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    Plenarprotokoll 8/191 Deutscher Bundestag Stenographischer Bericht 191. Sitzung Bonn, Dienstag, den 11. Dezember 1979 Inhalt: Zusätzliche Überweisung eines Gesetzentwurfs an den Haushaltsausschuß gemäß § 96 GO 15045A Amtliche Mitteilungen ohne Verlesung . 15045 A Zweite Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes über die Feststellung des Bundeshaushaltsplans für das Haushaltsjahr 1980 (Haushaltsgesetz 1980) — Drucksachen 8/3100, 8/3354 — Beschlußempfehlungen und Berichte des Haushaltsausschusses Einzelplan 04 Bundeskanzler und Bundeskanzleramt -- Drucksache 8/3374 — in Verbindung mit Einzelplan 05 Geschäftsbereich des Auswärtigen Amts — Drucksache 8/3375 — in Verbindung mit Einzelplan 14 Geschäftsbereich des Bundesministers der Verteidigung — Drucksache 8/3384 — Schröder (Luneburg) CDU/CSU 15046A, 15047A Löffler SPD 15048A Dr. h. c. Strauß, Ministerpräsident des Freistaates Bayern 15049B, 15120C Wehner SPD 15064 B Genscher, Bundesminister AA 15071 B Dr. Barzel CDU/CSU 15077 A Matthöfer, Bundesminister BMF . . . 15086A Dr. Ehmke SPD 15087A Hoppe FDP 15097A Schmidt, Bundeskanzler . . . . 15103A, 15120B Dr. Kohl CDU/CSU 15111 D, 15128 D Mischnick FDP . 15129B Dr. Blüm CDU/CSU 15132 C Rohde SPD 15141A Cronenberg FDP 15147 C Dr. Marx CDU/CSU 15151A Dr. Corterier SPD 15154 C II Deutscher Bundestag — 8. Wahlperiode — 191. Sitzung. Bonn, Dienstag, den 11. Dezember 1979 Möllemann FDP 15156D Hauser (Bonn-Bad Godesberg) CDU/CSU 15159B Würtz SPD 15162B Zywietz FDP 15164D Haase (Kassel) CDU/CSU 15167A Dr. Apel, Bundesminister BMVg . . . 15169B Picard CDU/CSU 15170D Namentliche Abstimmung 15172A Einzelplan 35 Verteidigungslasten im Zusammenhang mit dem Aufenthalt ausländischer Streitkräfte — Drucksache 8/3395 — 15174A Einzelplan 27 Geschäftsbereich des Bundesministers für innerdeutsche Beziehungen — Drucksache 8/3390 — 15174 C Nächste Sitzung 15174 C Anlage Liste der entschuldigten Abgeordneten . .15175* Deutscher Bundestag — 8. Wahlperiode — 191. Sitzung. Bonn, Dienstag, den 11. Dezember 1979 15045 191. Sitzung Bonn, den 11. Dezember 1979 Beginn: 9.00 Uhr
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    Berichtigung 190. Sitzung, Seite 15019* A, Zeile 10: Statt „Bundesrechtsrahmengesetz" ist „Beamtenrechtsrahmengesetz" zu lesen. Zwei Zeilen weiter muß es statt „Bundesbesoldungsgesetz" „Bundesbeamtengesetz heißen. Anlage zum Stenographischen Bericht Anlage 1 Liste der entschuldigten Abgeordneten Abgeordnete (r) entschuldigt bis einschließlich Dr. van Aerssen* 14. 12. Dr. Aigner* 14. 12. Alber* 14. 12. Dr. Bangemann* 14. 12. Blumenfeld* 14. 12. Brandt 11. 12. Egert 14. 12. Fellermaier* 14. 12. Frau Dr. Focke* 14. 12. Friedrich (Würzburg) * 14. 12. Dr. Früh* 14. 12. Dr. Fuchs* 14. 12. von Hassel* 14. 12. Katzer 14. 12. Dr. h. c. Kiesinger 12. 12. Dr. Klepsch* 14. 12. Lange* 14. 12. Lüker* 14. 12. Luster* 14. 12. Milz 14. 12. Dr. Müller-Hermann* 14. 12. Peiter 11. 12. Dr. Pfennig* 14. 12. Frau Schleicher* 14. 12. Dr. Schwarz-Schilling 13. 12. Dr. Schwencke (Nienburg) * 14. 12. Seefeld* 14. 12. Sieglerschmidt* 14. 12. Frau Tübler 14. 12. Frau Dr. Walz* 14. 12. Wawrzik* 14. 12. * für die Teilnahme an Sitzungen des Europäischen Parlaments
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    Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Keine große Rede, sondern ein paar Anmerkungen zu Einlassungen, die wir bisher heute gehört haben.
    Der Herr bayerische Ministerpräsident hat sich an einer Bemerkung gerieben, die ich vor ein paar Jahren einmal im österreichischen Fernsehen gemacht habe. Da war von Sozialer Marktwirtschaft die Rede und davon, daß nach meiner Auffassung Sozialpolitik sich nicht aus dem Markt ergibt, sondern veranstaltet werden muß. Wenn Sie das Zitat vollständig vorgelesen hätten, Herr Strauß, hätten Sie allerdings keine Möglichkeiten gehabt, Polemik daran anzuschließen. Ich bin dieser Meinung; ich meine, daß Sozialpolitik und soziale Gerechtigkeit sich nicht aus dem Markt ergeben, sondern daß sie veranstaltet werden müssen.

