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    Plenarprotokoll 8/192 Deutscher Bundestag Stenographischer Bericht 192. Sitzung Bonn, Mittwoch, den 12. Dezember 1979 Inhalt: Nachruf auf den ehemaligen Vizepräsidenten des Deutschen Bundestages, Professor Dr. Carlo Schmid 15177A Amtliche Mitteilungen ohne Verlesung 15177 D Telegramm der deutschen Gruppe der Interparlamentarischen Union an den Schiitenführer Ayatollah Khomeini . . . 15221 D Fortsetzung der zweiten Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes über die Feststellung des Bundeshaushaltsplans für das Haushaltsjahr 1980 (Haushaltsgesetz 1980) — Drucksachen 8/3100, 8/3354 — Beschlußempfehlungen und Berichte des Haushaltsausschusses Einzelplan 08 Geschäftsbereich des Bundesministers der Finanzen — Drucksache 8/3378 — in Verbindung mit Einzelplan 32 Bundesschuld — Drucksache 8/3393 — in Verbindung mit Einzelplan 60 Allgemeine Finanzverwaltung — Drucksache 8/3397 — Carstens (Emstek) CDU/CSU 15178A Grobecker SPD 15185A Gärtner FDP 15188B Matthöfer, Bundesminister BMF . . . 15193 B Dr. Schäuble CDU/CSU 15205 D Westphal SPD 15208 C Frau Matthäus-Maier FDP 15212 B Einzelplan 09 Geschäftsbereich des Bundesministers für Wirtschaft — Drucksache 8/3379 — Glos CDU/CSU 15215 B Frau Simonis SPD 15222 C Dr. Haussmann FDP 15228 B Dr. Biedenkopf CDU/CSU 15231 D Reuschenbach SPD 15238 B Dr. Graf Lambsdorff BMWi 15241 B Gerstein CDU/CSU 15250A Wolfram (Recklinghausen) SPD . . . 15253 B Wurbs FDP 15256A II Deutscher Bundestag — 8. Wahlperiode — 192. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 12. Dezember 1979 Dr. Warnke CDU/CSU 15257 B Frau Dr. Martiny-Glotz SPD 15259A Einzelplan 20 Bundesrechnungshof — Drucksache 8/3387 — 15222 B Einzelplan 10 Geschäftsbereich des Bundesministers für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten — Drucksache 8/3380 — Schmitz (Baesweiler) CDU/CSU . . 15261 C Simpfendörfer SPD 15264A Zywietz FDP 15266 C Ertl, Bundesminister BML 15268 D Einzelplan 12 Geschäftsbereich des Bundesministers für Verkehr — Drucksachen 8/3382, 8/3430 — in Verbindung mit Einzelplan 13 Geschäftsbereich des Bundesministers für das Post- und Fernmeldewesen — Drucksache 8/3383 — Schröder (Lüneburg) CDU/CSU . . . 15270C Müller (Nordenham) SPD . . . 15272D, 15283A Hoffie FDP 15274 C Dr. Schulte (Schwäbisch Gmünd) CDU/ CSU 15277A Curdt SPD 15278 D Merker FDP 15281 A Feinendegen CDU/CSU 15282 C Dr. Friedmann CDU/CSU 15283 B Gscheidle, Bundesminister BMV /BMP 15285 D Einzelplan 25 Geschäftsbereich des Bundesministers für Raumordnung, Bauwesen und Städtebau — Drucksache 8/3389 — Hauser (Bonn-Bad Godesberg) CDU/CSU 15288 B Frau Traupe SPD 15290 B Gattermann FDP 15293 C Dr. Schneider CDU/CSU 15295 D Müntefering SPD 15298 B Dr. Haack, Bundesminister BMBau . . . 15300 B Einzelplan 07 Geschäftsbereich des Bundesministers der Justiz — Drucksache 8/3377 — Dr. Friedmann CDU/CSU 15302 C Dr. Emmerlich SPD 15304A Engelhard FDP 15305 B Dr. Vogel, Bundesminister BMJ . . . . 15306A Nächste Sitzung 15307 C Anlage Liste der entschuldigten Abgeordneten . . 15309* Deutscher Bundestag — 8. Wahlperiode — 192. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 12. Dezember 1979 15177 192. Sitzung Bonn, den 12. Dezember 1979 Beginn: 9.00 Uhr
  • folderAnlagen
    Anlage zum Stenographischen Bericht Anlage Liste der entschuldigten Abgeordneten Abgeordnete (r) entschuldigt bis einschließlich Dr. van Aerssen* 14. 12. Dr. Aigner* 14. 12. Alber* 14. 12. Dr. Apel 12. 12. Dr. Bangemann* 14. 12. Blumenfeld* 14. 12. Egert 14. 12. Fellermaier* 14. 12. Frau Dr. Focke* 14. 12. Friedrich (Würzburg) * 14. 12. Dr. Früh* 14. 12. Dr. Fuchs* 14. 12. Gallus 14. 12. von Hassel* 14. 12. Katzer 14. 12. Dr. h. c. Kiesinger 12. 12. Dr. Klepsch* 14. 12. Lange* 14. 12. Lücker* 14. 12. Luster* 14. 12. Milz 14. 12. _ Dr. Möller 12. 12. Dr. Müller-Hermann* 14. 12. Dr. Pfennig * 14. 12. Frau Schleicher* 14. 12. Dr. Schwarz-Schilling 13. 12. Dr. Schwencke (Nienburg) * 14. 12. Seefeld * 14. 12. Sieglerschmidt * 14. 12. Frau Tübler 14. 12. Frau Dr. Walz* 14. 12. Wawrzik * 14. 12. * für die Teilnahme an Sitzungen des Europäischen Parlaments
  • insert_commentVorherige Rede als Kontext
    Rede von Josef Ertl


