Rede von
Dr.
Wolfgang
Schwenk
- Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede:
(SPD)
- Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)
Frau Präsident! Meine Damen und Herren! Gestatten Sie zum Schluß der Debatte noch einige Blicke auf den mit dem Thema zusammenhängenden rechtspolitischen Bereich, der bei einer Fortentwicklung der Lage und des Schutzes der psychisch Kranken und Behinderten nicht außer acht gelassen werden darf.
Die Kommission hat sich an einigen Stellen damit befaßt, hat Forderungen aufgestellt und Bitten ausgesprochen zur Verbesserung der Ausgestaltung der leider manchmal unumgänlichen Freiheitsentziehung mit einer stärkeren Betonung der fürsorgerischen Aspekte bei einer Unterbringung; zu einer Gesamtreform des Vormundschafts- und Pflegschaftsrechts im Bereich der Versorgung psychisch Kranker; zur Anpassung strafrechtlicher Vorschriften an die besonderen Probleme straffällig gewordener Menschen, wobei insbesondere die Berücksichtigung verminderter Schuldfähigkeit nicht aus den Augen verloren werden sollte; sowie zu einem verbesserten Schutz personenbezogener Daten einschlägiger Art.
Bei dieser Ausgangsbetrachtung möchte ich doch noch einmal darauf hinweisen, daß der Abschlußbericht des Max-Planck-Instituts zur Psychiatrie den Abgeordneten nicht vorenthalten worden ist, sondern auf Abruf bekommen werden kann. Wer
sich dafür interessiert hat, hätte ihn also erhalten können oder kann ihn noch erhalten. Vielleicht ist es doch ganz sinnvoll, solche wertvollen Drucksachen nun nicht an alle zu verteilen, woraufhin die meisten Exemplare doch im Papierkorb landen, sondern die Möglichkeit zu eröffnen, daß die Interessierten den Bericht auch wirklich in die Hand bekommen.
— Herr Kollege, ich weiß nun nicht, ob das für die weitere Behandlung wirklich wertvoll und wichtig ist. Oder geht es bei der nicht redigierten Fassung darum, festzustellen, wo möglicherweise noch die eine oder die andere Lücke ist, in die man stoßen könnte? Das ist ja wohl nicht der Sinn der Sache. Der Abschlußbericht ist also erhältlich, und das ist ja wohl das Wichtige dabei.
Bei dieser Gelegenheit wollte ich Sie allerdings noch Fragen, woher Ihre Besorgnis kommt, daß die Beratungstätigkeit der freien Träger etwa eingeschränkt werde. Davon ist für mich nichts zu erkennen. Da Sie hier eine Warnung ausgesprochen haben, die schon etwas anklagend geklungen hat, muß ich diese Frage stellen. Ich meine, dahinter dürfte nichts weiter stehen. Auch in der Entwicklung des Jugendhilferechts kann ich so etwas nicht erkennen.
Zunächst komme ich zu j 13 des Bundeszentralregistergesetzes, der auch von der Kommission angesprochen worden war. Bereits der Kommissionsbericht hat bewirkt, daß der Gesetzgeber in einigen Bereichen tätig geworden ist. Auch wenn hier mehrfach beklagt wurde, daß die Beantwortungszeit sehr lang war, ist der Gesetzgeber nicht untätig geblieben. Dieser Bericht hat bereits seine Folgewirkungen gezeitigt. Dieser § 13 ist gestrichen, so daß nicht jeder Behörde, die einen Registerauszug verlangt, schwache Stellen im früheren Lebensweg des Betroffenen mitgeteilt werden. Während dieser Schutz besteht, hat das Bundeszentralregister in den wirklich wichtigen Fragen der Auskunft über Entmündigung und Schuldunfähigkeit keineswegs an Auskunftsfähigkeit eingebüßt.
