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ID0819301700

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  • tocInhaltsverzeichnis
    Plenarprotokoll 8/193 Deutscher Bundestag Stenographischer Bericht 193. Sitzung Bonn, Donnerstag, den 13. Dezember 1979 Inhalt: Erweiterung des Tagesordnung . . . . 15311B Fortsetzung der zweiten Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes über die Feststellung des Bundeshaushaltsplans für das Haushaltsjahr 1980 (Haushaltsgesetz 1980) — Drucksachen 8/3100, 8/3354 — Beschlußempfehlungen und Berichte des Haushaltsausschusses Einzelplan 11 Geschäftsbereich des Bundesministers für Arbeit und Sozialordnung — Drucksache 8/3381 — in Verbindung mit Einzelplan 15 Geschäftsbereich des Bundesministers für Jugend, Familie und Gesundheit — Drucksache 8/3385 — in Verbindung mit Zweite und dritte Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Zweiten Gesetzes zur Änderung des Gesetzes über die Errichtung einer Stiftung „Hilfswerk für behinderte Kinder" — Drucksache 8/3293 — Bericht des Haushaltsausschusses gemäß § 96 der Geschäftsordnung — Drucksache 8/3489 — Beschlußempfehlung und Bericht des Ausschusses für Jugend, Familie und Gesundheit — Drucksache 8/3451 — Prinz zu Sayn-Wittgenstein-Hohenstein CDU/CSU 15312A Grobecker SPD 15315D Dr. Rose CDU/CSU 15318C Ewen SPD 15321 B Cronenberg FDP 15324 B Müller (Remscheid) CDU/CSU 15325 B Urbaniak SPD 15328 A Hölscher FDP 15329 B II Deutscher Bundestag — 8. Wahlperiode — 193. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 13. Dezember 1979 Dr. Ehrenberg, Bundesminister BMA . 15331 A Burger CDU/CSU 15336 A Fiebig SPD 15338 B Eimer (Fürth) FDP 15341 A Frau Huber, Bundesminister BMJFG . 15343 C Frau Verhülsdonk CDU/CSU 15348A Glombig SPD 15351 D Kroll-Schlüter CDU/CSU 15355 B Kuhlwein SPD 15357 D Höpfinger CDU/CSU 15360A Jaunich SPD 15362 C Einzelplan 30 Geschäftsbereich des Bundesministers für Forschung und Technologie — Drucksache 8/3391 — Dr. Stavenhagen CDU/CSU 15364 B Dr. Dübber SPD 15367 A Dr.-Ing. Laermann FDP 15369 B Dr. Hauff, Bundesminister BMFT . . . 15372D Lenzer CDU/CSU 15376 C Dr. Vohrer FDP 15379 B Stockleben SPD 15380 B Einzelplan 31 Geschäftsbereich des Bundesministers für Bildung und Wissenschaft — Drucksache 8/3392 — Frau . Benedix-Engler CDU/CSU . . . . 15381 C Dr. Meinecke (Hamburg) SPD 15385 B Frau Schuchardt FDP 15387 C Schmude, Bundesminister BMBW . . 15391 A Pfeifer CDU/CSU 15395 C Lattmann SPD 15397 B Beratung des vom Ausschuß für Wahlprüfung, Immunität und Geschäftsordnung vorgelegten Entwurfs einer Geschäftsordnung des Deutschen Bundestages — Drucksache 8/3460 — Dr. Lenz (Bergstraße) CDU/CSU . . . . 15398 D Einzelplan 23 Geschäftsbereich des Bundesministers für wirtschaftliche Zusammenarbeit — Drucksache 8/3388 — Picard CDU/CSU 15399A Esters SPD 15401 C Gärtner FDP 15402 C Dr. Hoffacker CDU/CSU 15405A Dr. Holtz SPD 15407 D Dr. Vohrer FDP 15410D Offergeld, Bundesminister BMZ . . . 15412C Höffkes CDU/CSU 15415B Einzelplan 06 Geschäftsbereich des Bundesministers des Innern — Drucksache 8/3376 — in Verbindung mit Einzelplan 33 Versorgung — Drucksache 8/3394 — in Verbindung mit Einzelplan 36 Zivile Verteidigung — Drucksache 8/3396 — Dr. Riedl (München) CDU/CSU . . . 15417C Walther SPD 15421 D Gärtner FDP 15424 C Gerster (Mainz) CDU/CSU 15426 D Dr. Nöbel SPD 15429A Baum, Bundesminister BMi 15430A Spranger CDU/CSU 15435 B Dr. Wernitz SPD 15436 D Dr Wendig FDP 15438 B Einzelplan 01 Bundespräsident und Bundespräsidialamt Drucksache 8/3371 — 15439 C Einzelplan 02 Deutscher Bundestag — Drucksache 8/3372 — 15439 C Einzelplan 03 Bundesrat — Drucksache 8/3373 — 15439 D Deutscher Bundestag — 8. Wahlperiode — 193. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 13. Dezember 1979 III Einzelplan 19 Bundesverfassungsgericht — Drucksache 8/3386 — 15439 D Haushaltsgesetz 1980 — Drucksachen 8/3398, 8/3457 — . . 15440A Nächste Sitzung 15440 C Anlage Liste der entschuldigten Abgeordneten . . 15441* Deutscher Bundestag — 8. Wahlperiode — 193. Sitzung. Bonn, Donnerstag den 13. Dezember 1979 15311 193. Sitzung Bonn, den 13. Dezember 1979 Beginn: 9.00 Uhr
  • folderAnlagen
    Anlage zum Stenographischen Bericht Anlage Liste der entschuldigten Abgeordneten Abgeordnete (r) entschuldigt bis einschließlich Dr van Aerssen* 14. 12. Dr. Aigner* 14. 12. Alber * 14. 12. Dr. Bangemann* 14. 12. Dr. Becher (Pullach) 14. 12. Blumenfeld* 14. 12. Egert 14. 12. Fellermaier* 14. 12. Frau Dr. Focke* 14. 12. Friedrich. (Würzburg) * 14. 12. Dr. Früh* 14. 12. Dr. Fuchs* 14. 12. Gallus 14. 12. Genscher 13. 12. von Hassel* 14. 12. Katzer 14. 12. Klein (München) 14. 12. Dr. Klepsch* 14. 12. Lange* 14. 12. Lücker* 14. 12. Luster* 14. 12. Milz 14. 12. Dr. Müller-Hermann* 14. 12. Dr. Pfennig* 14. 12. Frau Schleicher* 14. 12. Dr. Schwarz-Schilling 13. 12. Dr. Schwencke (Nienburg) * 14. 12. Seefeld* 14. 12. Sieglerschmidt* 14. 12. Frau Tübler 14. 12. Frau Dr. Walz* 14. 12. Wawrzik*_ 14. 12. Baron von Wrangel 13. 12. * für die Teilnahme an Sitzungen des Europäischen Parlaments
  • insert_commentVorherige Rede als Kontext
    Rede von Dieter-Julius Cronenberg


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (FDP)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (FDP)

    Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Der Beginn der Diskussion heute morgen hat mir wiederum einige Illusionen geraubt. Ich war davon ausgegangen, daß die Berichterstatter zum Haushalt sprechen würden. Wir hatten eigentlich vor, uns zu diesem ausgesprochenen Haushaltsteil nicht zu melden, sondern verstärkt in den Bereich der Grundsatzdiskussion einzusteigen. Das werden meine Kollegen Hansheinrich Schmidt (Kempten), Friedrich-Wilhelm Hölscher und Norbert Eimer nachher auch noch tun.
    Mir bleibt es vorbehalten, einige Klarstellungen in bezug auf die Punkte vorzunehmen, die zu Beginn dieser Diskussion in Verwirrung stiftender Weise vorgetragen worden sind, und zwar im Zusammenhang mit der Rentenproblematik, die erneut angesprochen worden ist.
    Erstens. Freie Demokraten halten, was sie versprechen. Wir haben mit dem Koalitionspartner eine klare, unmißverständliche Übereinkunft im 21. Rentenanpassungsgesetz niedergelegt. Dort ist alles festgelegt, was notwendig ist. Unterschiedliche Auffassungen zwischen den Koalitionspartnern, wie sie Prinz zu Sayn-Wittgenstein darstellen und damit Verwirrung stiften wollte, gibt es nicht.

