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ID0804605400

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    Plenarprotokoll 8/46 Deutscher Bundestag Stenographischer Bericht 46. Sitzung Bonn, Mittwoch, den 5. Oktober 1977 Inhalt: Absetzung zweier Punkte von der Tagesordnung 3469 A Aussprache über den von der Bundesregierung eingebrachten Entwurf eines Gesetzes über die Feststellung des Bundeshaushaltsplans für das Haushaltsjahr 1978 (Haushaltsgesetz 1978) — Drucksache 8/950 — in Verbindung mit Beratung des Finanzplans des Bundes 1977 bis 1981 — Drucksache 8/951 — Strauß CDU/CSU 3469 B Dr. Ehmke SPD 3485 C Hoppe FDP 3497 D Dr. Friderichs, Bundesminister BMWi . . 3502 D Dr. Barzel CDU/CSU 3512 A Reuschenbach SPD 3521 C Dr. Graf Lambsdorff FDP . . . . . . 3525 D Dr. Apel, Bundesminister BMF 3532 D Haase (Kassel) CDU/CSU . . . . . . 3539 D Löffler SPD 3543 D Gärtner FDP 3547 D Nächste Sitzung . . . . . . . . . 3551 C Anlage Liste der entschuldigten Abgeordneten . . 3553* A Deutscher Bundestag — 8. Wahlperiode — 46. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 5. Oktober 1977 3469 46. Sitzung Bonn, den 5. Oktober 1977 Beginn: 9.00 Uhr
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    Anlage Liste der entschuldigten Abgeordneten Abgeordnete(r) entschuldigt bis einschließlich Adams * 6. 10. Dr. Ahrens ** 7. 10. Dr. Aigner * 7. 10. Alber ** 7. 10. Dr.Bardens ** 7. 10. Dr. Bayerl * 6. 10. Böhm (Melsungen) ** 7. 10. Frau von Bothmer ** 7. 10. Brandt 7. 10. Büchner (Speyer) ** 7. 10. Frau Eilers (Bielefeld) 7. 10. Dr. Enders ** 7. 10. Dr. Evers ** 7. 10. Fellermaier * 5. 10. Dr. Geßner ** 7. 10. Haase (Fürth) * 7. 10. Handlos ** 7. 10. Frau Dr. Hartenstein 7. 10. von Hassel ** 7. 10. Hoffmann (Saarbrücken) * 6. 10. Dr. Holtz ** 7. 10. Frau Hürland 5. 10. Dr. Klepsch * 7. 10. Klinker * 7. 10. Lagershausen ** 7. 10. Lange * 7. 10. * für die Teilnahme an Sitzungen des Europäischen Parlaments ** für die Teilnahme an Sitzungen der Parlamentarischen Versammlung des Europarates Anlage zum Stenographischen Bericht Abgeordnete (r) entschuldigt bis einschließlich Lemmrich ** 7. 10. Lemp * 7. 10. Lenzer ** 7. 10. Marquardt ** 7. 10. Dr. Mende ** 7. 10. Milz ** 7. 10. Möhring 7. 10. Dr. Müller ** 7. 10. Müller (Mühlheim) * 7. 10. Neuhaus 5. 10. Pawelczyk ** 7. 10. Reddemann ** 7. 10. Dr. Schäuble ** 7. 10. Scheffler ** 7. 10. Schmidhuber ** 7. 10. Schmidt (Kempten) ** 7. 10. Schmidt (München) * 7. 10. Schmidt (Würgendorf) ** 7. 10. Schreiber * 6. 10. Schwabe * 7. 10. Dr. Schwencke (Nienburg) ** 7. 10. Seefeld * 7. 10. Sieglerschmidt * 6. 10. Dr. Freiherr Spies von Büllesheim ** 7. 10. Dr. Staudt 7. 10. Frau Steinhauer 7. 10. Ueberhorst ** 7. 10. Dr. Vohrer ** 7. 10. Wehner 7. 10. Dr. Wörner 7. 10. von Wrangel 7. 10. Würtz * 7. 10. Zebisch ** 7. 10. Zywietz * 6. 10.
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    Rede von Dr. Hans Apel


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (SPD)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)