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (FDP)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (FDP)

    Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich möchte gern eine oder zwei Fragen des Kollegen Schmitz beantworten — mehr möchte ich nicht tun — und einige Bemerkungen machen.
    Erste Bemerkung: Es wurde zum wiederholten Male behauptet, EG-Ausgaben hätten nur am Rande etwas mit Einkommenspolitik zu tun. Das ist falsch.

    (Schmitz [Baesweiler] [CDU/CSU]: Das ist nicht gesagt worden!)

    Die meisten EG-Ausgaben dienen der Einkommensstützung. Ich hätte das sonst nicht angemerkt. Sie können die Koalitionsvereinbarungen aus dem Jahre 1969 nachlesen. Es war Bestandteil der Koalitionsvereinbarungen, die EG-Ausgaben aus meinem Einzelplan herauszunehmen und in den Einzelplan 60 zu übertragen. Ich kann Ihnen auch noch den Dankbrief des damaligen Bauernverbandspräsi-
    Deutscher Bundestag — 8. Wahlperiode — 192. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 12. Dezember 1979 15269
    Bundesminister Ertl
    denten zu lesen geben. Ich finde es nicht richtig, wenn Sie immer wieder so tun, als wäre das anders. Sie müssen doch dem Finanzminister zumindest gestatten, daß er diese Kosten dem betroffenen Personenkreis zurechnet. Das ist doch nicht mehr als fair. Das sind die Fakten, und ich wollte hier nur einmal die Fakten feststellen.

    (Beifall bei der FDP und der SPD)

    Zweite Bemerkung: Sie haben einen Vergleich gezogen, und den will ich aufgreifen, damit wir in Zukunft noch sachlicher miteinander diskutieren können. Sie haben auf die Zuwachsraten des Agrarhaushalts in Frankreich hingewiesen. Dazu muß man fairerweise sagen: Frankreich ist ein Zentralstaat. Im französischen Haushalt sind — bei einer Inflationsrate von 10 % — die gesamten Personalkosten für Beratung usw. enthalten. Das sind bei uns Länderkosten. Insofern hinkt Ihr Vergleich.

    (Schmitz [Baesweiler] [CDU/CSU]: Man braucht ja nur die Hälfte anzurechnen!)

