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ID0815401000

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    Plenarprotokoll 8/154 Deutscher Bundestag Stenographischer Bericht 154. Sitzung Bonn, Donnerstag, den 17. Mai 1979 Inhalt: Begrüßung der Präsidentin des Senats von Kanada, Frau Renaude Lapointe . . . . 12266 B Bericht zur Lage der Nation Schmidt, Bundeskanzler . . . . . . . 12253 A Dr. Kohl CDU/CSU . . . . . . . . . 12266 C Mattick SPD . . . . . . . . . . 12279 C Hoppe FDP 12285 A Dr. Zimmermann CDU/CSU . . . . . 12289 B Friedrich (Würzburg) SPD . . . . . . 12296 C Dr. Wendig FDP 12301 C Franke, Bundesminister BMB . . . . . 12306 A Dr. Barzel CDU/CSU . . . . . . . . 12309 D Dr. Ehmke SPD 12315 D Dr. Abelein CDU/CSU 12322 D Ludewig FDP 12327 C Dr. Gruhl fraktionslos 12329 A Dr. Czaja CDU/CSU 12331 C Hofmann (Kronach) SPD . . . . . . 12335 C Graf Huyn CDU/CSU 12337 C Schulze (Berlin) SPD 12340 C Baron von Wrangel CDU/CSU . . . . . 12342 B Büchler (Hof) SPD . . . . . . . . . 12343 C Erklärungen nach § 35 GO Jäger (Wangen) CDU/CSU 12344 D Dr. Ehmke SPD 12345 B Zweite und dritte Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Umsatzsteuergesetzes (UStG 1979) — Drucksache 8/1779 — Bericht des Haushaltsausschusses gemäß § 96 der Geschäftsordnung — Drucksache 8/2864 — Beschlußempfehlung und Bericht des Finanzausschusses — Drucksache 8/2827 — Kühbacher SPD . . . 12345 D, 12347 B, 12353 C Di . Meyer zu Bentrup CDU/CSU . 12346 B, 12347 B Frau Matthäus-Maier FDP . . . . . . . 12347 C Dr. Kreile CDU/CSU 12348 B Frau Funcke FDP 12 357 B Matthöfer, Bundesminister BMF 12360 B II Deutscher Bundestag — 8. Wahlperiode — 154. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 17. Mai 1979 Erste Beratung des von den Abgeordneten Dr. Jenninger, Dr. Jobst, Röhner, Dr. George, Dr. Friedmann, Schröder (Lüneburg), Carstens (Emstek), Dr. von Wartenberg, Sauter (Epfendorf), Dr. Schulte (Schwäbisch Gmünd), Dr. Dregger, Kolb, Broll, Hanz, Spranger, Seiters, Glos, Susset, Dr. Waigel, Dr. Sprung, Dr. Warnke, Gerlach (Obernau), Dr. Miltner und Genossen eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung des Investitionszulagengesetzes — Drucksache 8/2780 — 12361 D Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Ersten Gesetzes zur Änderung der Bundesnotarordnung — Drucksache 8/2782 — 12362 A Beratung der Sammelübersicht 45 des Petitionsausschusses über Anträge zu Petitionen mit Statistik über die beim Deutschen Bundestag in der Zeit vom 14. Dezember 1976 bis 31. März 1979 eingegangenen Petitionen — Drucksache 8/2786 — in Verbindung mit Beratung der Sammelübersicht 46 des Petitionsausschusses über Anträge zu Petitionen — Drucksache 8/2826 — 12362 A Beratung des Antrags der Fraktion der CDU/CSU Steuerliche Behandlung der gemeinnützigen Sportvereine — Drucksache 8/2668 — Dr. Schäuble CDU/CSU 12362 C Schirmer SPD 12364 B Mischnick FDP 12365 D Beratung des Antrags der Abgeordneten Dr. Dollinger, Dr. Friedmann, Niegel, Dr. Sprung, Dr. Stavenhagen, Damm, Biehle, Dr. Schulte (Schwäbisch Gmünd) und der Fraktion der CDU/CSU Bessere Bedingungen für den CB-Funk — Drucksache 8/2727 —Dr. Friedmann CDU/CSU . . . . . . 13368 C Wuttke SPD 13370 A Hoffie FDP 12371 B Beratung der Ubersicht 9 des Rechtsausschusses über die dem Deutschen Bundestag zugeleiteten Streitsachen vor dem Bundesverfassungsgericht — Drucksache 8/2800 — 12373 A Nächste Sitzung 12373 C Anlage Liste der beurlaubten Abgeordneten . . . 12375*A Deutscher Bundestag — 8. Wahlperiode — 154. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 17. Mai 1979 12253 154. Sitzung Bonn, den 17. Mai 1979 Beginn: 9.01 Uhr
