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    Plenarprotokoll 8/167 Deutscher Bundestag Stenographischer Bericht 167. Sitzung Bonn, Mittwoch, den 4. Juli 1979 Inhalt: Regelung für die Einreichung von Fragen für die Woche vom 10. September 1979 13317 A Abgabe einer Erklärung der Bundesregierung zur Energiepolitik nach dem Europäischen Rat und dem Weltwirtschaftsgipfel in Verbindung mit Beratung des Antrags der Abgeordneten Dr. Dollinger, Dr. Narjes, Pfeifer, Dr. Riesenhuber, Lenzer, Dr. Waigel, Dr. Laufs, Gerstein, Kolb, Dr. Czaja, Dr. Probst, Engelsberger, Dr. Hubrig, Pfeffermann, Dr. Freiherr Spies von Büllesheim, Dr. Stavenhagen, Frau Dr. Walz, von Hassel, Benz, Dr. Jenninger und der Fraktion der CDU/CSU Sicherung der Energieversorgung und Zukunftsorientierung der deutschen Energiepolitik — Drucksache 8/2961 (neu) — in Verbindung mit Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Ausführungsgesetzes zu dem Übereinkommen vom 5. April 1973 zwischen dem Königreich Belgien, dem Königreich Dänemark, der Bundesrepublik Deutschland, Irland, der Italienischen Republik, dem Großherzogtum Luxemburg, dem Königreich der Niederlande, der Europäischen Atomgemeinschaft und der Internationalen Atomenergie-Organisation in Ausführung von Artikel III Abs. 1 und 4 des Vertrages vom 1. Juli 1968 über die Nichtverbreitung von Kernwaffen (Verifikationsabkommen) (Ausführungsgesetz zum Verifikationsabkommen) — Drucksache 8/2779 — Schmidt, Bundeskanzler 13317 D, 13384 B, 13391 C Porzner SPD (Zur Geschäftsordnung gemäß § 34 GO) 13328 C Strauß, Ministerpräsident des Freistaates Bayern 13329 D Dr. Graf Lambsdorff, Bundesminister BMWi 13339 B Dr. Albrecht, Ministerpräsident des Landes Niedersachsen 13348 A, 13390 D Genscher, Bundesminister AA 13352 B Dr. Narjes CDU/CSU 13354 C Schmidt (Wattenscheid) SPD 13359 D Dr.-Ing. Laermann FDP 13364 C Dr. Hauff, Bundesminister BMFT 13370 B Dr. Biedenkopf CDU/CSU 13373 D Ueberhorst SPD 13378 B Zywietz FDP 13381 C Dr. Kohl CDU/CSU 13387 D Dr. Gruhl fraktionslos 13393 D Nächste Sitzung 13397 C Anlage Liste der entschuldigten Abgeordneten 13399* A Deutscher Bundestag — 8. Wahlperiode — 167. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 4. Juli 1979 13317 167. Sitzung Bonn, den 4. Juli 1979 Beginn: 9.00 Uhr
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    Berichtigung 165. Sitzung, Seite 13231*: In die Liste der entschuldigten Abgeordneten ist der Name „Müller (Remscheid)" einzufügen. Anlage zum Stenographischen Bericht Anlage Liste der entschuldigten Abgeordneten Abgeordnete(r) entschuldigt bis einschließlich Dr. Althammer 4. 7. Dr. Arnold 4. 7. Bayha 4. 3. Dr. Becher (Pullach) 4. 7. Frau Benedix 4. 7. Blumenfeld 4. 7. Dr. Böhme (Freiburg) 4. 7. Brandt 4. 7. Büchner (Speyer)* 4. 7. Conradi 4. 7. Fellermaier* 4. 7. Frau Dr. Focke 4. 7. Haberl 4. 7. Hauser (Krefeld) 4. 7. Dr. Haussmann 4. 7. Graf Huyn 4. 3. Dr. Jahn (Braunschweig) 4. 7. Dr. h. c. Kiesinger 4. 7. Koblitz 4. 7. * für die Teilnahme an Sitzungen der Parlamentarischen Versammlung des Europarates ** für die Teilnahme an Sitzungen der Westeuropäischen Union Abgeordnete(r) entschuldigt bis einschließlich Köster 4. 7. Lintner 4. 7. Dr. Dr. h. c. Maihofer 4. 7. Dr. Meinecke (Hamburg) 4. 7. Dr. Müller** 4. 7. Müller (Remscheid) 4. 7. Neumann (Bramsche) 4. 7. Oostergetelo 4. 7. Picard 4. 7. Pieroth 4. 7. Rappe (Hildesheim) 4. 7. Rosenthal 4. 7. Prinz zu Sayn-Wittgenstein-Hohenstein 4. 7. Scheffler** 4. 7. Frau Schlei 4. 7. Dr. Schmitt-Vockenhausen 4. 7. Frau Schuchardt 4. 7. Dr. Schwencke (Nienburg)** 4. 7. Spilker 4. 7. Dr. Starke (Franken) 4. 7. Volmer 4. 7. Dr. Waffenschmidt 4. 7. Walkhoff 4. 7. Frau Dr. Walz 4. 7. Würzbach 4. 7. Dr. Wulff 4. 7.
  • insert_commentVorherige Rede als Kontext
    Rede von Prof. Dr.-Ing. Karl-Hans Laermann


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (FDP)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (FDP)

    Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich möchte namens der FDP-Fraktion den Dank an die Bundesregierung aussprechen — insbesondere auch an den Bundeskanzler — für das überzeugende, der politischen, wirtschaftlichen und insbesondere der energiewirtschaftlichen Situation angemessene Auftreten beim Europäischen Rat in Straßburg und vor allen Dingen auf dem Weltwirtschaftsgipfel in Tokio. Wir möchten mit diesem Dank die Hoffnung verbinden, daß die Industriestaaten nicht nur mit einer Zunge geredet haben, sondern auch entsprechend der vereinbarten Linie handeln werden. Dies ist nun einmal die große gemeinsame Verantwortung der Industriestaaten für eine weltwirtschaftlich optimale Entwicklung.
    Nun hat die Opposition in dem vorliegenden Antrag — der Herr Kollege Narjes hat das noch einmal wiederholt — eine Neufassung der deutschen Energiepolitik bis zum Oktober 1979, also im Eiltempo, verlangt. Sie legt dabei einen Themenkatalog vor, der bereits durch die Zweite Fortschreibung des Energieprogramms weitgehend und darüber hinaus durch die Beschlüsse der Bundesregierung vom 16. Mai als Schlußfolgerung aus der politischen Lage im Frühjahr 1979 mehr als abgedeckt ist.
    Der Kollege Narjes sprach davon, die Bundesregierung verharre in Behäbigkeit. Er sprach vom „Postkutschentempo" und von der „hilflosen Ohnmacht". Ich muß aber nun die Kollegen von der Opposition fragen: Wo sind eigentlich neue und konstruktive Vorschläge oder Einsichten der CDU/CSU-Fraktion?

    (Beifall des Abg. Wehner [SPD])

    Auch der bayerische Ministerpräsident hat heute morgen zum eigentlichen Thema nichts gesagt, jedenfalls nichts, was neu gewesen wäre.

    (Zurufe von der SPD: Wo ist er denn? — Weiterer Zuruf von der SPD: Herr Biedenkopf und Herr Kohl sind auch nicht da! — Weitere Zurufe von der SPD — Gegenruf des Abg. Pfeffermann [CDU/CSU] : Fragen Sie mal, wo Ihre Regierung die ganze Zeit war!)

    Hätte die Opposition z. B. im Jahre 1960, also etwa 20 Jahre zurück, bereits die energiepolitische Situation des Jahres 1980 voraussehen können? Heute verlangt diese Opposition von der Bundesregierung, auf Zeithorizonte bis zum Jahre 2020, ja sogar 2030, abzustellen, so weit, wie die am längsten wirkenden strukturbestimmenden Investitionsentscheidungen der Energiewirtschaft reichen. Wenn dies nicht zu einem Prognosefetischismus führt, weiß ich nicht, wie das anders zu bezeichnen wäre.
    Warum haben Sie, wenn Sie heute Langfristigkeit fordern, nicht, als Sie in der Regierungsverantwortung waren, bereits mit Energiepolitik begonnen; denn erst 1973 ist ein erstes Energieprogramm aufgelegt worden.

    (Beifall bei der FDP und der SPD — Dr. Narjes [CDU/CSU] : Darf ich Sie auf die Berichte Armand/Etzel 1958/60 für die Zeit bis Dr.-Ing. Laermann 1980 hinweisen! — Weiterer Zuruf von der CDU/CSU: Hat er nicht gelesen!)




    — Ich gebe gern zu, Herr Kollege Narjes, daß ich zu diesem Zeitpunkt dem Parlament noch nicht angehörte.
    Aber ich weiß, daß ich, als ich hier 1973 eintrat, ein erstes offizielles Energieprogramm der Bundesregierung vorfand, das auf Grund der damaligen Entwicklungen in der sogenannten Ölkrise 1973/74 aktualisiert wurde und im Laufe der seither vergangenen Jahre durch die Bundesregierung auch schon wieder ergänzt und fortgeschrieben worden ist. Wir haben das gerade Ende letzten Jahres vom Tisch gebracht.
    Es ist aber auch richtig — und das ist sicherlich unbestreitbar —, daß Energiepolitik nicht für die Dauer von Legislaturperioden angesetzt werden kann, sondern daß sie tatsächlich längerfristig angesetzt werden muß.
    Ihre sogenannte Dokumentation „Energiepolitik ohne Mandat", die Sie vorgelegt haben, ist höchstens eine Dokumentation Ihrer Fähigkeit, Aussagen aus ihrem Kontext zu reißen, zu verfälschen und damit demagogisch zu argumentieren. In den Parteigremien von SPD und FDP kommt eben die Vielfalt der Meinungen in einem offenen Willensbildungsprozeß noch zum Ausdruck und zur Geltung. Aber wie wir heute morgen erlebt haben, scheinen Sie Ihre Anweisungen aus der bayerischen Zentrale zu empfangen.

    (Beifall bei der FDP und der SPD — Pfeffermann [CDU/CSU] : Herr Professor, das steht Ihnen doch gar nicht! Sie sind doch schon viel besser gewesen, als Sie sachlich gewesen sind! Sie sind doch im Ausschuß ein Mann, mit dem man diskutieren kann!)

    - Die Unsachlichkeit Ihrerseits ist Veranlassung, sich dagegen auch zur Wehr zu setzen und einmal zu verdeutlichen, was denn hier eigentlich vorgelegt wird und was bezweckt wird.

    (Beifall bei der FDP und der SPD — Pfeffermann [CDU/CSU] : Bringen Sie Ihr Sachwissen ein! Dann sind wir alle besser dran!)

    - Herr Kollege Pfeffermann, wollen Sie mich bitte ausreden lassen.