    — Ich bitte Sie vielmals! Nehmen Sie die EG-Ausgaben, da liegen wir höher! Schauen Sie sich das Zahlenmaterial doch einmal an! — Ich wollte das nur sagen, weil man doch die richtigen Bezugspunkte miteinander vergleichen muß. Was würden Sie z. B. sagen, wenn ich verlangte, die aus der Gemeinschaftsaufgabe auf die Länder entfallenden Kosten müßten auch noch irgendwo bei mir berücksichtigt werden? Das wäre doch eine unfaire Basis. Sie dürfen einen Staat, der alle Finanzierungen zentralstaatlich vornimmt, nicht mit einem föderativen Staat vergleichen. Sonst müssen Sie hier einen Bund-LänderVergleich machen.

    (Beifall bei der FDP und der SPD)

    Das können Sie schon aus volkswirtschaftlichen und finanzwirtschaftlichen Gründen nicht machen. Aber ich will das hier nicht vertiefen.
    Ich füge einen weiteren Punkt hinzu: Ich stimme mit Ihnen darin überein, daß wir mit der Finanzierung des gemeinsamen Agrarmarktes in große Engpässe kommen. Ich freue mich, daß der Kollege Carstens hier ist; denn ich habe mir eigens seinen Bericht vom 14. März 1979 mitgenommen, auf den hier hingewiesen wurde. Ich glaube, mein Kollege Paintner war einer der ganz wenigen, die dagegen gestimmt haben, sonst wurde dem Bericht von allen Fraktionen zugestimmt. Dort heißt es:
    Die Ausgaben sollen sich nach Auffassung des Ausschusses bei der Europäischen Gemeinschaft in erster Linie nach den Einnahmen richten.
    Unterschrift: Carstens, Berichterstatter. Man muß also fairerweise sagen, daß die Finanzierung einer Politik entspricht, die von diesem Bundestag gewünscht wird. Man kann nicht hergehen und sagen, das mache allein die Bundesregierung. Ich sage Ihnen ganz offen — ich habe das in der Offentlichkeit wiederholt erklärt, und das weiß auch der Herr Bundeskanzler —: Ein Beitritt weiterer Länder zur EG ohne Erhöhung des Schlüssels von 1 % Mehrwertsteueranteil ist finanziell nicht schaffbar. Oder Sie
    müssen die gesamte Agrarpolitik in Frage stellen. An dieser Alternative geht kein Weg vorbei.
    Ich sage Ihnen weiter: Sie werden feststellen, daß die beitrittswilligen Länder vorwiegend an einem Beitritt zum Agrarmarkt interessiert sind — viel mehr als an dem industriellen Sektor. Das wurde mir auch in Spanien gesagt, vom König bis zu den Beamten. Sie alle haben gesagt: „Kommen Sie uns bloß nicht mit dem Angebot einer Übergangszeit von vier Jahren für die Industrie und von zehn Jahren für die Landwirtschaft! Das ist für uns inakzeptabel. Genau umgekehrt muß es sein: vier Jahre für die Landwirtschaft, zehn Jahre für die Industrie. Das muß man wissen, das liegt in der Struktur dieser Volkswirtschaften. Der Haushaltsausschuß und alle Fraktionen dieses Hohen Hauses werden sich mit dieser Materie noch sehr ernsthaft auseinandersetzen müssen. Man kann doch nicht von dem Minister Abhilfe verlangen, wenn er praktisch unter dem Befehl eines Bundestagsbeschlusses steht. Für mich ist ein Beschluß des Bundestages ein Befehl. Das muß ich sagen, damit hier keine falschen Meinungen aufkommen.
    Lassen Sie mich eine letzte Bemerkung machen. Sie haben mich nach dem Konzept für den Unterglasgartenbau gefragt. Das haben Sie übrigens bereits vor dem Ausschuß getan. Ich habe Ihnen nicht gesagt, Gärtnereien dürften sich nicht auf wärmeempfindliche Pflanzen stützen. Natürlich ist auch das ein Aspekt. Aber etwas anderes ist ganz klar — und ich unterstreiche das noch einmal: Auf unser Drängen hin haben die Holländer inzwischen, wenn auch noch nicht in genügendem Umfang, den Erdgaspreis angehoben. Zweitens sind im Rahmen des Planungsausschusses die Investitions- und Förderungsmöglichkeiten zur Energieeinsparung erheblich ausgedehnt worden. Nun sage ich einmal etwas, gar nicht so sehr aus politischer Verantwortung heraus, denn das wissen die Gärtner selbst: Eine Dauerlösung ist nur durch energieeinsparende Investitionen möglich, nicht aber über Gasölbeihilfe. Insoweit ist also auch ein Konzept da.

