Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Sie werden Verständnis dafür haben, daß ich mit einem Dank an den Berichterstatter, unseren Kollegen Müller aus Nordenham, beginne, weil nach einer Erklärung, die er selbst hier abgegeben hat, dies wohl seine letzte Berichterstattung war. Ich darf diesen Dank generell mit dem Dank an die Ausschußmitglieder verbinden, soweit mein Ressort betroffen ist, weil sich manches von dem, was hier durch die gesuchte Konfrontation vielleicht verdeckt wird, durch eine angenehme Zusammenarbeit in den Ausschüssen wieder ausgleicht.
15286 Deutscher Bundestag — 8. Wahlperiode — 192. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 12. Dezember 1979
Bundesminister Gscheidle
Ich darf, wenn Sie nicht widersprechen, mit der Bundespost beginnen. Es war immerhin ein großes Kompliment — so verstehe ich es jedenfalls —, daß die Opposition zum Thema Bundespost angesichts der großen Bedeutung der Post, auf die Sie, Herr Abgeordneter Friedmann, hingewiesen haben, nur einen Beitrag geleistet hat, wobei Sie sich — bei allem Respekt vor Ihren Ausführungen — auf einige Dinge konzentriert haben, die, bezogen auf die von Ihnen selbst betonte Bedeutung der Bundespost, nur relativ zu würdigen sind.
Wenn ich mir einen Spaß erlauben darf, Herr Dr. Friedmann, möchte ich sagen: Es könnte sein, daß Ihre Schwierigkeiten hinsichtlich der Öffentlichkeitsarbeit der Bundespost mit der Schwierigkeit der t Übersetzung von public relations zusammenhängen. Ich glaube, es ist Ihnen entgangen, daß es dort. zwei Titel gibt: Public-Relations-Arbeit und Produktenwerbung. Sie haben Ihre Polemik an public relation aufgehängt. Im übrigen Kompliment für mein gutes Aussehen; ich hoffe, das hilft mir auch weiterhin in der Öffentlichkeitsarbeit!
Nur: Öffentlichkeitsarbeit ist ein Ansatz. Da haben wir praktisch nicht erhöht. Was Sie angesprochen haben, ist Produktenwerbung. Dort haben wir in der Tat eine Erhöhung von 30 auf 44 Millionen vorgesehen. Das heißt also: Damit könnte ich mich, auch wenn ich wollte, nicht selbst darstellen, sondern die Post wirbt für neue Dienstleistungen. Soweit ich Sie kenne, sind wir da einer Meinung.
Sie haben unter der t Überschrift „parlamentarische Kontrolle" ein sicherlich nachdenkenswertes Thema angesprochen. Sie haben aber vielleicht dabei außer acht gelassen, daß das Gesetz, nach dem dies geregelt ist, mit Mehrheit des Hauses — soweit ich mich erinnere, nur mit zwei Gegenstimmen — damals geschaffen wurde und daß interessanterweise die Diskussion um mehr parlamentarische Kontrolle mit der zunehmend positiven Situation des Gesamtunternehmens zusammenhängt. Ich will den Gedanken nicht weiterführen.
Aber zu Ihrer Bemerkung hinsichtlich der Bedeutung des Postverwaltungsrats muß ich im Interesse der Mitglieder des Verwaltungsrats ein deutliches Wort sagen. Sie können die Zuständigkeit nach dem Gesetz bemängeln. Aber von der Qualität her —
dies könnte mißverstanden worden sein — handelt es sich um hervorragende Persönlichkeiten aus Politik und Wirtschaft. Ich wüßte nicht, was es hinsichtlich des Inanspruchnehmens der im Gesetz vorgesehenen Rechte für Anstände geben könnte.
Insofern bin ich dem Kollegen Riedl dankbar, der mit seinem Zwischenruf „Das sind wohl alles Weihnachtsmänner!"
deutlich machen wollte, daß da schon gute Leute sitzen.
Nun zu der Frage der Verkehrspolitik!
— Ach wissen Sie! Sehen Sie mal die Liste durch! Da erübrigt sich die Antwort.