    (Wehner [SPD], zu Abg. Pfeffermann [CDU/ CSU] gewandt: Wollen Sie nicht mal aufhören? Erst schicken Sie die Ministerpräsidenten rein, und jetzt wollen Sie die Lippe riskieren, damit niemand mehr reden kann! Ist das Ihre Taktik? Unverschämt! Sie verfälschen den Sinn des Parlaments! — Beifall bei der SPD — Glos [CDU/CSU]: „Mehr Fröhlichkeit" hat der Herr Bundeskanzler gesagt!)



Rede von Dr. Richard von Weizsäcker
  • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (CDU)
  • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CDU)
Herr Abgeordneter, fahren Sie fort, bitte.

  • insert_commentNächste Rede als Kontext
    Rede von Prof. Dr.-Ing. Karl-Hans Laermann


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (FDP)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (FDP)

    Die Dokumentation zeigt aber auch die Unfähigkeit der Opposition, die Energiepolitik der Bundesregierung als ein geschlossenes, in sich schlüssiges Gesamtkonzept zu begreifen, das selbst die gegenwärtige Situation abdeckt.
    Ich stimme dem Herrn Bundeskanzler zu: Wir brauchen kein neues Energieprogramm. Was wir brauchen, sind mehr und raschere Umsetzungen des Programms.

    (Beifall bei der FDP)

    Die Entwicklungen am Ölmarkt hinsichtlich Preis und Verfügbarkeit machen es überdeutlich.
    Wegen der Begrenztheit der Ressourcen, aus politischen Gründen und wegen der Grenzen der Belastbarkeit der Biosphäre muß der Energieverbrauch eingeschränkt werden. In erster Linie kommt es dabei darauf an, weniger Öl einzusetzen, den Primärenergiebedarf herabzusetzen.
    Nun frage ich die Kollegen von der Opposition, die Zustände beklagt und Situationen beschrieben haben: Wo sind da die Konsequenzen geblieben? Herr Kollege Narjes, auch Sie haben keine konkreten alternativen Vorschläge gemacht. Sie haben davon gesprochen, daß der Mengenregulator die Zusatzproduktion sei und einige OPEC-Länder noch dazu bereit seien. Frage: Ist dies überhaupt noch möglich? Wir müssen doch feststellen, daß die Förderung an die Grenze der Kapazität gekommen ist, daß die Kosten für die Förderung steigen werden und daß in Zukunft nachdrücklich auf Sekundär- und Tertiärförderung, nicht nur in unserem Lande, sondern auch in diesen Ländern, abgehoben werden muß, mit all den Konsequenzen für die Kosten, die sich daraus ergeben. Ich meine, hier auch für die FDP sprechen zu dürfen, wenn ich sage daß wir vernünftigerweise in unserer Energiepolitik — schon in der zweiten Fortschreibung des Programms, auch in den Erläuterungen und in den neuen Beschlüssen der Bundesregierung — Priorität auf die rationelle Energieverwendung gelegt haben. Hier liegen nun einmal bedeutende Möglichkeiten und auch Notwendigkeiten zur rationellen Energieverwendung, in erster Linie also zur Öleinsparung.
    Voraussetzung ist ein vernünftiger Umgang mit Energie in allen Sektoren: in der Industrie, im privaten Bereich und im Verkehr. In erster Linie und zur kurzfristigen Wirkung sind wohl die Verbraucher angesprochen. Hier ist das vernünftige Handeln der Verbraucher geboten. Ich bin davon überzeugt, daß der Bürger bereit ist, dieses Gebot, diese Notwendigkeit zu erkennen, gegebenenfalls auch Einschränkungen hinzunehmen, wenn ihm die Gründe einsichtig sind, wenn sie ihm plausibel gemacht werden. Und das sollte die Aufgabe des Parlaments sein. Wir sollten nicht in parteipolitische Querelen, Auseinandersetzungen und Grundsatzdiskussionen verfallen, sondern wir sollten einmal von hier aus das Wort an den Bürger richten und ihn auf die Notwendigkeit hinweisen.

    (Beifall bei der FDP)

    Wenn wir den Wohlstand, ja mehr noch, wenn wir unsere Unabhängigkeit und Freiheit erhalten wollen, müssen wir, muß der Bürger in unserem Lande weniger verbrauchen, bewußter mit den begrenzten



    Dr.-Ing. Laermann
    Ressourcen, besonders den begrenzten Energieressourcen, umgehen.
    Die verfügbaren Rohstoffe und Energiequellen nehmen ab — dies ist klar —, ihre Erschließung wird immer teurer und schwieriger, die Zahl derjenigen Nationen und Menschen, die daran teilhaben, wächst auch bei langsamer wirtschaftlicher Entwicklung der Länder der Dritten Welt rapide. Mit zunehmender Verknappung und steigenden Preisen geraten die Zahlungsbilanzen der Schwellenländer völlig durcheinander, die heute schon fast die Hälfte ihrer Exporterlöse für Energieimporte aufwenden müssen. Jede Tonne Öl, die wir hier in den Industrieländern einsparen, ist somit ein gewichtiger Beitrag zur Erhaltung unserer Unabhängigheit einerseits und ein ebenso wichtiger Beitrag zur Entwicklungshilfe andererseits.