    (Beifall bei der SPD und der FDP)

    Das gilt seit der Fabrikgesetzgebung der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts und seit Bismarcks Sozialversicherungsgesetzgebung bis auf den heutigen Tag.

    (Beifall bei der SPD — Dr. Mertes [Gerolstein] [CDU/CSU]: Deshalb „Soziale" Marktwirtschaft!)

    Sozialpolitik und soziale Gerechtigkeit und soziale Sicherheit haben, institutionell gesehen, zwei Wurzeln. Die eine Wurzel ist die Gesetzgebung, und die andere Wurzel sind die Verträge, die zwischen den autonomen Tarifpartnern zustande gebracht werden. Beides ist von gleichem Range. Es wäre gut, Herr Ministerpräsident, falls Sie noch einmal das Wort nähmen, wenn Sie die Gelegenheit ergriffen, um sich klar und deutlich von Ihrem famosen Generalsekretär abzusetzen, der die Einheitsgewerkschaft und ihre Autonomie in Deutschland unterminieren will.

    (Beifall bei der SPD und der FDP)

    Ich bin in der Tat der Meinung, daß einer der Hauptgründe für das relativ gute Abschneiden in puncto sozialer Sicherheit, in puncto wirtschaftlicher Leistungsfähigkeit und internationaler Wettbewerbsfähigkeit unserer Volkswirtschaft, vielleicht der allerwichtigste Grund in dem erfolgreichen Zusammenspiel von staatlicher sozialer Gesetzgebung einerseits und autonomem Handeln der beiden Tarifpartner andererseits liegt, und ich möchte daran nicht gerüttelt wissen.

    (Dr. Barzel [CDU/CSU]: Wir auch nicht!)

    Wenn ich von Herrn Barzel zugerufen bekomme, sie auch nicht, so hätte ich es lieber von Herrn Strauß und von Herrn Stoiber gehört, Herr Barzel.

    (Beifall bei der SPD und der FDP)

    Daß der Kollege Barzel innerlich ein klares und eindeutiges Verhältnis zur Einheitsgewerkschaft hat, habe ich in vielen Jahren erlebt. Bei Herrn Strauß fehlt bisher dieses Erlebnis.

    (Dr. Marx [CDU/CSU]: Weil Sie es nicht zur Kenntnis nehmen wollen!)

    Herr Strauß hat dann Bemerkungen zur Schulpolitik gemacht, die ebenfalls Anlaß zu einer Anmerkung geben. Ich bin persönlich — das darf ich vielleicht hier einflechten, nicht für die Koalition sprechend und nicht für die Regierung, sondern in einem einzigen Satz nur für mich sprechend — nicht immer begeistert gewesen von der Tendenz in den letzten Jahrzehnten in Deutschland, Schulorganisationspolitik zu betreiben, statt die Pädagogen auf den modernsten Stand zu bringen.

    (Zurufe von der CDU/CSU)

    Dies vorweggeschickt, muß ich aber, für die Bundesregierung sprechend, den Auftrag des Grundgesetzes — ich nehme Ihr Wort auf — hinsichtlich der Einheitlichkeit der Lebensverhältnisse ernst nehmen. Unter diesem Aspekt, Herr Kollege Barzel, hat die Bundesregierung im letzten Jahr einen Bericht über Probleme des föderativen Schul- und Bildungswesens vorgelegt. Die Länder hatten zugesagt, Verbesserungen herbeizuführen. Bisher hat es auf diesem Felde ein Ergebnis nicht gegeben.
    Die Gesamtschule ist eine international anerkannte Schulorganisationsform. Ich nenne die Vereinigten Staaten von Amerika, Frankreich, England. Wohin Sie sehen, es gibt kein westliches demokratisches Land, wo Sie diese Schulform nicht finden. Ich habe nichts dagegen, wenn die Bürgerinnen und Bürger Bayerns mit Mehrheit dies bei sich nicht haben wollen, aber ich habe alles dagegen, uns von dem bayerischen Ministerpräsidenten eine bildungspolitische Kleinstaaterei vorschreiben zu lassen.

    (Beifall bei der SPD und der FDP — Zurufe von der CDU/CSU)

    — Kleinstaaterei ist es ja wohl, wenn man Hunderttausende von Schülern und Eltern im Ungewissen darüber lassen will, ob ihre Abgangszeugnisse woanders in Deutschland anerkannt werden.

    (Beifall bei der SPD und der FDP — Zuruf von der CDU/CSU: Hamburg! Berlin! Nord Bundeskanzler Schmidt rhein-Westfalen! — Weitere Zurufe von der CDU/CSU)

    — Den Zuruf des Kollegen, der hinter Herrn Zimmermann sitzt, nehme ich gerne auf. Er ruft mir das Stichwort Hamburg zu. Dort hat die Notwendigkeit bestanden, für die Gesamtschule eine gesetzliche Grundlage zu schaffen, nachdem sich 21 % der in Betracht kommenden Eltern entschieden hatten, ihre Kinder auf eine Gesamtschule zu schicken.

    (Zuruf von der CDU/CSU)

    — Die Gesamtschule ist auch in Hamburg keine Monopolschule, Herr Zwischenrufer, sondern eine Schulform, die neben anderen angeboten wird, und die Eltern haben zu entscheiden, wohin ihre Kinder gehen sollen.