In der Frage der Verkehrspolitik hat der Abgeordnete Schröder begonnen, etwas kritisch die vielen Untersuchungen zu beleuchten, die wir machen. Das ist richtig, daß wir viele Analysen machen. Aber wir betrachten das als ein Lob, wenn der Abgeordnete Schröder sagt: Außer Analytik ist ihm bisher nichts bekanntgeworden. Mir ist da tröstend ein Spruch von Rousseau eingefallen, der sagt: „Das einzige Mittel, den Irrtum zu vermeiden, ist die Unkenntnis." Das müssen Sie uns wenigstens bestätigen, daß wir wohl bemüht sind, die Unkenntnis bei uns zu beseitigen.
Zu den Problemen der Verkehrspolitik, soweit Wir sie steuern können, würde ich gern darauf hinweisen, daß hier unsere Politik der Konzentration und der Investition doch Früchte zeitigt, die auch Ihre Sprecher sachlich nicht geleugnet haben. Daß es bei der Bahn noch Probleme gibt, wird niemand bestreiten. Daß wir bemüht sind, sie zu beseitigen, will ich Ihnen an zwei Dingen zeigen.
Ihr erster Grundirrtum gegenüber der Bundesbahn, der bei allen Diskussionen, seit ich Verkehrsministet bin, immer deutlich wird, ist, daß Sie, obwohl Sie von der Bundesbahn zu Recht auch Aufgabenerfüllung im Sinne der Gemeinnützigkeit fordern, die Konsequenz nicht akzeptieren, die sich daraus ergibt. Ihre Betrachtung der Bundesbahn, rückschauend auf zehn oder zwanzig Jahre, läßt objektiv eines vermissen. Ich will sie nicht mit Zahlen langweilen, aber diese Zahlen muß ich Ihnen sagen. Die erfolgswirksamen Zuweisungen Ries Bundes an die Bundesbahn betrugen 1960 noch nicht einmal 400 Millionen DM. Sie betrugen 1965 erst 1,15 Milliarden DM. Sie waren 1970 schon 2,6 Milliarden DM, 1975 schon 6,2 Milliarden DM und werden 1980 8,6 Milliarden DM erreichen. Wenn Sie der Bundesbahn helfen wollen — dies erklären Sie erfreulicherweise immer wieder —, dann helfen Sie mit, diesen Grundirrtum in der Offentlichkeit zu beseitigen, daß der Steuerzahler laufend in ein Faß ohne Boden an die Bundesbahn bezahlt.
— Entschuldigen Sie, ich will das gleich generell sagen. Ich habe mich verpflichtet, nur zehn Minuten
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Bundesminister Gscheidle
zu reden. Das gestattet mir nicht, Zwischenfragen zuzulassen und auf sie einzugehen.
Das sage ich generell, nicht auf die Person bezogen.
Helfen Sie wenigstens mit, diesen Grundirrtum auszuräumen. Wenn Sie von der Bundesbahn zu Recht Leistungen erwarten — das ist eine der Grundauffassungen der Sozialdemokraten —, müssen Sie dafür auch bezahlen. Je mehr solcher Leistungen Sie von der Bundesbahn fordern — ob Schülerverkehr, Berufsverkehr oder Regionalstrukturpolitik —, um so mehr müssen Sie bezahlen. Nehmen Sie wenigstens diese Zahlen aus der Befrachtung heraus. Dann bleibt Ihnen für die Polemik immer noch genug.
— Wissen Sie, im Prinzip habe ich nichts dagegen, mich mit Ihnen auseinanderzusetzen.
Aber die Unterhaltungen mit Ihnen haben zwei Seiten: die angenehme der sachlichen Unterhaltung, wenn wir allein sind, und die mir unverständliche der Polemik bei Ihren Zwischenrufen.
— Ich habe Ihnen doch gar keine Vorwürfe gemacht. Wenn ich anfange, Ihnen gegenüber Vorwürfe zu machen, sieht das ganz anders aus.
Sie werden die Probleme der Bundesbahn durch Polemik nicht lösen können. Ich bitte Sie im Interesse der Bundesbahn: Behalten Sie im Auge, was es zu beseitigen gilt. Das ist ein Bilanzdefizit. Wir sind dabei, es abzubauen. Das ist mühevoll genug. Ich staune nur, mit welcher Lässigkeit man hin und wieder sagt, es bedeutet ja nicht viel, daß ihr 3 Milliarden DM pro Jahr durch Abbau von Personal eingespart habt. Ich kann Ihnen sagen: Für mich als früheren Gewerkschaftler war es eine der schwierigsten Entscheidungen in meinem ganzen Berufsleben, in einer angespannten Phase, in der sich dieses Land in der Frage der Arbeitsplatzsituation insgesamt befindet, bei der Bundesbahn Jahr für Jahr 15 000 bis 20 000 Arbeitsplätze nicht zu besetzen. Vielleicht beurteilen Sie das anders.