    (Beifall bei der SPD)

    Kurzfristig können Öl und Ölderivate durch entsprechendes Verbraucherverhalten eingespart bzw. substituiert werden, über das Maß dessen hinaus, was bisher schon durch Förderungsmaßnahmen des Staates zur Reduzierung des Ölbedarfs geführt hat. Hier haben wir doch eine beachtliche Bilanz aufzuweisen, Herr Kollege Narjes. Es ist doch nicht so, daß fünf Jahre verbummelt worden seien. Hier ist doch etwas geschehen. Die Zahlen belegen es, und Sie kennen diese Zahlen genau, so daß ich sie nicht wieder darzulegen brauche.
    Auch im Bereich des Individualverkehrs sollte es ohne staatliche Gebote, wie z. B. ein Tempolimit, zu vernünftigem, den Kraftstoffverbrauch beachtlich herunterdrückendem Fahrverhalten kommen. Ich bin überzeugt, daß die Appelle und Vorschläge — wie z. B. die des ADAC — nachdrücklich aufgenommen werden.
    Auch im industriellen Bereich sind rasche kurzfristige Einsparungen noch möglich, gewiß nicht im nichtenergetischen Bereich, also dort, wo beispielsweise die chemische Industrie Öl und Gas als Rohstoff benutzt und verwenden muß, aber z. B. dort, wo ohne Schwierigkeiten Öl — beispielsweise durch Braunkohlestaub, wie z. B. in der Zementindustrie oder in anderen Bereichen — ersetzt werden kann.
    Der Anteil des Öles an der Stromerzeugung beträgt bei uns nur noch 9 %. Dabei handelt es sich vorwiegend um schweres Heizöl. Die Kraftwirtschaft hat zugesagt, daß sie hier noch weiter reduzieren will. Aber im Gegensatz zu anderen Ländern — etw a Frankreich mit 23 % Anteil des Öles an der Stromerzeugung oder gar Japan mit mehr als 60 % —haben wir hier kein großes Einsparungspotential mehr zu verzeichnen.
    Wesentlich ist aber, mittelfristig Öl und die Derivate stärker zu substituieren. Seit Jahren — mit verstärkter Tendenz in den letzten Jahren — hat die Bundesregierung mit Unterstützung des Parlamentes die Forschungsförderungsmittel im nichtnuklearen Bereich für Sonnenenergie und für Kohletechnologien erhöht, sind Förderprogramme zur Einsparung von Energie im Produktionsbereich angelaufen und in starkem Maße genutzt worden.
    Und da behauptet der Ministerpräsident Albrecht in seinen Ausführungen vorhin, die Bundesregierung sei mit der Umsetzung der Mittel in der Forschungs- und Entwicklungsförderung im Verzug. Ich frage mich allerdings, warum denn die Opposition, wenn sie eine solche Position vertritt, in den letzten Jahren beispielsweise in den Haushaltsberatungen nicht viel stärker gedrückt und versucht hat, hier Umsetzungen hervorzubringen und durchzuführen. Sie hat ihre Kritik im wesentlichen auf den Offentlichkeitsfonds des Ministers

    (Lenzer [CDU/CSU]: Die Regierung hat ja gar kein vernünftiges Programm vorlegen können!)

    und andere marginale Größenordnungen in diesem Haushalt beschränkt.
    Ich erwarte — das habe ich schon zum wiederholten Mal gesagt —, daß auf Grund solcher Behauptungen, die hier seitens der Opposition vorgebracht werden, nun entsprechendes Handeln und entsprechende Konsequenzen in der gemeinsamen politischen Arbeit folgen. Sonst wird sie leicht unglaubwürdig. Das muß man einmal ganz deutlich sagen.

    (Lenzer [CDU/CSU] : Ihr habt gar nicht gewußt, wofür ihr das Geld ausgeben sollt! — Pfeffermann [CDU/CSU] : Wie soll man da denn neue Gelder beantragen!)

    — Herr Pfeffermann, Sie sollten sich erst mal informieren. Es ging um Umsetzungen.

    (Beifall bei der FDP)

    Es geht bei der Energieeinsparung, bei der Substitution des 'Öls darum, im privaten und öffentlichen Bereich vorwiegend den Wärmebedarf zu reduzieren, Wärme durch entsprechende Rückführung in der Haustechnologie zurückzugewinnen, alternative Energiequellen wie Sonnenenergie, Wind-, Gezeiten- oder Meeresenergie und Biomasse zu nutzen, Wärmepumpen, mono- oder bivalent, auch gas- oder dieselbetrieben, Blockheizkraftwerke in der Einzelhausanlage einzusetzen. Fernheizung und Fernwärme, vor allem in der Kraft-Wärme-Kopplung, weiter auszubauen, ist ein wichtiges Ziel. Über das Zukunftsinvestitionsprogramm hinaus sollte diese Entwicklung weiter gefördert werden. Damit kann, eventuell wiederum in Verbindung mit Wärmepumpen im Rücklauf, selbst unter Hinnahme eines geringen Abfalls in der elektrischen Leistung die thermische Leistung von Kraftwerken in der Nähe von Fernwärmeversorgungsgebieten besser genutzt, die Umweltbelastung aus den Kraftwerken beachtlich reduziert und die Umweltbelastung aus den meist schlecht gesteuerten Einzelheizungen und Feuerungen im Versorgungsgebiet nahezu völlig abgebaut werden. Dies schafft Freiräume für weitere Kraftwerksbauten oder andere emittierende Industrieanlagen.
    Zweitens sollen die von der Bundesregierung geförderten Entwicklungen im Verkehrsbereich forciert in den Markt eingeführt werden: Motoren, die für eine Methanol-Beimischung bis zu 15 % ausgelegt sind, Pkw und Nutzfahrzeuge mit erheblich geringerem Kraftstoffverbrauch als bisher, Einsatz von Elektrofahrzeugen im Stadtverkehr und, wenn's sein muß, Herr Kollege Narjes, selbstverständlich