    (Beifall bei der FDP und der SPD)

    Ich wüßte nicht, welches andere Konzept man anwenden sollte. Da stehe ich sogar in Übereinstimmung mit dem Berufsstand, und das soll ja etwas heißen.
    Dann haben Sie wieder die Entwicklung der Förderschwelle angesprochen. Hier muß ich darauf hinweisen, daß die Förderschwelle nicht nur von dem Bundesminister vertreten wird. Sie wird selbst von CDU-Landwirtschaftsministern vertreten.

    (Zuruf von der CDU/CSU)

    — Ja, natürlich. Ich kann Ihnen die Protokolle aus dem Planungsausschuß vorlegen. Oder wollen Sie diesen Ministern unterstellen, daß sie mit zwei Zungen reden? Das würde ich nicht tun. Sie haben also auch zugestimmt.
    Ich habe bisher noch niemanden gehört, der ein anderes Konzept hätte. Ich anerkenne Kritik. Man
    15270 Deutscher Bundestag — 8. Wahlperiode — 192. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 12. Dezember 1979
    Bundesminister Ertl
    muß mir dann aber auch ein anderes Konzept vorlegen können.

    (Beifall bei der FDP und der SPD)

    Man muß mir sagen: Bitte sehr, wir haben die bessere Lösung. Dann können Sie mit mir reden.

    (Pfeffermann [CDU/CSU]: Wie wäre es denn, wenn Sie selber das richtige Konzept erarbeiteten?)

    — Ich habe das richtige. Das empfinden sogar die Bauern. Sonst würden sie nicht immer sagen: Mit dir sind wir ja ganz zufrieden, nur bist du bei der falschen Partei.

    (Dr. Friedmann [CDU/CSU]: Die halten Sie für einen guten CDU-Mann!)

    — Ja, Herr Friedmann, ich bedanke mich für das Kompliment. Ich kann Ihnen nur sagen: Ich fühle mich aber bei dem Haufen, bei dem ich bin, ganz wohl.

    (Heiterkeit und Beifall bei der FDP)

    Ich bin am Ende, Herr Präsident. Ich wollte heute nur diese paar Bemerkungen machen. Alles übrige können wir bei der Agrardebatte besprechen. Dann liegen auch die Zahlen auf dem Tisch. Herzlichen Dank den Berichterstattern für ihre großartige Mitarbeit!

    (Beifall bei der FDP und der SPD)



Rede von Richard Wurbs
  • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (FDP)
  • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (FDP)
Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor. Ich schließe die Aussprache.
Wir kommen zur Abstimmung über den Einzelplan 10. Hierzu liegen zwei Änderungsanträge der Fraktion der CDU/CSU vor. Ich rufe zuerst den Änderungsantrag Drucksache 8/3474 Ziffer 7 zu Kap. 1002 Tit. 53122 auf. Wer dem Änderungsantrag zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. — Gegenprobe! — Der Antrag ist abgelehnt.
Ich rufe nunmehr den Änderungsantrag der Fraktion der CDU/CSU auf Drucksache 8/3484 zu Kap. 10 02 Tit. 656 52 und 656 51 auf. Wer dem Änderungsantrag zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. — Gegenprobe! — Der Änderungsantrag ist abgelehnt.
Wir stimmen jetzt über den Einzelplan 10 in der Ausschußfassung ab. Wer zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. — Gegenprobe! — Enthaltungen? — Der Einzelplan 10 ist angenommen.
Ich rufe nunmehr auf:
Einzelplan 12
Geschäftsbereich des Bundesministers für Verkehr
— Drucksachen 8/3382, 8/3430 —
Berichterstatter:
Abgeordneter Müller (Nordenham)

