, Forschung und technologischer Entwicklung ist für die kulturelle, geistige und wirtschaftliche Entwicklung unseres Landes von grundsätzlicher Bedeutung. Wissenschaft, Forschung und neue Technologien gestalten die Zukunft unserer Gesellschaft entscheidend mit. Sie helfen, die Probleme zu lösen. Deshalb muß Forschungspolitik ein wesentliches Element einer langfristigen und auf die Zukunft gerichteten Gesamtpolitik sein.
    Europa steht vor der permanenten Herausforderung, durch verstärkte Forschungs- und Entwicklungsaufwendungen — das gilt auch für unser Land in besonderer Weise — ein Abgleiten in die Mittelmäßigkeit aufzufangen und abzuwehren. Dabei kann wissenschaftliche und technologische Betätigung heute wie in der Vergangenheit wirkungsvoll dem Wohle des Menschen dienen. Wissenschaftlicher Rückstand dagegen muß schwerwiegende Folgen z. B. für die Beschäftigung haben und das gesamte Gesellschaftssystem in seiner sozialen Ausgewogenheit in Frage stellen. Wir brauchen weiteres Wachstum, um Strukturänderungen zu ertragen und soziale Belastungen abzufangen. Es muß die Frage gestellt werden, ob die Forschungs- und Technologiepolitik dieser Bundesregierung hier dieser Verpflichtung gerecht wird.

    (Zuruf von der SPD: Ja!)

    Je mehr Forschung und technologische Entwicklung zum Instrument der Politik gemacht wird, um so größer wird nämlich die Gefahr, daß auch die Bereiche, die nicht auf bestimmte Ziele und Zwecke hin orientiert sind, in einen schematischen und geisttötenden Kontrollmechanismus eingespannt werden. Ausgeklügelte Instrumente sind für die Forschungsförderung entwickelt worden, die aber
    Deutscher Bundestag — 8. Wahlperiode — 193. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 13. Dezember 1979 15377
    Lenzer
    leicht das Gegenteil von dem bewirken können, was sie bewirken sollen.
    Die Tendenz in der Wissenschaft, sich der Bewertung durch staatliche Bürokratien zu entziehen, hat zugenommen. Mehr Vertrauen statt Reglementierung tut not. Dies bedeutet eine Abkehr von der administrativ-interventionistisch angelegten Forschungs- und Technologiepolitik. Das staatliche Handeln, das sich hier in wohlverstandener Zurückhaltung und auf das Setzen von verläßlichen langfristigen forschungs- und ordnungspolitischen Rahmenbedingungen beschränken sollte, beeinflußt Forschung und Technologie durchgreifend, dies vor allem kurzfristig in Abhängigkeit von jeweils rasch wechselnden haushalts- und konjunkturpolitischen Zielen. Dies muß vermieden werden. Die Forderungen insbesondere der Sozialdemokraten, Forschungs- und Technologiepolitik stärker am gesellschaftlichen Bedarf, an der gesellschaftlichen Relevanz zu orientieren, qualitatives und selektives Wachstum sowie die Aktivierung von Investitionen auf den „richtigen" Gebieten zu veranlassen und Systemveränderung im Sinne staatlich reglementierter, vorausschauender, aktiver Strukturpolitik zu bewirken, verraten die gefährlichen Ansätze einer antimarktwirtschaftlichen Ideologie. Das mangelnde Vertrauen der SPD und der Bundesregierung in den Markt und die Marktbeteiligten, für sich selber richtig zu erkennen und entscheiden zu können, welches die privaten Bedürfnisse des Bürgers sind und welches die angemessenen Produktionsstrukturen und -prozesse sind und wie sie sich entwickeln sollen, führt zur Bevormundung — zumindest besteht diese Gefahr — durch ins Detail ausgearbeitete Förderprogramme.