    (Beifall bei der SPD und der FDP)

    Ein Wort zu den steuer-, finanz- und wirtschaftspolitischen Ausführungen des bayerischen Ministerpräsidenten. Er hat ja so gesprochen, als ob es uns Deutschen schlecht ginge. Ich will darauf nicht allzu viel Zeit verwenden. Aber ich lese Ihnen einmal vor, was ich vor ein paar Tagen in einer der großen bedeutenden amerikanischen Zeitungen fand, nämlich in „Christian Science Monitor" vom 2. November. Da ist zu lesen, daß in den Vereinigten Staaten von Amerika viele Leute den Blick auf das Ausland richten, um Alternativen ausfindig zu machen. Sie schauen z. B. auf Westdeutschland: „Die Deutschen haben ihre Inflationsrate bemerkenswert niedrig gehalten, die Beschäftigungslage ist gut. Zum erstenmal seit dem Zweiten Weltkrieg wird Westdeutschland und nicht die USA in diesem Jahr die Spitzenleistung aller Länder im Export erreichen"; und so fort. Manchmal hat man das Gefühl, wenn man Ihren wirtschaftspolitischen Ausführungen zuhört, Sie redeten über ein fremdes Land, Herr Ministerpräsident.

    (Beifall bei der SPD und der FDP)

    Das gilt auch für Ihre finanzpolitischen Ausführungen. Auch im amerikanischen Kongreß wird natürlich über die Finanzpolitik gestritten. Dort sagte ein Kongreßabgeordneter vor ganz wenigen Wochen: „Unsere Staatsverschuldung" — er redet von den Vereinigten Staaten von Amerika — „beläuft sich auf 38,2 % des Volkseinkommens. In Deutschland sind es nur 13,8%". Seine Schlußfolgerung lautet — ich zitiere wörtlich —: „Westdeutschland ist in seiner Sozialpolitik großzügiger als wir, in seiner Finanz- und Steuerpolitik hingegen vorsichtiger. Vielleicht würde ein solches System bei uns nicht funktionieren, aber drüben scheint es gut zu klappen. Ich gebe dem Mann recht, und ich finde, Sie sollten sich Ihre Schwarzmalereien sparen.

    (Beifall bei der SPD und der FDP)

    Sie haben hier dargetan, Herr Ministerpräsident, daß die Schulden der öffentlichen Hände zu groß seien. Dieser Meinung kann man sein. Sie haben eben die etwas abgestufteren und ausgewogeneren Ausführungen des Abgeordneten Hoppe zu diesem Thema gehört. Deshalb wundert es mich, daß Sie gleichzeitig dafür eintreten, daß in diesem Jahr die
    Einnahmen in Milliardenhöhe gekürzt und infolgedessen die Kreditaufnahmen vergrößert werden.

    (Beifall bei der SPD und der FDP)

    Ich habe es als besonders bemerkenswert empfunden, daß Sie diesem Hause heute Ihre steuerpolitischen Pläne nicht vorgetragen haben, statt dessen wird uns angekündigt, daß Sie das morgen in einer Pressekonferenz täten. Ich habe nichts dagegen, wenn jemand, der für das Amt kandidiert, das gegenwärtig ich ausübe, hier im Bundestag alles darlegt, was er denkt. Warum legen Sie wohl nicht dar, was Sie hier denken? — Weil Sie wissen, daß Sie sofort als jemand angenagelt werden, der mit zwei verschiedenen Zungen redet.

    (Beifall bei der SPD und der FDP — Wehner [SPD]: Das ist Doppelstrategie, außerparlamentarisch!)

    Herr Ministerpräsident, man kann nicht am Dienstag im Bundestag dafür eintreten, daß der Staat weniger Kredite aufnimmt, und am Mittwoch dafür eintreten, daß er weniger Steuern einnimmt. Dann muß er nämlich mehr Kredite aufnehmen. Beides zusammen geht nicht. Dieser Vorgang ist typisch für Ihre Art der wirtschafts- und finanzpolitischen Argumentation.

    (Beifall bei der SPD und der FDP)

    Der bayerische Ministerpräsident hat Ausführungen zur Lage unseres Rentenversicherungswesens gemacht. Ich darf einmal = und hier durchaus mit einem gewissen Unterton des inneren Stolzes — darauf hinweisen, daß es den Rentnern heute in Deutschland besser geht, als es ihnen jemals gegangen ist,

    (Beifall bei der SPD und der FDP)

    auch sehr viel besser, als zu der Zeit, als der Herr bayerische Ministerpräsident noch Bundesminister der Finanzen war. Wir haben heute 45 % höhere Realeinkommen der Rentner als vor zehn Jahren.

    (Beifall bei der SPD und der FDP)

    Daß das so ist, ist das Ergebnis der wirtschaftlichen Gesamtleistung unserer Gesellschaft, unserer Volkswirtschaft.
    Das Stichwort Rentenbesteuerung, das Sie hier eingebracht haben, Herr Strauß, sollten Sie einmal mit Ihrem Kabinettskollegen Dr. Hans Maier besprechen. Unter dessen Vorsitz hat nämlich das Zentralkomitee Deutscher Katholiken das Stichwort in die öffentliche Debatte geworfen.

    (Wehner [SPD]: Sehr richtig!)

