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ID0819226700

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    Plenarprotokoll 8/192 Deutscher Bundestag Stenographischer Bericht 192. Sitzung Bonn, Mittwoch, den 12. Dezember 1979 Inhalt: Nachruf auf den ehemaligen Vizepräsidenten des Deutschen Bundestages, Professor Dr. Carlo Schmid 15177A Amtliche Mitteilungen ohne Verlesung 15177 D Telegramm der deutschen Gruppe der Interparlamentarischen Union an den Schiitenführer Ayatollah Khomeini . . . 15221 D Fortsetzung der zweiten Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes über die Feststellung des Bundeshaushaltsplans für das Haushaltsjahr 1980 (Haushaltsgesetz 1980) — Drucksachen 8/3100, 8/3354 — Beschlußempfehlungen und Berichte des Haushaltsausschusses Einzelplan 08 Geschäftsbereich des Bundesministers der Finanzen — Drucksache 8/3378 — in Verbindung mit Einzelplan 32 Bundesschuld — Drucksache 8/3393 — in Verbindung mit Einzelplan 60 Allgemeine Finanzverwaltung — Drucksache 8/3397 — Carstens (Emstek) CDU/CSU 15178A Grobecker SPD 15185A Gärtner FDP 15188B Matthöfer, Bundesminister BMF . . . 15193 B Dr. Schäuble CDU/CSU 15205 D Westphal SPD 15208 C Frau Matthäus-Maier FDP 15212 B Einzelplan 09 Geschäftsbereich des Bundesministers für Wirtschaft — Drucksache 8/3379 — Glos CDU/CSU 15215 B Frau Simonis SPD 15222 C Dr. Haussmann FDP 15228 B Dr. Biedenkopf CDU/CSU 15231 D Reuschenbach SPD 15238 B Dr. Graf Lambsdorff BMWi 15241 B Gerstein CDU/CSU 15250A Wolfram (Recklinghausen) SPD . . . 15253 B Wurbs FDP 15256A II Deutscher Bundestag — 8. Wahlperiode — 192. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 12. Dezember 1979 Dr. Warnke CDU/CSU 15257 B Frau Dr. Martiny-Glotz SPD 15259A Einzelplan 20 Bundesrechnungshof — Drucksache 8/3387 — 15222 B Einzelplan 10 Geschäftsbereich des Bundesministers für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten — Drucksache 8/3380 — Schmitz (Baesweiler) CDU/CSU . . 15261 C Simpfendörfer SPD 15264A Zywietz FDP 15266 C Ertl, Bundesminister BML 15268 D Einzelplan 12 Geschäftsbereich des Bundesministers für Verkehr — Drucksachen 8/3382, 8/3430 — in Verbindung mit Einzelplan 13 Geschäftsbereich des Bundesministers für das Post- und Fernmeldewesen — Drucksache 8/3383 — Schröder (Lüneburg) CDU/CSU . . . 15270C Müller (Nordenham) SPD . . . 15272D, 15283A Hoffie FDP 15274 C Dr. Schulte (Schwäbisch Gmünd) CDU/ CSU 15277A Curdt SPD 15278 D Merker FDP 15281 A Feinendegen CDU/CSU 15282 C Dr. Friedmann CDU/CSU 15283 B Gscheidle, Bundesminister BMV /BMP 15285 D Einzelplan 25 Geschäftsbereich des Bundesministers für Raumordnung, Bauwesen und Städtebau — Drucksache 8/3389 — Hauser (Bonn-Bad Godesberg) CDU/CSU 15288 B Frau Traupe SPD 15290 B Gattermann FDP 15293 C Dr. Schneider CDU/CSU 15295 D Müntefering SPD 15298 B Dr. Haack, Bundesminister BMBau . . . 15300 B Einzelplan 07 Geschäftsbereich des Bundesministers der Justiz — Drucksache 8/3377 — Dr. Friedmann CDU/CSU 15302 C Dr. Emmerlich SPD 15304A Engelhard FDP 15305 B Dr. Vogel, Bundesminister BMJ . . . . 15306A Nächste Sitzung 15307 C Anlage Liste der entschuldigten Abgeordneten . . 15309* Deutscher Bundestag — 8. Wahlperiode — 192. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 12. Dezember 1979 15177 192. Sitzung Bonn, den 12. Dezember 1979 Beginn: 9.00 Uhr
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    Anlage zum Stenographischen Bericht Anlage Liste der entschuldigten Abgeordneten Abgeordnete (r) entschuldigt bis einschließlich Dr. van Aerssen* 14. 12. Dr. Aigner* 14. 12. Alber* 14. 12. Dr. Apel 12. 12. Dr. Bangemann* 14. 12. Blumenfeld* 14. 12. Egert 14. 12. Fellermaier* 14. 12. Frau Dr. Focke* 14. 12. Friedrich (Würzburg) * 14. 12. Dr. Früh* 14. 12. Dr. Fuchs* 14. 12. Gallus 14. 12. von Hassel* 14. 12. Katzer 14. 12. Dr. h. c. Kiesinger 12. 12. Dr. Klepsch* 14. 12. Lange* 14. 12. Lücker* 14. 12. Luster* 14. 12. Milz 14. 12. _ Dr. Möller 12. 12. Dr. Müller-Hermann* 14. 12. Dr. Pfennig * 14. 12. Frau Schleicher* 14. 12. Dr. Schwarz-Schilling 13. 12. Dr. Schwencke (Nienburg) * 14. 12. Seefeld * 14. 12. Sieglerschmidt * 14. 12. Frau Tübler 14. 12. Frau Dr. Walz* 14. 12. Wawrzik * 14. 12. * für die Teilnahme an Sitzungen des Europäischen Parlaments
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    Rede von Hans Peter Schmitz