    (Zuruf von der SPD)

    Tiber sie soll der Einstieg in die Lenkung privater Investitionen und damit auch von Produktionsstrukturen durch den Staat geschaffen werden. Mit Steuermitteln wird versucht, zunehmend in die Wirtschaft hineinzuregieren.
    Neben den Branchen, die ungeschützt dem Wettbewerb ausgesetzt sind, gibt es jetzt jene Subventionsbranchen, bei denen der Wettbewerb durch staatliche Lenkung reduziert ist und die durch das süße Gift der staatlichen Alimentation ständig von den Bürokratien abhängig werden.
    Die von Mißtrauen in die Wirtschaft gekennzeichnete Politik der Bundesregierung erzeugt naturgemäß auch ein Mangel an Vertrauen auf der anderen Seite, vor allem in die Verläßlichkeit der Rahmenbedingungen, die Stetigkeit und die Langfristigkeit der Maßnahmen und grundsätzlich in die staatliche Kontrolle und die Kompetenz der Kontrolleure.
    Die Innovationskraft der Industrie hat eine Schlüsselfunktion für den wirtschaftlichen Wohlstand unseres Landes. Wichtig für die Innovationsentscheidungen der Unternehmer sind dabei die Einschätzung der gesamtwirtschaftlichen Situation und die Beurteilung der zukünftigen wirtschaftlichen Erwartungen. Hier kann die Politik ihren Beitrag leisten, indem sie Rahmenbedingungen setzt, die eine Kontinuität und Kalkulierbarkeit der politischen Entwicklung ermöglichen. .
    Bei einer Auseinandersetzung mit der Forschungspolitik dieser Bundesregierung muß deshalb in erster Linie geprüft werden, ob diese Voraussetzungen auch erfüllt werden. Die Prüfung z. B. des Bundesforschungsberichts, über den wir uns sicherlich auch hier in diesem Plenum noch auseinandersetzen werden, zeigt, daß sich den klassischen Zielsetzungen, die sich kaum geändert haben, die auch konsensfähig sind, neue hinzugesellt haben, nämlich jetzt die Schonung der Ressourcen und z. B. auch die Abwägung der Chancen und Risiken technologischer Entwicklungen. Das ist eine Thema, das uns am Herzen liegt. Diese Zielsetzungen, meine Damen und Herren, bieten jedoch bei der Umsetzung in die Praxis vielerlei Ansätze für Kritik.
    Ein Wort zur Grundlagenforschung. Ich möchte das wegen der Kürze der Zeit nicht ausführen. Ich verweise auf die Debatte, die wir hier am 21. September dieses Jahres geführt haben. Der Kollege Dr. Riesenhuber z. B. hat in seiner Rede damals einige Zahlen genannt, die für sich selbst sprechen. Es zeigt sich, daß seit dem letzten Bericht im Jahre 1975 die Bundesmittel in der Grundlagenforschung nominal kaum gewachsen und real sogar reduziert worden sind.
    Ein weiterer Punkt betrifft die Bewertung technologischer Entwicklungen. Hier muß man sagen, daß schon in der 7. Legislaturperiode ein entsprechender Antrag der Unionsfraktionen gescheitert ist, obwohl in zahlreichen Hearings und Gutachten Notwendigkeit und Richtigkeit des Konzepts bewiesen waren. Der neue Antrag unserer Fraktion in der 8. Legislaturperiode hat zwischenzeitlich versucht, die Einwände aufzunehmen. Beim Präsidium des Deutschen Bundestages sollte eine kleine Arbeitsgruppe eingerichtet werden, die sich mit dieser Problematik befaßt.
    In den vergangenen Jahren ist — das muß man sagen — von seiten der SPD- und der FDP-Fraktion kein konstruktiver Beitrag gekommen, sondern es kamen immer nur Einwände. Man hat alle unsere Anträge immer wieder abgeschmettert.


Rede von Richard Stücklen
  • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (CSU)
  • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CSU)
Herr Abgeordneter, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Abgeordneten Simpfendörfer?

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    Rede von Christian Lenzer


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (CDU/CSU)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CDU)

    Herr Präsident, nein; wir sind schon sehr knapp mit der Zeit. Nachher hat ja noch jemand die Möglichkeit, sich hier zu Wort zu melden. Das wird noch geschehen.

    (Roth [SPD]: Er möchte nicht im Lesefluß gestört werden!)