    Vielleicht darf ich diese wenigen Bemerkungen zu Ihren finanzpolitischen Ausführungen mit einem Zitat aus einer ausländischen Finanzzeitung beenden, der „Financial Times" vom 7. Dezember 1979, weiß Gott kein Blatt der Freien Demokraten oder der Sozialdemokraten. Es gibt dort einen langen Aufsatz über die Lage in Deutschland. Die Schlußsätze heißen:
    In der Zwischenzeit hat die Regierung — gemeint ist also die Bundesregierung —
    Deutscher Bundestag — 8. Wahlperiode — 191. Sitzung. Bonn, Dienstag, den 11. Dezember 1979 15105
    Bundeskanzler Schmidt
    ihren Einfluß auf die öffentliche Meinung durch eine Kombination von ökonomischem Wachsturn und sozialer Reform aufrechterhalten. Es ist kein schlechter Rekord, von dem man lernen und auf dem man aufbauen kann.
    So ein `Engländer, nicht jemand aus diesem Hause.
    Übrigens gibt es zehn Zeilen vorher noch eine Bemerkung, die Sie angeht, Herr Ministerpräsident:
    Man muß jedenfalls zugeben, daß der Bundeskanzler einen Punkt hat, wenn er sagt, Herr Strauß sei unkalkulierbar und vielleicht unzuverlässig. Jedenfalls gibt es viele, die das ähnlich sehen wie er.
    Das steht auch in der „Financial Times".

    (Beifall bei der SPD und der FDP)

    Nun, es ist das gute Recht des bayerischen' Ministerpräsidenten, sich gegen solche Feststellungen zu wehren, ob sie in der „Financial Times" stehen oder ob sie von einem Politiker der Koalition vorgebracht werden. Am besten würden Sie Ihre Kalkulierbarkeit herstellen, Herr Ministerpräsident, wenn Sie im Rahmen einer nicht kurzen Rede — fast eineinhalb Stunden — nicht nur kritisch, herabziehend, herabsetzend über die Vergangenheit reden würden, sondern wenigstens zehn Minuten über das, was Sie in der Zukunft zu tun beabsichtigen.

    (Beifall bei der SPD und der FDP)

    Auch bei dem Thema Familienpolitik, über das Sie geredet haben, haben wir nicht erkennen können, was Ihre Pläne unter einer Regierung Strauß wären. Vielleicht erfahren wir das morgen auf der Pressekonferenz.
    Ich muß Ihnen sagen — da spreche ich für die ganze Koalition —: Unsere Familienpolitik ist nicht Bevölkerungspolitik. Es ist alleine Sache von Mann und Frau, zu entscheiden, ob sie und wie viele Kinder sie haben wollen.

    (Beifall bei der SPD und der FDP)

    Es kommt mir sehr unehrlich vor, wenn Kollegen, die früher in diesem Saale das Subsidiaritätsprinzip viele Male mit Nachdruck und Verve verfochten haben, heute mit einem Male mit Hilfe staatlicher Finanzen eine staatliche Geburtenpolitik anfangen wollen.

    (Beifall bei der SPD und der FDP — Unruhe bei der CDU/CSU)

    Hinzufügen muß ich noch, daß es nach meiner Auffassung durchaus zulässig erscheint, über die Frage der demographischen Entwicklung, der Zahl der auf deutschem Boden lebenden Menschen, der Bevölkerungsentwicklung, wie man auch sagt, miteinander zu streiten und nachzudenken. Man denkt ein zweites, drittes und viertes Mal darüber nach. Bei alledem bitte ich, auch mit in den Blick zu ziehen, daß gegenwärtig über 4 Milliarden Menschen auf der Welt leben. In 20 Jahren werden es über 6 Milliarden Menschen sein. Als Herr Strauß und ich zur Schule kamen, waren es noch 2 Milliarden. Es findet eine große Bevölkerungsexplosion auf der ganzen Welt statt. Es lohnt sich wohl, darüber nachzudenken, ob wir uns daran durch staatliche Maßnahmen auch noch fördernd beteiligen sollten.

    (Beifall bei der SPD — Zurufe von der CDU/ CSU: Unglaublich! — Dr. Jenniger [CDU/ CSU]: Holt Eskimos nach Deutschland! — Weitere Zurufe von der CDU/CSU)

    — Ich wiederhole, daß es sich lohnt, darüber nachzudenken. Wenn Sie Ihre Antworten ohne Nachdenken parat haben, will ich dazu weiter nichts sagen.

    (Beifall bei der SPD und der FDP — Zuruf von der CDU/CSU: Wir haben schon nachgedacht! — Kroll-Schlüter [CDU/CSU]: Man muß sich für den Kanzler schämen! — Weitere Zurufe von der CDU/CSU)

    Sie müssen das selbst wissen.

    (Zuruf von der CDU/CSU: Das tun wir auch!)

    Wir haben zur Energiepolitik von Herrn Ministerpräsident Strauß und vom Abgeordneten Barzel Ausführungen gehört. Beide haben beklagt, daß innerhalb der sozialliberalen Koalition die Besorgnisse, die Menschen gegenüber der Kernenergie haben, eine zu große und vielleicht auch zu verzögerliche Rolle spielten. Lassen Sie mich dazu sagen, Herr Ministerpräsident: In der Tat, die Kernenergie hat bei vielen Menschen in der Welt, nicht nur in Deutschland, Ängste ausgelöst. Ich bin dafür, daß wir solche Ängste und Besorgnisse ernst nehmen.

    (Beifall bei der SPD und der FDP)

    Wir müssen jedes Menschen Angst ernst nehmen, ganz gleich, ob es sich darum handelt, daß junge Menschen aus Angst vor dem Zeugnis oder aus Angst, mit dem Zeugnis nach Hause zu kommen, Selbstmord begehen, oder. ob Menschen Angst haben vor einer Operation oder ob sie Angst haben

    (Zuruf von der CDU/CSU: Vor Wahlen!)

    vor anderen Zufällen des Lebens, die ihnen vor Augen stehen, oder ob sie Angst haben vor dieser Form von Energie.

