Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Der Herr Abgeordnete Prinz zu Sayn-Wittgenstein-Hohenstein hat micht mehrfach angesprochen. Ich möchte darauf gern antworten.
Zunächst einmal muß ich die Behaupfung zurückweisen, unsere Schuldenaufnahme sei unverantwortlich gewesen. Ich verweise auf das Ergebnis. Wir hatten in der vergangenen Woche in Belgrad Gelegenheit, unsere eigenen Statistiken mit den Statistiken der anderen 137 Mitgliedsländer, darunter aller großen Industrieländer, zu vergleichen. Es kann überhaupt kein Zweifel bestehen, daß die günstige Kombination der wirtschaftlichen Indikatoren der Bundesrepublik in dieser Weise in keinem anderen Mitgliedsland des Weltwährungsfonds anzutreffen ist, gleich ob Sie nun die Annäherung an die Vollbeschäftigung nehmen, die wir glücklicherweise haben — da sind wir mit an der Spitze der großen Industrieländer —, ob Sie die Preisstabilität nehmen, die im internationalen Vergleich vorbildlich ist, insbesondere wenn man bedenkt, daß wir 95 % unseres Ois einführen müssen, von den Ölpreissteigerungen also in einem Grad abhängig sind, wie dies kaum woanders der Fall ist, oder ob Sie die Produktivitätssteigerungen in unserem Lande nehmen, die auf eine leistungs- und wettbewerbsfähige Wirtschaft hinweisen und die gleichfalls — hier allerdings gleichziehend mit Japan — vorbildlich in der ganzen Welt sind. Dieses gilt in gleicher Weise für die Einkommenssteigerungen, die sich daraus ergeben, die Möglichkeiten, die soziale Sicherheit zu verbessern, den sozialen Frieden in unserem Lande zu stärken, auf den schon der Abgeordnete Gärtner hingewiesen hat, und es gilt schließlich, Herr Abgeordneter Prinz zu Sayn-Wittgenstein-Hohenstein, auch für die Verschuldung, die im internationalen Vergleich geradezu niedrig ist.
Wir haben dieses Ergebnis auf solide Art und Weise erzielt. Denn wir haben nicht, wie etwa Großbritannien, Jahre mit 24 % Preissteigerung gehabt. Was das für das Verhältnis von Nettoverschuldung zum Bruttosozialprodukt bedeutet, kann sich jeder leicht ausrechnen, wenn er es über einige Jahre hinweg verfolgt. Wir sind solide Leute. Wir haben
13914 Deutscher Bundestag — 8. Wahlperiode — 177. Sitzung. — Bonn, Donnerstag, den 11. Oktober 1979
Bundesminister Matthöfer
bei niedrigen Preissteigerungen und niedrigen Nettokreditaufnahmen im internationalen Vergleich einen Schuldenstand erreicht, der sich international gesehen im unteren Mittelfeld bewegt.
Weil wir Vollbeschäftigung und Preisstabilität und Produktionssteigerungen und Einkommenssteigerungen haben, deshalb ist z. B. bei der Bundesanstalt für Arbeit die Notwendigkeit, mehr Geld auszugeben, zurückgegangen, deshalb haben wir die Steuermehreinnahmen im Vergleich zu den Schätzungen vom Januar oder auch zu denen vom Mai, deshalb sind wir in der Lage gewesen, die Nettokreditaufnahme zurückzuführen, und das ist der Grund dafür, daß wir den Nachtragshaushalt ohne Plafonderhöhung und ohne Erhöhung der Nettokreditaufnahme vorlegen konnten. Dies wollte ich noch einmal ausdrücklich festhalten.
Wir haben auch nicht beabsichtigt, irgendwelche Wahlgeschenke zu machen. Ich glaube, die CDU/ CSU-Fraktion ist schlecht beraten, das Thema Wahlgeschenke hier aufzunehmen. Das letzte Mal, als Sie Gelegenheit hatten, Wahlgeschenke zu machen — im Jahre 1965 —, haben Sie das getan, und anschließend haben Sie im Frühjahr 1966 durch das Haushaltssicherungsgesetz dem Wähler alles wieder abgenommen, was Sie ihm zuvor gegeben haben.
