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    Plenarprotokoll 8/145 Deutscher Bundestag Stenographischer Bericht 145. Sitzung Bonn, Donnerstag, den 29. März 1979 Inhalt: Gedenkworte zum 130. Jahrestag der Verabschiedung der Frankfurter Reichsverfassung 11559 A Glückwünsche zu den Geburtstagen der Abg. Dr. Schachtschabel und Dr. Gradl . . 11560 C Wahl des Abg. Müller (Nordenham) zum ordentlichen Mitglied und des Abg. Dr. Enders zum stellvertretenden Mitglied im Kontrollausschuß beim Bundesausgleichsamt 11560 C Amtliche Mitteilungen ohne Verlesung . 11560 C Erweiterung der Tagesordnung 11561 C Absetzung eines Punktes von der Tagesordnung 11673 B Beratung des Antrags der- Abgeordneten Dr. Gradl, Katzer, Blumenfeld, Dr. Mikat, Dr. Biedenkopf, Josten, Dr. Müller-Hermann, Gerster (Mainz), Wohlrabe, Frau Dr. Riede (Oeffingen), Kittelmann, Breidbach, Frau Pieser, Luster, Reddemann, Schröder (Lüneburg), Dr. Pfennig, Frau Berger (Berlin), Stommel, Conrad (Riegelsberg), Dr. Stercken, Russe, Frau Dr. Wisniewski, Schartz (Trier) und Genossen Unverjährbarkeit von Mord — Drucksache 8/2539 — in Verbindung mit Erste Beratung des von den Abgeordneten Wehner, Ahlers, Dr. Ahrens, Amling, Dr. Apel und Genossen und den Abgeordneten Dr. Wendig, Gattermann, Frau Dr. Hamm-Brücher und Genossen eingebrachten Entwurfs eines 18. Strafrechtsänderungsgesetzes — Drucksache 8/2653 (neu) — in Verbindung mit II Deutscher Bundestag — 8. Wahlperiode — 145. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 29. März 1979 Beratung der Entschließung des Europäischen Parlaments zur Unverjährbarkeit von Völkermord und Mord — Drucksache 8/2616 — Dr. Gradl CDU/CSU 11561 D Dr. Emmerlich SPD 11565 C Erhard (Bad Schwalbach) CDU/CSU . . . 11569 D Kleinert FDP 11575 C Schmidt, Bundeskanzler 11579 A Graf Stauffenberg CDU/CSU 11581 A Dr. Wendig FDP 11585 D Vogel (Ennepetal) CDU/CSU 11590 B Waltemathe SPD 11593 B Dr. Dr. h. c. Maihofer FDP 11596 A Dr. Mikat CDU/CSU 11601 C Dr. Lenz (Bergstraße) CDU/CSU 11607 C Dr. Vogel (München) SPD 11611 C Engelhard FDP 11617 A Dr. Weber (Köln) SPD 11619 C Wissmann CDU/CSU 11622 A Oostergetelo SPD 11624 A Dr. Klein (Göttingen) CDU/CSU 11625 D Frau Matthäus-Maier FDP 11627 C Blumenfeld CDU/CSU 11631 A Hartmann CDU/CSU 11633 B Hansen SPD 11635 B Helmrich CDU/CSU 11638 A Dr. Schwencke (Nienburg) SPD 11639 C Dr. Schwarz- Schilling CDU/CSU 11642 B Dr. Stark (Nürtingen) CDU/CSU 11645 B Sieglerschmidt SPD 11647 A Josten CDU/CSU 11649 C Präsident Carstens 11575 A Zweite und dritte Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes über die Rechtsverhältnisse der Abgeordneten des Europäischen Parlaments aus der Bundesrepublik Deutschland (Europaabgeordnetengesetz) — Drucksache 8/362 — Bericht des Haushaltsausschusses gemäß § 96 der Geschäftsordnung — Drucksache 8/2708 — Beschlußempfehlung und Bericht des Innenausschusses — Drucksache 8/2707 — Krey CDU/CSU 11651 A Bühling SPD 11652 C Dr. Klepsch CDU/CSU 11654 D Wolfgramm (Göttingen) FDP 11656 D Luster CDU/CSU 11657 D Zweite und dritte Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes über die unentgeltliche Beförderung Schwerbehinderter im öffentlichen Personenverkehr — Drucksache 8/2453 — Bericht des Haushaltsausschusses gemäß § 96 der Geschäftsordnung — Drucksache 8/2697 — Beschlußempfehlung und Bericht des Ausschusses für Arbeit und Sozialordnung — Drucksache 8/2696 — Hölscher FDP 11658 C, 11660 C Burger CDU/CSU 11658 D Kratz SPD 11659 D Dr. Ehrenberg, Bundesminister BMA . . 11661 D Beratung der Beschlußempfehlung und des Berichts des Ausschusses für Forschung und Technologie zu dem Antrag der Fraktionen der SPD und FDP Enquete-Kommission „Zukünftige Energie-Politik" und dem Antrag der Abgeordneten Lenzer, Pfeifer, Dr. Probst, Benz, Engelsberger, Gerstein, Dr. Hubrig, Dr. Riesenhuber, Dr. Freiherr Spies von Büllesheim, Dr. Laufs, Pfeffermann, Dr. Stavenhagen, Frau Dr. Walz, Dr. Narjes und der Fraktion der CDU/CSU Enquete-Kommission „Zukünftige Energie-Politik" — Drucksachen 8/2353, 8/2374, 8/2628 — Dr. Freiherr Spies von Büllesheim CDU/CSU 11663 B Ueberhorst SPD 11664 D Dr.-Ing. Laermann FDP 11666 A Bericht des Ausschusses für Forschung und Technologie gemäß § 60 Abs. 3 der Geschäftsordnung zu dem Antrag der Abgeordneten Lenzer, Dr. Riesenhuber, Dr. Probst, Pfeifer, Benz, Engelsberger, Gerstein, Dr. Hubrig, Dr. Freiherr Spies von Büllesheim, Dr. Stavenhagen, Frau Dr. Walz, Pfeffermann und der Fraktion der CDU/CSU Deutscher Bundestag — 8. Wahlperiode — 145. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 29. März 1979 III Einrichtung einer Prognose- und Bewertungskapazität zur Begutachtung technologischer und forschungspolitischer Entwicklungen beim Deutschen Bundestag — Drucksachen 8/1241, 8/2629 (neu) — Dr. Riesenhuber CDU/CSU 11667 B Stockleben SPD 11669 B Dr.