    (Vogel [Ennepetal] [CDU/CSU]: Wenn man Sie reden hört, kann einem angst und bange werden! — Weiterer Zuruf von der CDU/ CSU: Bei der „Morgenpost" haben sie auch Angst!)

    Einer der Gründe für die unbedingte Betonung des Vorrangs der Sicherheit in der Kernkraft liegt darin, daß wir solche Beängstigungen ernst nehmen. Wir haben übrigens im internationalen Vergleich einen hohen Standard an Sicherheit unserer Kernkraftwerke erreicht. Wir haben internationale Zusammenarbeit erreicht — durch unsere Initiative hinsichtlich der Sicherheit von Kernkraftwerken. Diese internationale Zusammenarbeit ist jetzt in Gang gekommen.
    Ich muß aber auch sagen, daß nur der, der die Beängstigung mancher ernsthaft verstehen will, nur jemand, der sich Mühe gibt, diese Beängstigungen zu verstehen,

    (Zuruf von der CDU/CSU: Eppler!)

    15106 Deutscher Bundestag — 8. Wahlperiode — 191. Sitzung. Bonn, Dienstag, den 11. Dezember 1979
    Bundeskanzler Schmidt
    in der Lage sein wird, das Vertrauen der Menschen zurückzugewinnen, das durch allzu bravouröse öffentliche Darlegungen zum Teil vertan worden ist.

    (Beifall bei der SPD und der FDP)

    Ich habe mehrfach gesagt — und will es gerne hier wiederholen —: Die Wissenschaftler unseres Landes, die Ingenieure, die Unternehmensleitungen, wir, die Politiker, wir alle zusammen haben, was Kernkraft angeht, gegenüber dem Bürger eine Informationsbringschuld. Ich füge in Klammern ein: ich fühle mich dabei durch einen Aufsatz aus der Feder von Professor Maier-Leibnitz bestätigt. Er ist einer der hervorragenden Naturwissenschaftler, der in der Organisation naturwissenschaftlicher Forschungen in unserem Lande eine herausgehobene Rolle spielt. Wir können diese Bringschuld nur in dem Maße abtragen, in dem wir uns zur Diskussion stellen. Wenn einige nicht diskutieren wollen, Herr Ministerpräsident Strauß, dann müssen andere stellvertretend die Diskussion öffentlich vornehmen. Das haben wir auf unserem Berliner Parteitag getan.

    (Beifall bei der SPD)

    Diese Bringschuld ist nur abzutragen, wenn die Sprache gemeinverständlich bleibt, wenn man sich nicht auf das Fachchinesisch der Experten einläßt, wenn man jede ernstgemeinte Frage auch ernsthaft beantwortet. Nur dann kann man hoffen, daß es in unserer auf Mitwirkung angelegten Demokratie auf die Dauer eine ausreichend breite Zustimmung zur Nutzung der Kernkraft geben wird. Die Nutzung der Kernkraft halte ich allerdings für unerläßlich; das wissen Sie auch.
    Ich glaube nicht, daß es mit naßforschen Reden getan ist. Ich glaube auch nicht, daß es dem Verständnis der großen Mehrheit der hier interessierten Bürger unseres Landes dient, wenn auf Parteitagen nur Reden zu diesem Thema gehalten werden und anschließend alle Anträge in 30 Minuten abgestimmt werden.

    (Zustimmung bei der SPD)

    Dazu bedarf es einer breiten öffentlichen Darlegung des Pro-et-Contra. Jeder hier im Bundestag weiß, daß ich persönlich pro bin — und nicht erst seit der Zeit, aus der Herr Kollege Barzel vorhin eine Erklärung eines früheren Bundeskanzlers vorgelesen hat.
    Der Ministerpräsident stößt sich daran, daß die deutschen Sozialdemokraten vor einigen Tagen in Berlin in ihrem Beschluß formuliert haben, daß die Option Kernkraft — Option heißt auf deutsch Wahlmöglichkeit -- offenbleiben muß und nicht verschüttet werden darf. Dies war Herrn Strauß nicht genug. Ich möchte ihm deshalb folgendes sagen. Herr Ministerpräsident, wir befinden uns in sehr guter Gesellschaft. Ich habe eine Rede vor mir, die der amerikanische Präsident Jimmy Carter vor wenigen Tagen in Washington D. C. zum Thema der Sicherheit von Kernkraftwerken gehalten hat. Er verkündete einige neue Schritte, die die amerikanische Regierung auf diesem Felde — nach dem Harrisburg-Bericht — zwecks Erhöhung der Sicherheit amerikanischer Kernkraftwerke tun will. Am Schluß seiner Rede sagte er:
    Die Schritte, die ich heute ankündige, werden dazu helfen, meinem Lande, unserem Lande die Sicherheit der Kernkraftwerke zu gewährleisten. Kernkraft hat in den Vereinigten Staaten von Amerika eine Zukunft. Es ist eine Option, die wir offenhalten müssen.
    Genau das ist mein Standpunkt auch: eine Option, die man nicht verschütten darf.

    (Beifall bei der SPD)

    Jede Polemik gegen das Wort „Option" ist legitim und mir auch verständlich. Jede Polemik zeigt aber zugleich, daß der Polemisierende nicht ganz so viel über die Sicherheitsfragen in Sachen Kernkraft nachgedacht hat wie der amerikanische Präsident oder wie die deutsche Sozialdemokratische Partei.