    (Lachen bei der CDU/CSU — Franke [CDU/ CSU]: Die verdammten Journalisten schreiben das doch immer falsch!)

    Zweitens. Es gibt eine Diskussion über die Regelung der Renten nach 1984. Hier ist die Situation wie folgt. Wir haben mit unseren 32 Thesen, wie wir meinen, ein vernünftiges Konzept vorgelegt. Unser Koalitionspartner hat in Berlin ein Diskussionspapier vorgelegt. Zugegebenermaßen gibt es in diesem Diskussionspapier Positionen, die sich nicht mit unseren decken.

    (Reddemann [CDU/CSU]: Ich dachte, Sie seien sich völlig einig?)

    Richtig ist aber auch, daß beide Papiere in den Zielvorstellungen der Lösung nach 1984 ungewöhnlich viele Gemeinsamkeiten aufweisen.

    (Hasinger [CDU/CSU]: Vor allem die, weiter regieren zu wollen!)

    Nun gebe ich zu: Unterschiede zu Ihnen bestehen nicht. Aber nicht deswegen, weil Ihre und unsere oder Ihre und die SPD-Vorschläge gleich sind, sondern einfach deswegen, weil von Ihnen überhaupt keine Vorschläge vorliegen.

    (Beifall bei der FDP und der SPD)

    Wir möchten uns mit Ihnen gerne auseinandersetzen können. Sie geben uns aber nicht die Chance, uns einmal mit Ihrem Konzept für die Lösung nach 1984 zu befassen, weil Sie es nicht darlegen. Und wenn ich Dienstagabend von dieser Stelle aus gesagt habe, ich empfehle dem Kollegen Blüm, nach Frankfurt zu pilgern .— nicht um dort zu beichten, sondern um Exerzitien abzuleisten —,

    (Dr. Blüm [CDU/CSU]: Sie wiederholen sich!)

    dann muß ich jetzt feststellen, daß das offensichtlich nicht nur für den Kollegen Blüm, sondern auch für einige andere Kollegen zutrifft.
    Ich möchte hier noch etwas sagen, was die Redlichkeit dieser Diskussion anbelangt. Es ist gelegentlich für mich ungewöhnlich entäuschend, um nicht zu sagen: ein Beweis für die unredlich strukturierte Diskussion — ich sage Ihnen das in aller Offenheit —, wenn Sie wie eine tibetanische Gebetsmühle wiederholen: „Wir sind für bruttolohnbezogene Anpassung",

    (Franke [CDU/CSU]: Sie?)

    — Sie —

    (Franke [CDU/CSU]: Sie nicht?)

    ohne zu erklären, daß, wenn das gemacht würde, Herr Franke, und Ihre Vorschläge zum 21. Rentenanpassungsgesetz realisiert worden wären, wir heute schon Beitragssteigerungen hätten — mit den ganzen Folgen: weniger Nettoeinkommen der Arbeitnehmer, teure Produkte in unserer Exportwirtschaft. Alle diese Nachteile müssen Sie sehen. Wer wie eine tibetanische Gebetsmühle wiederholt: „Wir sind für bruttolohnbezogene Anpassung", ohne Gegenkonzepte aufzubauen, den verweise ich — und hier wiederhole ich mich auch — auf Nell-Breuning, auf unsere Thesen, auf die vernünftige Position, die wir in dieser Sache haben.
    Legen Sie uns Ihre Vorschläge vor. Wir sind sicher bereit, diese sachlich und vernünftig zu prüfen. Wir haben nur die ganz kleine Bitte, unsere Vor-
    Deutscher Bundestag — 8. Wahlperiode — 193. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 13. Dezember 1979 15325
    Cronenberg
    schläge einer ebenso objektiven Prüfung und Wertung zu unterziehen wie wir die Ihren zu unterziehen uns bereit erklären.
    Nun ein letztes, was die Redlichkeit der Diskussion anbelangt: Meine Damen und Herren von der Opposition, ich habe Verständnis, wenn man sich aus politischen Gründen auf eine solche Position einschießt. Aber ich habe relativ wenig Verständnis dafür, daß mir in den privaten Diskussionen — nicht nur dort im Restaurant, auch draußen — immer wieder von einem nicht unerheblichen Teil von Leuten Ihrer Fraktion bestätigt wird, daß dies durchaus Thesen sind, mit denen auseinanderzusetzen sich lohnt. Es gibt sogar Kollegen, die mir bestätigen, daß unsere Vorschläge vernünftig und richtig sind. Wenn mir alle diejenigen, die mir das gesagt haben, hier heute Beifall klatschten, kriegte ich mehr Beifall, Herr Kollege Franke, als meine Fraktion zur Zeit mir zu geben in der Lage ist.