-Ing. Laermann FDP 11670 D Zweite Beratung und Schlußabstimmung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zu den Verträgen vom 17. November 1977 zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Französischen Republik über den Bau einer Autobahnbrücke über den Rhein zwischen Steinenstadt und Ottmarsheim sowie über den Bau einer Straßenbrücke über den Rhein zwischen Weil am Rhein und Hüningen — Drucksache 8/2437 — Bericht des Haushaltsausschusses gemäß § 96 der Geschäftsordnung — Drucksache 8/2686 — Beschlußempfehlung und Bericht des Ausschusses für Verkehr und für das Post-und Fernmeldewesen — Drucksache 8/2642 — 11672 D Zweite und dritte Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Dritten Gesetzes zur Änderung des Gesetzes über den gewerblichen Binnenschiffsverkehr — Drucksache 8/2366 — Beschlußempfehlung und Bericht des Ausschusses für Verkehr und für das Post- und Fernmeldewesen — Drucksache 8/2640 — 11673 A Zweite Beratung und Schlußabstimmung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zu dem Abkommen vom 12. Februar 1971 zwischen der Bundesrepublik Deutschland und dem Staat Israel über den Luftverkehr — Drucksache 8/2436 — Beschlußempfehlung und Bericht des Ausschusses für Verkehr und für das Post- und Fernmeldewesen — Drucksache 8/2669 — 11673 B Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Elften Gesetzes zur Änderung des Viehseuchengesetzes — Drucksache 8/2646 — 11673 C Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zu dem Abkommen vom 20. Juli 1978 zwischen der Regierung der Bundesrepublik Deutschland und der Regierung des Großherzogtums Luxemburg über verschiedene Fragen der Sozialen Sicherheit Drucksache 8/2645 — 11673 D Beratung der Sammelübersicht 43 des Petitionsausschusses über Anträge zu Petitionen — Drucksache 8/2665 11673 D Beratung der Beschlußempfehlung des Haushaltsausschusses zu dem Antrag des Bundesministers der Finanzen Veräußerung von Teilflächen des ehemaligen Standortübungsplatzes Bad Vilbel an die Stadt Frankfurt — Drucksachen 8/2478, 8/2648 — 11674- A Beratung der Beschlußempfehlung des Haushaltsausschusses zu der Unterrichtung durch die Bundesregierung Verbilligte Veräußerung von bundeseigenen Grundstücken — Drucksachen 8/2558, 8/2649 — 11674 A Beratung der Beschlußempfehlung und des Berichts des Ausschusses für Wirtschaft zu der zustimmungsbedürftigen Verordnung der Bundesregierung zur Änderung des Deutschen Teil-Zolltarifs (Nr. 3/79 — Zollkontingent für Walzdraht 1. Halbjahr 1979) — Drucksachen 8/2536, 8/2632 — 11674 B Beratung der Beschlußempfehlung und des Berichts des Ausschusses für Verkehr und für das Post- und Fernmeldewesen zu der Unterrichtung durch die Bundesregierung Vorschlag einer Verordnung des Rates zur Anpassung der Kapazität für den gewerblichen Güterkraftverkehr zwischen den Mitgliedstaaten — Drucksachen 8/2357, 8/2641 — 11674 B Beratung der Beschlußempfehlung und des Berichts des Ausschusses für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten zu der Unterrichtung durch die Bundesregierung VI Deutscher Bundestag — 8. Wahlperiode — 145. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 29. März 1979 Vorschlag einer Verordnung (EWG) des Rates zur Änderung der Verordnung (EWG) Nr. 816/70 zur Festlegung ergänzender Vorschriften für die gemeinsame Marktorganisation für Wein — Drucksachen 8/2513 Nr. 3, 8/2670 — . . 11674 C Beratung des Berichts der Bundesregierung über Möglichkeiten zur Umstellung des 7 b EStG auf ein anderes Förderungssystem — Drucksache 8/2554 — 11674 D Beratung des Berichts der Bundesregierung über die Auswirkungen des Gesetzes über steudrliche Vergünstigungen bei der Herstellung oder Anschaffung bestimmter Wohngebäude auf das geltende Grunderwerbsteuerrecht und über die Überlegungen, die zur Reform des Rechts der Grunderwerbsteuer angestellt worden sind — Grunderwerbsteuerbericht — Drucksache 8/2555 — 11674 D Nächste Sitzung 11675 C Anlage Liste der entschuldigten Abgeordneten . . 11677* A Deutscher Bundestag — 8. Wahlperiode — 145. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 29. März 1979 11559 145. Sitzung Bonn, den 29. März 1979 Beginn: 9.01 Uhr
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    Berichtigung 144. Sitzung, Seite 11 405 A: In den Zeilen 10 bis 13 ist statt „ ... an den Ausschuß für Arbeit und Sozialordnung — federführend —, an den Ausschuß für Jugend, Familie und Gesundheit — mitberatend —" zu lesen: ,,... an den Ausschuß für Jugend, Familie und Gesundheit — federführend —, an den Ausschuß für Arbeit und Sozialordnung — mitberatend —" ; Seite 11 526 * D: In der Zeile 8 von unten ist statt „36" zu lesen: „38". Anlage Liste der entschuldigten Abgeordneten Abgeordneter) entschuldigt bis einschließlich Dr. Aigner * 30. 3. Dr. Althammer 30.3. Dr. Bangemann* 29. 3. Dr. Becher (Pullach) 30. 3. Frau Berger (Berlin) 30. 3. Blumenfeld ** 30. 3. Dr. Corterier ** 30. 3. Frau Erler 30. 3. Fellermaier * 30. 3. Frau Fischer 30. 3. Friedrich (Würzburg) 29. 3. Genscher 30. 3. Dr. Hornhues 30. 3. Horstmeier 29. 3. Dr. Jahn (Braunschweig) * 30. 3. *) für die Teilnahme an Sitzungen des Europäischen Parlaments *5) für die Teilnahme an Sitzungen der Nordatlantischen Versammlung ***) für die Teilnahme an Sitzungen der Parlamentarischen Versammlung des Europarates Anlage zum Stenographischen Bericht Abgeordneter) entschuldigt bis einschließlich Dr. h. c. Kiesinger 30. 3. Klinker 30. 3. Koblitz 30. 3. Lange * 30. 3. Leber 30.3. Lemp * 30.3. Lenzer 30.3. Dr. Müller *** 29.3. Müller (Mülheim) * 30. 3. Müller (Remscheid) 30. 3. Sauer (Salzgitter) 30. 3. Schmidt (München) * 30. 3. Schreiber* 30. 3. Dr. Schröder (Düsseldorf) 30. 3. Dr. Schwencke (Nienburg) *** 29. 3. Dr. Schwörer * 29. 3. Seefeld * 30. 3. Spitzmüller 30. 3. Stahlberg 30. 3. Dr. Starke (Franken) * 30. 3. Frau Tübler 30. 3. Dr. Vohrer *** 29. 3. Frau Dr. Walz 30. 3. Baron von Wrangel 30. 3. Wuwer 30.3. Ziegler 30. 3.
  • insert_commentVorherige Rede als Kontext
    Rede von Herbert Helmrich