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (CDU/CSU)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CDU)

    Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die diesjährige Etatberatung ist voraussichtlich die letzte in dieser Legislaturperiode für diese Regierung. Lassen Sich mich als Berichterstatter hier auch einmal deutlich sagen, daß die sachliche Zusammenarbeit mit der Administration in den letzten vier Jahren, was die vier Haushalte angeht, durchaus gewährleistet gewesen ist.
    Beurteile ich jedoch die Regierungspolitik, was die Agrarpolitik angeht, so komme ich zu dem Ergebnis, daß man hier nicht in allzu große Begeisterung ausbrechen kann.

    (Zustimmung bei der CDU/CSU)

    So liegt z. B. die Steigerungsrate des Agrarhaushalts, was offenbar bei dieser Regierung üblich ist, genauso wie in allen anderen Jahren weit unter der Gesamtsteigerungsrate von 5,5%. Herr Bundesminister Ertl, dies ist offenbar der Stellenwert, den Sie im Kabinett haben; denn seit vier Jahren sinkt eigentlich Ihr Etat laufend. Wenn Sie dagegen einmal innerhalb der Europäischen Gemeinschaft einige andere Agrarhaushalte sehen, so werden Sie feststellen, daß hier offenbar ganz andere Maßstäbe angelegt werden können, so zum Beispiel in Frankreich. Dort betrug die Steigerungsrate 1975 23 %, 1976 9,2 %, 1977 18,2 %, 1978 17,1 % und 1979 13,6 %. Sie könnten stolz darauf sein, Herr Minister Ertl, wenn Sir nur die Hälfte dessen erreicht hätten.
    Es ist müßig, darauf einzugehen, inwieweit die Zahlungen für die Marktordnungen, die Sie da immer so gern hinzurechnen, und zwar nur deshalb, um in der Offentlichkeit Eindruck zu schinden, tatsächlich hinzugerechnet werden dürfen. Hier ist der Streit eigentlich ausgestanden. Sie behalten Ihre Position. Unsere Position ist hier klar: Wir sind der Meinung, daß man dies nicht ohne weiteres machen kann.
    Wenn allerdings — dies müssen wir hier einmal festhalten — in anderen Bereichen über Steigerungsraten der Ressorts gesprochen wird, so sind offenbar das Kabinett und die Koalitionsfraktion immer sehr gerne bereit, diese Steigerungsraten je nach Bedürftigkeit, egal, wie das ist, entsprechend nach oben zu korrigieren, gleichgültig, ob es darum geht, Kapitalzuführungen an bundeseigen Unternehmen vorzunehmen oder Zuschüsse zum Beispiel auch für das Ruhrgebiet zu gewähren. Wenn es jedoch darum geht, die Position des Landwirtschaftsministers einmal daraufhin abzuklopfen, so müssen wir feststellen, daß Sie in zunehmendem Maße immer weniger in der Lage sind, für selbst notwendig
    15262 Deutscher Bundestag - 8. Wahlperiode — 192. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 12. Dezember 1979
    Schmitz (Baesweiler)

