Rede:
ID0816704100

insert_comment

Metadaten
  • sort_by_alphaVokabular
    Vokabeln: 8
    1. Das: 1
    2. Wort: 1
    3. hat: 1
    4. der: 1
    5. Herr: 1
    6. Abgeordnete: 1
    7. Dr.: 1
    8. Laermann.: 1
  • tocInhaltsverzeichnis
    Plenarprotokoll 8/167 Deutscher Bundestag Stenographischer Bericht 167. Sitzung Bonn, Mittwoch, den 4. Juli 1979 Inhalt: Regelung für die Einreichung von Fragen für die Woche vom 10. September 1979 13317 A Abgabe einer Erklärung der Bundesregierung zur Energiepolitik nach dem Europäischen Rat und dem Weltwirtschaftsgipfel in Verbindung mit Beratung des Antrags der Abgeordneten Dr. Dollinger, Dr. Narjes, Pfeifer, Dr. Riesenhuber, Lenzer, Dr. Waigel, Dr. Laufs, Gerstein, Kolb, Dr. Czaja, Dr. Probst, Engelsberger, Dr. Hubrig, Pfeffermann, Dr. Freiherr Spies von Büllesheim, Dr. Stavenhagen, Frau Dr. Walz, von Hassel, Benz, Dr. Jenninger und der Fraktion der CDU/CSU Sicherung der Energieversorgung und Zukunftsorientierung der deutschen Energiepolitik — Drucksache 8/2961 (neu) — in Verbindung mit Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Ausführungsgesetzes zu dem Übereinkommen vom 5. April 1973 zwischen dem Königreich Belgien, dem Königreich Dänemark, der Bundesrepublik Deutschland, Irland, der Italienischen Republik, dem Großherzogtum Luxemburg, dem Königreich der Niederlande, der Europäischen Atomgemeinschaft und der Internationalen Atomenergie-Organisation in Ausführung von Artikel III Abs. 1 und 4 des Vertrages vom 1. Juli 1968 über die Nichtverbreitung von Kernwaffen (Verifikationsabkommen) (Ausführungsgesetz zum Verifikationsabkommen) — Drucksache 8/2779 — Schmidt, Bundeskanzler 13317 D, 13384 B, 13391 C Porzner SPD (Zur Geschäftsordnung gemäß § 34 GO) 13328 C Strauß, Ministerpräsident des Freistaates Bayern 13329 D Dr. Graf Lambsdorff, Bundesminister BMWi 13339 B Dr. Albrecht, Ministerpräsident des Landes Niedersachsen 13348 A, 13390 D Genscher, Bundesminister AA 13352 B Dr. Narjes CDU/CSU 13354 C Schmidt (Wattenscheid) SPD 13359 D Dr.-Ing. Laermann FDP 13364 C Dr. Hauff, Bundesminister BMFT 13370 B Dr. Biedenkopf CDU/CSU 13373 D Ueberhorst SPD 13378 B Zywietz FDP 13381 C Dr. Kohl CDU/CSU 13387 D Dr. Gruhl fraktionslos 13393 D Nächste Sitzung 13397 C Anlage Liste der entschuldigten Abgeordneten 13399* A Deutscher Bundestag — 8. Wahlperiode — 167. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 4. Juli 1979 13317 167. Sitzung Bonn, den 4. Juli 1979 Beginn: 9.00 Uhr
  • folderAnlagen
    Berichtigung 165. Sitzung, Seite 13231*: In die Liste der entschuldigten Abgeordneten ist der Name „Müller (Remscheid)" einzufügen. Anlage zum Stenographischen Bericht Anlage Liste der entschuldigten Abgeordneten Abgeordnete(r) entschuldigt bis einschließlich Dr. Althammer 4. 7. Dr. Arnold 4. 7. Bayha 4. 3. Dr. Becher (Pullach) 4. 7. Frau Benedix 4. 7. Blumenfeld 4. 7. Dr. Böhme (Freiburg) 4. 7. Brandt 4. 7. Büchner (Speyer)* 4. 7. Conradi 4. 7. Fellermaier* 4. 7. Frau Dr. Focke 4. 7. Haberl 4. 7. Hauser (Krefeld) 4. 7. Dr. Haussmann 4. 7. Graf Huyn 4. 3. Dr. Jahn (Braunschweig) 4. 7. Dr. h. c. Kiesinger 4. 7. Koblitz 4. 7. * für die Teilnahme an Sitzungen der Parlamentarischen Versammlung des Europarates ** für die Teilnahme an Sitzungen der Westeuropäischen Union Abgeordnete(r) entschuldigt bis einschließlich Köster 4. 7. Lintner 4. 7. Dr. Dr. h. c. Maihofer 4. 7. Dr. Meinecke (Hamburg) 4. 7. Dr. Müller** 4. 7. Müller (Remscheid) 4. 7. Neumann (Bramsche) 4. 7. Oostergetelo 4. 7. Picard 4. 7. Pieroth 4. 7. Rappe (Hildesheim) 4. 7. Rosenthal 4. 7. Prinz zu Sayn-Wittgenstein-Hohenstein 4. 7. Scheffler** 4. 7. Frau Schlei 4. 7. Dr. Schmitt-Vockenhausen 4. 7. Frau Schuchardt 4. 7. Dr. Schwencke (Nienburg)** 4. 7. Spilker 4. 7. Dr. Starke (Franken) 4. 7. Volmer 4. 7. Dr. Waffenschmidt 4. 7. Walkhoff 4. 7. Frau Dr. Walz 4. 7. Würzbach 4. 7. Dr. Wulff 4. 7.
  • insert_commentVorherige Rede als Kontext
    Rede von Adolf Schmidt