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (CDU/CSU)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CDU)

    Herr Präsident, ich tue das.
    Er hat hier gefordert, daß Ideologen, die ein Freund-Feind-Verhältnis aufbauen, streng zur Rechenschaft gezogen werden müßten. Ich glaube, er hat das für alle Ideologen hier gesagt. Mehr möchte ich dazu nicht sagen.
    Meine sehr geehrten Damen und Herren, ich spreche hier in dem Bewußtsein, daß wir uns in der ersten Lesung befinden. Die Entscheidung über den Antrag fällt heute nicht, sondern in den Ausschüssen wird das zur Entscheidung anstehende Thema intensiv diskutiert werden.
    Heute ist überwiegend über die Verjährung von Mord generell gesprochen worden. Ich vertrete den Standpunkt, daß wir es möglichst erreichen sollten, daß Mord generell auch in Zukunft in der Bundesrepublik verjährt und daß es insoweit bei dem Rechtszustand bleibt, den wir heute haben.
    Wenn ich hier stehe, frage ich aber in erster Linie, ob darüber hinaus nicht doch eine Differenzierung zwischen Mord generell und Mord im Rahmen der NS-Verbrechen gerechtfertigt ist. Ich glaube, daß eine solche Differenzierung ehrlicher ist und auch besser verstanden wird. Ich komme darauf noch im einzelnen zurück.
    Ich bin der Auffassung, daß Mord nicht gleich Mord ist. Mord aus Eifersucht in einem Ehedrama ist etwas anderes als Mord im Rahmen einer staatlich organisierten, staatlich sanktionierten Tötungsmaschinerie. Mord an Massengräbern ist etwas anderes als der Mord, den ein einzelner, vielleicht sogar zufällig durch persönliche Konflikte hineingetrieben, begeht.