    Mein Eindruck ist: Hier sollten wir uns schleunigst verständigen. Das, was der Bundesminister zum Teil angesprochen hat, etwa in der Medienpolitik, hat letztlich auch mit der Frage der Technologiefolgenabschätzung zu tun. Es hat letztlich auch damit zu tun, daß man bei der Bevölkerung nur dann eine Zustimmung bekommen kann, wenn man mit den Folgen einer technologischen Entwicklung ins reine kommt. Aber mein Eindruck ist auch, Herr Mi-
    15378 Deutscher Bundestag — 8. Wahlperiode — 193. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 13. Dezember 1979
    Lenzer
    nister: Es darf nicht soweit kommen, daß vor lauter kritischem Hinterfragen letztlich die Entscheidungen ausbleiben.
    Meine Damen und Herren, ich möchte unsere Position in der Forschungs- und Technologiepolitik noch einmal ganz klar thesenhaft zusammenfassen. Ich muß das etwas schnell tun, weil sonst die Zeit davonläuft.
    Die direkte Forschungsförderung muß im Rahmen der sozialen Marktwirtschaft und auf der Basis von Subsidiarität die begründete Ausnahme bei volkswirtschaftlich bedeutsamen Großprojekten sein. Indirekte Forschungs- und Entwicklungsförderung sollte die Regel sein. Die Unternehmen sollten im Regelfalle immer in der Lage sein, ihre Investitionen aus eigenen Erträgen, aus eigenen Gewinnen zu finanzieren. Das gilt auch im Bereich der Forschungs- und Entwicklungspolitik. Der Wettbewerb muß erhalten bleiben. Die Forschungs- und Entwicklungspolitik muß mittel- und langfristig angelegt werden. Sie eignet sich nicht für stop and go und für aktuelle Konjunktursteuerung.
    Das oberste Prinzip der Forschungs- und Technologiepolitik muß sich ganz einfach im Setzen politischer Rahmenbedingungen erschöpfen. Die Autonomie der dezentralen Entscheidungen in den Unternehmen, in den Forschungseinrichtungen muß respektiert werden.
    Diesen Forderungen stehen die Schwachpunkte der Forschungs- und Technologiepolitik der Bundesregierung gegenüber, die der Kollege Stavenhagen bereits charakterisiert hat. Ich nenne nur die Stichworte Projektfülle, Überbürokratisierung, Bevorzugung von Großunternehmen. Ich darf Sie auch noch einmal auf das hinweisen, was der Kollege Stavenhagen gesagt hat. Wer die Äußerungen des FDP-Kollegen Haussmann in dieser Sache nachlesen will, die unsere Haltung bestätigen, möge das im „Handelsblatt" vom 18. Oktober 1979 tun. Wer zusätzlich noch etwas wissen will, der möge sich an Hand der Rede des Bundeswirtschaftsministers vom 7. Dezember 1979 sachverständig machen. Dort heißt es — ich darf einmal wörtlich zitieren —:
    Gezielte Projektforschung mag in manchen Fällen der Großforschung unvermeidbar sein. Übertreibungen führen jedoch sehr schnell dazu, daß die Gelder in den Taschen eines großen Mitnehmers verschwinden, der einer Förderung im allgemeinen am wenigsten bedarf.
    Zum Schluß noch einige Bemerkungen.

    (Zurufe von der SPD)

    — Ich weiß, jetzt kommt der Kalauer vom Dienst, und nur diejenigen, die im Verein der geistigen Tiefflieger Ehrenmitglied sind, klatschen an dieser Stelle. — In den letzten zwei Jahrzehnten — das sollten wir sehr ernst nehmen — hat sich in der Einstellung vieler Menschen zu Wissenschaft und Technik eine dramatische Veränderung vollzogen. Vor 20 Jahren, als z. B. die ersten Satelliten die Erde umkreisten, waren Wissenschaft und Technik die Zukunftshoffnung der Menschheit. Man verstand, daß Wissenschaft und Technik u. a. ihren Beitrag
    dazu geleistet hatten, die großen Probleme der Menschheit zu lösen, nämlich den Hunger zu überwinden, die Not in den Industrieländern zu beseitigen. Erst Wissenschaft und Technik haben das ermöglicht.
    In der Zwischenzeit ist aber — das wird man in der Debatte zum Einzelplan 30 wohl noch anmerken dürfen — eine beträchtliche Ernüchterung eingetreten, die uns Probleme schafft. Man mißtraut Wissenschaft und Technik und lastet ihnen alle möglichen Mängel an, z. B. bei den Umweltproblemen, oder aber man spricht von der Möglichkeit der Auseinandersetzung mit Kernwaffen. Damit verbunden ist eine Art Irrationalismus, ein neues Mittelalter. Der Versuch, die Welt und den Menschen mit den Mitteln der Vernunft zu lenken und zu erklären, wird nicht mehr recht ernst genommen. Man verurteilt alles, was groß ist. Man spricht von „small is beautiful", und das in einer Welt mit vier Milliarden Menschen. Die Prediger dieser neuen Religion haben bisher nur vage Vorstellungen entwickelt. Ihr Gott ist z. B. die energiespendende Sonne und ihr Teufel
    — ein anderes Beispiel — das Plutonium. Aber seine Gläubigen brauchen Benzin, um zur nächsten Antikernkraftdemonstration zu fahren.
    Was sind die Ursachen der mißtrauischen Einstellung zu Wissenschaft und Technik?

