Herr Präsident! Meine Damen und Herren! In der Offentlichkeit besteht der Eindruck, daß das Justizministerium nur mit Fragen der Rechtspolitik befaßt sei. Dieser Eindruck ist nicht zutreffend. Zum Bereich des Justizministers gehört z. B. auch das Patentamt in München, und damit möchte ich mich befassen.
Beim Patentamt — ich muß dies vorausschicken — lagern etwa 20 Millionen patentierte Erfindungen. Man kann sagen, das ganze technische Wissen der Welt, einschließlich der kommunistischen Länder, lagert dort in München. Es kommt entscheidend darauf an, daß dieses Wissen möglichst vielen Betrieben zur Verfügung steht, weil dies unserem technologischen Fortschritt dient. Heutzutage erreicht man eine solch breite Information durch Einsatz der EDV. Mit anderen Worten: Es muß ein Informations- und Dokumentationssystem entwickelt werden.
Warum muß das geschehen? Einmal muß das geschehen, weil dies von der Fertigungsplanung der Betriebe her notwendig ist. Es muß verhindert werden, daß in Richtungen entwickelt wird, wo bereits Patente vorliegen. Zum zweiten ist es wichtig zu wissen, was bereits erfunden ist; denn 30 % unserer Forschungsmittel verpuffen in Deutschland, weil über Dinge geforscht wird, die bereits längst erfunden sind. Zum dritten ist es möglich, aus den be- kannten Erfindungen Trendanalysen abzuleiten, also zu erkennen, wohin die Entwicklung geht. Hätte man z. B. bei der Uhrenindustrie die Erfindungen genau registriert, dann hätte man vier Jahre im vorhinein gewußt, daß die elektronische Uhr kommen wird. Es wären dann die ganzen Umstellungsschwierigkeiten bei der einheimischen Uhrenindustrie nicht entstanden. Mit anderen Worten, verehrter Herr Staatssekretär Stahl vom Forschungsministerium: Es ist möglich, aus den angemeldeten Erfindungen Trendanalysen abzuleiten. Dies alles ist die Aufgabe des Patentamts in München, das dort gespeicherte Wissen einer breiten Offentlichkeit zugänglich zu machen.
Nun wird im Rahmen der Bundesregierung ein Informations- und Dokumentationssystem entwickelt, ein sogenanntes IuD, wozu auch eine Abteilung Patente gehören wird. Allerdings ist damit, Herr Staatssekretär Stahl, der Forschungsminister befaßt,
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Dr. Friedmann
der seinerseits auch eine ganze Reihe Professoren beauftragt hat. Aber keiner dieser Professoren ist jemals zum Patentamt nach München gegangen, um sich die Probleme anzusehen. Man ist mit den Dingen am grünen Tisch beschäftigt.
Der Justizminister hat erkannt, wo das Problem liegt, und versucht, die Entscheidung nun an sich zu ziehen, wobei noch die Finanzfrage geklärt werden muß. Ihnen, verehrter Herr Minister, möchte ich hier nachdrücklich die Bitte entgegenbringen, auf diesem Wege weiterzumachen, d. h., sich als Fachministerium um die Dokumentation zu kümmern, aber bitte so, daß auch die fachlichen, wirtschaftlichen Belange des Amtes dabei gewahrt werden.
Ein zweiter Punkt, der mir dabei am Herzen liegt, ist die Gebührenpolitik des Patentamts. Für eine patentierte Erfindung müssen heute vom Erfinder rund 22 000 DM gezahlt werden, verteilt auf 18 Jahre. Dies führt dazu, daß die Einnahmen aus Patentgebühren weit höher als die Kosten des Patentamts sind. Offensichtlich läßt sich der Minister von der Überlegung leiten, daß die Gebühreneinnahmen auch die Kosten des Patentgerichts decken sollen. Eine solche Überlegung ist aber dem deutschen Gerichtswesen fremd. Es sollte an sich genügen, wenn die Patentgebühren die Kosten des Patentamts dekken. Es wäre — im Interesse des Erfinders — wünschenswert, wenn sie niedriger sein könnten. Es ist falsch, zu glauben, daß das Informationssystem von den Gebühren her getragen werden müßte. Denn das Informationssystem seinerseits dient der ganzen Wirtschaft.