    Ich glaube, Herr Kollege, wir sollten erst einmal sehr deutlich unterscheiden zwischen Gemeinden und Gemeinden. Der Herr Kollege Professor Ehmke hatte heute morgen durchaus recht, als er feststellte, daß hier große Unterschiede von Gemeinde zu Gemeinde vorhanden sind. Das liegt ja auch auf der Hand. Einer Gemeinde die z. B. ein Automobilwerk oder eine expansive Industrie — wir haben ja eine ganze Reihe expansiver Wirtschaftszweige — in ihren Mauern beherbergt, geht es sehr gut. Auf der anderen Seite gibt es natürlich mit absoluter Sicherheit Gemeinden, die in einem hohen Maße Rezessionsindustrien in ihren Mauern haben und von jeher Probleme haben. Nur, Herr Kollege Dr. Waffenschmidt, eines geht natürlich überhaupt nicht, daß Sie nämlich für die Schwierigkeiten, die bei einer ganzen Reihe von Gemeinden vorhanden sind, die Bundesregierung, den Bundesgesetzgeber verantwortlich machen wollen. Das Grundgesetz regelt die Fragen ganz eindeutig so, daß Länder- und Gemeindehaushalte und -finanzen eine Sache sind und davon getrennt die Bundesfinanzen zu betrachten sind.
    Die einzige Frage, die Sie an den Bundesgesetzgeber, d. h. an uns, stellen können, ist, ob wir
    — und da greife ich eine Bemerkung von Herrn Kollegen Dr. Strauß auf — durch unsere Gesetzgebung in den letzten Jahren etwas getan haben, das die Gemeindehaushalte in einem so großen Maße belastet hat, daß dadurch Verantwortung auf den Bund übertragen wurde. Sie haben soeben auf die Sozialausgaben Bezug genommen. Sie denken hier wahrscheinlich insbesondere an die Sozialhilfeausgaben.
    — Sie nicken, ich sehe, daß Sie dem zustimmen. Da muß ich aber darauf aufmerksam machen, daß sich das ja wohl ein bißchen anders darstellt. Das Bundessozialhilfegesetz wurde Anfang der sechziger Jahre geschaffen. Die Regelsätze werden seit jeher von den Ländern festgesetzt. Insofern sehe ich eigentlich nicht ganz, wie Sie — im übrigen war das
    stets eine einvernehmliche Gesetzgebung in diesem Hause — die Bundesregierung dafür verantwortlich machen können. Ich kann nur feststellen — und ich habe das gestern in meiner Einbringungsrede unterstrichen —: die Umsatzsteuerneuverteilung rückwirkend ab 1. Januar 1977 ist für die Länder unerwartet günstig ausgefallen. Alle Länder haben erklärt, sie würden daraus den Gemeinden den ihnen gebührenden Anteil geben, nicht zuletzt, um die Steuerausfälle bei den Gemeinden auszugleichen, die dadurch entstehen, daß natürlich das Steuerpaket, das wir bereits beschlossen haben, auch das neue Steuerpaket, bei den Gemeinden Ausfälle bringt, um die Gemeinden wieder so zu stellen, wie es vorher war, also z. B. dem Beispiel des Landes Nordrhein-Westfalen zu folgen, das in einer sehr großzügigen, generösen und ökonomisch vernünftigen Weise trotz einer Haushaltssteigerung von 9 v. H. die Gemeinden in die Lage versetzt, ihre Investitionen vorzunehmen. Hier müssen in der Tat die Verantwortlichkeiten richtig zugemessen werden.

    (Abg. Waffenschmidt [CDU/CSU] meldet sich zu einer Zwischenfrage)

    — Entschuldigen Sie, es geht nun nicht, daß Ihre Sprecher ununterbrochen Zwischenfragen ablehnen und Sie mit mir hier in einen Dialog eintreten wollen.
    Ich möchte zu einer zweiten Bemerkung von Herrn Kollegen Dr. Strauß kommen. Herr Strauß hat, wenn ich ihn richtig verstanden habe, gesagt, die Mehrausgaben 1979 seien sehr viel weniger konjunkturpolitisch, sondern seien in gewissem Sinne Ausgaben für die Unterstützung der Rentenversicherungsträger und deswegen seien sie konjunkturpolitisch nicht so zu motivieren und zu begründen, wie ich das gestern getan habe.

    (Strauß [CDU/CSU] : Verschiebebahnhof!)