    Dr.-Ing. Laermann
    auch der Turbo-Diesel. Das ist doch im Grund genommen nur eine Kostenfrage. Der Käufer, der Verbraucher ist auch hier aufgerufen, sich den sparsamen Umgang mit Energie etwas kosten zu lassen.
    Die technisch und versorgungstechnisch relativ kurzfristige Umrüstung von Bussen im öffentlichen Personennahverkehr auf Flüssiggas würde erheblich Öl einsparen. Elektrobusse, Hybridbusse sind bereits in der Erprobung. Dies alles bedeutet Substitution von Öl im öffentlichen Personennahverkehr. Verbesserungen des Angebots im öffentlichen Personennahverkehr und die Fortentwicklung von Verkehrsverbünden zur Entlastung des Individualverkehrs sind darüber hinaus eine weitere Möglichkeit zur Reduzierung des Benzin- und Kraftstoffbedarfs im Verkehr.
    Schließlich: Wir sollten schnellstmöglich die Umstellung der Kraftfahrzeugbesteuerung vom bisherigen System auf die Mineralölsteuer vornehmen.

    (Beifall bei der FDP)

    Neben der Preisentwicklung wird diese Umstellung der Kraftfahrzeugsteuer ein verbrauchsbewußtes Fahrverhalten hervorbringen.
    Das sind Überlegungen und Forderungen, die auch die FDP seit Jahren immer wieder ausgesprochen hat und die in völliger Übereinstimmung mit den energiepolitischen Zielen der Bundesregierung stehen. Da gelingt es keiner Opposition, uns in diesem Bereich auseinanderzudividieren.
    Wir wollen das alles nicht durch Gebote und Verbote, gesetzlichen Zwang oder administrative Maßnahmen durchsetzen, sondern wir sind der Meinung, daß die Bürger, die Verbraucher, aufgeklärt und motiviert werden sollen, selbstverständlich gestützt durch Anreize und Empfehlungen.
    Zweifellos wird dies auch zu haushaltspolitischen Auswirkungen führen, und zwar in dem Maß, in dem das Tempo der Entwicklung forciert werden soll. Unter Umständen kann man auf die eine oder andere gesetzliche Regelung nicht verzichten. Der Staat, die öffentliche Hand, das heißt Bund, Länder und Gemeinden, haben die Rahmenbedingungen in einer gesamtwirtschaftliche Verantwortung zu schaffen. Das kann und das muß aber auch heißen: Der rationellen Energienutzung und der Nutzung alternativer Energiequellen entgegenstehende und behindernde Gesetze und Rechtsvorschriften, wie z. B. die Landesbauordnungen oder die Bundestarifordnung Elektrizität, müssen geändert werden.
    Ganz wichtig aber ist — dies möchte ich mit Nachdruck betonen —, daß die öffentliche Hand beispielhaft im Energiesparen, im vernünftigen Umgang mit der wertvollen Energie, bei der Nutzung neuer und alternativer Technologien vorangeht.

    (Beifall bei der FDP)

    Warum werden z. B. nicht Verwaltungs- und öffentliche Gebäude, wie Schulen, Schwimmbäder und Sporthallen, unter Beachtung der Notwendigkeit zur Energieeinsparung geplant und gebaut?

    (Beifall bei der FDP)

    Warum setzt z. B. die Post nicht über das Berlin-Programm hinaus Elektrotransporter im Zustelldienst ein?
    Mir scheint — und hier stütze ich mich wiederum auf eine Forderung des Bremer Parteitags der FDP — es eine wichtige Aufgabe zu sein, von Berufsschulen, Fachhochschulen und Hochschulen in den entsprechenden Berufen und in den Studiengängen für Architekten und Ingenieure viel stärker, als es schon bisher erfreulicherweise geschieht, die Notwendigkeiten, Möglichkeiten und planerischen Konsequenzen zur rationellen Energieverwendung und zur Nutzung alternativer Energiequellen zu vermitteln.
    Außerdem sollten — ich wiederhole, was der Herr Bundeswirtschaftsminister heute morgen schon erwähnte und was ich in früheren Energiedebatten forderte — Fernsehspots „Energie" ähnlich wie „Der 7. Sinn" eingeführt werden. Die öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten sollten dabei auch die Kostenfrage im Sinne ihrer staatspolitischen Verpflichtung und Verantwortung lösen.
    Schließlich ist aber auch jeder von uns, meine sehr verehrten Kolleginnen und Kollegen, gehalten, im Rahmen seiner Möglichkeiten in seinem Wahlkreis und auch in den politischen Parteien aufklärerisch zu wirken. Auch dort besteht die Möglichkeit zu weitgehender und vielfältiger aufklärender Tätigkeit.
    Um es noch einmal ganz deutlich zu wiederholen: Wir Freien Demokraten setzen mehr auf die Einsicht und die Vernunft der Bürger als auf Gebote und Verbote. Im übrigen wird aber der Preis, der sich aus marktwirtschaftlichen Entwicklungen ergibt, solche Einsichten nur nachdrücklichst fördern und fördern können.