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    Anlage Liste der entschuldigten Abgeordneten Abgeordnete (r) entschuldigt bis einschließlich Adams *** 17. 5. Dr. van Aerssen *** 18.5. Dr. Ahrens ** 17. 5. Dr. Aigner *** 18. 5. Alber *** 18. 5. Dr. Bangemann *** 17. 5. Frau Benedix 18. 5. Dr. von Bismarck 18. 5. Dr. Böhme (Freiburg) 18.5. Frau von Bothmer ** 17. 5. Büchner (Speyer) * 18. 5. Dr. Dollinger 18. 5. Fellermaier *** 18. 5. Dr. Fuchs 18.5. Haberl 18. 5. Handlos * 18. 5. von Hassel 17. 5. Dr. Haussmann 18. 5. Frau Hürland 18. 5. * für die Teilnahme an Sitzungen der Parlamentarischen Versammlung des Europarates ** für die Teilnahme an Sitzungen der Westeuropäischen Union *** für die Teilnahme an Sitzungen des Europäischen Parlaments Anlage zum Stenographischen Bericht Abgeordnete () entschuldigt bis einschließlich Katzer 18. 5. Dr. Klepsch *** 17. 5. Dr. h. c. Kiesinger 18. 5. Klinker 18.5. Kolb 13. 5. Frau Krone-Appuhn 17. 5. Lange** 13. 5. Lemp *** 18. 5. Dr. Lenz (Bergstraße) 17. 5. Lenzer *** 13.5. Lücker *** 18. 5. Müller (Bayreuth) 18. 5. Müller (Mülheim) *** 18. 5. Müller (Remscheid) 18. 5. Neumann (Bramsche) 17. 5. Offergeld 18.5. Rapp (Göppingen) 18. 5. Frau Dr. Riede (Oeffingen) 18. 5. Frau Schlei 18.5. Schreiber *** 18. 5. Dr. Schwörer'** 18. 5. Seefeld *** 18. 5. Dr. Starke (Franken) *** 18. 5. Frau Dr. Walz *** 17. 5. Wawrzik *** 18. 5. Weber (Heidelberg) 18. 5. Wohlrabe 18. 5. Würtz *** 17. 5. Zeitler 18. 5.
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    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: ()
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    Wir sind das einzige Land in Westeuropa, dessen Regierung sich immer noch nicht dazu entschließen kann, die Bevölkerungspolitik als eine wichtige staatliche Aufgabe für die Zukunftssicherung zu begreifen. In allen anderen Ländern hat man längst erkannt, daß der Geburtenrückgang zu einem Problem allerersten Ranges werden muß, wenn er so stark wird, daß er auch einen merklichen Rückgang der Bevölkerung zur Folge hat.
    Wer sich, wie Sie es heute wieder getan haben, mit der vagen Hoffnung beruhigt, die belastenden und die entlastenden Wirkungen eines Bevölkerungsrückganges würden sich am Ende die Waage halten, arbeitet mit ungedeckten Wechseln. Sie müssen sich fragen lassen, ob das, was Sie heute zu diesem Thema gesagt haben, wirklich die Politik der Bundesregierung der Bundesrepublik Deutschland ist. Es ist eine unverantwortliche Spekulation zu Lasten der eigenen Zukunft, die sich kein Volk rings um die Bundesrepublik leistet. In allen Ländern der Europäischen Gemeinschaft mit Ausnahme Luxemburgs — ich will die Zahlen gar nicht aufführen — wird auf diesem Feld mehr geleistet als bei uns.