    — Ja. Ich will dazu folgendes sagen. Erstens stimmt es, daß im nächsten • Jahr die Sozialausgaben um 3,2 Milliarden DM steigen. Das sind nun keineswegs nur Leistungen an die Bundesanstalt für Arbeit und vorzeitige Tilgung von Schulden an die Rentenversicherungsträger, sondern auch andere Leistungen. Nur, die Alternative wäre ja wohl eine ins Haus stehende Beitragserhöhung gewesen. Insofern stelle ich fest: es ist sehr wohl konjunkturpolitisch vernünftig, drohende Beitragserhöhungen von den Bürgern wegzunehmen und auf den Bundeshaushalt zu übernehmen, weil es ja unklug gewesen wäre, Steuersenkungen konjunkturpolitisch zu motivieren und damit Beitragserhöhungen einhergehen zu lassen.
    Zweitens übersehen Sie, Herr Kollege Dr. Strauß
    — dieses ist kein Vorwurf, im Endeffekt liegt das dicke Buch Bundeshaushalt ja erst einige Tage vor —, daß wir trotz dieser Operation — diese 3,2 Milliarden DM sind keine investiven Ausgaben, es sind, wenn Sie so wollen, konsumtive Ausgaben, um in unserer Definition zu bleiben — die investiven Ausgaben gegenüber den Finanzplanungen um über 5 Milliarden DM haben steigern können, weil



    Bundesminister Dr. Apel
    wir eben in anderen Bereichen zusammengestrichen und eingeschränkt haben.

    (Zuruf von der CDU/CSU: Bundesbahn!)

    Damit wird deutlich, daß meine Aussage stimmt, daß wir im wesentlichen mehr als Haushaltssteigerungen gegenüber dem Finanzplan die investiven Ausgaben steigern.
    Ich will Ihnen auch gern vorführen, wenn Sie hier schon eine Zwischenfrage stellen, wo diese investiven Ausgaben angesiedelt sind: 2 Milliarden DM Programm Zukunftsinvestitionen, 200 Millionen DM Energieeinsparungsprogramm, davon dann im übernächsten Jahr bereits eine halbe Milliarde D-Mark, 1,3 Milliarden DM Investitionszuschüsse sowohl für den Straßenbau als auch für die Deutsche Bundesbahn. 1,9 Milliarden DM sind eine Vielfalt von investiven Maßnahmen, die ich Ihnen nicht vortragen will, die aber alle eindeutig investiven Charakter haben, ob das nun Forschung und Technologie ist, ob das Entwicklungshilfe ist, ob das Anhebung der Gemeinschaftsaufgaben im Bereich der Landwirtschaft und vieles andere mehr ist.
    Herr Kollege Dr. Strauß hat dann eine weitere Bemerkung zum Haushalt gemacht, die ich gerne aufgreifen möchte. Sie haben mich wegen meiner Äußerung kritisiert, daß ich es für klug hielte oder, sagen wir vorsichtiger, für debattefähig hielte, Steuern jährlich anzupassen. Ich weiß eigentlich nicht, obwohl die ,,Bild"-Zeitung in einem Kommentar mich entsprechend angenommen hat — Sie haben das heute morgen sehr viel charmanter gemacht —, was gegen diese Idee spricht. Sie wird in einer ganzen Reihe von europäischen Ländern praktiziert. Ich sage Ihnen: Es geht wegen unserer föderalen Ordnung nicht, es geht nicht. Aber vernünftig wäre es doch, zusammen mit diesem Bundeshaushalt 1978 — nicht in zwei Vorlagen, die nur rein zufällig gemeinsam debattiert werden — dem Bürger auch eine Vorstellung davon zu geben, wie dieser Bundeshaushalt finanziert wird, und zwar eben nicht nur aus der Nettokreditaufnahme, sondern gegebenenfalls auch über Steuerveränderungen.

    (Dr. Häfele [CDU/CSU] : Stop and go!)

    Dies machen die Briten, dies machen die Franzosen, dies machen eine Reihe anderer Staaten.

    (von der Heydt Freiherr von Massenbach [CDU/CSU] : Mit hervorragendem Mißerfolg übrigens!)

    — Na, was die Defizite der öffentlichen Haushalte anbelangt, so ist Frankreich für uns alle sicherlich ein Vorbild. Ich weiß gar nicht, was dieser Zwischenruf soll. Diese Operation klappt. Ob anderes in diesen Ländern klappt, ist eine völlig andere Frage. Ich meine nur, wir sollten diesen Punkt nicht so ohne weiteres aus der Debatte ziehen.

    (Hasinger [CDU/CSU] : Was hat das mit Verstetigung zu tun?)

