Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Der Einzelplan 10, der Haushaltsplan für den Geschäftsbereich des Bundesministeriums für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten, ist in den Beratungen des Haushaltsausschusses — deswegen, und nicht als neuer Agrarpolitiker, spreche ich hier — von allen Fraktionen sehr wohlwollend behandelt worden. Ein Regierungsentwurf in der Höhe von ca. 6,5 Milliarden DM wurde in die Haushaltsberatungen eingebracht. Herausgekommen ist ein Entwurf von etwa 6,6 Milliarden DM, der hier jetzt zur Schlußabstimmung vorliegt. Die Steigerung des Einzelplans 10 gegenüber dem Vorjahresplan beträgt 3,2 %. Ich meine, Herr Kollege Schmitz, jetzt feine Rechnungen mit den 5,5 % des Vorjahres aufzumachen und daran auch die Gewichtigkeit des Ministers im Kabinett abzulesen, ist eine zu einfache Sicht der Vorgänge.
Sie könnten das auch umdrehen und sagen, es ist außerordentlich viel erreicht worden, was diesem Minister zu danken ist, statt die Folgerung zu ziehen, die Sie gezogen haben.
Mit Blick auf diese Haushaltszahlen muß festgestellt werden, daß hier nur knapp die Hälfte der Mittel und Möglichkeiten dargestellt wird, mit denen der Bereich Landwirtschaft, Ernährung und Forsten Unterstützung erhält. Es muß im Auge behalten werden, daß sich ein ganz entscheidender Teil der agrarpolitischen Aktivitäten inzwischen auf die Europäische Gemeinschaft verlagert hat. Die gesamte Markt- und Preispolitik, die von der Bundesregierung als wichtiges Ziel der angestrebten Teilnahme der Landwirtschaft an der allgemeinen Einkommensentwicklung im Agrarbereich ausgewiesen wird, schlägt sich daher im Plafond des Einzelplans 10 in keiner Weise nieder. Insofern bietet dieser Einzelplan kein vollständiges Spiegelbild der gesamten Agrarpolitik, wie das bei anderen Ressortplänen üblicherweise der Fall ist.
Der Teil, der im europäischen Bereich außerhalb dieses Einzelplans 10 für Marktordnungsausgaben in Höhe von 7,2 Milliarden DM anfällt und damit höher ist als der vorliegende Einzelplan 10 — in diesem Zusammenhang sei insbesondere an den dominanten Posten des Milchmarktes mit etwas über 4 Milliarden DM erinnert —, muß wohl aus volkswirtschaftlichen Überlegungen mittlerweile als bedenklich bezeichnet werden. Darauf ist gestern in der Debatte und auch bei anderen Anlässen, nicht zuletzt im Rahmen der Informationen und Diskussionen, die zur ersten Direktwahl des Europäischen Parlaments in der Mitte des Jahres erfolgt sind, hingewiesen worden. Ich meine, der Informations- und Bewußtseinsstand einer breiten Öffentlichkeit ist dadurch gewiß größer geworden.
Deutscher Bundestag — 8. Wahlperiode — 192. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 12. Dezember 1979 15267
Zywietz
Bleibt zu hoffen, daß auch Einsichtsfähigkeit und daraus abzuleitende Handlungsnotwendigkeiten größer geworden sind; denn mit der Süderweiterung der Europäischen Gemeinschaft — so vermute ich zumindest — wird der Anspruch an den Agraranteil tendenziell eher noch höher werden.
Mit Blick auf die Zahlen dieses Einzelplans sollte man sehr vorsichtig sein, seine Kritik ausschließlich an angeblich unzureichenden Steigerungsraten festmachen zu wollen. Bei einer Gesamtbetrachtung der europäischen Haushaltsmöglichkeiten wie auch der Maßnahmen, die' in diesem Einzelplan zum Ausdruck kommen, ist festzustellen, daß der Bereich Landwirtschaft und Ernährung insgesamt eine gute Unterstützung erfährt.
Diese Unterstützung ist in vier Schwerpunktbereiche, denen sich dann noch einzelne aktuelle Fragen zuordnen lassen, zu gliedern.
Da ist einmal der Bereich der Sozialpolitik mit 3,4 Milliarden DM oder mehr als 52 %. Da ist zweitens der Bereich der Agrarstrukturmaßnahmen, Wasserwirtschaft und Küstenschutz, mit 1,8 Milliarden DM oder 28%. Da ist drittens der einkommensstabilisierende Maßnahmenbereich mit 0,8 Milliarden DM oder 12 % und viertens die Forschungs- und Entwicklungsaufwendungen mit 0,25 Milliarden DM oder 4 % des Einzelplans 10.
Der dominante Schwerpunkt im Einzelplan 10 — die Zahlen belegen es — ist eindeutig der Bereich der Sozialpolitik.