    erkannte Maßnahmen im Kabinett die Rückendekkung zu bekommen.
    Das gilt auch für dieses Jahr zum Beispiel für die Frage des Unterglasgartenbaus. Dies gilt für die Fischerei und für die Sozialmaßnahmen im engeren Sinne, aber auch im weiteren Sinne für die Frage der Einkommensteuerregelung innerhalb der Landwirtschaft und für Maßnahmen innerhalb der EG. Es ist schon für einen Haushaltspolitiker ein eigenartiges Erlebnis, daß Sie bei Problemen, die seit längerem bekannt sind, innerhalb des Kabinetts bekannt sind, innerhalb des Ressorts bekannt sind, nicht imstande sind, Herr Minister, sich rechtzeitig mit Lösungsmöglichkeiten vertraut zu machen, diese durchzusetzen und die entsprechenden Ausweisungen der Finanzmittel vorzunehmen. Es ist für die Betreffenden — das muß ich hier einmal deutlich sagen — in der Tat kein erfreuliches Erlebnis, wenn sie über Wochen und Monate immer bei Ihnen antichambrieren müssen und auf die entsprechenden Fragen überhaupt keine Antworten bekommen.
    Bis zur letzten Minute vor den Beratungen des Haushaltsausschusses war es überhaupt unklar, ob dem deutschen Unterglasgartenbau die berechtigte Hilfe gegeben würde oder nicht. Was dann allerdings als Ergebnis herauskam,

    (Glos [CDU/CSU]: Der Berg kreißte eine Maus!)

    ist ein sehr sehr eigenartiges Verfahren gewesen. Nur mühsam wurden durch Umschichtungen im Einzelplan 10 diese 50,5 Millionen DM erreicht. Man hat sie nämlich aus der nationalen Vorratshaltung genommen. Ich will das einmal ein bißchen ironisch sagen, Herr Minister Ertl:

    (Haase [Kassel] [CDU/CSU]: Wie beim 01!)

    Ertl verkauft aus der Vorratshaltung, damit er wieder flüssig wird!

    (Zurufe)

    Sie verkaufen, Herr Minister, aus der Vorratshaltung sozusagen in einem eigenartigen Kompensationsgeschäft nach der Methode „Tausche Wurst, Weizen und Schinken gegen Bargeld"! Dies ist keine solide Haushaltspolitik. Weitere 4,5 Millionen DM mußten aus dem Sozialbereich herausgenommen werden. Voraussichtlich werden die nicht abfließenden Mittel, die dem Gartenbau schon versprochen waren, ebenfalls dafür verwandt. Dies ist nicht dazu angetan, der Regierung ein kraftvolles Handeln zu unterstellen. Dies ist Flickschusterei! Die Betroffenen draußen im Lande sind sicherlich sehr daran interessiert zu erfahren, wie sich Ihre 50,5 Millionen zusammensetzen.
    Wenn man dann fragt, ob Sie ein Konzept für die Weiterentwicklung des deutschen Unterglasgartenbaus haben, so erfährt man diesbezüglich als Antwort lediglich: Sie sollten sich doch auf weniger wärmeempfindliche Produktion einstellen! Wenn Sie dies sagen, Herr Minister, wissen Sie selbst, daß dies leichter gesagt ist als getan. Da hilft auch nicht drüber hinweg, daß Sie sich, Herr Bundesminister, auf entsprechenden Tagungen des Gartenbaus dann auch als Wohltäter feiern lassen. So ist es nun einmal: Die Arbeit überläßt man anderen; für das Feiern ist man dann selber zuständig.

