Rede von
Dieter-Julius
Cronenberg
- Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede:
(FDP)
- Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (FDP)
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Der Beginn der Diskussion heute morgen hat mir wiederum einige Illusionen geraubt. Ich war davon ausgegangen, daß die Berichterstatter zum Haushalt sprechen würden. Wir hatten eigentlich vor, uns zu diesem ausgesprochenen Haushaltsteil nicht zu melden, sondern verstärkt in den Bereich der Grundsatzdiskussion einzusteigen. Das werden meine Kollegen Hansheinrich Schmidt , Friedrich-Wilhelm Hölscher und Norbert Eimer nachher auch noch tun.
Mir bleibt es vorbehalten, einige Klarstellungen in bezug auf die Punkte vorzunehmen, die zu Beginn dieser Diskussion in Verwirrung stiftender Weise vorgetragen worden sind, und zwar im Zusammenhang mit der Rentenproblematik, die erneut angesprochen worden ist.
Erstens. Freie Demokraten halten, was sie versprechen. Wir haben mit dem Koalitionspartner eine klare, unmißverständliche Übereinkunft im 21. Rentenanpassungsgesetz niedergelegt. Dort ist alles festgelegt, was notwendig ist. Unterschiedliche Auffassungen zwischen den Koalitionspartnern, wie sie Prinz zu Sayn-Wittgenstein darstellen und damit Verwirrung stiften wollte, gibt es nicht.
Zweitens. Es gibt eine Diskussion über die Regelung der Renten nach 1984. Hier ist die Situation wie folgt. Wir haben mit unseren 32 Thesen, wie wir meinen, ein vernünftiges Konzept vorgelegt. Unser Koalitionspartner hat in Berlin ein Diskussionspapier vorgelegt. Zugegebenermaßen gibt es in diesem Diskussionspapier Positionen, die sich nicht mit unseren decken.
Richtig ist aber auch, daß beide Papiere in den Zielvorstellungen der Lösung nach 1984 ungewöhnlich viele Gemeinsamkeiten aufweisen.
Nun gebe ich zu: Unterschiede zu Ihnen bestehen nicht. Aber nicht deswegen, weil Ihre und unsere oder Ihre und die SPD-Vorschläge gleich sind, sondern einfach deswegen, weil von Ihnen überhaupt keine Vorschläge vorliegen.
Wir möchten uns mit Ihnen gerne auseinandersetzen können. Sie geben uns aber nicht die Chance, uns einmal mit Ihrem Konzept für die Lösung nach 1984 zu befassen, weil Sie es nicht darlegen. Und wenn ich Dienstagabend von dieser Stelle aus gesagt habe, ich empfehle dem Kollegen Blüm, nach Frankfurt zu pilgern .— nicht um dort zu beichten, sondern um Exerzitien abzuleisten —,
dann muß ich jetzt feststellen, daß das offensichtlich nicht nur für den Kollegen Blüm, sondern auch für einige andere Kollegen zutrifft.
Ich möchte hier noch etwas sagen, was die Redlichkeit dieser Diskussion anbelangt. Es ist gelegentlich für mich ungewöhnlich entäuschend, um nicht zu sagen: ein Beweis für die unredlich strukturierte Diskussion — ich sage Ihnen das in aller Offenheit —, wenn Sie wie eine tibetanische Gebetsmühle wiederholen: „Wir sind für bruttolohnbezogene Anpassung",
— Sie —
ohne zu erklären, daß, wenn das gemacht würde, Herr Franke, und Ihre Vorschläge zum 21. Rentenanpassungsgesetz realisiert worden wären, wir heute schon Beitragssteigerungen hätten — mit den ganzen Folgen: weniger Nettoeinkommen der Arbeitnehmer, teure Produkte in unserer Exportwirtschaft. Alle diese Nachteile müssen Sie sehen. Wer wie eine tibetanische Gebetsmühle wiederholt: „Wir sind für bruttolohnbezogene Anpassung", ohne Gegenkonzepte aufzubauen, den verweise ich — und hier wiederhole ich mich auch — auf Nell-Breuning, auf unsere Thesen, auf die vernünftige Position, die wir in dieser Sache haben.
Legen Sie uns Ihre Vorschläge vor. Wir sind sicher bereit, diese sachlich und vernünftig zu prüfen. Wir haben nur die ganz kleine Bitte, unsere Vor-
Deutscher Bundestag — 8. Wahlperiode — 193. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 13. Dezember 1979 15325
Cronenberg
schläge einer ebenso objektiven Prüfung und Wertung zu unterziehen wie wir die Ihren zu unterziehen uns bereit erklären.
Nun ein letztes, was die Redlichkeit der Diskussion anbelangt: Meine Damen und Herren von der Opposition, ich habe Verständnis, wenn man sich aus politischen Gründen auf eine solche Position einschießt. Aber ich habe relativ wenig Verständnis dafür, daß mir in den privaten Diskussionen — nicht nur dort im Restaurant, auch draußen — immer wieder von einem nicht unerheblichen Teil von Leuten Ihrer Fraktion bestätigt wird, daß dies durchaus Thesen sind, mit denen auseinanderzusetzen sich lohnt. Es gibt sogar Kollegen, die mir bestätigen, daß unsere Vorschläge vernünftig und richtig sind. Wenn mir alle diejenigen, die mir das gesagt haben, hier heute Beifall klatschten, kriegte ich mehr Beifall, Herr Kollege Franke, als meine Fraktion zur Zeit mir zu geben in der Lage ist.
Deswegen bitte ich um diese Unterstützung und um die redliche Betrachtung dieses Fragenkomplexes. Dann kommen wir in- der Sache ein Stückchen weiter. Nur konsequent ablehnen, nein sagen und fetischistisch bruttolohnbezogene Anpassung zu fordern, ist keine Lösung. Das ist nicht die Basis einer sauberen Auseinandersetzung.