Ich möchte dabei in diesem Zusammenhang darauf hinweisen, daß bei den Ansätzen für die Altershilfe und die Krankenversicherung die Mehraufwendungen durch das zweite Agrarsoziale Ergänzungsgesetz voll berücksichtigt sind.
Bei der Zusatzversorgung für Arbeitnehmer ist auch ein Mehrbedarf durch die Erhöhung der Ausgleichsleistungen von 50 DM auf 70 DM veranschlagt. Dadurch ist die letzte große Lücke im System der sozialen Sicherung in der Landwirtschaft geschlossen worden. Auch auf die Gefahr hin zu wiederholen — aber was wird draußen nicht alles wiederholt, was weniger wichtig ist —: Ein derartiges System der sozialen Absicherung hat die deutsche Landwirtschaft bisher in der gesamten Geschichte nicht gekannt.
Ich möchte noch eine weitere Bemerkung hinzufügen. Ich kenne keinen anderen Wirtschaftsbereich, in dem die öffentliche Hand einen gleich hohen Anteil, nämlich rund 58 %, der Soziallasten übernimmt. Das sind Zahlen, die für sich sprechen.
Wir halten die gewonnene soziale Absicherung für notwendig und für richtig, insbesondere unter Berücksichtigung der schwierigen Ausgangslage, der die deutsche Landwirtschaft im europäischen Wettbewerb gegenübersteht. Für die Gestaltung dieses politischen Bereiches der Sozialpolitik, so meinen wir, gebührt Minister Ertl unser besonderer Dank.
Lassen Sie mich noch eine Anmerkung zur Unfallversicherung machen. Das ist auch schon von dem Kollegen Berichterstatter angesprochen worden. Hier handelt es sich um einen Bereich, der mit einem Betrag von 400 Millionen DM im Haushalt ausgewiesen ist. Auf Grund eines Bundestagsbeschlusses aus dem Jahre 1978 ist eine erhebliche Aufstockung von damals 329 Millionen DM auf 400 Millionen DM erfolgt,
verbunden mit dem Wunsch, für eine sozial gerechte Verteilung zu sorgen. Nun, das haben wir in dem Berichterstattergespräch im Haushaltsausschuß gemacht. Das kann man sicher noch feinsinniger betreiben: ob nun 3, 5, 15 oder 30 Millionen DM in diesem oder im nächsten Etat nötig sind. Festzustellen bleibt aber, daß dieser vorgesehene und auch verabredete Ausgleich auf Grund des großzügig erhöhten Plafonds durchaus zu realisieren wäre. Alle maßgeblich Beteiligten haben das damals eigentlich gewußt. Ich meine, man darf sie daran durchaus erinnern.
Die Ausgaben für die Strukturpolitik sind durch zwei gegenläufige Entwicklungen gekennzeichnet Während die Ansätze für die Gemeinschaftsaufgaben um 35 Millionen DM ansteigen, gehen die Ausgaben für andere Maßnahmen zurück, insbesondere weil das Programm für Zukunftsinvestitionen 1980 ausläuft. Ich stehe unter dem Eindruck, daß wir im Verlauf des kommenden Jahres sehr sorgfältig prüfen müssen, ob und inwieweit dieses Programm fortgesetzt werden soll. Dabei denke ich nicht nur an den besonders erfolgreichen Programmteil Dorferneuerung, sondern auch an den Küstenschutz. Ich habe den Eindruck, daß die Beschleunigung der Küstenschutzmaßnahmen, auf die wir uns anläßlich der Katastrophen der vergangenen Jahre zwischen Bund und Ländern und allen Parteien verständigt hatten, inzwischen wegen der starken Kostensteigerungen in diesem Bereich doch ein wenig im Sande verlaufen ist. Wir bitten die Bundesregierung und die Länder, dem Bundestag zur Vorbereitung der Beschlußfassung über den Rahmenplan 1981 Material über den voraussichtlichen Finanzbedarf und die zeitlichen Vorstellungen bezüglich der Maßnahmen zu unterbreiten, die zur Verwirklichung eines ausreichenden Schutzes unserer Küsten erforderlich sind.
Bei der Gemeinschaftsaufgabe Agrarstruktur handelt es sich um ein Ausgabenvolumen von 1,4 Milliarden DM an Bundesmitteln, auf deren regionale und sachliche Verteilung das Parlament bedauerlicherweise wenig Einfluß nehmen kann. Über die Möglichkeiten des Haushaltsrechtes ist nach meiner Vorstellung aber durchaus etwas mehr erreichbar. Dieser Sachverhalt, daß das Parlament doch nur Mittelbewilligungsinstanz ist, an dem Entscheidungsprozeß inhaltlich aber kaum beteiligt ist, darf — so sehe ich es jedenfalls — auf keinen Fall zu einer Dauererscheinung werden. Wir nehmen zur Zeit allerdings gern zur Kenntnis, daß der Planungsausschuß die Kriterien und die Möglichkeiten, z. B. für Investitionen auf dem Gebiet der Energieeinsparung wesentlich verbessert hat.