    (Beifall bei Abgeordneten der SPD)

    Ich möchte deshalb in den Beratungen später insbesondere den Vorschlag von Herrn Professor Lange in Köln aufgreifen, der im Rahmen der Verjährungsvorschrift in § 78 Abs. 2 vorschlägt, nicht nur die Nichtverjährung für Völkermord auszusprechen, sondern auch die Nichtverjährung für Mord im Zusammenhang mit Völkermord festzuschreiben. Wir werden im einzelnen darüber zu diskutieren haben, ob diese Formulierung ausreichend ist oder ob man, wie Herr Professor Maihofer vorgeschlagen hat, die Zerstörung politischer Gruppen mit aufnehmen muß.
    Die Kollegin Matthäus-Maier hat noch die Euthanasie-Verbrechen erwähnt. Hierzu meine ich, daß Oberstaatsanwalt Dr. Rückerl in seinem Bericht zutreffend sagt, daß diese Dinge hinreichend geklärt seien. Ich möchte auf die einzelnen juristischen Argumente, die insbesondere zwischen Herrn Professor Maihofer, Herrn Justizminister Vogel und Frau Kollegin Matthäus-Maier schon gewechselt werden sind, nicht eingehen.
    Nur einen Akzent, der in dieser Debatte zum Teil schon angesprochen worden ist, möchte ich noch etwas verdeutlichen. Die Besonderheit dieser Debatte besteht meines Erachtens darin, daß wir über einen Komplex sprechen, in dem eine Verstrickung' sowohl für den einzelnen als auch für das Volk besteht, für unser jetzt lebendes Volk, und eine Verstrickung für unseren Staat mit unserer nationalsozialistischen Geschichte besteht. Die Verstrickung des einzelnen in nationalsozialistisches Unrecht als Täter oder Opfer hat heute in der Diskussion die überwiegende Rolle gespielt. Aber auch das Volk ist nach wie vor in seine Geschichte verstrickt. Eine zu große Zahl hat mit gehandelt, ist mitgelaufen oder hat geduldet. Allein die Zugehörigkeit zur nationalsozialistischen Partei kann heute noch in der Bundesrepublik die gesamte Bevölkerung aufwühlen. Aber auch der Staat als solcher ist verstrickt. Denn einerseits tragen wir ständig vor, diese unsere Bundesrepublik sei der Nachfolger des Deutschen Reiches. Wenn wir diesen Anspruch erheben, dann muß auf der anderen Seite auch im Handeln dieses Staates deutlich werden, wie der Staat sich zu dem Geist und zu den Handlungen des nationalsozialistischen Staates stellt.
    Der Herr Bundeskanzler hat heute morgen sehr deutlich darauf hingewiesen, daß wir in dieser Spannung der Verstrickung stehen, die wir wohl in alle Richtungen zureichend und befriedigend kaum werden auflösen können. Aber — und darauf möchte ich besonders hinweisen — alle Argumente dafür und dagegen in der heutigen Debatte sind auf diesen drei Ebenen zu beleuchten.
    Ich möchte zunächst sagen, daß es mir nicht genügt, in erster Linie die Ebene der Verstrickung des einzelnen zu behandeln. Alle Argumente, die sich heute mit dem Gerechtigkeitsprinzip befaßt