    (Beifall bei der SPD)

    Herr Strauß hat dann auch seine häufig gehörte, meist in Latein vorgebrachte These wiederholt, daß er bereit sei, geschlossene Verträge einzuhalten. Er sagt dies meistens mit dem Wort „pacta sunt servanda". Er hält es für eine große Leistung, daß er bereit ist, Verträge zu halten. Ich halte das nicht für eine Leistung; ich halte das für selbstverständlich, Herr Ministerpräsident.

    (Beifall bei der SPD und der FDP)



Rede von Georg Leber
  • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (SPD)
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Herr Bundeskanzler, erlauben Sie eine Zwischenfrage des Herrn Abgeordneten Narjes?

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    Rede von: Unbekanntinfo_outline


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    Ich bitte um Entschuldigung, ich bin schon beim nächsten Thema. Ich bin schon bei der Ostpolitik und nicht mehr bei der Energiepolitik.
    Herr Strauß, wenn Sie Ihre Bereitschaft erklären, Verträge einzuhalten, so ist dies für mich nicht nur selbstverständlich, sondern meines Erachtens noch zu wenig. Daß Sie Verträge einhalten wollen, habe ich unterstellt, genauso wie ich unterstelle, daß jeder von uns sich Mühe gibt, das Grundgesetz und die Gesetze einzuhalten. Gleiches hat für Verträge zu gelten. Darum bemühen wir uns alle.

    (Seiters [CDU/CSU]: Das haben Sie aber nicht immer getan!)

    — Man kann damit einmal hereinfallen. Ich erinnere mich an das Fernsehurteil gegenüber dem Bundeskanzler Adenauer heute vor 18 Jahren.

    (Beifall bei der SPD 'und der FDP) Das kann vorkommen.


    (Vorsitz: Präsident Stücklen)

    Was die Verträge angeht, so kommt es darauf an, sie mit innerem Leben zu erfüllen, auf ihnen aufzubauen und mehr daraus zu machen, als dem bloßen Buchstaben, der im Gesetzblatt steht, zu entnehmen ist.

    (Beifall bei der SPD und der FDP)

    Der Herr Ministerpräsident hat in diesem Zusammenhang auf einen Brief abgehoben, den er mir ge-
    Deutscher Bundestag — 8. Wahlperiode — 191. Sitzung. Bonn, Dienstag, den 11. Dezember 1979 15107
    Bundeskanzler Schmidt
    schrieben hat. Ich gebe Ihnen recht, Herr Ministerpräsident: Ich hatte diesen Brief bisher nicht beantwortet, weil Ihr Brief eine Antwort auf meinen Brief gewesen ist. Ich wußte nicht, daß Sie den Briefwechsel noch fortsetzen wollten. Ich gebe die Antwort aber gern jetzt.

    (Dr. Marx [CDU/CSU]: In dem Brief standen doch Fragen! Antworten Sie nicht auf Fragen?)

    — Ja, diese Fragen will ich gern beantworten.

    (Dr. Marx [CDU/CSU]: Gehört das in Ihre Entschuldigung, daß Sie nicht antworten? — Vogel [Ennepetal] [CDU/CSU]: Das sind Ihre Umgangsformen!)

    — Wenn Sie so gut sind, mir das Wort zu lassen, will ich die Frage jetzt gern beantworten. Der Briefwechsel bezog sich übrigens auf die Umsatzsteuerreform, auf den Inlands- und Auslandsbegriff und nicht auf anderes. Herr Strauß hat heute vormittag die in jenem Brief enthaltenen Fragen so wiederholt, als sei an mich die Frage zu richten, ob ich mit einer östlichen Interpretation übereinstimme, nach der jemand, der den Grundlagenvertrag oder den Warschauer Vertrag oder den Moskauer Vertrag bejaht, damit gleichzeitig auch bejahe, daß es zwei deutsche Nationen gebe. Herr Strauß weiß ganz genau, daß diese Frage ganz eindeutig mit Nein zu beantworten ist. Dazu braucht er keine schriftliche Antwort.

    (Beifall bei der SPD)

    Er kann im Ernst jedenfalls nicht jemandem wie mir, den er seit 20 oder 25 Jahren kennt, der hier viele Male in Debatten zur Lage der Nation — doch nicht der beiden Nationen, Herr Strauß, sondern der einen deutschen Nation — mitgeredet hat,

    (Beifall bei der SPD und der FDP)

    unterstellen, und sei es auch nur in Form einer rhetorischen Frage, daß er bereit sei, in Zukunft von zwei deutschen Nationen zu reden. Ich finde diese Art der Debattenführung ausschließlich polemisch und ohne jede gedankliche Substanz, Herr Ministerpräsident.

    (Beifall bei der SPD — Zurufe von der CDU/ CSU)

    In dem gleichen Zusammenhang hat der Ministerpräsident mir die Frage vorgelegt, ob ich mit Äußerungen, die er aus dem Zusammenhang gerissen hat, gemeint habe, daß Preußen nicht zur deutschen Geschichte gehöre.

    (Zurufe von der SPD)

    Er hat die Bayern aufmarschieren lassen, um Preußen gegen Schmidt in Schutz zu nehmen.

    (Heiterkeit bei der SPD)

    Preußen ist nicht nur hinsichtlich des ehemaligen preußischen Staats und der Geschichte dieses Staates politisch-historisch ein wichtiger Teil der deutschen Geschichte, ein wichtiger Teil des deutschen Erbes. Preußen ist auch geistig — ich denke zum Beispiel an Immanuel Kant — ein ganz wichtiger Bestandteil des deutschen geistigen Erbes.