Sie können nur auf diesem Weg und durch Ertragssteigerungen zum Ziel kommen. Aber ich sage Ihnen, daß Sie nur eine Summe von rund 4 Milliarden DM bewegen können.
Noch ein Wort dazu. Ich gehe davon aus, daß Sie in einigen Jahren, wenn Sie Ihre Aussagen zur Bahn selbstkritisch prüfen, überrascht sein werden, wieviel Sie dann fordern müßten, um die Bundesbahn in den Stand zu versetzen, noch mehr im Sinne der Gemeinnützigkeit zu tun. Um überhaupt eine Verkehrsinfrastruktur so aufrechterhalten zu können, daß keine schweren Schäden für die Volkswirtschaft insgesamt entstehen, müssen Sie das aus Steuergeldern bezahlen. Der Bundesbahn könne Sie nur helfen, wenn Sie ihre große Bedeutung für die Wirtschaft immer wieder objektiv darstellen.
Darum bitte ich Sie.
Im Straßenbau beanstanden Sie Kürzungen. Das ist Ihr gutes Recht. Die Seltsamkeit Ihrer differenzierten Politik zwischen Bund und Ländern auf diesem Gebiet wird Ihnen offenkundig werden, wenn Sie sich die Beschlüsse des Bundesrates zum Verkehrswegebau ansehen, wenn Sie einmal versuchen, bei den unterschiedlichen Auffassungen, die dort bestehen, eine gemeinsame Aussage zustande zu bringen.
Ich freue mich über einige Aussagen, die Sie hinsichtlich der Schwerpunkte gemacht haben. Sie müssen auf dem Gebiet der Verkehrssicherheit, des Umweltschutzes liegen. Sie werden bestätigen müssen, daß da einiges geschieht.
Im übrigen: Wenn jemand vom Investitionsstau spricht — ich halte den Ausdruck für etwas übertrieben —, lassen Sie uns wenigstens gemeinsam darüber nachdenken, wie wir ihn beseitigen können. Das ist eine Frage der politischen Verantwortung auf allen Gebietsebenen. Sie beginnt bei den Gemeinden, bei den Städten und setzt sich fort im Land
und beim Bund.
Da Sie sich in der Frage so sehr engagieren, vor allem was die Bundesbahn betrifft, lassen Sie mich einen polemischen Ausdruck verwenden. Was im Zusammenhang der Erhöhung der Tarife im Münchner Verkehrsverbund passiert ist, war doch ein „Straßentheater" der dort verantwortlichen Kommunalpolitiker; denn die waren sich doch, bevor die Sache öffentlich ausgetragen wurde, darüber im klaren, in welchem Umfange erhöht werden muß. Das ist die Zwangsläufigkeit, in der sich jede Gebietskörperschaft sieht, wenn es darum geht, eine Leistung zu erbringen, die nur in einem bestimmten Umfang vom Staat allein bezahlt werden kann und die Aufbringung von Eigenanteilen erfordert.
— Wenn wir daraus lernten, Herr Kollege, würden wir vielleicht auch im Hinblick auf den Abbau des Investitionsstaus einiges beseitigen können.
— Ich freue mich, Herr Dr. Riedl, daß Sie mir aus örtlicher Kenntnis zustimmen, daß man hier einiges bewegen kann.
Im übrigen herzlichen Dank; denn bei aller Ihrer Polemik war nicht zu übersehen, daß Sie die Arbeit der einen Million Menschen anerkenne, die in diesem Bereich Verkehr und Post- und Fernmeldewesen tätig sind. Auch ich darf denen zum Abschluß meiner Ausführungen von dieser Stelle herzlich für diese wirklich erfolgreiche Arbeit der letzten Jahre
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Bundesminister Gscheidle
danken — auch wenn Sie es in einzelnen Punkten anders sehen.