    (Zuruf von der CDU/CSU: Das ist auch nicht viel!)

    Deswegen bitte ich um diese Unterstützung und um die redliche Betrachtung dieses Fragenkomplexes. Dann kommen wir in- der Sache ein Stückchen weiter. Nur konsequent ablehnen, nein sagen und fetischistisch bruttolohnbezogene Anpassung zu fordern, ist keine Lösung. Das ist nicht die Basis einer sauberen Auseinandersetzung.

    (Beifall bei der FDP und der SPD — Hasinger [CDU/CSU]: Nennen Sie doch Roß und Reiter! — Weiter Zurufe von der CDU/ CSU)



Rede von Richard Stücklen
  • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (CSU)
  • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CSU)
Meine Damen und Herren, da wir eine ganze Reihe von Kurzdebatten haben, darf ich bitten, dem Redner doch die Chance zu geben, daß er diese Kurzdebatte auch wirklich in seinem Sinn, in seiner Absicht führen kann, und die Zwischenrufe ein bißchen zu reduzieren.
Das Wort hat der Herr Abgeordnete Müller (Remscheid).

  • insert_commentNächste Rede als Kontext
    Rede von Adolf Müller


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (CDU/CSU)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CDU)

    Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ein kurzes Wort an Herrn Kollegen Grobecker. Ich habe mir überlegt: Sollst du auf diesen billigen Angriff gegen Norbert Blüm antworten? Ich möchte folgendes hier feststellen: Norbert Blüm braucht sich nicht um eine Eintrittskarte in die Führungsgremien der Union zu bemühen. Als Vorsitzender der Christlich-Demokratischen Arbeitnehmerschaft hat er diese Eintrittskarte.

    (Beifall bei der CDU/CSU)

    Ein Zweites: Er wird es sicherlich ertragen können, daß Sie ihn in Zukunft mit „Herr" anreden wollen.

    (Zuruf von der CDU/CSU: Kleiderordnung!)

    Für uns ist es wichtig, daß unsere Kollegen in den
    Betrieben ihn weiterhin als unseren Arbeitnehmerrepräsentanten ansehen und ihn mit „Kollege" anreden.

    (Beifall bei der CDU/CSU — Grobecker [SPD]: Da kann man nur lachen!)

    Die breite Palette des Arbeitsministeriums zwingt zur Konzentration. Ich möchte von daher in dieser Haushaltsdebatte insbesondere die Arbeitsmarktpolitik ansprechen, die auch bei den Berichterstattern schon eine Rolle gespielt hat. Die Sicherung der Vollbeschäftigung muß eine der wichtigsten politischen Aufgaben einer jeden Bundesregierung sein; denn von der Arbeitsmarktpolitik sind Millionen Menschen existentiell abhängig.
    Es ist zwar richtig, daß sich die Arbeitslosenzahlen in den letzten Monaten durch die leichte Konjunktursonne etwas gebessert haben, aber, meine Herren von der Regierungsbank, arbeitsmarktpolitisch Entwarnung zu blasen wäre bestimmt verfrüht.