    (Beifall bei der SPD und der FDP)

    Die Äußerung, die Ihnen wahrscheinlich mißverständlich übermittelt worden war, bezog sich auf die Pruzzen oder auf die Prußen, die ursprünglich in dem Gebiet gesessen haben, das bis 1945 Ostpreußen genannt worden ist.

    (Vogel [Ennepetal] [CDU/CSU]: Heute nicht mehr? — Weitere Zurufe von der CDU/ CSU)

    — Ganz früher hieß es nicht Ostpreußen, sondern Preußen, wenn ich Ihre Geschichtskenntnisse auffrischen darf. Das ist doch der eigentliche Kern Preußens gewesen.

    (Beifall bei der SPD und der FDP — Zurufe von CDU/CSU: Wie heißt es heute? — Weitere Zurufe von der CDU/CSU)

    Herr Barzel ist in der Frage der deutschen Nation dem bayerischen Ministerpräsidenten etwas zur Hilfe gekommen. Er hat ihn noch übertroffen und eine Reihe von Fragen gestellt.
    Eine Frage möchte ich nicht beantworten, Herr Barzel. Es ist die Frage, welche Vorkehrungen der Westen — Sie haben gesagt: einschließlich unserer japanischen Freunde — gegenüber der Möglichkeit treffe, als Staaten durch andere erpreßt zu werden. Ich denke nicht, daß das im Augenblick angesichts der Krise, mit der wir es — die Amerikaner noch mehr als wir, aber wir mit ihnen — zu tun haben, geschehen sollte.

    (Dr. Barzel [CDU/CSU]: Ich habe gesagt: Am anderen Ort!)

    — Einverstanden. Ich glaube nicht, daß das im Augenblick öffentlich geschehen sollte.
    Ich habe mit Befriedigung gesehen, daß das ganze Haus ohne Unterschied der Fraktionen Herrn Kollegen Genscher zugestimmt hat, als er, für die Bundesregierung und für die Bundesrepublik Deutschland als Ganze sprechend, unseren amerikanischen Freunden unsere Solidarität bekundet hat. Sie wissen, daß der amerikanische Außenminister wegen dieser Dinge heute hier zu Besuch ist, und ich benutze die Gelegenheit, um das Haus um Entschuldigung dafür zu bitten, daß ich heute nachmittag wegen dieses amerikanischen Besuchs ein oder zwei Stunden weggehen muß.
    Eine andere Frage will ich gern beantworten; sie bezog sich auf die Sitzung des Europäischen Rates in Dublin vor knapp 14 Tagen. Wenn der Abgeordnete Barzel das Ergebnis beklagt, so stimme ich ihm ausdrücklich zu. Aber das Ergebnis hätte noch schlechter sein können. Das konnte vermieden werden.
    Ich möchte dem Hause sagen, was Ihnen, Herr Kollege Barzel, bei Ihren Ausführungen offenbar nicht ganz klar gewesen ist. Die Bundesregierung ist zu dem Treffen der europäischen Staats- und Regierungschefs nicht ohne sehr sorgfältige Vorbereitung gefahren. In diese Vorbereitung waren die Spitzenpolitiker aller drei Bundestagsfraktionen eingeschlossen. Wir haben unsere Kollegen im Bundestag, einschließlich der Opposition, ausdrücklich gefragt, ob sie meinten, daß wir weitergehende Ange-

    Bundeskanzler Schmidt
    bote machen sollten. Das war zu dem Zeitpunkt nicht der Fall.
    Ich glaube auch, daß unser Angebot sehr großzügig war. Die Bundesrepublik Deutschland hat es nach Vorverständigung mit den drei Bundestagsfraktionen auf sich genommen, in Zukunft pro Jahr über 600 Millionen DM zusätzlich zu zahlen, damit England entlastet werden kann — jedes Jahr. Das ist kein Pappenstiel.

    (Beifall bei Abgeordneten der SPD)

    Die entsprechenden Beschlüsse hätten anschließend noch hier im Bundestag gefaßt werden müssen. Vielleicht müssen sie noch gefaßt werden, weil in dieser Verhandlung noch nicht aller Tage Abend ist.
    Ich will deutlich sagen, daß ich allerdings überzeugt bin, daß das Vereinigte Königreich, daß England durch seine wirtschaftliche und finanzielle Entwicklung einerseits und andererseits durch die Verträge, so wie England sie ausgehandelt hat — es ist einmal Anfang der 60er Jahre verhandelt worden, dann am Anfang der 70er Jahre ein zweites Mal, dann ist Mitte der 70er Jahre nachverhandelt worden —, gegenwärtig in eine finanzwirtschaftlich sehr unglückliche Lage geraten ist. Ich bin der Meinung, Großbritannien müßte entlastet werden. Deswegen die deutsche Bereitschaft, über 600 Millionen DM jedes Jahr dazu beizutragen.
    Dies hat der englischen Ministerpräsidentin in keiner Weise ausgereicht. Ihr hat auch nicht gereicht, was andere EG-Partner ihrerseits dazulegen wollten. Wir waren Gott sei Dank in der Lage, uns am Schluß in der allseits bekundeten Auffassung zu vertagen, daß ein Kompromiß gefunden werden muß.
    Ich bitte dies Haus, davon auszugehen, daß die deutsche Bundesregierung in dieser Frage kompromißbereit und kompromißwillig ist. Ich bitte aber, sich auch vorzustellen, daß vermutlich ein die englischen finanzwirtschaftlichen Nöte ausreichend befriedigender Kompromiß nicht ohne einen erheblichen und wahrscheinlich für alle Beteiligten sehr empfindlichen Schnitt in die Ausgabenpolitik der gemeinsamen Agrarpolitik möglich sein wird.