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (SPD)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)

    Von meiner Redezeit sind nun vier Minuten um, und ich habe nur wenig mehr als 30. Herr Narjes, Sie waren Wirtschaftsminister und sollten und wollten wohl bei einem Wahlsieg Ihrer politischen Freunde 1972 auch Bundeswirtschaftsminister werden. Ich sage dies, weil ich bei mancher Bemerkung von Ihnen jetzt von dieser Stelle auf der einen Seite sehr, sehr nachdenklich geworden und auf der anderen Seite glücklich darüber bin, daß Sie und Ihre Freunde die Wahl nicht gewonnen haben.

    (Beifall bei der SPD und der FDP)

    Sie reden tatsächlich davon, daß fünf Jahre verbummelt worden seien. Wo nehmen Sie um Gottes willen diese Überzeugung her? Sie haben all das in den Ausschüssen mitgestaltet, was wir gestaltet haben, und Sie haben all das, was gestaltet worden ist, in diesem Parlament mitgetragen.
    Lassen Sie mich nun ein paar Gedanken von sozialdemokratischer Position aus und aus der Sicht eines Sozialdemokraten in unserem Lande entwikkeln. Ich muß dabei ein paar Gedanken auf die Geschichte, auf diese fünf Jahre, die hinter uns liegen, verwenden. Diese heutige Energiedebatte wird, so denke ich, genauso erwartungsvoll und genauso aufmerksam wie die am 17. Januar 1974 verfolgt, weil uns bei beiden Debatten in diesem Lande, wenn man dies in diesem Bild sagen darf, das Wasser bis Oberkante Unterlippe stand. Verehrter Herr Narjes, daß wir damals besser als alle anderen, auch besser als alle vergleichbaren und sogar besser als manche, die bessere Voraussetzungen als wir hatten und haben, durchgekommen sind, liegt an vielen Umständen. Zwei davon sind für mich so bedeutsam, daß ich daran erinnern möchte:
    Die sozialliberale Regierung war im Besitze eines Instrumentariums, das es bis dahin in der deutschen energiepolitischen Geschichte noch nicht gegeben hat,

    (Beifall bei der SPD)




    Schmidt (Wattenscheid)