Ich denke nur an Ihre vorliegenden Anträge, verehrter Herr Abgeordneter Prinz zu Sayn-Wittgenstein-Hohenstein. Nehmen Sie nur einmal das Erziehungsgeld! Der Antrag Ihrer Fraktion, der Milliarden kosten würde, liegt doch vor! Oder nehmen Sie das von Ihnen unterstützte Verhalten der Länderfinanzminister bei den Kinderbetreuungkosten, die zusätzliche Kosten in Höhe von Hunderten von Millionen DM verursachen würden.
Wenn Sie hier Ihre alte Methode verfolgen, jedem, der das gerade hören will, zu versprechen, was er gern haben möchte,
und gleichzeitig zu behaupten, Sie würden die Ausgaben senken und Sie würden auch noch die Nettokreditaufnahme senken, dann kann ich Ihnen nur sagen — — Ich würde nicht auf diesen Antrag verweisen. Wie ich höre, wird er ausgewechselt, weil er Druckfehler enthält.
— Zuerst legen Sie ihn spät vor, und dann ist er
auch noch nicht richtig. Ich wäre ja nicht von
selbst darauf zu sprechen gekommen, wenn Sie ihn
nicht noch stolz hochgehoben hätten. Ich bitte um Entschuldigung, wenn ich darauf hinweise.
Oder nehmen Sie die vom Abgeordneten Gärtner erwähnte Steuersenkung im nächsten Jahr! Bis heute hat noch niemand von Ihnen gesagt, wie er sie finanzieren will. Sagen Sie doch einmal: Wo wollen Sie weniger ausgeben im nächsten Jahr? Ich bin für Vorschläge wirklich dankbar. Wir werden für das Jahr 1981 dort, wo wir Steuersenkungen ankündigen, eine entsprechende Ausgabensenkung gegenüber der Planung vorzunehmen haben. Das werden wir auch auf ganz solide Weise tun. Wir werden auch vorher sagen, wo das geschehen muß, damit die Leute wissen, woran sie sind, wenn sie uns wählen.
Ich wehre mich aber dagegen, daß Sie hier Steuersenkungen ankündigen, ohne dem deutschen Volk zu sagen, woher Sie das Geld nehmen wollen, wie Sie das alles finanzieren wollen.
Zur globalen Minderausgabe darf ich folgendes sagen: Die globale Minderausgabe wird zu Beginn des Jahres beschlossen, und ich halte das auch für einen nützlichen Zwang. Sie wissen, daß der Bundesfinanzminister selber solche globalen Minderausgaben vorschlägt, um gegenüber seinen Ressortkollegen ein Instrument des Drucks in der Hand zu haben. Es geht aber doch wohl nicht an, im Laufe des Jahres — schon bei der Beratung des Hauhalts und jetzt wieder bei diesem Nachtragshaushalt — überall da, wo sich Minderausgaben zeigen, Streichungen vorzunehmen und am Ende des Jahres gleichwohl zu verlangen, daß der Bundesfinanzminister globale Minderausgaben in Milliardenhöhe erbringt. Wir haben jetzt Mitte Oktober, und wenn Sie überall bei den Minderabflüssen, die sich ja jetzt schon abzeichnen und über die wir Ihnen berichten, streichen, dann kann man doch am Ende des Jahres nicht mehr in gleicher Höhe eine globale Minderausgabe verlangen — es sei denn, man sagt, wo gestrichen werden soll.
Zur VEBA-Kapitalerhöhung: Ich bin für diese Kapitalerhöhung im Sinne der Politik — wenn ich das richtig gelesen habe — aller Bundesregierungen, die der Meinung waren, daß die VEBA bei allen Schwierigkeiten des Aktienrechts ein Instrument der Energiepolitik der Bundesregierung zu sein hat.
Damit sie als Instrument eingesetzt werden kann, muß der Bund selbstverständlich auch den Mehrheitseinfluß in dieser Gesellschaft behalten.