Einzelplan 13
Geschäftsbereich des Bundesministers für das Post- und Fernmeldewesen
— Drucksache 8/3383 — Berichterstatter: Abgeordneter Windelen
Im Ältestenrat ist verbundene Debatte über die Einzelpläne 12 und 13 vereinbart worden. Ist das Haus damit einverstanden? — Ich sehe und höre keinen Widerspruch. Dann ist es so beschlossen.
Wünscht einer der Herren Berichterstatter das Wort? — Das ist nicht der Fall. Dann eröffne ich die Aussprache. Das Wort hat der Herr Abgeordnete Schröder (Lüneburg).

  • insert_commentNächste Rede als Kontext
    Rede von Dr. Horst Schröder


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (CDU)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CDU)

    Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Der Verkehrshaushalt 1980 ist das zahlenmäßige Spiegelbild einer in den zentralen Problemen festgefahrenen Verkehrspolitik.

    (Sehr gut! bei der CDU/CSU)

    Die Immobilität dieser Verkehrspolitik in der 8. Legislaturperiode ist in ihrer negativen Auswirkung voll auf den Verkehrshaushalt durchgeschlagen. Abgesehen von dem Ausgabenblock „Deutsche Bundesbahn" ist die Stagnation bei den übrigen Ausgabenblöcken seit 1977 überdeutlich. Im Jahre 1977 hatte der Verkehrshaushalt ein Volumen von 21,6 Milliarden DM; im nächsten Haushaltsjahr beträgt das Volumen 25,9 Milliarden DM.
    Im gleichen Zeitraum sind die Haushaltsleistungen an die Bundesbahn von 11,3 Milliarden DM auf 14,6 Milliarden DM, d. h. um über 30 % angestiegen. In einem anderen Vergleich heißt dieses, daß der Anteil der Bundesleistungen an die Bahn von 49,9% im Verkehrshaushalt des Jahres 1977 auf 53 % im vor uns liegenden Bundeshaushalt 1980 angestiegen ist, in bezug auf den gesamten Bundeshaushalt von 5,4% im Jahre 1977 auf 6,5% im Jahre 1980. Meine Damen und Herren, ich glaube, daß diese Zahlen ein eindrucksvolles Beispiel, ein eindrucksvoller Niederschlag der verkehrspolitischen Fehleinschätzungen durch den zuständigen Minister und durch diese Regierung sind.

    (Beifall bei der CDU/CSU)

    Noch im Jahre 1977 legte die Bundesregierung ihren damaligen Finanzplan für den Zeitraum bis 1980 vor. Die Bundesleistungen an die Bahn wurden damals für das Haushaltsjahr 1980 mit 11,3 Milliarden DM angesetzt. Der tatsächliche Mittelbedarf der Bahn ist damit um fast 3 Millarden DM unterschätzt worden. Diese gewaltige Unterschätzung des Mittelbedarfs der Bahn aus dem Bundeshaushalt ist das negative Markenzeichen aller Finanzplanungen dieser Bundesregierungen seit 1970. Zugleich ist dies der zahlenmäßige Indikator für die Überschätzung ihrer Bundesbahnpolitik.
    Demgegenüber hat der Bundeskanzler in seiner Regierungserklärung vom 16. Dezember 1976 folgendes erklärt:
    Gegenwärtig wird der Bundeshaushalt durch Zahlung an die Bundesbahn mit gut 10 Milliarden DM jährlich belastet. Diese Belastung muß durch energische Rationalisierung und durch
    Deutscher Bundestag — 8. Wahlperiode — 192. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 12. Dezember 1979 15271
    Schröder (Lüneburg)

    eine stärkere Anpassung des Angebots an die Nachfrage verringert werden.
    Meine Damen und Herren, dieses Ziel — das macht der Verkehrshaushalt für 1980 deutlich — wurde eklatant verfehlt. Natürlich gesteht die Bundesregierung diesen Mißerfolg nicht ein.