    und in der Zeit vorher haben Sie regiert. Sie war im Besitze ihres Energieprogramms, das zu schaffen sie lange vor der Krise begonnen hatte, so daß es — Gott sei Dank — rechtzeitig zur Verfügung stand. Auf dieser Grundlage konnten Regierung und Parlament die notwendigen Entscheidungen treffen, die dann — Gott sei Dank — auf das Verständnis und die Zustimmung bei der Bevölkerung gestoßen sind.
    Das, meine Damen und Herren, meine Kolleginnen und Kollegen, worüber heute in der Erinnerung an damals viel gesprochen wird, die autofreien Sonntage und die GeschwindigkeitsBeschränkungen, war bei Gott der harmloseste Teil der damaligen Entwicklungen. Mit dem Schwerwiegenden, mit dem dauerhaft Belastenden, mit dem, was auch von heute aus die Struktur unserer Wirtschaft möglicherweise verändert, mit dem damals vervielfachten und danach in rascher Folge erheblich erhöhten und — ich sage es mit ruhiger Stimme — überhöhten Ölpreis, haben wir es auch heute noch zu tun.
    Wie auch immer eine Ölkrise verläuft, was auch immer ihre öffentlich erklärte Ursache sein mag, letztlich begründen sich die nicht mehr endenden Schwierigkeiten in der Ölversorgung in der Tatsache, daß Erdöl ein zur Neige gehender Energieträger ist; darauf haben wir uns einzurichten. Viele von uns werden das Ende des Ölzeitalters erleben. Denn durch unsere Debatte wird keine einzige Bohrung nach Erdöl im eigenen Lande etwa fündig, noch begründet sich durch unsere Debatte ein Mitbestimmungsrecht bei den Entscheidungen der OPEC.
    Aber: Wir können das Verbraucherverhalten unserer Mitbürger von hier aus nachhaltig beeinflussen. Das wird uns dann am besten gelingen, wenn wir Bedingungen und Verhältnisse nüchtern, realistisch und illusionslos beschreiben, unseren Handlungsrahmen deutlich machen und die notwendigen Entscheidungen nach Möglichkeit — da stimme ich mit Ihnen überein, Herr Narjes — geschlossen treffen und auch geschlossen vertreten.
    Wir reden ja, wenn wir über Energiepolitik reden, über den eigentlichen Dreh- und Angelpunkt wichtiger Entscheidungen zur Sicherheit unserer Zukunft. Dabei sollten sowohl sektorale wie regionale und auch parteitaktische Egoismen zurücktreten. Der engagierte Streit um den richtigen Weg, den wir ehrlich und offen austragen wollen, muß doch am Ende in Lösungen münden, die von allen mitgetragen werden können und von allen mitgetragen werden.
    Wir, meine Damen und Herren, formulieren seit Jahren eine Energiepolitik der Langfristigkeit und der Stetigkeit. Unser Energieprogramm, das der Vorsorge und dem Schutz von Krisen dient, stammt in seiner ersten Fassung aus dem Jahre 1973; es stand uns also schon nach den OktoberEreignissen dieses Jahres, des Jahres 1973, zur Verfügung. Wir haben es seitdem zweimal bedachtsam angepaßt, weil sich die wirtschaftlichen Rahmendaten gewandelt haben. Dabei sind die
    Grundlinien unseres Programms unverändert geblieben — unverändert richtig! — und durch die Entwicklung bestätigt worden. Es sind dies vor allem die rationellere Verwendung von Energie, die vorrangige Nutzung der heimischen Steinkohle, die Entwicklung alternativer Energiequellen und der unter dem Sicherheitspostulat stehende weitere Ausbau der Kernenergie. Das alles, meine Kolleginnen und Kollegen, trägt doch bereits heute seine Früchte. Früchte muß man allerdings, will man sie ernten, säen. Ich bitte Sie, in unser aller Interesse daran nicht vorbeizusehen.

    (Beifall bei der SPD und der FDP)

    Was bedarf denn an dieser Energiepolitik der Neufassung? Man zaubert doch besser kein neues Programm — und dann auch noch bis zum 1. Oktober — aus dem Hut, wenn man Bewährtes hat, das behutsame Fortentwicklung verlangt. Nicht Neufassung, sondern Ausgestalten nach bewährten Prinzipien, das sind die Aufgaben von heute. Heute haben wir erneut zu prüfen, was in der heutigen Situation zu tun ist, damit wir nicht vom Ziele abkommen.
    Unser erstes energiepolitisches Ziel — darüber sind wir ja offenbar alle einig —, ist und muß die rationellere Verwendung knapper Energiereserven bleiben. Unsere Energieversorgung stützt sich heute noch nahezu ausschließlich auf solche Energieträger, die auf der Erde nur begrenzt verfügbar sind. Das gilt für Kohle, deren Vorräte für Jahrhunderte reichen, im Prinzip genauso wie für Öl und Erdgas, die heute noch gemeinsam mehr als zwei Drittel unseres Energiebedarfs abdecken, jedoch heute schon nicht mehr ausreichen und in wenigen Jahren oder Jahrzehnten kaum noch zur Verfügung stehen. Das läßt sich von hier aus nicht verändern. Fossile Energieträger sind zudem gleichzeitig unersetzbare Rohstoffe.

    (Sehr wahr! bei der CDU/CSU)

    Wir müssen sie zur Entwicklung unserer Wirtschaft in der Verantwortung vor zukünftigen Generationen erhalten.
    Wir haben aber auch die Verantwortung für die armen Länder der Erde, die bei steigenden Energiepreisen nicht nur Einbußen am Lebensstandard hinnehmen müssen, sondern in vielen Fällen tatsächlich hungern, also das erleben müssen, was man in unserem Lande Gott sei Dank nicht mehr kennt.
    Auch die mit jeder Art der Energieverwendung letztlich unvermeidbar zusammenhängende Belastung der Umwelt zwingt zur Optimierung unserer Energietechnologie, und zwar sowohl in der Gewinnung als in der Umwandlung, in der Nutzung in Industrie, im Verkehr und in den privaten Haushalten.
    Oberstes und erstes Ziel war und ist es bis heute, den Ölverbrauch zu begrenzen, weil hier die Risiken und Engpässe am massivsten und am bedrohlichsten sind. Die bisherigen Ergebnisse können sich doch bei Gott sehen lassen. 1973 haben wir uns noch den Luxus erlaubt, 12,5 Millionen Tonnen