    Helmrich
    haben, leuchten mir sehr ein, aber das Recht ist nicht teilbar; diese Ebene reicht — so frage ich zumindest — wohl nicht aus, um das Thema abschließend zu behandeln.
    Zu der Ebene der Verstrickung dieses Volkes in seine Geschichte hat Herr Graf Stauffenberg sicherlich sehr richtig gesagt, daß wir durch das Strafrecht keine Vergangenheitsbewältigung betreiben können. Wir sollten nicht glauben, daß wir das ganze Thema auf die Justiz abwälzen können, die damit — wir haben von der längsten Dauer eines Verfahrens von 18 Jahren gehört — kaum, noch fertig wird. Ich frage aber, ob nicht auch die Justiz, einen Teil der Vergangenheitsbewältigung mitzutragen hat und ob es deshalb nicht möglicherweise gerechtfertigt erscheint, die Verjährung für NS-
    Verbrechen nicht eintreten zu lassen.
    Schließlich zur Verstrickung des Staates: Es ist im Zusammenhang mit dieser Ebene viel von der Glaubwürdigkeit des Staates gesagt worden, die darunter leidet, wenn die Justiz mit den Verfahren nicht fertig wird und es im Endergebnis zu mehr Freisprüchen oder Einstellungen als zu Verurteilungen kommt. Das ist ein gewichtiges Argument, aber ich frage auch, ob es nicht auch um die Glaubwürdigkeit des Staates geht und sie darunter leiden kann, wenn ich sage: Ich bin nicht gewillt, in einem Rechtsetzungsverfahren zu diesem Zeitpunkt die totale Absetzung von dem Geist und den Handlungen des nationalsozialistischen Staates nach außen und offen für alle Welt deutlich zu machen.
    Ich möchte hinzufügen, daß diese Verstrickungen, in denen sich einzelne, das Volk und der Staat befinden, bei uns dadurch eine besondere Dimension erlangen — und auch das ist mir heute zu wenig angesprochen worden —, daß in dieser Bundesrepublik ein ganz spezifischer Unterschied zwischen Älteren und Jüngeren besteht. Der Herr Kollege Erhard hat darauf heute früh hingewiesen und mit einem Zitat gesagt, daß bei den Älteren wohl überwiegend die Vergangenheit verdrängt worden ist und daß die Jüngeren davon nichts wissen. Meine Damen und Herren, all die, die 45 Jahre und jünger sind, haben zu 95 oder zu 98 0/o in dieser Bundesrepublik keinen oder nur unzureichenden Unterricht in Geschichte über das Jahr 1920 hinaus erhalten. Angesichts dessen, daß wir hier Recht setzen, muß ich fragen, ob es einer von denen, die keinen Geschichtsunterricht erhalten haben und auch die Schrift von Herrn Dr. Rückerl nicht kennen, also nicht wissen, was an nationalsozialistischen Verbrechen passiert ist, heute aber den Film „Holocaust" gesehen haben, ertragen kann, daß in diesem Falle eine Verjährung möglich ist.
    Meine werten Kollegen, das ist ein rechtssoziologisches Argument. Aber ich glaube, auch darüber müssen wir uns in den folgenden Auseinandersetzungen Gedanken machen.
    Mein Petitum geht dahin, die Debatte in einer moderaten Form zu führen und Zwischentöne, so, wie sie zum Teil heute morgen angeklungen sind, in der folgenden Debatte zu unterlassen. Sie würde uns sonst nicht weiterbringen. Wenn es zu einer
    Spaltung in diesem Parlament in dieser Debatte käme, würde sie die Spaltung der Bevölkerung vorzeichnen. Dann würden wir mit dieser Frage nicht auf die richtige Art und Weise fertig werden. Das wäre ein Ausgang dieses Rechtsetzungsverfahrens, den ich nur als tragisch bezeichnen könnte.

    (Beifall bei allen Fraktionen)



Rede von Richard Stücklen
  • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (CSU)
  • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CSU)
Das Wort hat der Abgeordnete Schwencke.

  • insert_commentNächste Rede als Kontext
    Rede von Dr. Olaf Schwencke


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (SPD)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)

    Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Politische und rechtspolitische Überlegungen für oder gegen die Aufhebung der Verjährung von Mord sind hier in großem Umfang und sehr diffizil sowie rechtskundig vorgetragen worden. Ich könnte den Argumentationen für die Aufhebung der Verjährung keine weiteren neuen juristischen oder politischen hinzufügen.
    Und auch das, was in anderen Parlamenten zur Verjährungsproblematik zu sagen notwendig war, wurde, etwa im Januar dieses Jahres in der Parlamentarischen Versammlung des Europarates und dann ein Monat später im Europäischen Parlament, von unseren Kollegen und mir selber vorgetragen in europäischen Parlamenten übrigens, in denen unter den älteren Kollegen noch immer Repräsentanten der Opfer Nazi-Deutschlands sitzen. Diese haben — und das machte die besondere Würde der Debatte im Europarat aus —, wenn sie das Wort ergriffen haben, über Partei- und nationale Grenzen hinaus irgendwie verständliche antideutsche Töne unterdrückt. Sie haben aber mit großem Ernst und in sehr eindringlicher Mahnung uns darum gebeten, die Verjährung von Nazi-Verbrechen aufzuheben.
    Ich sehe auch gar keinen Grund, darin eine Einmischung in unsere ureigensten Dinge zu sehen und ihnen meine — und unsere — Solidarität nicht ausdrücklich zuzusichern. Schon das begründet meines Erachtens die Verneinung der Verjährung von Nazi-Morden.
    Beide europäischen Parlamente forderten, und zwar mit großer Mehrheit, alle Mitgliedsländer auf, das Europäische Übereinkommen über die Unverjährbarkeit von Verbrechen gegen die Menschlichkeit und Kriegsverbrechen aus dem Jahre 1974 endlich zu unterzeichnen und zu ratifizieren. Das an dieser Stelle bei der Bundesregierung anzumahnen, ist nur ein Punkt, der mich motiviert hat, hier das Wort zu ergreifen.
    Ein anderer Punkt ist mir aber viel wichtiger. Ich möchte dem Bündel von bemerkenswerten und bedenkenswerten Überlegungen, die hier bereits vorgetragen wurden, im Hinblick auf die generelle Aufhebung der Verjährung von Mord noch ein paar theologisch-ethische, vielleicht noch weiter differenzierende Überlegungen hinzufügen.
    Lassen Sie mich meine Argumentation — anders als andere Theologen — mit einem Satz beginnen, der manchem von Ihnen wenig christlich erscheinen mag: Mord ist nicht gleich Mord. Sicher, der Respekt vor dem höchsten Gut, dem menschlichen Le-