    (Glos [CDU/CSU]: So ist es! — Beifall bei der CDU/CSU)

    Ich meine, der deutsche Unterglasgartenbau hat ein Recht darauf, von Ihnen, Herr Minister, zu erfahren, wie es mittelfristig und längerfristig weitergehen soll und ob Sie überhaupt ein Konzept haben.
    Es ist für mich auch eigenartig, festzustellen, daß dieser Entschließungsantrag, der im Haushaltsausschuß von seiten der SPD /FDP-Koalition eingebracht worden ist, nicht mehr als nur vage Empfehlungen und den Hinweis auf Energieeinsparungen enthält, aber nichts darüber ausgesagt wird, wie die ganzen Investitionen, die notwendigerweise getätigt werden sollen, von den Betroffenen dotiert werden sollen, ob sie überhaupt in der Lage sind, dies leisten zu können. Aber so ist das nun einmal innerhalb der Koalition und innerhalb der SPD /FDP: Die einen sind für Politlyrik zuständig, die anderen machen es dann mit weißer Salbe. So geht dies nicht weiter.

    (Beifall bei der CDU/CSU)

    Wir haben auf Drucksache 8/3380 den Antrag gestellt, 5 Millionen DM aus Mitteln der landwirtschaftlichen Alterssicherung der Berufsgenossenschaft zu übertragen. Wir haben das getan, weil wir der Meinung sind, daß es vernünftig und sachlich richtig ist, die Probleme, die bei den landwirtschaftlichen Berufsgenossenschaften durch die Umverteilung auf Grund eines Parlamentsbeschlusses entstanden sind, wiederum durch einen Parlamentsbeschluß einigermaßen zu glätten, um die ärgsten Schwierigkeiten auszubügeln. Es muß deutlich festgehalten werden, daß die Ablehnung dieses Antrags bedeuten würde, daß die Umschichtung innerhalb der Berufsgenossenschaften in Zukunft ohne zusätzlichen Beitrag des Bundes zu ganz erheblichen Beitragssteigerungen führen wird. Dies habe ich auch im Haushaltsausschuß deutlich gemacht.
    An diesen beiden Beispielen mögen Sie erkennen, daß diese Regierung über weite Strecken auch bei solch kleineren Maßnahmen von der Hand in den Mund lebt.

    (Glos [CDU/CSU]: Landwirtschaftsfeindlich!)

    Lassen Sie mich auch zur allgemeinen Agrarpolitik einige Sätze sagen. Nicht allein auf dem Dubliner Gipfel ist schlaglichtartig beleuchtet worden, daß die Finanzierungsprobleme innerhalb der EG zunehmen. In stärkerem Maße wird dies auch deutlich, wenn wir über das Thema des Beitritts der Mittelmeerländer sprechen. Ich stimme Ihnen, Herr Minister, ausdrücklich zu, wenn Sie sagen, daß diese Belastungen, die auf die Europäische Gemeinschaft zukommen werden, nicht allein innerhalb des jetzigen Finanzierungsrahmens getragen werden können. Überhaupt bin ich der Auffassung — ich möchte dies hier deutlich machen —, daß wir viel differenzierter über die Finanzierungsprobleme der EG sprechen müssen. Lange können wir das Ganze si-
    Deutscher Bundestag - 8. Wahlperiode — 192. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 12. Dezember 1979 15263
    Schmitz (Baesweiler)

    cher nicht vor uns herschieben. Aber es stellen sich eine Reihe von Fragen.
    Wer über die Kopflastigkeit der Finanzierung innerhalb der EG redet und lamentiert, der muß, meine ich, auch zur Kenntnis nehmen, daß die Landwirtschaftspolitik innerhalb der Europäischen Gemeinschaft mit Dingen befrachtet wird, die sie im Grunde genommen .allein nicht tragen kann.