    (Dr. Blüm [CDU/CSU]: So ist es!)

    Angesichts des neuerlichen Anstiegs der Arbeitslosenquote auf 3,5 % im letzten Monat erscheint es mir wie ein Hohn für die Betroffenen, wenn auf Regierungsseite schon das Wort „Vollbeschäftigung" gebraucht wird. Da wird vom Sockel der Arbeitslosigkeit geredet, von Restarbeitslosigkeit und von Bodensatz. Meine Herren, die Sprache verrät ein bißchen Verachtung.

    (Beifall bei der CDU/CSU)

    Helmut Schmidt sagte 1972 — ich habe das schon einmal hier in die Debatte eingeführt; aber so etwas kann man nicht oft genug sagen —, er würde 2 % Arbeitslosigkeit als eine schwere Fehlentwicklung der Wirtschaft ansehen. An solchen eigenen Zusagen bzw. Versprechungen muß sich die Bundesregierung und muß sich die SPD messen lassen. Früher, als wir die Regierungsverantwortung trugen, haben Sie bei viel geringeren Arbeitlosenzahlen sehr scharf und energisch protestiert.

    (Zurufe von der CDU/CSU: So ist es!)

    Diesen selbst gesetzten Anspruch muß die SPD
    heute gegen sich gelten lassen. Gemessen an diesem
    Anspruch haben Sie schlicht und einfach versagt.

    (Beifall bei der CDU/CSU)

    Sie haben in der Arbeitsmarktpolitik traurige Rekorde errungen. Seit 20 Jahren gab es in der Bundesrepublik Deutschland nicht mehr so viele Arbeitslose wie in der Regierungszeit von SPD und FDP.

    (Sehr richtig! bei der CDU/CSU)

    Noch nie mußte so viel Geld für die Bezahlung der Arbeitslosigkeit ausgegeben werden. Eine Million Arbeitslose kosten den Staat jährlich rund 20 Milliarden DM an Steuer- und Beitragsausfällen. Allein im Zeitraum von 1975 bis 1979 mußten für Arbeitslosengeld, Arbeitslosenhilfe und Kurzarbeitergeld über 45 Milliarden DM ausgegeben werden. Das ist mehr als in 20 Jahren unter CDU-Verantwortung.

    (Zuruf von der CDU/CSU: Unglaublich!)

    Von diesem Ihrem Versagen sind die Problemgruppen, die schwächsten Glieder des Arbeits-
    15326 Deutscher Bundestag — 8. Wahlperiode — 193. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 13. Dezember 1979
    Müller (Remscheid)

    markts am härtesten betroffen; denn sie zahlen die Zeche, und ihre Zahl wächst trotz leichter genereller Besserung auf dem Arbeitsmarkt weiter.
    Noch nie waren so viele Schwerbehinderte arbeitslos. Ober 60 000 sind es zur Zeit. 1970 waren es nur 5100.
    Noch nie waren so viele ältere Arbeitnehmer arbeitslos. Ober 123 000 der 55jährigen und älteren Arbeitnehmer waren im September arbeitslos. Noch nie waren so viele Arbeitnehmer mit gesundheitlichen Einschränkungen arbeitslos wie in diesem Jahr. Nach der letzten Strukturanalyse der Bundesanstalt für Arbeit sind es fast 250 000.
    Diese Zahlen zeigen, daß bei den Problemgruppen der negative Trend keineswegs gebrochen ist. Der harte Kern der Arbeitslosigkeit ist noch härter geworden. Die Konjunkturlokomotive hat die Problemgruppen abgekoppelt. Diese Entwicklung ist beängstigend.
    Diese Menschen fühlen sich auch zunehmend von der Gesellschaft ausgestoßen. Sie haben diese Menschen in den letzten Jahren weitgehend alleingelassen. Sie haben viel zu wenig dagegen getan, daß die Arbeitslosen in der Gesellschaft als Drückeberger und Faulenzer abgestempelt wurden.

    (Zuruf von der SPD: Von wem denn?)

    Sie haben das offensichtlich billigend in Kauf genommen, weil damit Ihr eigenes Versagen in der Arbeitsmarktpolitik auf die Betroffenen abgeschoben wurde.

