Rede von
Rolf
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- Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede:
(FDP)
- Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (FDP)
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Der Anteil des öffentlichen Personenverkehrs betrug im Jahre 1950 67 % gegenüber einem Anteil des Individualverkehrs von 33 %. Bis zum Jahre 1976 hat sich dieses Verhältnis nicht nur umgekehrt, sondern die Schere zwischen dem Auto und dem öffentlichen Verkehrsmittel ist noch weiter auseinandergegangen: denn 1976 betrugen der Anteil des öffentlichen Verkehrs nur noch 22 % und der des Individualverkehrs 78 %. Im Güterverkehr zeigte sich ein ähnliches Bild.
Inzwischen setzt sich allerdings die Erkenntnis durch, daß die an sich wünschenswerte Mobilität unserer Bürger, die mit dem Individualverkehr verbunden ist, in zunehmendem Maße zu unerträglichen Belastungen in vielen Bereichen führt. Wir wissen, daß Verkehrsleistungen im Individualverkehr zu enormen Belastungen unserer Umwelt führen. Das gilt nicht nur für die von den Fahrzeugen ausgehenden Immissionen wie Lärm und Abgase, sondern auch bezüglich der großen Belastungen, denen der Ausbau unseres Straßennetzes die Natur unterwirft.
Wir registrieren in zunehmendem Maße beim Bürger eine Änderung seiner Einstellung dem Straßenbau gegenüber. Eine Meinungsumfrage neueren Datums zeigt deutlich, daß der Bürger aus dem Katalog der verkehrspolitischen Aufgaben dem Ausbau unseres Autobahnnetzes nur eine relativ geringe Bedeutung zumißt. So waren es nur 13 % der Bevölkerung, die bereit waren, den Ausbau des Autobahnnetzes als wichtiges Ziel der Verkehrspolitik zu akzeptieren. Unangefochten an der Spitze lagen die Forderungen nach mehr Verkehrssicherheit und vor allem nach einem Ausbau des öffentlichen Personennahverkehrs. Diese geänderten Wertvorstellungen der Bürger, mit denen wir in zunehmendem Maße konfrontiert werden, müssen und werden ihre Auswirkungen nicht nur auf den heute zu diskutierenden Haushalt des Jahres 1980, sondern auch auf die Haushalte der nächsten Jahre haben.
Die FDP begrüßt, daß die Bundesregierung bereit ist, die Investitionsmittel in den nächsten Jahren drastisch vom Bundesfernstraßenbau zur Deutschen Bundesbahn zu verschieben. Während in den vergangenen zehn Jahren 16,4% der Investitionsmittel in Investitionsleistungen der Deutschen Bundesbahn geflossen sind, wird eine Erhöhung dieses Anteils auf 29,1 % für eine erhebliche Steigerung des bisherigen Volumens der Investitionen im Schienennetz sorgen. Parallel dazu werden die Investitionsmittel für den Bundesfernstraßenbau von 53,2 in den vergangenen zehn Jahren auf 42,4 % in den nächsten zehn Jahren sinken. Allein 1980 liegt der Straßenbauetat um 450 Millionen DM unter der bisher geltenden Finanzplanung.
Damit hat die Bundesregierung einen ersten Schritt getan, um die Wertvorstellungen der Bürger in die politische Praxis umzusetzen. Die Regierung und die sie tragenden Parteien haben damit unter Beweis gestellt, daß sie willens und in der Lage sind, die geänderten Voraussetzungen in die politische Realität umzusetzen.
Ich verstehe gut, daß es einigen Mitgliedern dieses Hauses, insbesondere bei der Opposition, schwerfällt, sich von den einst verkündeten Idealvorstellungen eines gigantischen Autobahnnetzes zu trennen.
— Eben, den habe ich damit gemeint, Herr Kollege Hanz. — Nur muß ich hier an die Adresse der Opposition deutlich sagen, daß ich überhaupt kein Verständnis dafür habe, wenn Sie dann die Politiker, die sich diesen geänderten Wunschvorstellungen anpassen und den Straßenbau auf ein realistisches Maß zurückführen werden, draußen im Landes als „Verzichtpolitiker" diffamieren.
— Entschuldigung, Herr Kollege Lemmrich, das ist genau das, was ich gesagt habe. Wir führen den Ausbau des Straßennetzes auf ein realistisches Maß zurück, und der Innenminister Ihres Landes, des Staates Bayern, verkündet draußen: Dies sind die Verzichtpolitiker. Ich halte es für unverschämt,
wenn Sie mit einem solchen Vokabular durch die Lande reisen.