    (Beifall bei Abgeordneten der SPD)

    Das ist nicht einfach. Das wird für alle sehr empfindlichund sehr schwierig sein, für die deutschen Landwirte, für die Franzosen ohnehin — ich glaube, Herr Barzel hatte angedeutet, daß es für Frankreich noch empfindlicher wäre als für uns —, aber für Holland auch, für Dänemark auch. Auf dem Felde hat sich einiges entwickelt, was in absehbarer Zukunft vielleicht sowieso redressiert werden müßte. Wenn man jedenfalls, stärker als bisher von uns angeboten, den englischen Entlastungswünschen entgegenkommen will, dann geht das wohl nur so, daß man gleichzeitig in die großen Ausgaben der Europäischen Gemeinschaft hineinschneidet. Das könnte zu einem Konflikt mit dem Europäischen Parlament führen, bei dem ich die Tendenz erkenne, auf dem Felde der Agrarausgaben zurückhaltender zu sein,
    insgesamt aber mehr Geld auszugeben als im letzten Jahre.
    Alles das macht die Sache überaus kompliziert. Vielleicht wäre es innerhalb der EG für die Kollegialität mit den anderen acht Staaten ganz gut, wenn der eine oder andere — die Debatte dauert ja heute noch lange -- noch eine konstruktive Bemerkung machen könnte, die über das hinausgeht, was wir uns bisher ausgedacht haben. Die Regierung jedenfalls ist interessiert daran, daß eine Lösung zustande kommt, mit der sich auch Großbritannien zufrieden erklären kann.
    Herr Kollege Barzel hat eine Reihe von Anregungen für die Stoffe gegeben, die zu besprechen sein werden, wenn der Staatsratsvorsitzende Honecker und ich zusammentreffen. Ich nehme das gerne auf. Ich glaube nicht, daß irgendeines dieser Themen ausgeklammert werden könnte.
    Man darf allerdings, Herr Kollege Barzel, ein solches Gespräch in seiner Bedeutung auch nicht von vornherein mit überhöhten Erwartungen belasten. Ich kann mich nicht erinnern, daß bei Gesprächen, wie sie der bayerische Ministerpräsident mit dem Ersten Sekretär Kadar in Budapest geführt hat oder wie ich sie mit Herrn Kadar oder mit Herrn Gierek oder mit anderen geführt habe, im Vorwege große Bedingungs- oder Erwartungsgebäude aufgebaut worden wären. Das nützte einem solchen Gespräch nichts.

    (Dr. Mertes [Gerolstein] [CDU/CSU]: Der Vergleich mit Kassel und Erfurt wäre besser!)

    Wenn es Ihnen mit dem Zehnjahresplan mit fünf Stufen ernst sein sollte, wäre die Regierung gern bereit, diesen Plan kennenzulernen, ihn zu studieren und mit Ihnen darüber zu sprechen.
    Der bayerische Ministerpräsident hat nicht viel Zeit auf die Frage verwandt, die im Augenblick die westeuropäische öffentliche Meinung, aber auch die osteuropäische veröffentlichte Meinung außerordentlich beschäftigt. Ich rede von dem in dieser Woche bevorstehenden Doppelbeschluß des nordatlantischen Bündnisses. Wir gehören dem nordatlantischen Bündnis an. Wir wollen ihm angehören. Wir wissen, daß unsere eigene Sicherheit und unsere zukünftige Politik der Zusammenarbeit z. B. mit der Deutschen Demokratischen Republik, z. B. mit der Volksrepublik Polen, z. B. mit der Sowjetunion und mit anderen Staaten in Osteuropa nur dann möglich gemacht werden kann, wenn sie auf die Solidität dieses Bündnisses und auf die Solidarität dieses Bündnisses gestützt ist.
    Ich will in diesem Zusammenhang eine Bemerkung nicht unterdrücken, die sich an die Adresse des Kollegen Wörner richtet, nicht an die des Herrn Ministerpräsidenten des Freistaates Bayern. Herr Wörner ist, wenn die „Stuttgarter Zeitung" vom 8. Dezember sorgfältig berichtet, zu einer Meinung zurückgekehrt, die er Anfang dieses Jahres in einem Vortrag — ich glaube, in Kalifornien — schon einmal öffentlich geäußert hat. Der entscheidende Satz lautet ausweislich der „Stuttgarter Zeitung":
    Deutscher Bundestag — 8. Wahlperiode — 191. Sitzung. Bonn, Dienstag, den 11. Dezember 1979 15109
    Bundeskanzler Schmidt
    Obwohl wir
    — das ist wohl für die CDU/CSU gesagt —
    wie die Regierung wünschen, daß sich andere Staaten daran beteiligen, wären wir auch notfalls bereit, allein auf deutschem Boden solche Waffen zu stationieren.
    Ich habe ähnliches, Herr Ministerpräsident, auch aus Ihrem Munde schon gehört und will hier deutlich sagen: Dies ist nicht die Meinung der Bundesregierung; es wird auch nicht die Meinung der Bundesregierung sein.

    (Beifall bei der SPD und bei Abgeordneten der FDP)