    (Zuruf von der CDU/CSU: Wie immer!)

    Die Kunst aller Sozialisten, Mißerfolge verbal in Erfolge umzufunktionieren, wird in der neuen Finanzplanung für die Jahre 1979 bis 1983 um so beeindruckender praktiziert.

    (Beifall bei der CDU/CSU)

    Ganz im Gegensatz zur Regierungserklärung wird hier nämlich voller Stolz verkündet — ich darf wiederum wörtlich zitieren —:
    Mit rund 14 Milliarden DM
    — so heißt es in der mittelfristigen Finanzplanung —
    umfassen die Leistungen des Bundes an die Deutsche Bundesbahn mehr als 50% des Verkehrshaushalts.
    Man brüstet sich offensichtlich mit diesem Ergebnis.
    Meine Damen und Herren, damit komme ich zu dem zentralen Thema der Verkehrs- und der Verkehrsfinanzpolitik, nämlich der Situation und den Problemen der Bundesbahn selbst. Ich will gar nicht verkennen, daß sich in diesem Jahre, 1979, aller Voraussicht nach das Wirtschaftsergebnis der Bundesbahn gegenüber dem Vorjahr um etwa 700 Millionen DM verbessern dürfte und der Jahresfehlbedarf damit erstmalig knapp unter 4 Milliarden DM, bei rund 3,9 Milliarden DM, liegen dürfte. Auch im nächsten Jahr dürfen wir auf Grund der konjunkturellen Entwicklung mit einer leichten Ertragsverbesserung bei der Bundesbahn rechnen. Dies ändert zunächst nichts daran, daß der Gesamtschuldenstand in diesem und auch im nächsten Jahr weiter ansteigen wird. Meine Damen und Herren, ich wiederhole es: Diese leichte Verbesserung in der Ertragslage der Bundesbahn ist Gott sei Dank das Ergebnis einer relativ guten Konjunkturentwicklung und das Ergebnis einiger ertragsbessernder Maßnahmen der Bundesbahn selbst. Zu ihr hat -leider keine konkrete verkehrspolitische Entscheidung dieser Bundesregierung beigetragen. Ganz im Gegenteil, meine Damen und Herren, Sie alle wissen, daß sich dieses Parlament, der Verkehrsausschuß und der Haushaltsausschuß gleichermaßen noch nie so intensiv mit einer bestimmten verkehrspolitischen Materie auseinandergesetzt haben wie mit den Grundsatzproblemen der Deutschen Bundesbahn.

    (Dr. Waffenschmidt [CDU/CSU]: Sehr richtig!)

    Verkehrs- und Haushaltsausschuß haben gemein- sam Anhörverfahren durchgeführt, haben gemeinsam verschiedene interne Beratungen durchgeführt, haben gemeinsam eine Fülle von Überlegungen angestellt und von Vorschlägen unterbreitet.
    Meine Damen und Herren, was aber war das Ergebnis? Ich muß es gestehen: Das Ergebnis ist null Komma nichts gewesen. Die Bundesregierung hat nicht eine einzige Anregung aus dem Anhörverfahren, hat nicht einen einzigen Vorschlag aus dem Verkehrs- und dem Haushaltsausschuß aufgegriffen. Der zuständige Bundesminister glänzt zwar — das will ich gern einräumen — durch hervorragende Analysen, in denen er uns in der Regel zustimmen muß, aber er zieht nicht eine einzige Schlußfolgerung.

    (Beifall bei der CDU/CSU)