    (Beifall bei der CDU/CSU)

    Dann haben Sie ein Bild des Buben von früher und des Buben von heute entworfen, das volle Sympathie erwecken muß. Sie sprachen von dem Buben, der in Nachbars Garten Kirschen klaut und der das heute nicht mehr kann, weil es Nachbars Garten nicht mehr gibt. Aber, Herr Bundeskanzler, wer hat denn eigentlich diese regulierte Welt jahrelang propagiert?

    (Dr. Marx [CDU/CSU]: So ist es!)

    Was haben Sie denn von diesem Pult aus im Blick auf die Wohnungsbaupolitik unseres verstorbenen Freundes Paul Lücke an Spott und Hohn ausgeschüttet?

    (Beifall bei der CDU/CSU)

    In jenen Jahren — und wir sind doch beim Bericht „30 Jahre Bundesrepublik" — ist doch Paul Lücke als ein Mann verspottet worden, der das Land zersiedelt,

    (Sehr richtig! bei der CDU/CSU)

    der eine Schrebergartenidylle verwirklicht. Und jetzt sprechen Sie von jener nachbarschaftlichen Gemeinsamkeit, in der einer dem anderen die Hand der Mitmenschlichkeit reicht.

    (Lachen bei der CDU/CSU)

    Ja, was haben Sie denn in diesen letzten zwei .Jahrzehnten getan, um das überhaupt möglich zu machen?

    (Beifall bei der CDU/CSU)

    Herr Bundeskanzler, wer sitzt denn in den Aufsichtsräten und den Führungsgremien großer deutscher Wohnungsbaugesellschaften, die für eine ganze Reihe solcher Baumaßnahmen verantwortlich sind?
    Ichgehöre nicht zu denen, die sagen, daß es hier eine Politik des Entweder-Oder gibt — es kann nur eine Politik des Sowohl-Als-auch geben —, aber ich wehre mich dagegen, daß es Ihnen inzwischen durchgeht, vor jedem Gremium das zu sagen, was die Leute gerade gerne hören; und danach folgt keine Tat.

    (Beifall bei der CDU/CSU)

    Da gehen Sie zum Deutschen Städte- und Gemeindebund und prangern an, was für verbrecherische Taten es im Bereich der Verwaltungsreform gegeben hat. Sie schimpfen über Lahnstadt und anderes, aber Sie tun nichts dafür, daß dort der Bürgerwille durchgesetzt wird.

    (Zuruf von der CDU/CSU: Im Gegenteil!)

    Da gehen Sie zum Deutschen Städtetag und sprechen über Bürokratie. Ja, Herr Bundeskanzler, lassen Sie sich doch einmal aufstapeln, was in Ihrer Amtszeit an Gesetzen und Verordnungen erlassen wurde. Es gab doch noch nie eine Regierung, die so schludrig gearbeitet hat, daß in der dritten Lesung gerade ein Gesetz verabschiedet wird und zugleich die Novelle vorbereitet wird. Das ist doch die Erfahrung, die die Kollegen hier täglich machen!

    (Beifall bei der CDU/CSU)

    Da reden Sie davon, daß zuviel bevormundet wird; Sie sagen, die Kinder müßten ihren Ausflugsraum haben. Sehr einverstanden! Aber gerade bringen Sie ein Gesetz durch, mit dem in diesem Bereich weit über 10 000 neue Stellen geschaffen werden. Herr Bundeskanzler, dies alles ist doch Ihre Politik. Sie müssen sich allmählich wieder daran, gewöhnen, daß Sie als Sozialdemokrat gefragt werden: Sind Sie nun mit in der Haftung für Ihre Partei oder nicht?
    Wenn ich quer durch die Bundesrepublik fahre und — ich nehme noch einmal dieses Beispiel — neue Stadteile in bestimmten deutschen Großstädten sehe, kann ich nur sagen: Aus dem Geist der



    Dr. Kohl
    christlichen Demokraten sind diese Bauvorhaben ganz gewiß nicht entstanden.

    (Beifall bei der CDU/CSU)

    Wenn man die Gesetzgebung, die Sie in diesem Zusammenhang betreiben, einmal betrachtet, muß man doch sagen: Es war Ihre Politik, die die Familien gesellschaftspolitisch und juristisch verunsichert, disqualifiziert und unter staatliche Kontrolle stellt,

    (Jäger [Wangen] [CDU/CSU] : Sehr wahr!)

    die die kinderreiche Familie ins soziale Abseits abdrängt und alle Familien mit nur einem Einkommen sozial diskriminiert, die sich von einer Gesellschaftstheorie aus entwickelt, die die Familie als ein altertümliches Relikt betrachtet.
    Herr Bundeskanzler, ich laste Ihnen nicht jeden Unsinn an, der in Ihrer eigenen Partei von alt gewordenen Jusos — nicht von den Jusos selbst, sondern von alt gewordenen Jusos — niedergeschrieben wird, aber ich laste Ihnen an, daß Sie auch auf diesem Felde den Eindruck einer heilen Welt erwecken, wo doch diese Welt aus Ihrer politischen Ideologie heraus gestört wurde. Das ist doch die Erfahrung, die wir gemacht haben!