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Lassen Sie mich noch einige Ausführungen zu im Ausschuß besonders intensiv erörterten Einzelfragen machen, die vor allem als einkommenstabilisierende Maßnahmen zu bezeichnen sind.
Die drastisch gestiegenen 01- und Energiepreise haben in der Wirtschaft allgemein und damit auch in der Agrarwirtschaft mancherlei Veränderung ausgelöst. Soweit wie möglich — das ist unser Grundsatz — müssen alle davon Betroffenen im privaten und im öffentlichen Bereich damit marktwirtschaftlich fertig werden. Der Weg der Kostenweitergabe über die Preise ist letztlich der richtige Weg zur unbedingt erforderlichen rationellen Energieverwendung. Trotz dieses Grundsatzes ist aber nicht zu übersehen, daß in manchen Wirtschaftsbereichen besondere Situationen einmalige Anpassungshilfen erforderlich machen. Ich meine damit die bereits angesprochene Unterstützung für die Unterglas-Gärtner und beispielsweise für die Kutterfischer und die Seefischerei. Ich möchte betonen, daß es sich dabei um eine einmalige Hilfe handelt und daß damit auf der politischen Ebene das Bemühen einhergehen muß, Wettbewerbsverzerrungen im europäischen Bereich mit Kraft, sicherlich aber unter Akzeptanz der schwierigen Rahmenbedingungen, abzubauen.
Ich glaube, daß mit einem Anheben der Gaspreise in Holland — und die sind das Schlechte an der Konkurrenzsituation — bereits ein erster Teilerfolg zu erzielen ist.
Denn die Hauptmisere besteht darin, daß im Bereich der Unterglas-Gärtner und der Küstenfischer eine Situation gegeben ist, in der die Preise von oben ziemlich abgedeckelt sind, aber die Energiekosten einen sehr großen Betriebskostenanteil darstellen, der auf andere Weise nicht weitergegeben werden kann.
Hier haben wir eine Überbrückungsmaßnahme angeboten. Aber damit muß auch der Appell an die Betroffenen einhergehen, selbst alle ihre Möglichkeiten zu überprüfen, in Zukunft den Energiekostenanteil in ihrem Betriebskostenblock herabzumindern.
Alles, was in diese Richtung zielt, werden wir nach Prüfung des Sachverhalts von seiten der Bundesregierung und des Parlaments zu unterstützen bereit sein.
Schlußendlich möchte ich noch ein paar Anmerkungen zu dem vierten Bereich, Forschung und Entwicklung, machen. Für diesen Bereich werden mit 244 Millionen DM rund 4 % des Volumens des Einzelplans 10 zur Verfügung gestellt. Es ist, so meinen wir, erfreulich, daß sich im Agraretat seit 1971 in diesem Bereich unter dem Stichwort Umweltschutz und Naturschutz ein neuer Schwerpunkt herauszubilden beginnt. Wenn auch die dafür bereitgestellten Mittel, 18 Millionen DM für Forschungsvorhaben im Umweltbereich und 5 Millionen DM für Naturschutzprojekte sowie für einige kleinere Positionen, noch recht begrenzt sind, wird damit doch eine politische Aktionslinie unterstrichen, die wir eindeutig für richtig halten.
Grünes Licht für ein Referat Landschaftsökologie ist ein Zeichen auf diesem Wege.
Wir möchten das Ministerium ermuntern, auf diesem Wege unbedingt fortzuschreiten. Die Offentlichkeit hat nach unserer Auffassung einen Anspruch darauf, daß die Probleme einer umweltfreundlichen Produktion von Nahrungsmitteln von der Bundesregierung sehr ernst genommen werden.
In diesem äußerst sensiblen Sektor kann das Ministerium mit seinem umfangreichen Forschungsapparat einen wesentlichen Beitrag zur Versachlichung der Diskussion leisten.
Ich möchte abschließend hinzufügen, daß wir es auch sehr begrüßen würden, wenn die lobenswerten Aktivitäten im Bereich der Energieforschung, speziell im Agrarbereich — und dazu sind bereits einige Anfragen sowie ein gewisser Meinungsaustausch erfolgt —, unter dem Stichwort „Biogas" und anderen konstruktiv in die Zukunft verlängert werden könnten; denn aus diesem Etat ist zu ersehen, daß uns unter dem Oberbegriff Energie einige Positionsveränderungen abgenötigt wurden.
Wir von der FDP können diesem Etat aus Überzeugung unsere Zustimmung geben. Wir bedauern, daß die Opposition das nicht kann, weil wir bei einem gemeinsam getragenen Agraretat eine bessere Verbindung hätten und nicht — was Sie, Herr Kollege Schmitz, kritisiert haben — der eine nur arbeitet und der andere feiert.