    (Beifall bei der CDU/CSU — Haase [Kassel] [CDU/CSU]: Verhöhnt und verspottet haben sie die Erwerbslosen!)

    Ihre politische Verantwortung für die Vollbeschäftigung in diesem Land werden Sie damit allerdings nicht los. Ich werde den Verdacht nicht los, daß Sie die Opfer Ihrer Politik auch noch zu den Schuldigen machen wollen.

    (Haase [Kassel] [CDU/CSU]: Natürlich, so ist es!)

    Mit der 5. Novelle zum Arbeitsförderungsgesetz z. B. wollten Sie die Anpassungslast einer anhaltend hohen Arbeitslosigkeit einseitig den Arbeitslosen zuschieben und damit praktisch glauben machen, man brauche den Arbeitslosen nur Beine zu machen, und das Problem werde sich dann von selbst lösen.

    (Zuruf von der CDU/CSU: Genau! — Zuruf von der SPD: Unerhört!)

    Sie wollten die Arbeitnehmer von Stufe zu Stufe herabqualifizieren. In Ihren eigenen Reihen hat es darüber Auseinandersetzungen gegeben. Wir haben uns mit den Gewerkschaften dagegen gewandt, weil diese Abstiegsautomatik billig und menschenfeindlich ist.
    Sie wollten in der Arbeitslosenversicherung den Zwang zur unbegrenzten Mobilität einführen, die Arbeitnehmer praktisch wie Hasen durch die Wirtschaftslandschaft jagen. Wir haben uns mit den Gewerkschaften dagegen gewandt, weil dies familienfeindlich und inhuman gewesen wäre.

    (Beifall bei der CDU/CSU)

    Ihre Arbeitsmarktpolitik der Vertröstungen und Verharmlosungen hat bei vielen Betroffenen zu ungeahnten physischen und psychischen Schäden geführt, die wir kürzlich in einer Studie zur Lebenssituation der Arbeitslosen und zu den sozialen Folgekosten der Arbeitslosigkeit dargestellt haben. Man muß einfach wissen, daß bei vielen Arbeitslosen die seelischen Belastungen durch die Arbeitslosigkeit viel größer sind als die finanziellen Probleme. Man muß wissen, daß diese seelischen Belastungen durch die Arbeitslosigkeit bei den meisten Betroffenen auch zu körperlichen Krankheiten führen. Wir haben deswegen u. a. in dieser Studie vorgeschlagen, Forschungsaufträge mit dem Ziel zu vergeben, die gesundheitlichen Auswirkungen und gesamtwirtschaftlichen Folgekosten von Arbeitslosigkeit zu untersuchen und transparent zu machen. Die ganze Tragweite dieses Problems ist einfach noch nicht erfaßt. Ich schicke Ihnen, Herr Ehrenberg, diese Studie zu, damit Sie die vorgeschlagenen positiven Anregungen mit aufgreifen und unterstützen können.
    Eine verantwortliche Arbeitsmarktpolitik darf sich nicht mit 800 000 Arbeitslosen abfinden. Das wäre Menschenverachtung. Die Arbeitsmarktpolitik muß mit allen Mitteln darauf hinarbeiten, daß jeder, der arbeiten will, dies auch kann. Deshalb müssen die finanziellen Mittel konzentriert für die Wiederbeschäftigung von Arbeitslosen ausgegeben werden; eine sachfremde Vergeudung darf es nicht geben.
    Hier, Herr Kollege Grobecker und vor allen Dingen Herr Minister, ist natürlich ein Wort zum laufenden arbeitsmarktpolitischen Sonderprogramm fällig. Ich rede ja hier nicht wie ein Blinder von der Farbe; Sie werden mir zugeben müssen, daß ich ein bißchen von den Dingen verstehe. Der Bundesminister für Arbeit preist dieses Programm überall als sinnvolle arbeitsmarktpolitische Offensive und als Beispiel einer vorbildlichen Arbeitsmarktpolitik. Der angebliche Erfolg -wird wesentlich damit begründet, daß für 964 Millionen DM Anträge vorliegen. Aber Schein und Wirklichkeit fallen bei diesem Programm weit auseinander. Wer sich vom Schein der Millionenbeträge nicht blenden läßt, muß das Programm in erster Linie daran messen, wie vielen Arbeitslosen es Arbeit und Brot gegeben hat.
    Deshalb war es ja auch richtig, für den wichtigsten Schwerpunkt des Programms, die Wiedereingliederung Arbeitsloser, den Löwenanteil der Mittel vorzusehen. Es ist ein schwerer Fehler, wenn für diesen wichtigsten Programmpunkt jetzt nur noch magere 12 % übriggeblieben sind, für 6 456 Teilnehmer 121 Millionen DM; das sind 18 700 DM für den Einzelfall. Dagegen ist bei den Arbeitsmarktmaßnahmen im Bereich der sozialen Dienste der ursprüngliche Ansatz um das Dreifache überschritten. Hier werden für 7 950 Teilnehmer sage und schreibe 438 Mil-
    Deutscher Bundestag — 8. Wahlperiode — 193. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 13. Dezember 1979 15327
    Müller (Remscheid)

