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ID0802610900

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    Plenarprotokoll 8/26 Deutscher Bundestag Stenographischer Bericht 26. Sitzung Bonn, Donnerstag, den 12. Mai 1977 Inhalt: Eintritt der Abg. Frau Dr. Riede (Oeffingen) und des Abg. Thüsing in den Deutschen Bundestag 1817 A Abwicklung der Tagesordnung . . . . 1817 B Absetzung der Punkte 6, 7 und 8 von der Tagesordnung 1817 B Überweisung von Vorlagen an Ausschüsse 1817 C Amtliche Mitteilungen ohne Verlesung . . 1817 D Begrüßung des Präsidenten der Kommission der Europäischen Gemeinschaften . . . . 1819 A Abgabe einer Erklärung der Bundesregierung zu den Londoner Gipfeltreffen Schmidt, Bundeskanzler . . . . . . . 1819 A Strauß CDU/CSU . . . . . . . . . 1825 A Wehner SPD 1832 C Dr. Graf Lambsdorff FDP . . . . . . 1838 C Zweite und dritte Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Zwanzigsten Rentenanpassung und zur Verbesserung der Finanzgrundlagen der gesetzlichen Rentenversicherung (Zwanzigstes Rentenanpassungsgesetz) — Drucksache 8/165 — Bericht des Haushaltsausschusses gemäß § 96 der Geschäftsordnung — Drucksache 8/351 — Beschlußempfehlung und Bericht des Ausschusses für Arbeit und Sozialordnung — Drucksache 8/337 — in Verbindung mit Zweite und dritte Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Dämpfung der Ausgabenentwicklung und zur Strukturverbesserung in der gesetzlichen Krankenversicherung (Krankenversicherungs-Kostendämpfungsgesetz) — Drucksachen 8/166, 8/173 — Bericht des Haushaltsausschusses gemäß § 96 der Geschäftsordnung — Drucksache 8/352 — Beschlußempfehlung und Bericht des Ausschusses für Arbeit und Sozialordnung — Drucksache 8/338 — in Verbindung mit Zweite und Dritte Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Neunten Gesetzes über die Anpassung der Leistungen des Bundesversorgungsgesetzes (Neuntes Anpassungsgesetz KOV) — Drucksache 8/167 — Bericht des Haushaltsausschusses gemäß § 96 der Geschäftsordnung — Drucksache 8/353 — Beschlußempfehlung und Bericht des Ausschusses für Arbeit und Sozialordnung — Drucksache 8/339 — Franke CDU/CSU 1842 C, 1864 D Egert SPD 1853 C Dr. Ehrenberg, Bundesminister BMA . . . 1862 A Schmidt (Kempten) FDP . . . . . . . 1865 B, 1912C, 1919 D Dr. Blüm CDU/CSU 1873 A Glombig SPD 1876 A Cronenberg FDP 1880 C, 1905 A Schedl CDU/CSU 1884 D Urbaniak SPD 1887 D Hölscher FDP 1890 A, 1896 C Frau Dr. Neumeister CDU/CSU 1891 D Kratz SPD - 1894 C Dr. Becker (Frankfurt) CDU/CSU . . . 1899 B Kuhlwein SPD 1902 B Höpfinger CDU/CSU 1907 B Jaunich SPD 1909 D Burger CDU/CSU 1914 D Gansel SPD 1917 C Nächste Sitzung 1920 C Anlage Liste der entschuldigten Abgeordneten . . 1921* A Deutscher Bundestag — 8. Wahlperiode — 26. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 12. Mai 1977 1817 26. Sitzung Bonn, den 12. Mai 1977 Beginn: 9.01 Uhr
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    Anlage Liste der entschuldigten Abgeordneten Abgeordnete(r) entschuldigt bis einschließlich Adams * 13. 5. Dr. van Aerssen * 13. 5. Dr. Aigner * 13. 5. Alber * 13. 5. Bahr 12. 5. Dr. Bangemann * 13. 5. Dr. Bayerl * 13. 5. Frau Benedix 12. 5. Blumenfeld * 13. 5. Dr. Dregger 13. 5. Fellermaier * 13. 5. Flämig * 13. 5. Dr. Früh* 13. 5. Dr. Fuchs * 13. 5. Haase (Fürth) * 13. 5. Haberl 13. 5. Hoffmann (Saarbrücken) * 13. 5. Dr. Jahn (Braunschweig) * 13. 5. Katzer 13. 5. Dr. Klepsch * 13. 5. Dr. h. c. Kiesinger 13. 5. Klinker ' 13. 5. Kunz (Berlin) * 13. 5. *) für die Teilnahme an Sitzungen des Europäischen Parlaments Anlage zum Stenographischen Bericht Abgeordnete(r) entschuldigt bis einschließlich Prof. Dr. Laermann 12. 5. Dr. Graf Lambsdorff 13.5. Lange * 13.5. Dr. Lenz (Bergstraße) 13.5. Lücker * 13. 5. Müller (Mülheim) * 13.5. Müller (Wadern) * 13. 5. Dr. Müller-Hermann * 13. 5. Pieroth 13. 5. Prof. Dr. Pinger 13. 5. Schmidt (München) * 13. 5. Schreiber * 13. 5. Schwabe * 13. 5. Dr. Schwörer * 13.5. Seefeld * 13. 5. Sieglerschmidt a 13. 5. Spitzmüller 12. 5. Dr. Starke (Franken) * 13. 5. Dr. Staudt 27. 5. Frau Steinhauer 27. 5. Frau Tübler 27. 5. Dr. Wallmann 12.5. Frau Dr. Walz * 13.5. Wawrzik * 13. 5. Frau Will-Feld 27. 5. Dr. Wörner 12. 5. von .Wrangel 13. 5. Würtz * 13. 5. