Rede von
Peter W.
Reuschenbach
- Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede:
(SPD)
- Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)
Nun eine Bemerkung zu dem merkwürdigen Gebrauch, ich würde sogar sagen: dem Mißbrauch des Fremdwortes „Option". Herr Professor Biedenkopf, halten Sie es im Blick auf die Ausnutzung, die Benutzung oder den Gebrauch der Wahlmöglichkeit, um das deutsche Wort zu nehmen, nicht für sinnvoll, daß drei Ihrer Kollegen in der Enquete-Kommission „Zukünftige Kernenergiepolitik" intensivst auch an Betrachtungen darüber mitarbeiten, ob die andere Wahlmöglichkeit — nämlich in 20, 30, 40 Jahren oder wann auch immer ohne Kernenergie auskommen zu können — eine realistische ist? — Sie bejahen das, und ich bin sehr dankbar für die Mitarbeit Ihrer Kollegen. Wer das aber bejaht, darf doch nicht diese beiden Wahlmöglichkeiten, von denen die Rede ist, so herabsetzen, wie Sie es getan haben, indem Sie sie als irreal und als absurd hingestellt haben.
Im übrigen wird noch ein anderer Kollege aus den Reihen der Koalition auf die Fragen der Energiepolitik eingehen.
Ich will mich ein paar anderen Bemerkungen von Ihnen, Herr Professor Biedenkopf, zuwenden. Sie haben sich schon einmal vor ein paar Monaten in zunächst überraschender Weise so wachstumspessimistisch wie heute geäußert. Sie haben darauf hingewiesen, daß das Wachstum nach Ihrer Einschätzung und Annahme in den nächsten Jahren deutlich zurückgehen werde. Ich habe nach einer Weile, wie ich glaube, dann auch begriffen, was da los war. Sie haben diese Ihre Aussagen mit den Fragen der Betätigung des Staates, der öffentlichen Hände, in der Wirtschaft verbunden. Sie haben diese Aussagen mit Kreditaufnahme und Verschuldung der öffentlichen Hände verbunden. Mir ist dabei schon klargeworden, was gemeint ist. Sie wollten nämlich um Ihrer Theorie willen zum Ausdruck bringen, daß sich der Staat aus den Fragen der Wirtschaft heraushalten sollte und daß auch der Preis, der unter Umständen dafür zu zahlen ist, nämlich Abflachung oder Reduzierung des Wirtschaftswachstums mit den Konsequenzen für Arbeitslosigkeit und Arbeitsmarkt halt in Kauf zu nehmen wäre. Deshalb also Ihre vorsorglichen Hinweise darauf, daß das Wachstum in den nächsten Jahren möglicherweise deutlich geringer werde.
Ich finde, diese Geringschätzung der sonst von der Opposition immer gepriesenen Selbststeuerungs- und Selbstheilungskräfte der Wirtschaft steht Ihnen eigentlich nicht an. Würde sich Ihr Wachstumspessimismus bewahrheiten, so müßte dies bei gleichzeitig hohen Produktivitätssteigerungen zum Anstieg von Arbeitslosigkeit führen. Mir ist aber schon klar: Wenn Sie den Preis zu zahlen bereit sind — Sie haben ja in schöner Offenheit gesagt: das sind halt die Opfer der Umstellungen und der Strukturveränderungen —, können Sie gerne darauf verzichten, durch öffentliche Maßnahmen Vorsorge zu treffen. Ich finde, diese Politik des Laufenlassens hat nichts mit Sozialer Marktwirtschaft zu tun. Die Väter, die dies theoretisch vorbereitet haben, haben das ganz anders gesehen, Herr Professor Biedenkopf. Sie tun ihnen unrecht, wenn Sie das, was Sie wirtschaftspolitisch für richtig halten, als Soziale Marktwirtschaft bezeichnen. Zur Feiertagsmoral der Unionspolitiker, wonach der Mensch im Mittelpunkt des Wirtschaftsgeschehens stehe, steht diese Kaltschnäuzigkeit in eklatantem Widerspruch. Das muß ich Ihnen einmal sagen,
Da soll man sich auch nicht täuschen lassen. Was Sie da zur Zeit betreiben, sehe ich als eine Neuorientierung der Wirtschaftspolitik der Union, nicht als eine Fortsetzung, sondern als eine Neuordnung, eine neue Zielsetzung.