    Schmidt (Wattenscheid)

    Heizöl in Kraftwerken einzusetzen. Weil wir es politisch wollten, wurden es 1978 zirka 8 Millionen Tonnen. In der Stromerzeugung spielt das Öl nur noch eine reduzierte Rolle. Und dennoch ist es richtig und gut, daß sich die Bundesregierung vornimmt — sie kann unserer flankierenden Unterstützung sicher sein —, auf den Öleinsatz in Kraftwerken ganz zu verzichten. Ob nun Postkutschentempo oder wie man das auch immer betrachtet: Dieses Ziel, um das uns die ganze Welt beneidet, wurde von der Energiekrise 1973 abgesteckt und wurde vor der jetzigen Energiekrise 1979 erreicht.

    (Beifall bei der SPD und der FDP)

    Die Klage darüber, daß andere Industrienationen mit solchen Überlegungen erst vor kurzem begonnen haben oder erst jetzt beginnen, führt uns in unserem Lande, im Dienste an unseren Menschen leider auch nicht weiter. Das entscheidenste Merkmal der Freiheit ist die Freiwilligkeit. Darum sind Gebote und Verbote für uns nur für den Fall denkbar, für den sie unausweichlich notwendig sind. Niemand von uns — der Herr Bundeswirtschaftsminister hat das sehr deutlich gemacht — kann ausschließen, daß sie doch noch angewendet werden müssen. Je mehr es uns eben vor diesem Hintergrund gelingt, daß Bewußtsein unserer rund 60 Millionen Mitbürger für die tatsächliche Energiesituation zu schärfen, je sparsamer und sorgfältiger jeder in seinem Bereich aus eigener Einsicht mit der vorhandenen Energie umgeht, um so größer ist die Chance, daß wir auf Reglementierungen verzichten können. Aus der Summe vieler kleiner Einsparungen wird ein großer Effekt entstehen.
    Natürlich wissen wir, daß nicht alle Probleme mit Appellen an die Sparsamkeit der Bürger gelöst werden können. Aber da mehr als die Hälfte des gesamten Ölverbrauchs auf den Einsatz von Heizöl entfällt, erscheint es mir sinnvoll, die staatlichen Bemühungen zur Förderung der rationellen Energieverwendung weiterhin auf den Wärmemarkt zu konzentrieren. Hier ergeben sich die weitestreichenden Aussichten, wenn man an die Möglichkeiten der Kraft-Wärme-Kopplung, den Ausbau der Fernwärmeversorgung, die weiter verbesserte Isolation von Gebäuden, aber möglicherweise auch an die Senkung der Temperaturen in überheizten Wohnungen und Büros denkt. Für mich ist dieser Punkt nicht ein Punkt, über den ich schmunzeln oder gar lachen könnte. Er bietet uns in unserem Land bei den Gegebenheiten eine ganz erhebliche Chance.
    Unser zweites wichtiges Ziel in der Energiepolitik ist und muß bleiben die vorrangige Nutzung der heimischen Kohle.

    (Beifall bei der SPD)

    Das ist ein Ziel, das natürlich mit der Einsparung von 01 auf der anderen Seite eng verbunden ist.
    Wer die bei uns optimale Unabhängigkeit erreichen will — wir werden nie total unabhängig sein können —, der muß den deutschen Bergbau stärken. Auch das, meine Kolleginnen und Kollegen, verehrter Herr Narjes, ist lange schon erklärtes Ziel und Grundlage unserer Politik. Wir, die sozialliberale Regierungs- und Parteienkoalition, können uns, ohne die Geschichte zu klittern, anschreiben, daß wir die Erhaltung des deutschen Steinkohlebergbaus gegen mancherlei Widerstände durchgesetzt haben, weil wir wußten, daß wir ihn für die Zukunft brauchen.