    (Hoffmann [Saarbrücken] [SPD]: Müssen Sie uns das auch noch sagen?)

    — Ich möchte Ihnen noch ganz andere Dinge sagen. Aber dann wird mich der Präsident wahrscheinlich zur Ordnung rufen. — Man kann nicht darüber hinwegsehen, daß die Ursachen zum großen Teil in der Entwicklung von Wissenschaft und Technik selbst liegen. Gerade in der Kernenergiefrage zeigt sich die Ambivalenz der menschlichen Schöpfungen. Hier kann die technische Entwicklung wie in vielen anderen Bereichen sowohl zum Guten wie zum Bösen eingesetzt werden. Den Zweiflern möchte ich in diesem Zusammenhang ein Zitat des Atomwissenschaftlers Professor Grümm vorlesen. Er hat einmal gesagt — das bestätigt nur, was ich sage —: „Die friedliche Nutzung der Kernenergie hat mit der Atombombe genausoviel und -sowenig zu tun wie die Elektrizität mit dem elektrischen Stuhl.
    Eine weitere Ursache für das wachsende Mißtrauen gegen die Wissenschaft liegt aber auch im Verhalten der Wissenschaftler selbst.

    (Unruhe bei der SPD)

    Fachleute sind vielfach nicht imstande, sich mit klaren Worten und in einer verständlichen Sprache auszudrücken.

    (Zuruf von der SPD: Sie auch nicht!)

    — Wer das nicht versteht, der muß, meine ich, irgendwo gefehlt haben. Ich versuche ja schon, mich so auszudrücken, daß selbst Sie es verstehen.
    Die Wissenschaftler erzeugen ein Fachchinesisch, das der Offentlichkeit oft unverständlich ist. Es fehlt offensichtlich an einer geeigneten Zahl von Dolmetschern.
    Deutscher Bundestag — 8. Wahlperiode — 193. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 13. Dezember 1979 15379
    Lenzer
    Meine Damen und Herren, es ist die Frage zu stellen, ob die Bundesregierung in dieser Diskussion ihrer Verpflichtung nachgekommen ist.

    (Stahl [Kempen] [SPD]: Sie ist, Herr Lenzer!)

    — Die Diskussion um den technischen Fortschritt, Herr Kollege Stahl, muß geführt werden. Ich hoffe, auch Sie sind damit einverstanden. Die Diskussion um das Wachstum muß geführt werden. Aber die Bundesregierung hat auch hier eine Führungsaufgabe. Die Bundesregierung hat die Pflicht und Schuldigkeit, nicht alles nur kritisch zu hinterfragen, sondern auch die Chancen der Technik für die Menschheit klarzustellen. Sie hat auch eine Art Leitfunktion. Sie darf nicht nur Wasser in den Wein gießen und alle Optionen offenhalten, sondern sie hat die Aufgabe, Vertrauen zu vermitteln. Bei der immer wieder nötigen Güterabwägung sollte herausgestellt werden, daß ohne technischen Fortschritt die Zukunftsprobleme mit Sicherheit nicht gelöst werden können.
    Ich bedanke mich für Ihre Geduld.

    (Beifall bei der CDU/CSU — Grobecker [SPD]: Die haben Sie arg strapaziert!)