    Dr. Schwencke (Nienburg)

    ben, gebietet es, vor allem im Blick auf das eine oder die vielen Opfer, das eine nicht geringer als die vielen Opfer zu achten: den Täter mit Schuld zu belegen und seine Sühne zu fordern. Das ist die „gute Ordnung" des Staates, von der Luther spricht, jeden gleichermaßen betreffend.
    Und der politische Kontext? Ich will literarisch unterstreichen, was unser Freund Erik Blumenfeld über sein Inferno gesagt' hat:
    ... der Tod ist ein Meister aus Deutschland
    wir trinken dich abends und morgens wir trinken und trinken
    der Tod ist ein Meister aus Deutschland sein Auge ist blau
    er trifft dich mit bleierner Kugel er trifft dich genau
    ein Mann wohnt im Haus dein goldenes Haar Margarete
    er hetzt seine Rüden auf uns er schenkt uns ein Grab in der Luft
    er spielt mit den Schlangen und träumet der Tod ist ein Meister aus Deutschland
    dein goldenes Haar Margarete dein aschenes Haar Sulamith
    Auch „nach Auschwitz" wurde gedichtet. Ich zitierte den Schluß von Paul Celans „Todesfuge".
    Mord ist gleich Mord? Die Motive zum Mord müssen doch mindestens für die moralische Dimension des Verbrechens gegen die Menschlichkeit auch in ihrem politischen Kontext gesehen und beurteilt werden: das sogenannte gemeine Verbrechen einerseits und das ideologisch motivierte, zwischen 1933 und 1945 staatlich abgesicherte Massenverbrechen andererseits. Danach gibt es kein Zurück mehr zur Tagesordnung des Alltags.
    Die von den Nationalsozialisten betriebene Politik der Ausrottung der Juden und politischen Feinde — im Schatten dieser Politik, und, mehr noch: im „Dienst" dieser Politik handelten die Nazimörder — hat jedenfalls ethisch und damit meines Erachtens konsequenterweise auch rechtspolitisch einen anderen juridischen Stellenwert als der individuelle Mord. Hierbei zählt selbstverständlich nicht vor allem die Quantität der Mordtaten — diese ist für die ethische Einschätzung von geringerer Bedeutung —, sondern die „Qualität" der Motive: hier die Unmenschideologie und dort die gemeine Individualtat.
    Das höchste Gut, Leben, zu vernichten, ist die größte Schuld, die ein Mensch auf sich laden kann. Dürfen wir aber Schuld, wie sie aus individueller Tat erwächst oder massenhaft geschieht oder geschah, wie sie herrschende Ideologie a priori ermöglichte — für diejenigen, denen jetzt die Grundlage dafür nicht einfällt, füge ich hinzu: man konnte „Mein Kampf" lesen und daraus lernen —, auf einen gleichen Nenner bringen? Das sollte — auch rechtspolitisch — nicht möglich sein. Wenn das geschähe, würden sich die Opfer des Faschismus
    auf die Ebene der außergesetzlichen Normalitäten gesetzt sehen. Ich glaube, wir müssen achtgeben, damit das nicht eintritt: es würde würdelos sein.
    Mir ist die „Stuttgarter Schulderklärung" meiner Kirche von 1945 noch gut im Ohr und noch besser im Bewußtsein: auch die Angst vor der „billigen Gnade" einer „kollektiven Schuld", derzeit von denen formuliert und öffentlich gesprochen, die — wie namentlich Martin Niemöller — jedenfalls politisch „schuldlos" waren.
    Mord ist gleich Mord? Woraus erwächst Schuld? Schuld erwächst nicht allein aus dem persönlichen Tun des einzelnen, sondern geschieht auf dem Hintergrund existierender Strukturen und gesellschaftlicher Institutionen: Für den millionenfachen Mord zunächst innerhalb der NSDAP — Röhm-Putsch —, dann auf der Straße, dann in den Gestapo-Gefängnissen und schließlich in den KZs haben die faschistische Ideologie die Grundlage und ein kriminell korrumpierter Staat die Voraussetzung geboten. Das minimiert zwar nicht die subjektive Schuld des einzelnen — jedenfalls nicht nach meinem theologischen Verständnis —, läßt jedoch den besonderen Kontext zu einem politischen und moralischen Faktor sui generis werden. Ich glaube, nicht als mildender Umstand, sondern als ein straferschwerender Faktor; und dies muß auch den Gesetzgeber beschäftigen.
    In einer möglichen unterschiedlichen Behandlung von Nazimorden und gemeinen Morden würde ich
    — ebenso wie Professor Eugen Kogon und andere
    — den Gleichheitsgrundsatz unserer Verfassung nicht verletzt sehen. Diese sogenannte Ungleichheit haben wir ja schon — im Laufe der Debatte wurde daran erinnert — in § 220 a des Strafgesetzbuchs, der Unverjährbarkeit von Völkermord, und zwar bereits seit 25 Jahren.
    Gerade wenn wir dabei bleiben wollen und rechtstraditionell wohl auch müssen, daß der Mörder auch unter dem Vorzeichen einer herrschenden Ideologie für seine Tat voll verantwortlich gemacht werden muß, darf dies nicht zu mildernden oder gleichmachenden Umständen führen, sondern muß auch unter Berücksichtigung der „herrschenden Strukturen und politischen Institutionen", wie ich das nennen möchte, grundsätzlich und verschärfend gerichtet werden. Am Rande gefragt: Wie wollen wir einer jungen Generation, einer zeitkritischen, einer wachsend kritischeren Generation, die uns nach unserer politischen Moral fragt, eine Antwort geben, wenn wird Mord gleich Mord behandeln? Ich fürchte, wenn wir „egalisieren", also die Nazimörder wie gemeine Mörder behandeln, wird der Anstoß zum politischen Denken, zum Nachdenken, zum moralischen Handeln, dort, -wo wir sensibilisieren wollen, bei den jungen Leuten durchschlagen. Schon gar nicht dürfen wir es uns einfach leisten, die Verjährung aufzuheben. Das ist ein Appell, der breit genug an uns ergangen ist.
    Ich möchte uns noch einmal einen Schriftsteller in Erinnerung rufen: Der Jude Jean Amery hat vor zehn Jahren über eine Reise durch Deutschland folgendes geschrieben:
    Deutscher Bundestag — 8. Wahlperiode —145. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 29. März 1979 11641
    Dr. Schwencke (Nienburg)