    lionen DM ausgegeben. Das ist die Riesensumme von 55 100 DM pro Teilnehmer.

    (Zuruf von der CDU/CSU: Unerhört! — Zuruf von der SPD: Für zwei Jahre!)

    Auch die Mittel für innerbetriebliche Qualifizierungsmaßnahmen wurden um 260 % aufgestockt. Hier werden für 23 566 Teilnehmer 405 Millionen DM oder 17 200 DM pro Teilnehmer ausgegeben.
    Wir halten diese massive Verlagerung der Schwerpunkte für völlig falsch.

    (Beifall bei der CDU/CSU)

    Die zu allererst und vor sonstigen Aufgaben notwendige Wiederbeschäftigung von Arbeitslosen wird von dem Programm einfach nicht mehr geleistet. Sinn und Zweck des Programms werden fragwürdig.
    Zudem behaupten die Gewerkschaften, daß es bei einer Reihe von Betrieben erhebliche Mitnahmeeffekte gibt. Herr Grobecker hat von den Kommunen gesprochen. Was sagen Sie, Herr Ehrenberg, zu den Berichten in der Gewerkschaftspresse, daß Firmen ihre Mitarbeiter plötzlich kolonnenweise qualifizieren wollen nach dem Motto: Sparen wir die Lohnkosten, der Staat bezahlt sie ja? Ist das in Ihren Augen sinnvolle Arbeitsmarktpolitik, wenn auf der anderen Seite noch 800 000 auf einen Arbeitsplatz warten?
    Aber, Herr Grobecker, noch schlimmer ist das, was sich bei den einzelnen Gemeinden, Städten und Kreisen abspielt. Da werden einfach freie Planstellen in von der Bundesanstalt für Arbeit geförderte Arbeitsplätze umgewandelt und so kommunale Haushalte aus Beitragsmitteln der Arbeitslosenversicherung entlastet. Zum Beispiel hat die Stadt Duisburg — das liegt bekanntlich nicht in einem CDU-regierten Land — einerseits immer mehr eigene Stellen abgebaut, andererseits immer mehr Mittel für Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen in Anspruch genommen. Kann das Sinn und Zweck einer rationalen Arbeitsmarktpolitik sein?

    (Dr. Blüm [CDU/CSU]: Ganz sicher nicht!)

    Der ÖTV-Vorsitzende hat Sie, Herr Ehrenberg, mit Schreiben vom 12. September auf diesen Mißstand hingewiesen. Herr Bundesarbeitsminister, warum nehmen Sie in der Öffentlichkeit nicht gegen diesen Mißbrauch Stellung? Warum verkaufen Sie in der Offentlichkeit weiter Ihre Erfolgsmeldungen über das Arbeitsmarktprogramm, obwohl Sie es besser wissen?

    (Beifall bei der CDU/CSU)

    Wenn diese Informationen zutreffen, ist es eine Vergeudung und ein Mißbrauch von Arbeitsmarktmitteln.

