Rede von
Lothar
Löffler
- Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede:
(SPD)
- Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)
Lieber Herr Kollege Reuschenbach, ich kann Ihre Frage nicht bestätigen. Herr Kollege Schröder sprach selbst von einer Zweiklassengesellschaft. Ich will jetzt nicht sagen, welches die Kriterien dieser Zweiklassengesellschaft im Bundeskanzleramt sind. Es könnte ja aber sein, daß es sich um loyale und um illoyale Beamte handelt.
— Ich will es nur als Hypothese hinstellen. Bitte, beachten Sie, daß ich im Konjunktiv gesprochen habe.
Auf eine Sache ist Herr Schröder überhaupt nicht eingegangen. Der gegenwärtige Kanzler bemüht sich, und zwar mit großem Ernst und mit großem Engagement, um eine Synthese von politischer Leitungsfunktion und Macht einerseits und kultureller Präsentation andererseits. Diese Bemühungen, die im Bundeskanzleramt ihren sichtbaren Ausdruck finden, sind zu begrüßen. Sie vermitteln einen guten Eindruck bei allen Besuchern, insbesondere aber bei den Repräsentanten anderer Staaten, die das Bundeskanzleramt aufsuchen. Die weniger angenehme Seite Deutschlands, nämlich die machtvolle und die kriegerische, haben die Völker dieser Welt in diesem Jahrhundert zweimal kennengelernt. Es ist gut, daß der jetzige Bundeskanzler zeigt, der Welt zeigt, daß Deutschland eben nicht nur Militär ist, nicht nur wirtschaftliche Macht ist, sondern daß wir auch über ein reiches kulturelles, wissenschaftliches und literarisches Leben verfügen, daß es in Deutschland auch andere Geister gab.
Insofern begrüße ich auch ausdrücklich, daß der Bundeskanzler eine Plastik von Henry Moore auf den Kanzleramtsvorplatz gestellt hat, denn durch diese Haltung hat er eindeutig gezeigt, welche echte europäische Gesinnung dahintersteckt. Damit zeigt man mehr europäische Gesinnung als mit hundert
Deutscher Bundestag — 8. Wahlperiode — 191. Sitzung. Bonn, Dienstag, den 11. Dezember 1979 15049
Löffler
Reden über die kulturelle Einheit des Abendlandes an Sonn- und Festtagen.
Hier wird nämlich europäischer Geist repräsentiert. Das hat der Kanzler gemacht, und meine Fraktion dankt ihm ausdrücklich dafür, daß er das harte Geschäft der Politik durch Geist auflockern will, und zwar durch Geist, der sich in verschiedenen Formen repräsentiert.
— Sehen Sie, Ihre Zwischenrufe beweisen eindeutig, daß diese Passage nun offensichtlich ganz und gar nicht für Sie "berechnet ist, aber das müssen Sie mit sich ausmachen, statt hier durch Zwischenrufe den Ablauf der Verhandlungen zu stören.
Zusammenfassend darf ich folgendes sagen. Die Mängel am Bau sind unbestreitbar. Ich könnte jetzt eine lange Rede darüber halten, wie diese Mängel entstanden sind. Auf jeden Fall hat sie weder der Kanzler noch das Kanzleramt zu verantworten. Nur stimmt das, was der Kollege Schröder gesagt hat, daß nämlich dieser Bau völlig funktionsunfähig sei, nicht. Richtig ist, daß er von der Funktion her besser sein könnte. Aber Sie wissen ja selbst, wie das ist — das fängt ja schon beim Einfamilienhaus an —: Der öffentliche Bauherr hat heutzutage nicht mehr den Mut, dem Architekten zu sagen, so und so will ich das haben, weil er jeder modernen Strömung hinterherrennt; um nur nicht als veraltet zu erscheinen, läßt er sich von den Architekten alles einreden. Wir werden das erleben — wir persönlich werden es wohl nicht mehr erleben —, wenn über die Funktionsfähigkeit des neuen Gebäudes für den Deutschen Bundestag gesprochen werden wird. Da wird das nämlich nicht sehr viel anders aussehen.
Wenn ich einmal von dem Bau absehe, kann ich folgende Feststellungen treffen. Die Regierungszentrale ist in Ordnung, und zwar in jeder Hinsicht, in organisatorischer und in politisch-inhaltlicher Hinsicht. Diese Regierungszentrale wird allen äußeren und inneren Problemen, mit denen die Bundesrepublik Deutschland konfrontiert ist, voll gerecht. Diese Regierungszentrale verdient unser volles Vertrauen und wird auch das volle Vertrauen des deutschen. Volkes erhalten.