    (Sehr richtig! bei der CDU/CSU)

    Wer diese Dinge untersucht, muß sich ehrlicherweise diese Antwort geben. Man kann die gemeinsame Agrarpolitik in ihrer Klammerfunktion für die weitere Integration Europas und für die weitere Entwicklung nur dann verstehen und auf Dauer aufrechterhalten, wenn auch erkennbar wird, daß in anderen Bereichen Integrationsfortschritte erfolgen. Es ist, auf Dauer gesehen, zuviel verlangt, daß bei der Entwicklung der Gesamtpolitik der Gemeinschaft die Landwirtschaft zur alleinigen Verantwortung herangezogen werden soll. Denn wie ist es, auf Dauer gesehen, zu vertreten, daß die Zielsetzungen der sogenannten gemeinsamen Agrarpolitik in den einzelnen Ländern sehr unterschiedliche Entwicklungen nehmen?
    Lassen Sie mich auch an dieser Stelle einmal deutlich darauf hinweisen, daß neben den bestehenden Sonderregelungen bei der Einfuhr von Agrarprodukten aus Drittländern — erinnert sei an die Einfuhr von 1,3 Millionen Tonnen Zucker aus AKP-
    Staaten oder 120 000 Tonnen Butter aus Neuseeland — dies bei der Gesamtdiskussion berücksichtigt werden muß.
    Ich meine, bei der Diskussion um die Finanzierbarkeit der Agrarpolitik muß auch berücksichtigt werden, daß offenbar für einige Länder immer weniger gemeinsame Agrarpolitik existiert. Eine Situationsanalyse zeigt deutlich, daß die Ausgaben für die EG-Agrarpolitik in steigendem Maße auch darauf zurückzuführen sind, daß in der nationalen Agrarpolitik unterschiedliche Ziele verfolgt werden. Dies müssen wir an dieser Stelle einmal deutlich sagen, meine Damen und Herren. Es kann auf Dauer gesehen nicht gutgehen, wenn z. B. in der Bundesrepublik Deutschland mit großem Eifer und allen Mitteln nach Wegen gesucht wird, wie man in den Überschußbereichen die Produktion drosseln kann, um die Kosten zu senken, jedoch andere Staaten innerhalb der EG in ihrer Agrarpolitik und in ihrer Produktion ein Instrument ihrer Handels- und Zahlungsbilanz sehen und dies auch so handhaben. Dies gilt nicht nur für die traditionell am Agrarexport interessierten Länder Niederlande und Dänemark, sondern auch für Frankreich und Irland. Auch die traditionellen Agrarimportländer Großbritannien und Italien versuchen hier, ihre Handelsbilanz zu verbessern. In diesem Zusammenhang, meine Damen und Herren, kommt man nicht an der Feststellung vorbei, daß die unterschiedliche Zielsetzung nationaler Agrarpolitik in den einzelnen Staaten mit dazu beiträgt, daß wir zur Zeit diese Schwierigkeiten haben.

    (Dr. Ritz [CDU/CSU]: Sehr richtig!)

    Meine Damen und Herren, es ist jedoch notwendig, daß wir uns auch einmal mit der Situation im eigenen Land beschäftigen. Und die sieht so aus, daß der Landwirtschaft in der letzten Zeit so viel an Beitrag zur Stabilitätspolitik zugemutet worden ist, daß sie heute als Packesel der Nation bezeichnet werden muß, meine Damen und Herren.

    (Beifall bei der CDU/CSU)

    Wie auch immer man dazu stehen mag: Dies kann auf Dauer gesehen nicht weitergehen.

    (Vorsitz: Vizepräsident Wurbs)

    Es kann auf Dauer gesehen nicht unwidersprochen hingenommen werden, meine Damen und Herren, daß immer weniger Betriebe die Förderschwelle erreichen und in das Einzelbetriebliche Förderungsprogramm hineinkommen. Deshalb müssen Sie, Herr Bundesminister Ertl, diesen. Widerspruch einmal aufklären, der darin besteht, daß eine ganze Reihe von Betrieben, die in der Vergangenheit gefördert worden sind, heute die Förderschwelle nicht erreichen.
    Wie sieht es aus, wenn es darum geht, diese Förderschwelle von 26 000 DM in diesem Jahr auf 27 600 DM im nächsten Jahr zu erhöhen? Dies werden Sie 1980 sagen müssen, Herr Minister. Wie sieht es 1980 aus, z. B. bei einem 30-Hektar-Betrieb, der ein Gesamtarbeitseinkommen von 33 000 DM hat? Wenn die Maßnahmen im nationalen Bereich — ich denke an die Steigerung der Beiträge zur Berufsgenossenschaft, Unfallversicherung um 36%; der Alterskassenbeitrag wird um 150 DM, der Krankenversicherungsbeitrag um 6,4 % steigen — und die Maßnahmen innerhalb der EG so durchgeführt werden, wie sie vorgeschlagen werden, dann wird für diesen Betrieb mit Sicherheit ein Mindereinkommen in der Größenordnung von 4 000 bis 5 000 DM zu Buche schlagen. Darauf werden Sie Antwort geben müssen.
    Lassen Sie mich noch etwas hinzufügen: Sie werden den Bauern dann auch klarmachen müssen, wie sie mit diesem von Ihnen mitzuverantwortenden Steuerkonzept hinsichtlich der Einkommensteuer leben können. Denn unter diesen Voraussetzungen wird es mit Sicherheit dazu führen, daß das Einkommen der Landwirte in der Bundesrepublik Deutschland — dies sagen ja auch Prognosen aus Ihrem eigenen Hause sinken wird.
    Angesichts dieser alarmierenden Entwicklung, meine Damen und Herren, muß ich abschließend festhalten, daß wir an einem entscheidenden Wendepunkt sowohl der europäischen als auch der nationalen Agrarpolitik angekommen sind.