Die nächste Frage bezieht sich auf den Datenschutz. Nach dem geltenden § 35 des Sozialgesetzbuches gibt es bereits einen Datenschutz. Allerdings ist bei fortschreitender kritischer Beobachtung des Datenschutzrechtes herausgekommen, daß die einzelnen Schutzvorschriften noch weiter differenziert werden müssen, daß der Austausch von Daten auch innerhalb von großen Behörden auf das wirklich Notwendige beschränkt werden muß, daß dabei allerdings, soweit das Auskunftsersuchen erforderlich ist, keine Einschränkung gilt, damit diejenigen, die Gelder oder Hilfen bewilligen müssen, auch die nötigen Daten bekommen. In den Ausschüssen wird zur Zeit darüber beraten — das möchte ich hiermit unterstützen —, wie dieser Paragraph noch weiter differenziert und ein undifferenzierter Datenaustausch innerhalb großer Behörden oder unter den fachspezifischen Behörden zum
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Dr. Schwenk
Vorteil des Betroffenen noch weiter eingeschränkt werden kann.
Auch im Bereich des Unterbringungsrechts hat die Kommission Verbesserungen gefordert. Hier müssen wir allerdings darauf hinweisen, daß Landeszuständigkeit gegeben ist. Die Länder Hamburg, Niedersachsen und Schleswig-Holstein haben Gesetze über Hilfen und Schutzmaßnahmen für psychisch Kranke erlassen; bei anderen Ländern ist das in Vorbereitung. Wir hoffen, daß auch das bald verabschiedet wird, damit auch die Länder ihren Teil zur Verbesserung der Lage der psychisch Kranken beitragen.
Im Bereich der aus Krankheitsgründen notwendigen Freiheitsentziehung haben wir bundeseinheitlich zur Zeit im psychischen Bereich nur für das Kind neue Vorschriften durch das neu beschlossene Gesetz zur Neuregelung der elterlichen Sorge. Die Kommission hatte noch den vorgeschlagenen § 1631 a gerügt. Sie hatte befürchtet, daß jegliche Unterbringung eines Kindes betroffen sein könnte. Wir hatten das Problem erkannt und deshalb in dem entsprechenden jetzigen § 1631 b nur die mit Freiheitsentziehung verbundene Unterbringung angesprochen, so daß Internate oder Heime in der Regel nicht darunter fallen. Hierbei möchte ich noch einmal dem Kollegen Reimers danken. Seine Ausführungen zur Lage psychisch geschädigter oder gefährdeter Kleinkinder hörten sich wie ein Plädoyer für dieses Gesetz zur Neuregelung der elterlichen Sorge an. Ich bedanke mich dafür, daß das von Ihrer Seite so gekommen ist.
Entsprechende Verfahrensvorschriften für Erwachsene gibt es allerdings bundeseinheitlich nicht. Herr Picard, hier haben Sie auf dem falschen Fuß gestanden; denn es liegt ein Bericht der Kornmission für die Neufassung des Gesetzes über die freiwillige Gerichtsbarkeit seit Dezember 1977 vor. Nur haben sich ersten noch nicht alle Landesjustizverwaltungen dazu geäußert, und zweitens beharren mehrere Landesjustizverwaltungen auf der Länderzuständigkeit, so daß der Bundesgesetzgeber in diesem Bereich noch gar nicht tätig werden kann.
Wie ich eben ausführte, liegt der Bericht vor, und wir sind zur Gesetzgebung bereit, wenn Bund und Länder bereit sind, sie zu tragen. Bei dem hier angesprochenen Problembereich gilt das insbesondere für die vorgesehenen Vorschriften über ein einheitliches Betreuungsverfahren. Das wäre das Pendant für Erwachsene zur Neuordnung des Rechts der elterlichen Sorge die Kinder betreffend. Aber ich darf noch einmal darauf hinweisen: Erst einmal muß klar sein, daß Bund und Länder dieses Gesetz gemeinsam tragen wollen.