    — Dies wäre in gewissem Sinne auch eine Verstetigung unserer Steuerpolitik,

    (Erneuter Zuruf von der CDU/CSU)

    — Augenblick —, indem wir sehr schnell und sehr direkt auf konjunkturelle Lagen, auf wirtschaftspolitische Notwendigkeiten und Veränderungen reagieren könnten. Ich kann also nicht ganz verstehen, weswegen dies abstrus ist. Abstrus ist es lediglich vor dem Hintergrund unserer grundgesetzlichen Realität, vor dem Hintergrund der Mehrheitsverhältnisse im Bundesrat. Nur in diesem Zusammenhang habe ich von einer notwendigen Allparteienkoalition gesprochen.
    Lassen Sie mich — wir werden das ja morgen noch eingehend debattieren — zu einem weiteren Punkt kommen. Sie, Herr Kollege Dr. Strauß, haben sich hier erneut dafür ausgesprochen, daß es klüger gewesen wäre, das Stabilitäts- und Wachstumsgesetz anzuwenden, als eine sehr pointierte und zugespitzte steuerliche Entlastung vorzunehmen. Ich finde, Sie befinden sich damit — das werfe ich Ihnen nicht vor
    — in einem eindeutigen Widerspruch zu der Bundesratsmeinung, wie sie zu unseren Vorschlägen geäußert worden ist und wie sie sich insbesondere durch die Vorlagen — es sind ja zwei Vorlagen des Freistaates Bayern — sichtbar gemacht hat. Man kann ja von diesen Vorschlägen des Freistaates Bayern halten, was man will: Mein Haupteinwand besteht darin, daß sie sofort Steuerausfälle in Höhe von fast 17 Milliarden DM produzieren würden. Dies würde bei den Gemeinden, bei den Freunden von Herrn Dr. Waffenschmidt und bei den Freunden von Herrn Dr. Schmitt-Vockenhausen sofort entsprechende prozyklische Reaktionen auslösen. Dies ist mein zentraler Einwand gegen das Paket,

    (Dr. Waffenschmidt [CDU/CSU] : Die Bayern haben aber wenigstens Vorschläge für die Gemeinden gemacht!)

    wenngleich ich im übrigen noch andere Einwände habe.
    Hier sehen Sie, daß der Bundesrat — einvernehmlich! — z. B. auch von dieser sehr linearen und pauschalen Regelung überhaupt nichts hält und daß der Freistaat Bayern, wie gesagt, in zwei Gesetzentwürfen sehr pointiert und sehr zugespitzt Maßnahmen vorschlägt. Dies scheint mir auch durchaus angemessen zu sein. Nur, wie gesagt, mein zentraler Einwand sind die Kosten. Denn wir müssen die Doppeloperation in der Tat in einer vernünftigen Relation sehen.
    Ansonsten habe ich zu dem Teil der Haushaltsdebatte hier im Moment nichts zu sagen. Ich denke, wir werden die Debatte morgen fortsetzen. Dann werde ich gegebenenfalls erneut reagieren müssen.
    Lassen Sie mich jetzt, wenn Sie so wollen, als Vorsitzender der Kommission, die diesen Leitantrag produziert hat, einige Bemerkungen anschließen. Ich kann natürlich, Herr Kollege Dr. Barzel, durchaus verstehen, daß Sie die Abstimmung der letzten Woche als einen Auftakt sehen, nun die Mehrheitsverhältnisse hier im Deutschen Bundestag so zu verändern, daß für Sie wieder der Weizen blüht. Nur, von dieser einen Abstimmung her läßt sich natürlich überhaupt nichts ableiten. Wie oft sind Sie in früheren Abstimmungen schon auseinandergefallen! Auch dies gehört mit zur parlamentarischen Demo-



    Bundesminister Dr. Apel
    kratie: daß man dies erträgt, auch wenn man sich darüber ärgert. Dies will ich Ihnen ohne weiteres zugeben.
    Aber woher nehmen Sie Ihre Annahme, diese Bundesregierung sei nicht mehr handlungsfähig? Haben wir nicht mit einer knappen Mehrheit — die Mehrheit ist knapp, und sie gibt uns auch Probleme auf — in diesen ersten neun Monaten trotz des Bundesrates eine ganze Reihe von schwerwiegenden Operationen durchgestanden? Ich will Ihnen nur einige Beispiele geben: Wir haben das Steuerpaket durchgebracht. Am Ende hat das Land Bayern diesem Steuerpaket zugestimmt. Wir haben das Ausbildungsplatzförderungsgesetz gegen Ihren massiven Widerstand durchgebracht. Wir haben das Kostendämpfungsgesetz im Gesundheitswesen nach Kompromissen im Bundesrat — gebe ich zu — durchgebracht. Wir haben ein sehr umfassendes Programm für die Stabilisierung der Wohnungsbauwirtschaft — Regionalprogramm, Fortsetzung des sozialen Wohnungsbaues für Schwerpunktgruppen — durchgesetzt. Wir haben die Außenpolitik, auf die Sie zunehmend einschwenken, konsequent fortgesetzt, und auch die Rentenbeschlüsse haben wir durchgesetzt.