    (Dr. Ritz [CDU/CSU]: Sehr richtig!)

    Die Bundesregierung und Sie, Herr Minister Ertl, haben auf diese Herausforderungen — man mag sie nennen, wie man will — bisher nicht allzu viel an Antwort gegeben.
    Wir können aus diesen, aber auch aus anderen Gründen — erinnert sei an das Steuerkonzept der Regierung — Ihrem Haushalt unsere Zustimmung nicht geben.

    (Beifall bei der CDU/CSU)

    15264 Deutscher Bundestag — 8. Wahlperiode — 192. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 12. Dezember 1979


Rede von Richard Wurbs
  • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (FDP)
  • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (FDP)
Das Wort hat der Herr Abgeordnete Simpfendörfer.

  • insert_commentNächste Rede als Kontext
    Rede von Hansmartin Simpfendörfer


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (SPD)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)

    Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Der Einzelplan 10 in der Fassung des Regierungsentwurfs war ursprünglich mit rund 6 508 000 000 DM ausgestattet. Das Ergebnis der Haushaltsberatungen war ein Zuwachs von 87 Millionen DM. Dies ist gewiß ein ungewöhnlicher Vorgang, der einer Erklärung bedarf.
    Erstens. Der Ansatz betreffend die Gasölverbilligung mußte um 64 Millionen DM aufgestockt werden, nicht etwa deshalb, weil die Mineralölsteuer in höherem Maße zurückgezahlt wird als früher, sondern weil der Verbrauch stärker gestiegen ist als angenommen. Es handelt sich um eine gesetzliche Verpflichtung.

    (Dr: Ritz [CDU/CSU]: So ist es!)

    Zweitens. Die einmalige Anpassungshilfe für den Unterglasgartenbau und die Seefischerei mußte in den Entwurf eingearbeitet werden. Ich schließe mich hier keineswegs der harten Kritik des Kollegen Schmitz an der Bundesregierung an, sondern weise darauf hin, daß es unsere gemeinsame Initiative war, derzufolge wir diese einmalige Hilfeleistung haben organisieren können — natürlich unter Beratung durch die Bundesregierung.

    (Beifall bei der SPD und FDP)

    Ich nehme an, daß es den Begünstigten ziemlich gleich ist, ob diese Hilfe durch einen Kabinettsbeschluß zustande kam

    (Frau Dr. Däubler-Gmelin [SPD]: Sehr richtig!)

    oder durch die Initiative des Haushaltsausschusses. In jedem Fall ist Hilfe geboten.
    Daß hier die Vorratshaltung teilweise mit herangezogen wird, hängt nicht damit zusammen, daß Bestände verkauft werden, um Geld lockerzumachen, sondern damit, daß Bestände mit Gewinn verkauft werden können — mit der Folge, daß die Ülberschüsse die Notwendigkeit der Defizitfinanzierung für die Vorratshaltung verringern. Auf diese Weise ist das Geld freigeworden. Deswegen kann man, glaube ich, diesen Vorgang überhaupt nicht so kritisieren, wie Sie, Kollege Schmitz, es getan haben.