In Vorbereitung befindet sich ferner eine Neuordnung des Vormundschafts- und Pflegschaftrechts. Nachdem wir aber im familienrechtlichen Bereich das gerade angesprochene Gesetz verabschiedet haben, haben wir uns im Rechtsausschuß zunächst einmal anderen Aufgaben zuzuwenden. Gleiches gilt auch für das Bundesjustizministerium. Wir müssen hier noch bis zur nächsten Legislaturperiode warten.
Ein Satz noch zur Postkontrolle, die ebenfalls im Bericht angesprochen wurde. Die Postkontrolle gehört zur Ländergesetzgebung.
Zur Straffälligkeit und Strafverfolgung psychisch kranker Straftäter darf ich darauf hinweisen, daß mit früheren Strafrechtsänderungsgesetzen seit 1969 neue Vorschriften eingefügt worden sind, die diesen Problemen gerecht werden. Es sind dies die §§ 63 und 65 des Strafgesetzbuchs. Außerdem ist in § 65 aufgenommen worden, daß sozialtherapeutische Anstalten einzurichten sind.
Der Stichtag liegt allerdings noch in weiter Ferne; es ist der 1. Januar 1985. Wir wissen, daß man hierzu einen längeren Zeitraum braucht. Wir können in diesem Bereich nicht mit kürzeren Zeiteinheiten rechnen. Es zeigt sich aber zumindest, daß Bundesregierung und Bundesgesetzgeber durchaus bereit sind, etwas zu tun. Wir wollen das nicht aus dem Auge verlieren. Und wir wollen ab 1. Januar 1985 auch Erfolge sehen, das heißt, daß in diesem sensiblen Bereich den Erkrankten — ich darf mich hier einmal auf meinen Kollegen Weisskirchen berufen — mit der erforderlichen Sorgfalt geholfen wird.
Meine Damen und Herren, in bezug auf die Altersstraffälligkeit wurde gefragt, wie weit wir in der Lage seien, mehr zu tun. Ich darf darauf hinweisen, daß die §§ 20 und 21 des Strafgesetzbuchs, Allgemeiner Teil, den dafür aufgeschlossenen Staatsanwälten und Richtern ausreichende Möglichkeiten geben, dem altersbedingten Straftäter entgegenzukommen. Wir müssen dabei sehen, daß es sich bei solchen Delikten oft um eine Folge des Abbaus von Hemmungen handelt und nicht um eine Folge des direkten Willens zum Rechtsbruch. Dies kann nun einmal in der Altersentwicklung des Menschen liegen; davor ist keiner gefeit.
Bei allen Bemühungen um die Verbesserung der Lage der psychisch Kranken und Behinderten sollten wir auch einmal den eigenen Sprachgebrauch überprüfen. Oft genug hören wir bei Streitgesprächen — ob am Biertisch oder anderswo bei ernsteren Gelegenheiten —, daß einer auf die Meinung des anderen mit dem Ausspruch reagiert: das ist doch schizophren! Wäre jemand unter den Zuhörern, der zufällig diese Krankheit hat, so müßte er zusammenfahren. Wir sollten Krankheitsbilder nicht dazu benutzen, dem Diskussionsgegner einen verbalen' Knüppel zwischen die Beine zu werfen. Hier sollten wir unseren Sprachgebrauch doch einmal überprüfen. Auf Platt würde man ganz einfach sagen: „Da versteihst du ji nix von." Das würde sowohl die Sachlage klarrücken wie das verbale Klima nicht verderben.
Wir alle, die wir hier zu dem Thema gesprochen haben, sind uns — so meine ich — in großen Zügen entgegengekommen, beseelt von dem Willen, etwas zu tun, um denjenigen, die auf der seelischen Schattenseite des Lebens stehen, zu helfen. Ich bitte deshalb abschließend, den Bericht zur weiteren Beratung an den federführenden Ausschuß für Jugend, Familie und Gesundheit zu überweisen, damit dort die Problematik und die Lö-
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sungsansätze vertieft, beraten und in eine Empfehlung gefaßt werden können.