    (Beifall bei der CDU/CSU)

    Wer von der allmählichen Ablösung der Familie durch alternative Formen der Partnerschaft ausgeht, wer so denkt, der nimmt doch eine Entwicklung in Kauf, bei der Kinder zu haben entweder ein privater Luxus wird oder aber die Bereitschaft zu einem Leben des Verzichts im sozialen Abseits verlangt.
    Herr Bundeskanzler, ich bin mit Ihnen unterwegs beim Bau einer kinderfreundlichen Gesellschaft. Das wäre eine schöne gemeinsame Aufgabe für alle deutschen Demokraten. Aber eine kinderfreundliche Gesellschaft werden wir nur haben, wenn es eine Entwicklung zu einer gesunden Familienpolitik gibt; denn die Voraussetzung des gesunden Staates ist die gesunde Familie.

    (Beifall bei der CDU/CSU)

    Es gibt überhaupt nichts Kinderfreundlicheres, meine Damen und Herren, als eine intakte Familie. Das wissen Millionen in unserem Lande immer wieder zu bestätigen.

    (Beifall bei der CDU/CSU)

    Das bedeutet doch, daß die staatliche Politik das überall dort, wo Gesetze gemacht werden, die den Bereich der Familie und der Kinder betreffen, sehen muß. Das gilt beispielsweise für die Schulpolitik. Ich sage das gar nicht nur im Blick auf ein Land oder auf eine Partei. Das gilt für die Schulpolitik in der Bundesrepublik generell. Wir müssen fragen, ob nicht zu viel an den Kindern und den Familien über die Schule experimentiert wurde und ob nicht dadurch Familienfrieden und Familiengemeinsamkeit in den letzten eineinhalb Jahrzehnten empfindlich gestört wurden.

    (Beifall bei der CDU/CSU)

    Dann war da noch etwas: die Emanzipation der Frau. Sie haben da niemanden genannt. Aber da sind offensichtlich nach Ihrer Vorstellung dunkle Kräfte, die in der Geschichte wirksam sind, wieder am Werke, um die Emanzipation zurückzuschrauben. Ich weiß nicht, wen Sie meinen. Früher hätte ich daran gedacht — nicht bei Ihnen, aber bei anderen aus Ihrer Partei —, Sie könnten die Kirchen meinen. Aber nachdem Sie ein so leidenschaftliches Bekenntnis zu den Kirchen abgelegt haben, kommt mir dieser Gedanke nicht mehr. Ich weiß also nicht, wer gemeint ist. Ich habe aber die sichere Erwartung, daß wir spätestens zur Bundestagswahl 1980 wissen werden, wer gemeint ist. Weil ich diese Ahnung habe, will ich Sie jetzt gleich darauf ansprechen, Herr Bundeskanzler. Ich kenne niemanden, jedenfalls keine politisch relevante Kraft in der Bundesrepublik, der die Gleichberechtigung, die in unserem Grundgesetz verankert ist, nicht ganz und gar ernstnimmt. Ich kenne auch niemanden, der an dieser Entwicklung etwas zurückdrehen wollte. Ich glaube aber, daß wir uns alle fragen müssen, ob wir über das rechtlich Formale hinaus wirklich genug getan haben. Das ist nicht nur die Frage einer Partei, das ist unsere Frage. Wenn ich als Parteivorsitzender etwa sehe — ich sage das ganz offen —, welche Probleme sich für weibliche Kandidaten in unseren demokratischen Parteien stellen, dann müssen wir allesamt auf eine entsprechende Frage sehr zögerlich antworten. Ich weiß nicht, ob Sie da ein besseres Gewissen haben, als ich es habe. Aber Sie haben ja ein notorisch gutes Gewissen.

    (Heiterkeit und Beifall bei der CDU/CSU)

    Ich bin der Meinung — und das sollte man hier wieder einmal aussprechen —, daß der Staat und die Politik kein Recht haben, sich in die private Entscheidung einer Frau einzumischen, ob sie berufstätig sein will oder nicht. Das ist ihre ganz persönliche private Entscheidung. Die hat sie mit sich und mit ihrer Familie auszumachen und mit sonst überhaupt niemandem.

    (Beifall bei der CDU/CSU)

    Aber, meine Damen und Herren, es ist nicht nur Privatsache, wenn wir ein soziales Gefälle zwischen der berufstätigen Frau und der Hausfrau und Mutter sehen.

    (Dr. Marx [CDU/CSU] : Sehr wahr!)

    Ich will noch einmal deutlich aussprechen, was meine Freunde und Kollegen am letzten Donnerstag hier gesagt haben: Für uns hat der Beruf der Hausfrau und Mutter — ich meine jene Frau und Mutter, die zu Hause ist und z. B. drei Kinder für sich und ihren Mann großzieht — auch eine wichtige Funktion für die Gesamtgesellschaft.