    (Haehser [SPD]: Jawohl!)

    Im übrigen: Für uns von der SPD sind Steigerungsraten kein Kriterium für vernünftige Haushaltspolitik,

    (Beifall bei der SPD und der FDP)

    sondern maßgebend ist der Grad der Aufgabenerfüllung.

    (Haehser [SPD]: Das ist es!)

    Und wenn man die Aufgabenerfüllung im Bereich von Ernährung, Landwirtschaft und Forsten ansieht, kann uns niemand den Vorwurf machen, hier leide die Aufgabenerfüllung Not.

    (Haehser [SPD]: Pure Ignoranz! — Schmitz [Baesweiler] [CDU/CSU]: Haehser, laß das!)

    Der Schwerpunkt der Haushaltsausgaben im Bereich dieses Einzelplanes liegt wie seither im Bereich der Sozialpolitik mit 52,5 % der Gesamtausgaben. Dabei spielen zwei Probleme eine Rolle. Das erste ist der Entwurf eines Agrarsozialen Ergänzungsgesetzes und die darin vorgeschlagene Regelung einer Hinterbliebenenversorgung für jüngere Hinterbliebene. Hier gab es keine finanziellen Probleme, sondern Probleme der Art der Lösung, die in den zuständigen Ausschüssen noch nicht endgültig gefunden ist. Wir vertreten die Auffassung: Wenn über das, was dieser Gesetzentwurf vorsieht, hinausgegangen werden soll, dann warten wir auf Vorschläge der Solidargemeinschaft, wie eine zusätzliche Finanzierung solcher Verbesserungsvorschläge sichergestellt werden kann.
    Im Bereich der Zuschüsse zur Unfallversicherung, die ja ohne jede gesetzliche Grundlage geleistet werden, muß man darauf hinweisen, daß die sozial gerechtere Umverteilung, die ja nun Gott sei Dank stattfindet und die insbesondere jene Berufsgenossenschaften begünstigen wird, die seither entsprechend der Ertragslage überdurchschnittlich belastet waren, ja auf einen Beschluß des Bundestags vom Januar 1978 zurückgeht. Damals haben wir gleich für die ganze Wahlperiode die Zuschüsse von 320 auf 400 Millionen pro Jahr als eine generelle Zusage erhöht.
    Jetzt kann man nicht kommen und wie Sie, Kollege Schmitz, sagen, man habe Probleme durch Parlamentsbeschluß geschaffen und müsse diese Probleme jetzt beseitigen. Im Gegenteil, wir haben durch unsere Beschlüsse dafür gesorgt, daß über das, was die Regierung vorgesehen hatte, hinaus 80 Millionen pro Jahr gewährt werden, in drei Jahren also 240 Millionen DM mehr, als ursprünglich vorgesehen war.

    (Beifall bei der SPD und FDP)

    Und nun wollen wir, daß nachvollzogen wird, daß wir als Bedingung dafür gesetzt haben, nämlich eine sozial gerechtere Verteilung. Infolgedessen sehen wir überhaupt keine Notwendigkeit, über die 400 Millionen DM mit 5 Millionen hinauszugehen.

    (Dr. Ritz [CDU/CSU]: Wie kam es, daß der Fachausschuß anderer Meinung war? — Susset [CDU/CSU]: Für 3 Millionen waren auch Sie!)

    — Lieber Kollege Susset, ich war dafür.

    (Dr. Ritz [CDU/CSU]: Aha!)

    Nur hat sich herausgestellt, daß die Arbeitsgruppen Haushalt von SPD und FDP in diesem Fall grundsätzliche finanzpolitische Erwägungen in den Vordergrund gestellt haben: Erstens. Jede zusätzliche Million bedeutet eine Million Schulden. Zweitens. Am Ende einer Legislaturperiode solle nicht die Grenze von 400 Millionen DM überschritten werden; dies könne zu Anfang der nächsten Legislaturperiode grundsätzlich neu erwogen werden. Dies sind die zwei maßgeblichen Gründe der Haushaltsund Finanzpolitiker. Ich muß sagen, diese Gründe sind vernünftig.
    Deutscher Bundestag — 8. Wahlperiode — 192. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 12. Dezember 1979 15265