    (Beifall bei der FDP)

    Mit allen diesen wichtigen und unverzichtbaren Bemühungen und Maßnahmen werden wir eine beträchtliche Reduzierung des Nutzenergiebedarfs erreichen können. Wir müssen uns jedoch auch darüber im klaren sein, daß sich erstens die Wirkungen wesentlich erst in einem bis zwei Jahrzehnten einstellen werden; denn die erforderlichen Umstellungen im privaten, im öffentlichen Bereich wie auch im Verkehrsbereich werden sich ähnlich einer Wachstumsfunktion zunächst nur langsam vollziehen und zweitens insgesamt ein enormes Investitionsvolumen ausmachen, das ohne staatliche Hilfen wohl kaum aufgebracht werden kann.
    Mit dirigistischen oder Bewirtschaftungsmaßnahmen wird nichts erreicht. Mangelverwaltung vergrößert den Mangel oder bringt ihn erst hervor. Deshalb ist es notwendig, Öl so schnell wie möglich nicht nur einzusparen, sondern zu substituieren. Dazu bietet sich derzeitig in erster Linie die Kohle, die Steinkohle sowie die Braunkohle, an. Der heimische Kohlebergbau ist leistungsfähig genug, verfügt über weitreichende Lagerstätten und moderne Förderkapazitäten und ist damit eine wesentliche Stütze der nationalen Energiewirtschaft. Die Position der deutschen Steinkohle ist durch das Dritte Verstromungsgesetz, durch die vertraglichen Vereinbarungen zwi-



    Dr.-Ing. Laermann
    schen Elektrizitätswirtschaft und der Steinkohle gesichert; sie wird und muß gesichert bleiben. Dennoch muß gefragt werden, ob durch inländische Kohle allein, die auch im Vergleich zu den gestiegenen Ölpreisen immer noch teuer ist, allein der Substitutionsbedarf an Öl langfristig gedeckt werden kann, und zwar zu wettbewerbsfähigen Preisen. Im Hinblick auf die mit Sicherheit steigende Weltnachfrage an Kohle wird es deshalb schon heute notwendig sein, Importkohle zu kontraktieren.
    Neue Kraftwerkstechnologien, die einen höheren Wirkungsgrad und geringere Umweltbelastungen beispielsweise an SO2 und NOx erwarten lassen, und Entwicklungen wie z. B. die Wirbelbettfeuerung, die in absehbarer Zeit auch Standorte in der Nähe von Ballungsgebieten zulassen werden und damit die Wärme-Kraft-Koppelung, also den Ausbau der Fernwärme, begünstigen können, können hier zur nachdrücklichen Substitution von 01 eingesetzt werden. Zusammen mit den Vereinbarungen zwischen dem Verband Industrieller Kraftwerksbetreiber und der Elektrizitätswirtschaft über die Einspeisung von Industriestrom in das öffentliche Netz — sozusagen ein Nebenprodukt der Prozeßwärme — kann damit ein erheblicher Teil des Strombedarfs zur Substitution von 01 — insbesondere auf dem Stromsektor, aber auch am Wärmemarkt — gedeckt werden.
    Die Technologie der Kohleveredelung, also der Vergasung, der Verflüssigung oder der Methanolherstellung, ist bekannt. Sie wurde und wird von der Bundesregierung und den Bergbauländern stark gefördert. In Versuchsanlagen werden derzeit verschiedene Verfahren erprobt, und eine Reihe von Pilotanlagen ist im Bau. Diese Entwicklung, zunächst also die autotherme Veredelung, d. h. die Veredelung von Kohle mit Kohle etwa im Einsatzverhältnis von 5 : 1, ist mit Nachdruck voranzutreiben. Ich begrüße ausdrücklich die Ankündigung in der Regierungserklärung, daßgroßtechnische Demonstrationsanlagen nun beschleunigt gebaut werden sollen.
    Beim Einsatz der Kohle zur Stromerzeugung wie bei der autothermen Vergasung dürfen nun einige Probleme nicht übersehen werden. Erstens. Die Kohle ist teuer, und damit ist das Produkt, z. B. der Vergaserkraftstoff, vorläufig noch nicht wettbewerbsfähig. Zweitens. Bei diesen Prozessen entstehen auch — allein schon durch die zunehmende CO2-Belastung der Atmosphäre — bedenkliche Umweltprobleme. Drittens. Die Kohle ist auf Dauer zu wertvoll, um mit einem so schlechten Wirkungsgrad bei nur teilweiser Ausnutzung des tatsächlichen Energiepotentials verbrannt zu werden und beträchtliche Umweltbelastungen zu verursachen. Wir sollten Kohle mehr als Rohstoff begreifen.
    Unsere Chance kann daher, so meine ich, für die Zukunft einzig und allein in einem Verbund Kohle/ Kernenergie liegen. Auf der Grundlage der Hochtemperaturreaktortechnologie wird Prozeßwärme zur Kohlevergasung und zur Kohleverflüssigung erzeugt werden können, aber auch kostengünstige Prozeßwärme für andere Industrie- bzw. Produktionsbereiche, vor allem etwa für die chemische Industrie, aber auch für die Stahlindustrie. Die weitere
    Erforschung und Entwicklung fortgeschrittener Reaktorlinien, hier insbesondere der Linie des Hochtemperaturreaktors, der offenbar eine größere inhärente Sicherheit besitzt als andere derzeit bekannte Entwicklungen, dessen Brennstoffkreislauf allerdings — dies ist sein Nachteil — noch nicht geschlossen entwickelt ist, ist mithin unverzichtbar.
    Sicher ist die kommerzielle Nutzung dieser Verbundtechnologie erst in 15 bis 20 Jahren möglich. Dies setzt aber eine kontinuierliche Entwicklung der Kernspaltungstechnologie, ausgehend von den derzeit genutzten Leichtwasserreaktoren, voraus.
    Die FDP hat sich wiederholt, zuletzt in Bremen — das wurde heute schon vielfach angesprochen —, zu einem skeptischen Ja, zu einem Ja mit Bedingungen zur Kernenergie bekannt. Sie wird keine undifferenzierten Forderungen nach einem ungehemmten Ausbau der Kernenergie mittragen, und sie macht den weiteren Ausbau von der Regelung und der zuverlässigen und sicheren Lösung der Entsorgungsfrage abhängig. Ich darf hier noch einmal den Standpunkt bekräftigen, daß der Schutz von Leben und Gesundheit des Bürgers Vorrang vor wirtschaftlichen Erwägungen hat.
    Mit einem Anteil von 11 % liegt die Kernenergie derzeit bei der Stromerzeugung in der Bundesrepublik schon vor dem 01 mit dem bereits erwähnten Anteil von 9 %. Das führt konsequent dazu, die wie auch immer gearteten Risiken der verschiedenen Energietechniken, d. h. ihre Auswirkungen — oder denkbaren Auswirkungen — auf die Natur, auf den Menschen, auf seine natürliche, geistige, wirtschaftliche und soziale Umwelt, gegenüberzustellen, die Risiken zu vergleichen und zu bewerten und daraus dann die Schlüsse für notwendiges politisches Handeln zu ziehen.
    Die Technologien zur friedlichen Nutzung der Kernenergie müssen zu mehr Sicherheit, zu weiteren Risikoreduzierungen fortentwickelt werden. Derzeitig ist nicht erkennbar, ob auf diese neue Energiequelle wegen ihrer zweifellos vorhandenen Risiken und Probleme, wegen der zum Teil erheblichen Ängste und Nöte der Menschen vor dieser neuen elementaren Energiequelle verzichtet werden kann, die durch die schreckliche Atombombe eingeführt und von daher mit einem negativen Erbe belastet ist. Denn selbst wenn es den Industriestaaten gelänge, auf jeglichen Energiezuwachs zu verzichten, würde nach den Untersuchungen der OECD dennoch mit einem etwa 2 bis 3 % jährlich steigenden Weltenergiebedarf zu rechnen sein. In 20 Jahren ist daher etwa eine Verdoppelung zu erwarten, und wir müssen uns fragen: Wie könnte dieser Weltenergiebedarf gedeckt werden, wenn wir uns der Begrenztheit der Ressourcen an fossilen und mineralischen Energieträgern bewußt sind?
    Es kann sich wohl jeder leicht ausrechnen, daß der Weltfriede damit höchst gefährdet wäre. Der Selbsterhaltungstrieb der Völker würde uns zweifellos in schwierige Verteilungskämpfe stürzen. Es ist geradezu eine Verpflichtung der Industrienationen, auf ihrem hohen technischen, wirtschaftlichen Ni-