    (Beifall bei der SPD und der FDP)

    Diese Zukunft hat spätestens in der vergangenen Woche begonnen.
    Sie reden von vertanen Jahren, Herr Narjes. Jetzt wird es nicht mehr um die Erhaltung des Steinkohlenbergbaus, sondern um die Entwicklung seiner Förderkapazitäten und deren Sicherung durch die Erschließung neuer Lagerstätten gehen. Unser Land braucht Kohle als unersetzbaren Rohstoff für die Stahlerzeugung, als wichtigste Energiequelle zur Stromerzeugung, als einzig verfügbaren Rohstoff für unsere chemische Industrie, wenn 01 und Gas nicht mehr zur Verfügung stehen werden, sowie für einen wieder größer werdenden Kreis weiterer industrieller und privater Verbraucher.
    öl muß eingespart werden, d. h., der Beitrag der Kohle muß sich schon in den 80er Jahren kräftig erhöhen. Das geht nur mit neuen Schachtanlagen, die jetzt in dieser Zeit aufgeschlossen werden müssen. Das geht nur, meinen Kolleginnen und Kollegen, wenn wir bei der Gewinnung in der Zukunft verstärkt darauf achten, die Lagerstätte so vollständig wie möglich auszubeuten. Wir dürfen nicht länger im bisherigen Umfang unersetzbare Kohlevorräte aufgeben, nur weil diese mit unserer modernen und leistungsfähigen Technik im Augenblick nicht kostengünstig gewinnbar sind.

    (Lenzer [CDU/CSU] : Woher wollen Sie die Kumpel nehmen?)

    Forschung zur Verbesserung der Abbautechnik unter schwierigen Lagerstättenverhältnissen, aber auch die finanzielle Förderung der Kohlegewinnung unter erschwerten Bedingungen können einen wesentlichen Beitrag zur Steigerung der Leistungsfähigkeit unseres Bergbaus erbringen.
    Der Bergbau selbst muß auch sekundäre und tertiäre Fördermethoden entwickeln, die bei der inländischen Erdöl- und Erdgasgewinnung in immer größerem Umfang und Gott sei Dank mit immer wachsendem Erfolg angewendet werden. Ich fühle es als meine Pflicht, in diesem Zusammenhang von dieser Stelle aus der Erdgas- und Erdölgewinnungsindustrie den Respekt für ihre diesbezügliche Leistung deutlich auszusprechen.
    Damit wir unsere Kohle auch umweltfreundlich einsetzen können, brauchen wir dringend neue Kraftwerke. Ihr spezifischer Schadstoffausstoß beträgt bei den wesentlichen Bestandteilen nur noch ein Fünftel bis ein Viertel der Belastung, die von alten Kraftwerken ausgeht. Gleichzeitig verbraucht ein modernes Kraftwerk bis zu einem Drittel weniger Kohle als ein altes Kraftwerk bei gleicher Stromerzeugung. Moderne Kraftwerke müssen daher die alten ergänzen und ersetzen.



    Schmidt (Wattenscheid)

    Um Kohle auch in den Privathäusern wieder attraktiv zu machen, sollten wir darüber nachdenken, ob man nicht den Hausbesitzern, vielleicht auch den Industriebetrieben, die ihre Heizanlagen von auf Kohle umstellen wollen, eine Beihilfe zu den Umbaukosten geben kann.
    Der dritte Schwerpunkt unseres Energieprogramms ist die Entwicklung alternativer Energiequellen, die möglichst den Vorzug der Unerschöpfbarkeit haben sollen. Ich will keine dieser Quellen vernachlässigen, weil sie alle der Untersuchung, viele der Entwicklung und manche der Nutzung wert sind. Die größte Bedeutung wird aber die direkte Nutzung der Sonnenstrahlung haben, auch in unseren regnerischen Breiten. In anderen Ländern wird man sie bald auch zur Stromerzeugung heranziehen. Unserer Industrie bieten sich hier reizvolle Entwicklungsperspektiven, die sowohl Beschäftigung wie auch Ertrag versprechen. Wir müssen die Anwendung dieser Technik im Inland vorantreiben, einer Technik, die schon bald konkurrenzfähig sein wird, um uns nicht nur den energiepolitischen Ertrag zu sichern, sondern auch die Basis für eine wachsende Exportindustrie.
    Parallel zur direkten Nutzung der Sonnenstrahlung werden wir die Nutzung der unerschöpflichen Energiequelle Sonne mit Hilfe der Wärmepumpe entwickeln müssen. All dies muß getan werden und in der Energieforschung noch vieles mehr.
    Beiträge zur Versorgung aber, die so ins Gewicht fallen, daß wir unserer Sorgen ledig wären
    — oder auch nur erleichtert —, können wir in den nächsten Jahren, ich fürchte: Jahrzehnten nicht erwarten. Trotz stärkerer Nutzung der Kohle, trotz rationellerer Verwendung von Energie, trotz vielleicht auch spürbarer Beschränkungen in unseren Gewohnheiten werden wir schon in diesem Jahrhundert unsere Energieversorgung nicht mehr ohne die stärkere Nutzung der Kernenergie sicherstellen können. Dies gilt auch, wenn man an die kostengünstige Umwandlung von Kohle in Gas. oder in flüssige Stoffe denkt.
    Beim Ausbau der Kernenergie müssen wir, wie wir das bisher schon getan haben, der Sicherheit den Vorrang vor der Wirtschaftlichkeit geben. Sicherheit bedeutet aber auch, daß wir im eigenen Lande Entsorgungsmöglichkeiten schaffen. Die Einrichtung des geplanten Entsorgungszentrums ist so dringend geworden, daß weitere Verzögerungen sowohl für die Energieversorgung als auch für die Sicherheit eine nicht mehr kalkulierbare Belastung bedeuten. Je deutlicher man sieht, welche Bedeutung die Kernenergie für unsere Energieversorgung erlangen wird, um so wichtiger ist die Fortführung unserer Sicherheitsforschung, die den Ausbau begleiten muß. Wir wissen, welch hohen Sicherheitslevel wir in diesem Lande haben. Der Unfall im amerikanischen Harrisburg hat aber gezeigt, daß man in der Erforschung neuer Möglichkeiten nicht nachlassen darf. Verbesserung der Sicherung ist eine Aufgabe, die — wie überall im Leben — nie abschließend erfüllt sein wird.
    Wir stehen heute alle noch unter dem frischen Eindruck steigender Ölpreise. Dabei ist es für den
    Energiepolitiker gar nicht so entscheidend, wo die Preise gemacht werden. Er und insbesondere wir hier muß und müssen wissen, daß man ihren Anstieg nicht durch bürokratische Kontrollen im Inland, auch nicht in Europa wirksam bekämpfen kann, sondern langfristig nur durch Sparsamkeit und Besinnung auf die eigenen Quellen.
    Zur stärkeren Nutzung der eigenen Energievorräte, auch zur Entwicklung der Kernenergie zwingt uns auch die internationale Solidarität, die Rücksicht auf die armen Völker unserer Erde. Unsere Volkswirtschaft wird auch mit höheren Energiepreisen leben können, sie wird sich auch weiterentwickeln. Wir wollen und müssen aber darauf achten, daß dabei nicht unsere finanziell schwächeren Mitbürger die Lasten der Anpassung in zu starkem Umfange tragen müssen. Hohe Preise für Öl — und ich bin ganz sicher, bald auch für Gas — dürfen niemanden in unserem Lande zum Frieren zwingen. Wo hohe Energiepreise die Existenzgrundlage unserer Mitmenschen gefährden, muß die Gesellschaft helfen, schnell und ohne den Hochmut der Mildtätigkeit. Wir sind dem Bundeskanzler dankbar, daß in der Regierungserklärung die Absicht enthalten ist, diesem Anliegen Rechnung zu tragen.
    Meine Damen und Herren, in der Energiepolitik treffen sich wie in kaum einer anderen Politik ökonomische und psychologische Zwänge und Erfordernisse. Die Energiepolitik zwingt zu grenzüberschreitenden Lösungen. Die nationalen Volkswirtschaften allein sind jetzt am Ende des 20. Jahrhunderts nicht mehr in der Lage, die aus der Energiepolitik erwachsenden Aufgaben zu lösen. Darum ist es auch für unser Land gut und nützlich, daß der Wirtschaftsgipfel in Tokio wie zuvor der europäische Gipfel in Straßburg sich dieses Themas angenommen hat. Der deutschen Delegation unter Führung unseres Bundeskanzlers spricht die sozialdemokratische Bundestagsfraktion Respekt und dankbare Anerkennung für ihre Arbeit

    (Beifall bei der SPD und der FDP)

    vor, für und in Tokio aus. Tokio hat den Willen und die Fähigkeit der Staats- und Regierungschefs zu praktischer und praktizierter Verantwortung für die Welt deutlich gemacht. Das ist gut. Von Tokio aus wird weltweit die Diskussion um Energie und um Energieprobleme stimuliert. Das ist notwendig. Obwohl die sieben westlichen Regierungs- und Staatschefs keine Verpflichtungen eingingen, die gegenseitig einklagbar sind, bleiben ihre Verabredungen über abgestimmtes Verhalten für die Welt und besonders für uns lebensnotwendig und lebenswichtig. Ein rücksichtsloser Konkurrenzkampf der sieben führenden Industrienationen der westlichen Welt auf den Energiemärkten müßte uns alle zu Verlierern machen. Wir wissen aber auch, wie schwer es dennoch war, angesichts der. unterschiedlichen Situation und Interessen in allen Teilnehmerländern des Tokioter Gipfels zu solchen Vereinbarungen zu kommen. Ihre Fraktion, Herr Bundeskanzler, wird alles in ihrer Kraft Stehende tun, damit das von Ihnen gegebene Wort eingelöst werden kann.