Wenn ich mich hier für die FDP eindeutig für eine stärkere Unterstützung des öffentlichen Verkehrs ausspreche, bedeutet das allerdings auch, daß wir die Bundesbahn in die Lage versetzen müssen, durch Investitionen den gestiegenen Anforderungen gerecht zu werden. Das heißt, daß wir nicht nur die finanziellen Mittel bereitstellen müssen, sondern daß wir ihr auch die Unterstützung geben müssen, die sie braucht, um ihre Investitionen zu realisieren. Es geht nicht an — dies ist ein deutlicher Appell an die Bürgerinitiativen —, überall in diesem Lande gegen einen weiteren Ausbau des Straßennetzes zu mobilisieren, andererseits der Bundesbahn als dem wichtigsten Träger des öffentlichen
15282 Deutscher Bundestag — 8. Wahlperiode — 192. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 12. Dezember 1979
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Verkehrs den dringenden Ausbau ihres Streckennetzes zu verweigern.
Wenn wir nur die geringste Chance haben wollen, den öffentlichen Verkehr gegenüber dem Individualverkehr zu stärken, können wir dies nur, wenn wir den öffentlichen Verkehr gegenüber allen Bereichen attraktiver machen. Dazu gehört notwendigerweise ein weiterer Ausbau der Schieneninfrastruktur der Deutschen Bundesbahn.
Die Deutsche Bundesbahn hat im Jahre 1979 bewiesen, daß sie in der Lage ist, aus sich selbst heraus die besten innerbetrieblichen Voraussetzungen zu schaffen. Daß die Einführung des Intercity 79, die sicherlich auch mit Risiken behaftet war, sinnvoll und zukunftsweisend war, hat der Markt schon entschieden. Die Zunahme der Zahl der Reisenden von 2,5 auf fast 3 Millionen nach dem Fahrplanwechsel 1979, bei dem 80 % aller Fahrplandaten geändert werden mußten, zeigt mit aller Deutlichkeit, daß diese Entscheidung richtig war. Die weltweit einmalige Konzeption des Intercity 79 im Ein-StundenTakt für jede Wagenklasse hat dem Schienenpersonennahverkehr eine neue Dimension verliehen. Wir sollten, meine Kolleginnen und Kollegen, an dieser Stelle einmal den Planern und Mitarbeitern der Deutschen Bundesbahn, die durch ihren persönlichen Einsatz diese Leistungen ermöglicht haben, den Dank dieses Hauses aussprechen.
Neben dieser durchgeführten Anpassung an den Markt wird die Deutsche Bundesbahn ihre Anstrengungen zur Steigerung der Produktivität und Rationalisierung konsequent fortsetzen. Der Huckepack- und Containerverkehr soll in den 80er Jahren den Verkehr auf der Straße in spürbarem Maße entlasten. Herr Dr. Schulte, Sie haben hier in Ihrer Rede so getan, als gebe es in diesem Bereich keine Zuwachsraten; aber auch Sie kennen doch die Steigerungsraten, die gerade im kombinierten Verkehr mit 20 bzw. im Containerverkehr mit 38 % Zuwachs allein im ersten Halbjahr 1978 bestehen. Diese Zahlen zeigen, daß die Bahn hier auf dem richtigen Kurs für die 80er Jahre liegt. Die Bahn wird im Jahre 1979 ihre eigenen Erträge voraussichtlich um mehr als eine Milliarde DM steigern und dabei die Verluste um mehr als eine halbe Milliarde DM verringern.
Die FDP steht uneingeschränkt hinter der Verkehrspolitik der Bundesregierung, einer Politik, die sich an wirtschaftlichen Notwendigkeiten und an den Wünschen der Bürger orientiert, die der Verkehrssicherheit eine hohe Priorität einräumt, die den öffentlichen Verkehr stärkt, die dem Ausbau bestehender Wege den Vorzug vor neuen Trassen gibt, die durch den verstärkten Baù eines Radwegenetzes die Wünsche des Bürgers nach einem umweltschonenden Verkehrsmittel berücksichtigt; die den Bürger frühzeitig an allen Planungen beteiligt.
Die FDP wird dem Haushalt zustimmen.