    Dr.-Ing. Laermann
    veau die zukünftige Energieversorgung der Welt zu sichern, und dazu ist die Kernenergie zu neuen, verbesserten Techniken mit mehr Sicherheit fortzuentwickeln. Nur die Industriestaaten können die dafür erforderlichen hohen Forschungs- und Entwicklungsaufwendungen aufbringen. Wer aber auf Kernenergie verzichten will, muß andere Versorgungsstrategien entwickeln, die sich aber derzeitig noch nicht als realistisch oder realisierbar abzeichnen. Da gibt es die Überlegungen von Herrn Eppler, die durchaus in weiten Teilen vernünftig sind, wie ich meine. Sie decken sich im Prinzip auch mit energiepolitischen Vorstellungen der Regierung. Aber seine Rechnung ohne Kernenergie geht ähnlich wie beim Programm der schwedischen Zentrumspartei nur für den nationalen Bereich unter Voraussetzungen auf, von denen heute niemand sagen kann, ob sie in 20, 30 oder 40 Jahren noch Gültigkeit haben werden. Wir leben aber in einem europäischen, ja einem weltweiten Bezugssystem und können deshalb durch nationale Alleingänge selbst bei einem Verzicht auf Kernenergie nichts bewirken.
    Die FDP wird sich, wie dies im übrigen auch eine der Aufgaben der von diesem Hohen Hause eingesetzten Enquete-Kommission zu künftiger Kernenergiepolitik ist, mit den Möglichkeiten und Konsequenzen eines Verzichts auf Kernenergie befassen, was selbstverständlich unter internationalen Aspekten geschehen wird. Dies ist ein Auftrag des Parteitags an uns. Wir nehmen die Sorgen, die Ängste der Menschen in bezug auf die Risiken des technischen Fortschritts sehr ernst. Das sind die Bedenken und die Sorgen, die sich derzeitig vorrangig in Bedenken und Widerstand gegen die Nutzung der Kernenergie artikulieren. Aber ich sage Ihnen: Das sind keine Roten, das sind nicht Systemveränderer, sondern das sind Menschen, die verständliche Antworten auf ihre Fragen haben wollen, auf die sie bisher, jedenfalls von uns, nicht immer die gebotene Antwort bekommen haben. Sie haben uns auch schon manche peinliche Frage gestellt, und wir haben dann versprochen, diese Fragen projektbegleitend zu lösen. Ich glaube, auf diese Weise können wir nicht fortfahren, sondern wir müssen den Dialog mit diesen Menschen suchen, und wir müssen ihnen den Gesamtzusammenhang in der Energiewirtschaft und den Bezug zur Kernenergie und ihren Risiken schon deutlich darstellen. Dies ist eine unserer politischen Aufgaben.
    Heute ist auch die Frage der Entsorgung angesprochen worden. Wo stehen wir heute mit der Entsorgung? Niemand wird bestreiten können, daß der Bau weiterer Kernkraftwerke nur genehmigt werden kann, wenn die Entsorgung — nach dem Konzept der Bundesregierung eine integrierte Entsorgung, d. h. die Zwischenlagerung, die Wiederaufarbeitung abgebrannter Brennelemente, die Konditionierung und Verglasung radioaktiven Abfalls und die endgültige Verbringung dieses Abfalls in geologisch stabile Formationen wie den Salzstökken in Niedersachsen — in den erforderlichen Zeithorizonten gesichert ist. Dieses Konzept kann sicherlich in einzelnen Phasen realisiert werden. Hier stellt sich die Frage, warum Herr Albrecht hier heute eine Novellierung des Atomgesetzes fordert.
    Er fährt fort, dazu sei die Regierung wegen innerer Zerstrittenheit der Regierungsparteien nicht in der Lage.