    So müssen wir leider feststellen, daß die Bundesbahn in dieser Dekade erst wieder ihren Leistungsstandard von 1965 erreicht hat und daß die Zuwendungen des Bundes in dem Zeitraum von 1965 bis Ende der 70er Jahre um 773 % angestiegen sind. An den Rahmenbedingungen, unter denen die Bundesbahn arbeiten muß, ist nichts geändert worden; im Gegenteil, aus jener dramatischen Schilderung, die uns in den Anhörverfahren, in den Sitzungen des Verkehrs- und des Haushaltsausschusses gegeben worden ist, daß nämlich wir aus dem Bereich der Politik,. seitens der Regierung und des Parlaments, bestimmte Rahmenbedingungen zu ändern hätten, oder aber es würde sich nichts an der Gesamtsituation der Bundesbahn ändern, aus diesen dramatischen Appellen bezüglich der Rahmenbedingungen sind keine Schlußfolgerungen gezogen worden.
    Unverändert bleiben auch für den Beginn des nächsten Jahrzehnts die großen Probleme der Bundesbahn — die Organisationsstruktur, die Betriebs- und Tarifpflicht, die Frage des öffentlichen Dienstrechts, die Frage der innerbetrieblichen Organisation der Bundesbahn — bestehen. Ich bin mir darüber im klaren — wir haben das ja im Zusammenhang mit den Überlegungen, die wir angestellt haben, gemerkt —, daß man sich sicher an diesen von mir genannten Themen die Finger verbrennen kann. Aber, meine Damen und Herren, regieren heißt für mich immer noch initiieren und führen, und davon war in diesen vier Jahren wahrlich nichts zu merken.

    (Beifall bei der CDU/CSU)

    Lassen Sie mich damit zu dem zweiten großen Problem im Verkehrshaushalt kommen, nämlich zum Straßenbau. Meine Damen und Herren, auch hier haben wir eine Entwicklung, die uns mit einer gewissen Sorge erfüllen muß.

    (Dr. Friedmann [CDU/CSU]: Der Minister hat Angst vor den Grünen! — Angst? Er hat die Hosen voll!)

    Von 1969 bis zum Haushalt 1980 haben wir im Bereich des Straßenbaus zwar eine nominelle Steigerungsrate von rund 64 %,

    (Zuruf des Abg. Zywietz [FDP])

    aber gleichzeitig, Herr Kollege Zywietz, haben wir eine Preissteigerungsrate von 75 %. Das heißt, wir haben einen realen Rückgang von 11%. Wenn ich noch in Betracht ziehe, daß wir in diesen Jahren — und das wird im nächsten Haushaltsjahr verstärkt so
    15272 Deutscher Bundestag — 8. Wahlperiode — 192. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 12. Dezember 1979
    Schröder (Lüneburg)

    sein — mehr Aufwendungen für den Lärmschutz vornehmen müssen

    (Pfeffermann [CDU/CSU]: Wollen!)

    — vornehmen müssen und auch wollen; ich bin, Herr Kollege Pfeffermann, durchaus mit Ihrer Anmerkung einverstanden —, und wenn ich das in Relation zu der Tatsache setze, Herr Kollege Pfeffermann, daß die nominellen Ansätze für den Straßenbau praktisch unverändert bleiben, muß ich hier feststellen, daß die realen Leistungen für den Straßenbau zurückgehen.

    (Pfeffermann [CDU/CSU]: Völlig korrekt!)

    Ich denke, ich überzeichne nicht, wenn ich dazu feststelle, daß der eigentliche Grund für die Überarbeitung, für die Neufassung des Bundesverkehrswegeplans, der eigentliche Grund für die drastischen Reduzierungen bei den Aubauplanungen für die Bundesautobahnen und für die Bundesfernstraßen nicht einmal die neue grüne Angst dieser Regierung ist, daß auch nicht diverse Einsprüche und nicht so sehr richterliche Entscheidungen die Ursache sind; vielmehr hat hier schlicht und einfach das Diktat der Kassen entschieden. Das ist der wahre Grund dafür, daß der Bundesverkehrswegeplan mit so drastischen Kürzungen bei den Ausbauplanungen für die Bundesautobahnen und für die Bundesfernstraßen überarbeitet werden mußte.

    (Zuruf von der CDU/CSU: Mißwirtschaft!)