    (Beifall bei der SPD)




    Schmidt (Wattenscheid)

    Manches sowohl im großen wie im kleinen Rahmen bei der Formulierung der Energiepolitik wäre leichter, wenn es uns gelingen könnte, Vorbehalte abzubauen. Da halten gelegentlich die Produzenten und Händler die Angst und das Mißtrauen der Verbraucher für unverständlich, und da dringen andererseits die Verbraucher nach ihrem Verständnis zuwenig in die Geheimnisse der Preisbildung ein: Sie befürchten, daß sich andere an ihrer Zwangslage bereichern könnten. Eine Frage steht: Wie läßt sich verbreitetes Unbehagen abbauen? Reichen die bisherigen Informationswege und -mittel aus? Ich fürchte, nein. Die vielen richtigen und klugen Broschüren erreichen, wie jederman weiß, nicht immer die, für die sie gemacht sind.
    Vielleicht, meine Kolleginnen und Kollegen, verehrter Herr Bundeswirtschaftsminister, wird in Ihrem Hause überlegt, ob man trotz aller nicht gerade ermunternden Erfahrungen mit Kommissionen, Räten und Beiräten usw. nicht ein Forum für die an der Energiepolitik besonders Interessierten schaffen kann, in dem Informationen über Probleme, über Zwänge und über Entscheidungsgründe von allen allen angeboten werden.
    Energiepolitische Probleme in unserer Zeit sind auch nicht systembegründet. Sie bedrängen die Führer und die Geführten in der freien Welt wie in den kommunistischen Ländern. Wir stimmen uns auf den westlichen Wirtschaftsgipfeln ab, der Osten tut dies auf seine Weise. In Anbetracht der vielfältigen Einzelvertragsbindungen zwischen der westlichen Wirtschaft und Staatshandelsländern und ähnlicher Probleme hier wie dort bitten wir die Bundesregierung, zu prüfen, ob und gegebenenfalls wie das Energiethema in den Ost-West-Dialog zum Gewinn für beide einbezogen werden kann.

    (Beifall bei der SPD und der FDP)

    Meine Damen und Herren, statt eines rhetorischen Schlußwortes lassen Sie mich das bisher Gesagte so zusammenfassen.
    Erstens. Die Energiepolitik der Regierung und der sie tragenden Parteien hat bisher ermöglicht und gewährleistet, daß jeder Mitbürger zu jeder Zeit die von ihm gewünschte Energieart in der von ihm gewünschten Menge zur Verfügung gehabt hat. Sie hat sich also bewährt.
    Zweitens. Sie wird also fortgesetzt. Wir sehen die Probleme der Gegenwart wie die der Zukunft und stellen uns ihnen in der Verantwortung, die wir für die Wohlfahrt der Menschen unseres Landes tragen, mit dem entschlossenen Willen, sie zu lösen.
    Drittens bitten wir die gesellschaftlichen Gruppen und Kräfte, besonders herzlich und dringend aber auch alle unsere Mitbürger, uns dabei zu helfen.

    (Beifall bei der SPD und der FDP)



Rede von Dr. Richard von Weizsäcker
  • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (CDU)
  • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CDU)
Das Wort hat der Herr Abgeordnete Dr. Laermann.

  • insert_commentNächste Rede als Kontext
    Rede von Prof. Dr.-Ing. Karl-Hans Laermann


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (FDP)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (FDP)

    Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich möchte namens der FDP-Fraktion den Dank an die Bundesregierung aussprechen — insbesondere auch an den Bundeskanzler — für das überzeugende, der politischen, wirtschaftlichen und insbesondere der energiewirtschaftlichen Situation angemessene Auftreten beim Europäischen Rat in Straßburg und vor allen Dingen auf dem Weltwirtschaftsgipfel in Tokio. Wir möchten mit diesem Dank die Hoffnung verbinden, daß die Industriestaaten nicht nur mit einer Zunge geredet haben, sondern auch entsprechend der vereinbarten Linie handeln werden. Dies ist nun einmal die große gemeinsame Verantwortung der Industriestaaten für eine weltwirtschaftlich optimale Entwicklung.
    Nun hat die Opposition in dem vorliegenden Antrag — der Herr Kollege Narjes hat das noch einmal wiederholt — eine Neufassung der deutschen Energiepolitik bis zum Oktober 1979, also im Eiltempo, verlangt. Sie legt dabei einen Themenkatalog vor, der bereits durch die Zweite Fortschreibung des Energieprogramms weitgehend und darüber hinaus durch die Beschlüsse der Bundesregierung vom 16. Mai als Schlußfolgerung aus der politischen Lage im Frühjahr 1979 mehr als abgedeckt ist.
    Der Kollege Narjes sprach davon, die Bundesregierung verharre in Behäbigkeit. Er sprach vom „Postkutschentempo" und von der „hilflosen Ohnmacht". Ich muß aber nun die Kollegen von der Opposition fragen: Wo sind eigentlich neue und konstruktive Vorschläge oder Einsichten der CDU/CSU-Fraktion?