    (Lenzer [CDU/CSU] : Genau so ist das! — Dr. Narjes [CDU/CSU] : Da hat er recht!)

    Es fragt sich, was Herr Albrecht mit einer Novellierung des Atomgesetzes will.

    (Dr. Narjes [CDU/CSU] : Rechtssicherheit! — Weitere Zurufe von der CDU/CSU)

    — Nun, dann steht es ihm ja frei, die nötigen Entscheidungen in der Verantwortung der niedersächsischen Landesregierung zu treffen und jetzt nicht ein Alibi mit dem Hinweis zu suchen,

    (Dr. Kohl [CDU/CSU] : Das ist doch kein Alibi, das wissen Sie doch!)

    die Regierungsparteien seien auf Grund ihrer Zerstrittenheit nicht in der Lage, eine entsprechende Änderung des Atomgesetzes durchzuführen.

    (Beifall bei der FDP und der SPD — Dr. Kohl [CDU/CSU] : Ein Alibi brauchen doch Sie!)

    — Ich glaube, es wird einmal notwendig sein, daß wir die einzelnen Alibis, die hier immer so vorgetragen werden — auch im Verlauf der heutigen Debatte —, genau und sorgfältig analysieren. Wir sollten uns dieser Mühe einmal unterziehen, und zwar, wie ich meine, gemeinsam.

    (Pfeffermann [CDU/CSU] : Da müssen wir uns die Laermann-Rede unter dem Gesichtspunkt besonders ansehen, da haben Sie völlig recht!)

    — Ich bedanke mich für Ihr Interesse, Herr Kollege Pfeffermann.
    Zwischenlager sollen in all den Bundesländern eingerichtet werden, in denen Kernkraftwerke betrieben werden. Dies ist zwar sicherlich eine notwendige Entscheidung, aber es ist hinzuzufügen: Diese Zwischenlager dürfen und können auf keinen Fall zu Endlagern werden. Diese Zwischenlager entheben uns nicht der Notwendigkeit, die Entsorgung — unter Einbeziehung der Wiederaufarbeitung oder ohne Wiederaufarbeitung, dies bleibt noch zu prüfen — auch endgültig zu regeln. Mit Sicherheit aber geht es darum, radioaktiven Abfall einer sicheren Endlagerung zuzuführen. Die Eignung der Salzstöcke für eine Endlagerung ist zügig zu untersuchen. Forschung und Entwicklung sowie die Planung einer Wiederaufarbeitungsanlage auf der Grundlage fast 20jähriger Erfahrungen mit der Karlsruher Anlage
    — eventuell in einem kleineren Übersetzungsverhältnis, also mit einem anderen scale-up-Faktor — zur Optimierung der Konzeption, sind im Interesse von Sicherheit und Umweltschutz unverzichtbar. Dabei sind auch alternative Entsorgungskonzeptionen, z. B. eine Endlagerung abgebrannter Brennelemente ohne Wiederaufarbeitung, intensiv zu untersuchen.

    (Beifall bei der FDP)

    Die erforderlichen Zeithorizonte dafür stehen uns zur Verfügung.
    Gleichzeitig aber dürfen wir die außenpolitischen Dimensionen der Entsorgung, insbesondere die der



    Dr.-Ing. Laermann
    Wiederaufarbeitung, nicht übersehen. In der bisherigen Konzeption wird das deutsche Konzept weltweit von Experten als die bisher beste und konsequenteste Lösung beurteilt und nicht von dem US Non-Proliferation Act erfaßt. Riskieren wir nicht, daß es durch unsere eigenen Entscheidungen schließlich doch in diese US Non-Proliferation Act einbezogen wird! Dies könnte zu erheblichen Nachteilen für unsere wirtschaftliche — insbesondere energiewirtschaftliche — Entwicklung führen.
    Lassen Sie mich abschließend — die Zeit ist abgelaufen — sagen: Wir sehen die Verpflichtung, die Energieversorgung zu sichern, langfristig zu sichern. Wir sehen unsere weitere Verpflichtung darin, die Energieversorgung so zu sichern, daß es weder zu Auseinandersetzungen zwischen den Industriestaaten um die begrenzten Rohstoffvorräte noch darüber hinaus zu Auseinandersetzungen zwischen den Rohstoffländern einerseits und den Industriestaaten andererseits kommt. Dabei dürfen wir unsere weltweite Verantwortung, insbesondere auch unsere Verantwortung gegenüber den Entwicklungsländern, nicht aus dem Auge verlieren. In diesem Sinne hat die Bundesregierung bisher Energiepolitik betrieben. Wir sind sicher, daß sie diese Energiepolitik mit der Unterstützung der Koalitionsfraktionen auch erfolgreich fortsetzen wird.

    (Beifall bei der FDP und der SPD — Dr. Hubrig [CDU/CSU] : Hoffentlich nicht!)