    Das Reich Hitlers wird zunächst weiter als ein geschiditlicher Betriebsunfall gelten. Sdiließlich aber wird das Geschichte schlechthin sein, nicht besser und nicht übler, als das dramatische und historisdie Epochen nun einmal sind, blutbefleckt vielleicht, aber doch auch ein Reich, das seinen Familienalltag hatte. Das Bild des Urgroßvaters in SS-Uniform wird in der guten Stube hängen, und die Kinder in den Schulen werden weniger von den Selektionsrampen erfahren als von einem erstaunlichen Triumph über allgemeine Arbeitslosigkeit ...
    Einen „Schlußstrich unter die Vergangenheit" ziehen: Nein, um der Zukunft unseres Volkes, unserer Kinder und Kindeskinder willen. Nein
    Nachdem von Deutschland aus die Welt zertrümmert wurde und audi die „Ordnung", haben unsere Väter mit dem Grundgesetz Konsequenzen aus den Lehren der Vergangenheit gezogen; das ist auch für diese Debatte von Relevanz. Sie haben Konsequenzen daraus gezogen, daß es einen, wenngleich nur kleinen, Bevölkerungsteil gab, der Widerstand leistete. Heute steht, nicht zuerst, der andere weitaus größere Teil zur Debatte, der sich in den „Dienst" des Mörderstaates stellte. Auf das eine wurde im Grundgesetz recht sensibel reagiert; wir haben das Widerstandsrecht — so etwas hat es vorher in einer Verfassung nicht gegeben — in Artikel 20 Art. 4 des Grundgesetzes festgeschrieben.
    Aus. theologischer Erkenntnis ist eine Rechtsposition geworden. Die Banner Thelogisdie Erklärung von 1934, insbesondere in ihrer wichtigen These 5, wurde in Verbindung mit den Bonhoefferschen Widerstandstheorien zum politischen Ergebnis eines theologischen Erkenntnisprozesses. In dieser Debatte muß das seinen Stellenwert haben.
    Männer und Frauen haben durch die Arbeit der Bekennenden Kirche den weitgehend demokratiefeindlichen Entwicklungsprozeß der zwanziger Jahre innerhalb der Kirche korrigiert. Für den Protestantismus in Deutschland war die These 5 von Barmen ein unerhörtes Novum und eine Wende im gesellschaftlichen Selbstverständnis der Kirche; das, nachdem Christengemeinden noch 1927 deutsch-christlich z. B. so sangen:
    Wir heben unsere Hände aus tiefster bittrer Not, Herrgott, den Führer sende, der unseren Kummer wende mit mächtigem Gebot.
    Jetzt hieß es über Staat und Kirche bzw. Kirche und Staatsaufgaben in „Bannen" :
    Die Schrift sagt uns, daß der Staat nach göttlicher Anordnung die Aufgabe hat, in der noch nicht erlösten Welt ... nach dem Maß menschlicher Einsicht und menschlichen Vermögens
    . unter Androhung und Ausübung von Gewalt für Recht und Frieden zu sorgen. Die Kirche erkennt in Dank und Ehrfurcht gegen Gott die Wohlfahrt dieser seiner Anordnung an._ Sie erinnert an Gottes Gebot und Gerechtigkeit und damit an die Verantwortung der Regierenden und Regierten.
    Und dann folgt ein Satz, der mir für diese Debatte wichtig ist, der Verwerfungssatz:
    Wir verwerfen die falsche Lehre, als solle und könne der Staat über seinen besonderen Auftrag hinaus die einzige und totale Ordnung menschlichen Lebens werden.
    Das war nicht bloß eine innerkirchliche Formulierung. Sondern dieser Satz regelte verbindlich das Christ-Sein -- wollte es jedenfalls in jenen Jahren — und definierte das Verhältnis zwischen dem christlichen Bürger und seinem Staat. Wer davon abwich — die „Deutschen Christen" beispielsweise —, hing, von der Kirche her gesehen, einer Irrlehre an; das galt, auch wenn das nur wenige so deutlich gesagt und noch wenigere begriffen hatten, aber einige danach and' gehandelt haben.
    Der ,totale Staat des Nationalsozialismus war die Inkarnation dieser falschen Lehre. Er hat nicht nur ignoriert, was christlich überliefert wurde, sondern pervertiert, was vergangene Jahrhunderte an humanen Erkenntnissen gewonnen haben.
    Unser Grundgesetz hat, um solche Gefahren ein für allemal bekämpfen zu können -. ich .hebe das noch einmal hervor —, nicht nur den Grundwertekatalog aufgestellt, sondern in Art. 20 festgestellt:
    Gegen jeden, der es unternimmt, diese Ordnung zu beseitigen, haben alle Deutschen das Recht zum Widerstand, wenn andere Abhilfe nicht möglich ist.
    Da diese Konsequenz verfassungsrechtlich gezogen wurde — offensichtlich nicht allein auf der Grundlage des politischen Widerstands, sondern auch des evangelisch-theologischen Widerstands, insbesondere auf Grund der Erkenntnisse Bonhoeffers - frage ich heute mich und uns, ob daraus nicht - wenn auch spät — die Konklusion zu ziehen wäre, daß Individualmord und der ideologische Massenmord der Nazis auch rechtlich nicht gleich behandelt werden sollten.
    Ich kann nicht verhehlen, daß mir gegenwärtig theologische Überlegungen in diesem Zusammenhang wichtiger als rechtliche sind. Diese Gesellschaft ist eine offene, plurale; aber keine „moralisch" neutrale. Ich verweise auf Karl Jaspers, der mit großem Ernst die deutsche Situation so analysierte:
    Die Pflicht gegen das Vaterland geht viel tiefer, als ein blinder Gehorsam gegen jeweilige Herrschaft reicht. Das Vaterland ist nicht mehr Vaterland, wenn seine Seele zerstört wird.
    Widerstand, so gesehen, muß heißen: auch das. Instrument der. Verjährung von Mord muß als ein sehr viel mehr zu differenzierendes Rechtsinstrument behandelt werden. Ob aus dieser. „Erkenntnis" Konsequenzen rechtstechnischer Art gezogen werden können, weiß ich nicht. Professor Maihofer und seine Freunde haben dazu ein paar Hinweise gegeben.
    Fragen über Fragen schon in der ersten Lesung: Ist es politisch richtig, um der Nichtverjährung der Nazi-Morde willen generell Mord nicht verjähren zu lassen? Ich frage mich das, bin aber wie viele andere mit meinem Nachdenken noch nicht zum Schluß gekommen.