    (Beifall des Abg. Wehner [SPD])

    Auch der bayerische Ministerpräsident hat heute morgen zum eigentlichen Thema nichts gesagt, jedenfalls nichts, was neu gewesen wäre.

    (Zurufe von der SPD: Wo ist er denn? — Weiterer Zuruf von der SPD: Herr Biedenkopf und Herr Kohl sind auch nicht da! — Weitere Zurufe von der SPD — Gegenruf des Abg. Pfeffermann [CDU/CSU] : Fragen Sie mal, wo Ihre Regierung die ganze Zeit war!)

    Hätte die Opposition z. B. im Jahre 1960, also etwa 20 Jahre zurück, bereits die energiepolitische Situation des Jahres 1980 voraussehen können? Heute verlangt diese Opposition von der Bundesregierung, auf Zeithorizonte bis zum Jahre 2020, ja sogar 2030, abzustellen, so weit, wie die am längsten wirkenden strukturbestimmenden Investitionsentscheidungen der Energiewirtschaft reichen. Wenn dies nicht zu einem Prognosefetischismus führt, weiß ich nicht, wie das anders zu bezeichnen wäre.
    Warum haben Sie, wenn Sie heute Langfristigkeit fordern, nicht, als Sie in der Regierungsverantwortung waren, bereits mit Energiepolitik begonnen; denn erst 1973 ist ein erstes Energieprogramm aufgelegt worden.

    (Beifall bei der FDP und der SPD — Dr. Narjes [CDU/CSU] : Darf ich Sie auf die Berichte Armand/Etzel 1958/60 für die Zeit bis Dr.-Ing. Laermann 1980 hinweisen! — Weiterer Zuruf von der CDU/CSU: Hat er nicht gelesen!)




    — Ich gebe gern zu, Herr Kollege Narjes, daß ich zu diesem Zeitpunkt dem Parlament noch nicht angehörte.
    Aber ich weiß, daß ich, als ich hier 1973 eintrat, ein erstes offizielles Energieprogramm der Bundesregierung vorfand, das auf Grund der damaligen Entwicklungen in der sogenannten Ölkrise 1973/74 aktualisiert wurde und im Laufe der seither vergangenen Jahre durch die Bundesregierung auch schon wieder ergänzt und fortgeschrieben worden ist. Wir haben das gerade Ende letzten Jahres vom Tisch gebracht.
    Es ist aber auch richtig — und das ist sicherlich unbestreitbar —, daß Energiepolitik nicht für die Dauer von Legislaturperioden angesetzt werden kann, sondern daß sie tatsächlich längerfristig angesetzt werden muß.
    Ihre sogenannte Dokumentation „Energiepolitik ohne Mandat", die Sie vorgelegt haben, ist höchstens eine Dokumentation Ihrer Fähigkeit, Aussagen aus ihrem Kontext zu reißen, zu verfälschen und damit demagogisch zu argumentieren. In den Parteigremien von SPD und FDP kommt eben die Vielfalt der Meinungen in einem offenen Willensbildungsprozeß noch zum Ausdruck und zur Geltung. Aber wie wir heute morgen erlebt haben, scheinen Sie Ihre Anweisungen aus der bayerischen Zentrale zu empfangen.

    (Beifall bei der FDP und der SPD — Pfeffermann [CDU/CSU] : Herr Professor, das steht Ihnen doch gar nicht! Sie sind doch schon viel besser gewesen, als Sie sachlich gewesen sind! Sie sind doch im Ausschuß ein Mann, mit dem man diskutieren kann!)

    - Die Unsachlichkeit Ihrerseits ist Veranlassung, sich dagegen auch zur Wehr zu setzen und einmal zu verdeutlichen, was denn hier eigentlich vorgelegt wird und was bezweckt wird.

    (Beifall bei der FDP und der SPD — Pfeffermann [CDU/CSU] : Bringen Sie Ihr Sachwissen ein! Dann sind wir alle besser dran!)

    - Herr Kollege Pfeffermann, wollen Sie mich bitte ausreden lassen.

    (Wehner [SPD], zu Abg. Pfeffermann [CDU/ CSU] gewandt: Wollen Sie nicht mal aufhören? Erst schicken Sie die Ministerpräsidenten rein, und jetzt wollen Sie die Lippe riskieren, damit niemand mehr reden kann! Ist das Ihre Taktik? Unverschämt! Sie verfälschen den Sinn des Parlaments! — Beifall bei der SPD — Glos [CDU/CSU]: „Mehr Fröhlichkeit" hat der Herr Bundeskanzler gesagt!)