Nun ist es natürlich schwierig, Herr Minister, daß Sie Ihrerseits hier eine saubere Kalkulation vornehmen. Denn es gibt beim Patentamt bis heute keine verläßliche Betriebsrechnung. Alle Gebühren — sowohl die für Warenzeichen wie für Prozesse beim Patentgericht als auch die für die Patente — fließen bislang in einen Topf. Es kommt also darauf an, Herr Minister, daß Sie bei diesem Amt eine saubere Betriebsabrechnung durchsetzen und dann — basierend auf den Ergebnissen dieser Kalkulation, dieser Abrechnung — Gebührenpolitk betreiben, die ausschließlich auf die Kosten des Patentamts abzielt.
Ein weiterer Punkt, der hier angesprochen werden muß, ist die Handhabung der Patentpolitik. Nach den gesetzlichen Grundlagen ist es heute so, daß ein angemeldetes Patent, also die Erfindung, nach 18 Monaten offengelegt werden muß. Von da an kann jeder interessierte Dritte Einsicht nehmen. Die durchschnitlliche Bearbeitungsdauer liegt aber im Schnitt bei zweieinhalb Jahren;
oft dauert es noch länger. Die kritische Phase liegt nun zwischen der Offenlegung nach 18 Monaten und der Patenterteilung.
Es gibt große Unternehmen, die mehr als 20 vollbezahlte Kräfte zum Patentamt abgestellt haben, deren Aufgabe es ist, vorgelegte Erfindungen ausschließlich daraufhin zu überprüfen, ob sie für das eigene Unternehmen von Interesse sind. Man sage nicht, das sei rechtlich nicht zulässig; der Erfinder hat keinen Unterlassungsanspruch. Er hat — nach Erteilung des Patents — lediglich einen Anspruch auf Schadenersatz. Jedoch kann er diesen Anspruch auf Schadenersatz in aller Regel nicht durchsetzen, weil er der wirtschaftlich Schwächere gegenüber denen ist, die seine Patende längst nutzen, bevor sie patentiert worden sind. Mit anderen Worten: Es kommt, verehrter Herr Minister, nicht entscheidend auf eine Änderung des Gesetzes an, sondern auf eine organisatorische Handhabung der Anmeldungspraxis derart, daß Patentschutz schneller erteilt wird.
Sie haben mir in der Antwort auf eine Anfrage hier im Hause erklärt, auch Sie hielten es für notwendig, von zweieinhalb Jahren Bearbeitungszeit auf zwei Jahre herunterzukommen. Dabei muß man bedenken, daß das Verfahren in Einzelfällen noch länger als zweieinhalb Jahre dauert. Ich möchte Sie ausdrücklich bitten, in dieser Richtung weiterzuarbeiten. Sie werden nachher wahrscheinlich sagen: Das hängt mit der Personalsituation beim Patentamt zusammen. Diese geht Ihrerseits auf die Situation vor 1974 zurück, als es einen Personalstopp gab, was seinerzeit wiederum mit dem Europäischen Patentamt und Ihrem Vorgänger zusammenhing. Es hat sich gezeigt, daß hier in jener Zeit das richtige politische Augenmaß für die Personalpolitik fehlte. Aber andererseits, Herr Minister Vogel, haben wir Ihnen in der Personalkommission Zugeständnisse gemacht,
von denen Sie selbst sagen, daß Sie damit die nächsten zwei, drei Jahre auch beim Patentamt existieren können.
Kurz und gut: Die Handhabung der Patentpolitik läuft letztlich darauf hinaus, daß die Gebühren zu hoch sind und vor allem die Erteilung der Patentrechte zu lange dauert. Die Patentpolitik ist damit im ganzen mittelstandsfeindlich und kann insoweit von uns nicht gebilligt werden. Der deutsche Erfinder muß den Eindruck haben, daß er beim Justizministerium als fachlicher Behörde nicht richtig aufgehoben ist, daß dort das Gespür für wirtschaftliche Belange nicht so entwickelt ist wie das Gespür für Rechtspolitik. Der deutsche Erfinder muß den Eindruck haben, daß er durch diese Behandlung finanziell stranguliert und durch Verwaltungsmaßnahmen eingedämmt, zurückgedrängt und benachteiligt wird.
Von daher, von dieser praktischen Handhabung der Patentpolitik her, Herr Minister, haben wir bei Ihnen Kritik anzumelden. Ich räume Ihnen ein, daß Sie im Laufe der letzten Jahre bei der Handhabung Ihres Ressorts aus unserer Sicht vorangekommen sind, aber zumindest auf diesem Gebiet ist noch ein Nachholbedarf vorhanden.
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Auch deswegen, verehrter Herr Minister, lehnt die Opposition den Einzelplan 07 ab.