    (Beifall bei der CDU/CSU)

    Wir erwarten, daß die Politik, etwa im Bereich der sozialen Sicherung — und das ist die Vorstellung, die hinter der Forderung nach einem Familiengeld steht — das Notwendige tut.



    Dr. Kohl
    Herr Bundeskanzler, ich stimme Ihnen in noch einem Punkte gern zu — vielleicht können Sie deshalb jetzt in umgekehrter Weise auch mir zustimmen —: Sie haben so freundlich von den Gewerkschaften und von der Wirtschaft gesprochen; einverstanden. In diesen 30 Jahren gab es da bedeutende Leistungen. Aber, ohne daß wir uns in die Tarifhoheit einmischen wollen, in der Frage der Gleichberechtigung gibt es noch einen unerträglichen Zustand. Das ist der Zustand, der durch die Existenz von Leichtlohngruppen gekennzeichnet ist, d. h., daß bei gleicher Arbeit nicht gleicher Lohn gewährt wird. Das ist nicht primär eine Sache der Politik. Aber wenn Sie als Bundesregierung im Blick auf die Gespräche mit den Gewerkschaften sagen „Laßt doch das jetzt endlich einmal als ein wichtiges Programm für die nächsten fünf Jahre anlaufen, damit am Ende dieser Periode Arbeitgeber und Arbeitnehmer gemeinsam zu der Überzeugung kommen, daß Mann und Frau bei einer gleichen Arbeit den Anspruch auf gleichen Lohn haben", haben Sie einen entscheidenden Schritt für die Realisierung der Gleichberechtigung getan.

    (Beifall bei der CDU/CSU)

    Die Frage, die sich stellt — wenn ich einmal die Lyrik Ihrer Ausführungen in Sachen Kinder weglasse —, Herr Bundeskanzler, heißt doch: Warum betreiben Sie regierungsamtlich eine Politik, die den Menschen eine Teilhabe am materiellen Wohlstand, Freizügigkeit Ihrer Lebensgestaltung und soziale Anerkennung nur dann gewährt, wenn sie sich von familiären Bindungen und Verpflichtungen möglichst frei halten? Das muß doch zwangsläufig Auswirkungen auf das Verhalten der heranwachsenden Generation haben.
    In ihrer Antwort auf die Kleine Anfrage Ihrer Fraktion zum Thema Jugendsekten spricht die Bundesregierung von tiefgreifenden Sozialisationsdefiziten in der jungen Generation, von einer existentiellen Verunsicherung, von übersteigerter Zukunftsangst, vom Unvermögen, soziale Konflikte befriedigend zu bewältigen. Herr Bundeskanzler, dies alles ist nicht von allein gekommen. Das ist ein weltweites Problem. Ich denke gar nicht daran, es nur der Bundesregierung in die Schuhe schieben zu wollen. Aber es ist auch ein wesentliches Problem unserer Bundesrepublik Deutschland: Drogensucht, Alkoholsucht, Anwachsen der Jugendsekten, steigende Kriminalitätsrate von Kindern und Jugendlichen — das sind Signale der Hilflosigkeit, der Hoffnungslosigkeit, der Resignation.
    Herr Bundeskanzler, dies ist eine Krise, in der das bloße Management versagt. Es ist eine Krise, der mit Finanzprogrammen und Datenanalysen und hurtigen Worten nicht beizukommen ist. Hier ist menschliches Verständnis, hier ist die sinnstiftende Kraft überzeugender Werte und Ideale gefragt. Hier kommt es auf eine Politik an, die nicht nur nach Macht, nach Wahldaten und Mehrheit schielt. Hier ist eine Politik gefragt, die eine Zukunftsvision enthält. Ich kann diese Vision in Ihrem Bericht nicht erkennen.

    (Anhaltender lebhafter Beifall bei der CDU/CSU)



Rede von Dr. Annemarie Renger
  • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (SPD)
  • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)
Das Wort hat der Herr Abgeordnete Mattick.
Mattick: (SPD): Frau Präsidentin!

(Unruhe bei der CDU/CSU — Abgeordnete der CDU/CSU verlassen den Saal)


  • insert_commentNächste Rede als Kontext
    Rede von Dr. Annemarie Renger


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (SPD)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)

    Herr Abgeordneter, warten Sie einen Moment, bis sich die Damen und Herren gesetzt haben oder den Saal verlassen haben. Sonst kann man nicht reden. — Ich würde Sie herzlich bitten, dem Redner die Möglichkeit zum Sprechen zu geben, meine Damen und Herren.

    (Anhaltende Unruhe)

    Das Wort hat der Abgeordnete Mattick.. Ich bitte, Platz zu nehmen oder den Saal zu verlassen.