    Aus einer Unterlage des Bundesverkehrsministeriums geht eindeutig hervor, daß wir zwar im Zeitraum von 1971 bis 1980 bei den investiven Leistungen im Verkehrsbereich noch einen Anteil von 53,2 % hatten, der auf den Straßenbau entfiel, daß dieser Anteil bei den investiven Leistungen im Zeitraum 1980 bis 1990 aber auf 42 % absacken wird.
    Lassen Sie mich zusammenfassend feststellen, daß sowohl der Verkehrshaushalt 1980 als auch die fast sagen, es ist der einzige Punkt, der etwas Erfreuliches beinhaltet, nämlich die finanziellen Maßnahmen für die Seeschiffahrt. Hier darf ich feststellen, daß wir gemeinsam im Haushaltsausschuß mit den vorgesehenen Finanzbeiträgen und mit den fortgesetzten Neubauhilfen einen richtigen Weg eingeschlagen haben. Finanzbeiträge und Neubauhilfen haben sich auch aus unserer Sicht durchaus bewährt. Ich warne allerdings, Herr Kollege Hoffie, hier in einen voreiligen Optimismus auszubrechen. Ober der deutschen Seeschiffahrt lastet nach wie vor die Ungewißheit der Entwicklung auf den Weltfrachtenmärkten, lastet vor allen Dingen die Ungewißheit der Dollarentwicklung; denn über 80 % auch der Kontrakte deutscher Reeder werden bekanntlich auf Dollarbasis abgeschlossen. Aber in diesem Punkt werden wir in der Zukunft gemeinsam den Weg fortschreiten, den wir in den letzten Haushaltsjahren begonnen haben.
    Meine Damen und Herren, lassen Sie mich als nächstes einen Blick auf die mittelfristige Vorausschau des Verkehrshaushaltes werfen. Im Jahre 1980 — dem Haushalt, über den wir nun zu entscheiden haben — haben wir ein Gesamtvolumen für Verkehrsfinanzierungsleistungen von 28,3 Milliarden DM. Werfen wir einen Blick in die mittelfristige Finanzplanung, so müssen wir mit Erschrecken feststellen, daß im letzten Jahr der jetzt vorgelegten mittelfristigen Finanzplanung, nämlich 1983, das Gesamtvolumen für alle Verkehrsfinanzierungsleistungen 28,2 Milliarden betragen soll. Wir haben hier also noch nicht einmal nominelle Zuwachsraten, geschweige denn einen realen Anstieg der Verkehrshaushalte im Gesamthaushalt.

    (Grobecker [SPD]: Es muß ja auch gespart werden!)

    — Ganz sicher muß gespart werden. Aber, lieber Herr Kollege Grobecker, ich meine, daß in dieser Zahlenvorausschau der mittelfristigen Finanzplanung vor allen Dingen zweierlei deutlich wird: erstens, daß diese Bundesregierung der Verkehrspolitik keinerlei Priorität, ja, ich würde fast sagen, keinerlei Bedeutung einräumt, und zweitens, daß dieser Bundesverkehrsminister nicht in der Lage ist, sich durchzusetzen.

    (Dr. Friedmann [CDU/CSU]: Warum soll der besser sein als sein Kanzler!)

    Meine Damen und Herren, was statt dessen offensichtlich auf uns zukommen soll, sind Beschlüsse des SPD-Parteitages, Herr Kollege Grobecker, an denen Sie offensichtlich mitgewirkt haben, worin es heißt, daß der Schwerlastverkehr von der Straße auf die Schiene zu verlagern sei. Ich kann nur hoffen, daß das nicht mit Gewalt, mit dirigistischen Maßnahmen der Verkehrspolitik geschehen soll. Wenn das allerdings passieren sollte, dann frage ich mich, wie Sie das vorgelegte Zahlenkorsett einhalten wollen.
    Lassen Sie mich zusammenfassend feststellen, daß sowohl der Verkehrshaushalt 1980 als auch die mittelfristige Vorausschau die Stagnation unserer Verkehrspolitik symbolisieren und deutlich wird, daß nur neue politische Impulse die Verkehrspolitik wieder nach vorn bringen. Solange dies nicht der Fall ist, müssen wir den Verkehrshaushalt und den dazugehörigen Teil der mittelfristigen Finanzplanung für den Verkehrsbereich ablehnen.

    (Beifall bei der CDU/CSU)