    (Prinz zu Sayn-Wittgenstein-Hohenstein [CDU/CSU]: Die Reparatur steht jetzt im Haushalt!)

    Herr Kollege Dr. Barzel, eigentlich war es schade, daß Sie hier in den Ton einer allgemeinen Wahlkampfrede für irgendeinen Marktplatz verfallen sind und nicht Ihrer bisherigen Linie einer sehr sachlichen Argumentation gefolgt sind.

    (Beifall bei der SPD)

    Ich weiß überhaupt nicht, woher Sie diesen Optimismus nehmen.
    Ich denke, wir haben ein Problem.

    (Zuruf von der CDU/CSU: Problemchen!)

    Das Problem ist, daß Sie meine Herren von der Opposition, so schwach sind, daß wir manchmal meinen, uns deswegen etwas leisten zu können. Ich wünschte, Sie würden besser werden. Dies wäre die beste Peitsche für uns. Nur Sie sind eben leider nicht so besonders gut. Ihre Rede heute war auch kein Beitrag zu einer solchen Verbesserung.

    (Beifall bei der SPD — Haase [Kassel] [CDU/ CSU] : Herr Apel, über Ihre Bonität werde ich gleich reden!)

    Nun brauche ich eigentlich nichts weiter dazu zu sagen, wie Sie die Situation unseres Landes gemalt haben.

    (Dr. Barzel [CDU/CSU] : Nein, nein, das reicht!)

    Dies haben die beiden Fraktionssprecher deutlich gemacht.
    Wenn man eine Woche in Washington war, wenn man sich eine Woche lang hat anhören müssen, was für ein starkes Land dies ist, welche Lokomotivfunktion dieses Land für den Welthandel hat, was man von uns erwartet, wenn man hört — —

    (Strauß [CDU/CSU]: Das gibt Auftrieb! — Heiterkeit bei der CDU/CSU)

    — Nein, die Position, die ich dort zu vertreten hatte, war teilweise sehr schwierig. Wenn man hört, wie die anderen uns sehen und dagegen Ihre Rede hört, wenn man zurückkommt, dann weiß man wirklich nicht, in welchem Land man sich befindet. Ich will das nicht vertiefen. Herr Kollege Graf Lambsdorff und Herr Reuschenbach haben dies sehr deutlich dargestellt.
    Eines fand ich bemerkenswert. Ich habe extra auf die Uhr geschaut. Sie haben 25 Minuten über die Sozialdemokraten geredet. Und dann haben Sie es sich sehr bequem gemacht, als es darum ging, die wirtschaftspolitische, die gesellschaftspolitische und die sozialpolitische Position dieser CDU/CSU in diesen Monaten darzustellen. Dazu haben wir dann vier Punkte gehört, zu denen ich gerne noch etwas sagen möchte.
    Bevor ich dazu etwas sage, gehe ich noch auf diesen Leitantrag ein. Ich bin dafür, daß Sie ihn lesen.

    (Zuruf von der CDU/CSU)