    (Zuruf von der CDU/CSU: Der liest doch die Briefe von Kluncker gar nicht!)

    Im Zusammenhang mit der Aufstockung des Arbeitsmarktprogramms von 500 auf 940 Millionen DM ist noch interessant, daß die Änderungsanträge unserer Fraktion bei der 5. Novelle zum AFG, die auf eine Ausweitung und Verbesserung der Instrumente einer präventiven Arbeitsmarktpolitik abzielten, von Ihnen, meine Herren von der SPD und der FDP, wegen angeblich fehlender Finanzmittel abgelehnt worden sind, während Sie den Nachtragshaushalt des Bundes mit den nicht benötigten Zuschüssen der Bundesanstalt für Arbeit finanziert haben, gewissermaßen als Manipulationsmasse.
    In dem Zusammenhang, Herr Grobecker, hätte ich von Ihnen gerne eine Auskunft darüber, was an Beschlüssen nun stimmt, ob die Bundesanstalt im nächsten Jahr 1,9 oder 1,6 Milliarden DM an Zuschüssen erhält. Das ist sicherlich auch für Nürnberg maßgebend. Wenn ich eine Presseinformation aus Nürnberg richtig gelesen habe, sind dort andere Zahlen eingesetzt worden, als Sie sie heute morgen hier genannt haben.
    Wenn wir uns mit der Arbeitslosigkeit nicht abfinden und uns auf die noch kommenden wirtschaftlichen Herausforderungen — ich erinnere nur an den Energie- und Währungssektor — einstellen wollen, dürfen wir in der Arbeitsmarktpolitik keine Mark vergeuden. Wir müssen uns überlegen, ob wir nicht das von uns geschaffene und von Ihnen verschlechterte Arbeitsförderungsgesetz noch mehr zu einem Instrument umfassender und vorbeugender Arbeitsmarktpolitik ausbauen können.
    Die halboffene und computerunterstützte Arbeitsvermittlung muß beschleunigt ausgebaut werden.
    Das Unterhaltsgeld sollte bei Familien, die ihren Lebensunterhalt ausschließlich von diesem Geld bestreiten müssen, aufgestockt werden, ebenfalls bei langfristig Arbeitslosen.
    Zur Steigerung der Mobilitätsbereitschaft sollten die Höchstbeträge für die Erstattung von Bewerbungskosten, Familienheimfahrten und Einrichtungsbeihilfen verdoppelt werden.
    Wir müssen uns überlegen, ob es bei den Problemgruppen nicht sinnvoll wäre, die Lohnkostenzuschüsse zu erhöhen und die mögliche Bezugsdauer zu verlängern.
    Wir müssen uns überlegen, ob es zur Schaffung von Teilzeitarbeitsplätzen nicht zweckmäßig wäre, die sogenannte verstärkte Förderung aus Bundesmitteln nach § 96 AFG vorwiegend oder ganz dieser Beschäftigungsart vorzubehalten.
    Wir müssen darüber nachdenken, ob es für die Eingliederung älterer Arbeitsloser nicht sinnvoll wäre, auch hier die Lohnkostenzuschüsse zu erhöhen. Zusammen mit den Vorschlägen, die wir in der Studie zur Lebenssituation der Arbeitslosen gemacht haben, ist es eine ganze Reihe von Anregungen. Wir glauben, dies den Betroffenen schuldig zu sein. Ein Abfinden mit der Millionenarbeitslosigkeit darf und wird es für uns nicht geben.

    (Beifall bei der CDU/CSU)

    Im Gegensatz zu einer Politik, die sich mit der Millionenarbeitslosigkeit auf dem Rücken der Betroffenen abfindet, ist nach unserem Grundsatzpro-
    15328 Deutscher Bundestag — 8. Wahlperiode — 193. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 13. Dezember 1979
    Müller (Remscheid)

    gramm Vollbeschäftigung für uns die gesellschaftspolitische Aufgabe Nr. 1.

    (Beifall bei der CDU/CSU)