    Dr. Schwencke (Nienburg)

    Die Verjährung der Nazi-Morde wäre nach meiner Einschätzung ein zutiefst amoralischer Akt. Die Verjährung wäre eine Verhöhnung der Opfer: der Toten und der Lebenden, die jedenfalls in ihren Träumen — wie wir lesen — von ihrer Vergangenheit immer wieder eingeholt werden. Sie wäre auch unhistorisch: mit Blick auf den Widerstand von Sozialdemokraten und Kommunisten in der Nazi-Zeit, von Bekennenden Christen und anderen im Kampf gegen den Faschismus. Ich hoffe, daß die Verjährung nicht ohne Differenzierung eintritt. Da — weiß Gott: nicht ohne Grund — das Widerstandsrecht in unserem Grundgesetz steht, also Verfassungsqualität erlangt hat, darf nach meiner Einschätzung heute nicht resümiert werden: Mord ist gleich Mord.
    „Holocaust" hat viele sensibilisiert, vor allem junge Menschen, die in diesem 30. Jahr der Existenz unserer Republik auf eine Antwort zur „Vergangenheitsbewältigung" von uns warten. Ich glaube, daß diese Stunde der Verjährungsdebatte ein Beispiel dafür sein könnte, daß wir diese Herausforderung für andere und für uns selber begriffen haben. Wir sind, denke ich, miteinander der Auffassung, daß diese Stunde zu den ganz wesentlichen für das Parlament zählt, da sie unsere Dialogfähigkeit gezeigt hat.
    Lassen Sie mich meinen Schlußsatz so formulieren: Es bleibt die Erkenntnis, daß Schuld individuell und kollektiv der lebenslangen Sühne bedarf — dieses im Sinne des Bibelwortes: „Gerechtigkeit erhöht ein Volk, die Sünde ist der Leute Verderben." Aber „Gerechtigkeit" kann nicht ohne Gnade geschehen. Aber die „Gnade" Ist nicht unsere Sache.

    (Beifall bei allen Fraktionen)