Herr Abgeordneter, wir können uns im Sinne unserer Verantwortung gegenüber dem deutschen Volk, das von uns eine Energiepolitik in seinem Interesse verlangt, nicht auf Experimente einlassen und wie Sie sagen: 36 % sind vielleicht auch die Mehr-
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Bundesminister Matthöfer
heit, weil nicht immer alle Mitglieder der Hauptversammlung anwesend sind. Das ist doch wohl keine Art und Weise, Politik zu machen. Wir müssen sicher kalkulieren können, weil wir auch auf dem Gebiet der Energie die Zukunft des deutschen Volkes sicherstellen wollen.
Hier haben Sie übrigens ein Beispiel für die Fragwürdigkeit Ihres Schuldenbegriffs. Wir nehmen in der Tat Kredite auf, im Moment übrigens für einen Zinssatz zwischen 7,5 % und 8 % für Geld über viele Jahre. Wir nehmen nicht alles, was uns angeboten wird. Wir haben Zwanzigjahresgeld abgelehnt. Sie kennen unseren Deckungsgrad bei der Kreditaufnahme. Wir sind eine gute Adresse; jeder will uns Geld leihen. Wir haben jetzt einen Zinssatz für sehr langfristiges Geld, zu dem Sie manchmal nicht einmal Tagesgeld bekommen. Ich will nicht mehr Kredite auf den Kapitalmärkten aufnehmen. In dieser konjunkturellen Situation müssen sich Bund und Länder, muß sich allgemein die öffentliche Hand allmählich von den Kapitalmärkten zurückziehen.
Wir nehmen auch Kredite auf, um sie in profitablen Gesellschaften zu investieren. Es gibt, Herr Abgeordneter, kein Bundesunternehmen im Zuständigkeitsbereich des Bundesfinanzministers, das in diesem ersten halben Jahr keine Gewinne erzielt hätte. Das sind gut geführte, leistungsfähige Unternehmen, die zudem noch öffentliche Aufgaben erfüllen, indem sie der Strukturpolitik, der Energiesicherung oder sonstigen Zielen dienen.
Da ist das Geld im Interesse des deutschen Volkes gut angelegt. Sie würden auch nicht einen Privatunternehmer, der Geld auf den Märkten aufnimmt, um es in seinem profitablen Unternehmen anzulegen, als „Schuldenmacher" bezeichnen. Was Sie machen, ist eine systematische Irreführung des deutschen Volkes.
Sie sollten im Interesse der Klarheit und Wahrheit Wahlkämpfe auch als Teil eines Aufklärungsprozesses und nicht als Teil eines Vernebelungsprozesses betrachten. Insofern sollten Sie Ihre Haltung überdenken.
Sie haben von der Streckung der Baumaßnahmen gesprochen. Lieber Herr Abgeordneter, Sie wissen genau, daß ich im Oktober vergangenen Jahres an die Bundes- und Länderbehörden einen Brief mit der dringenden Bitte geschrieben habe, die Baumaßnahmen zu strecken. Sie wissen, daß im März dieses Jahres die öffentlichen Hände im Finanzplanungsrat einen entsprechenden Beschluß gefaßt und mit Dringlichkeit nach außen gegeben haben. Ihnen ist bekannt, daß wir von seiten des Bundesfinanzministeriums seit einem Jahr mit Erfolg darauf hinwirken, 'daß die Baumaßnahmen im Bundesbereich gestreckt werden. •
Nun sagen Sie im Oktober dieses Jahres, ich solle, um in diesem Jahr ein bißchen einzusparen, die Baumaßnahmen strecken. Sie müssen ein bißchen früher wach werden und mir früher Bescheid sagen; dann ist das nützlich. Ich bitte ja um Vorschläge und um Ratschläge. Nur: Mir das zu sagen, was ich machen soll, nachdem in diesem Jahr schon alles gelaufen ist, bringt wenig.
'Sie haben, glaube ich, im großen und ganzen nicht viel vortragen können, was uns davon abhalten sollte, diesen Haushalt zu verabschieden. Das sage ich auch in meiner Eigenschaft als Abgeordneter. Ich bedanke mich sehr herzlich bei den Mitgliedern des Haushaltsausschusses und bei dem Vorsitzenden dieses Ausschusses für die zügige und sachverständige Beratung. Ich bitte das Haus, dem Antrag des Haushaltsausschusses zuzustimmen.