    — Wenn Sie ihn gelesen haben, dann ist mein Vorwurf noch berechtigter. Dann muß ich nämlich sagen: Das, was Sie zu diesem Antrag ausgeführt haben, geht in die Nähe der Diffamierung. Was Sie gesagt haben, steht alles nicht in dem Antrag. Ich werde Ihnen jetzt einiges vorlesen. Dann sollen Sie mir sagen, ob Sie dieses mit Ihren Aussagen für vereinbar halten. Wir können diese Debatte gerne morgen oder wann immer Sie wollen fortsetzen.
    Hier steht — ein ganz wichtiges Zitat —:
    Die staatliche Mitverantwortung in der Marktwirtschaft für einen hohen Beschäftigungsgrad ist vor allem durch die Bemühungen von Sozialdemokraten im Stabilitäts- und Wachstumsgesetz sowie im Arbeitsförderungsgesetz verankert worden. Globalpolitische Maßnahmen müssen in erster Linie in den Bereichen der Finanzpolitik und der Geldpolitik ansetzen.
    Dies ist doch richtig, oder wollen Sie das bestreiten? Ein weiterer Satz:
    Globalpolitik allein reicht zur Lösung der derzeitigen und bevorstehenden wirtschaftspolitischen Probleme nicht aus.
    Dieser Satz ist doch richtig. Wie anders wäre es zu erklären, daß ich in diesen Tagen mit der deutschen Stahlindustrie sprechen muß, daß die Werftindustrie Schwierigkeiten hat, daß wir im Bereich der Luft-und Raumfahrtindustrie sektoral eingreifen müssen, daß wir im Bereich der Textilindustrie Probleme haben, daß wir überhaupt eine regionale Strukturpolitik und eine Branchenstrukturpolitik machen müssen. Der zitierte Satz stimmt also doch.
    Das einzige, was Sie uns bei diesem Satz und anderen Sätzen in diesem Papier vorwerfen könnten,



    Bundesminister Dr. Apel
    ist, daß wir nicht bei Ludwig Erhards Marktwirtschaft à la 1949 stehengeblieben sind,

    (Beifall bei der SPD)

    sondern daß wir in der Großen Koalition gemeinsam das Stabilitäts- und Wachstumsgesetz beschlossen haben, wenn Sie so wollen, als Teil der Fortentwicklung der Marktwirtschaft zu einer Marktwirtschaft mit Steuerungselementen. Sie könnten uns im Zusammenhang mit diesem Satz ferner vorwerfen, daß wir in dieser Koalition die weltweite Bedeutung unserer Wirtschaftspolitik und auch der Marktwirtschaftspolitik erkannt haben. Dies kann doch nicht bestritten werden. Nur unter diesem Rubrum kann ich doch die hohen Kosten der Europäischen Gemeinschaft verbuchen und ertragen. Dies ist Teil der Solidarität in Europa, wenn ich auch lieber Solidarität über andere Wege als über Agrarpolitik finanzieren würde. Aber dies ist eine weitere Frage.
    Jetzt kommt es darauf an — und damit bin ich bei den Strukturräten —, eine gewisse Ordnung in unsere regionale und in unsere Branchenstrukturpolitik hineinzubringen. Ich spüre es doch als Finanzminister, wie hier gegeneinander gearbeitet wird, wie mit der einen Hand gegeben und mit der anderen Hand behindert wird.
    Hier steht folgender Satz — und ich frage Sie erneut, ob Sie die Richtigkeit dieses Satzes bestreiten wollen —:
    Gezielte Strukturpolitik kann nur betrieben werden, wenn die Quantität, Qualität und Zeitabfolge geplanter Investitionen durchsichtig sind.
    Da muß ich Sie fragen: Ist dies denn falsch? Das muß ich um so mehr fragen, als sich dies im wesentlichen auf staatliche Investitionen bezieht.
    Ist der Satz falsch — es ärgert mich seit langem, daß wir hier nicht weitergekommen sind —, daß die Erfolgskontrolle der Subventionen ausgebaut und verfeinert werden muß? Ist das nicht richtig?

    (Beifall bei der SPD)

    Ist es nicht vernünftig, einmal ein Bild darüber zu bekommen, was denn eigentlich mit den vielen Milliarden geschieht? Ich gebe zu, daß dies vielen unbequem ist, auch vielen Sozialdemokraten, die Wahlkreise vertreten. Das haben sie nicht so gern: Erfolgskontrolle bei Erhaltungssubventionen. Ist dies falsch, oder ist dies richtig? Dieses ist die Fortentwicklung der Marktwirtschaft. Marktwirtschaft funktioniert nur dann, wenn hier nicht Dauersubventionstatbestände geschaffen werden, wenn im Endeffekt nicht die Verluste sozialisiert werden.


Rede von Richard Stücklen
  • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (CSU)
  • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CSU)
Gestatten Sie eine Zwischenfrage, Herr Minister? — Herr Kollege Barzel, bitte schön.

  • insert_commentNächste Rede als Kontext
    Rede von Dr. Rainer Barzel


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (CDU)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CDU)

    Herr Kollege Apel, würden Sie die Güte haben, auf die zwei Schwerpunkte meiner Kritik, zu denen auch Graf Lambsdorff Stellung genommen und gesagt hat, dies sei nicht marktwirtschaftlich, nämlich die Aktivreserve und die Investitionsanmeldung, zu sprechen zu kommen?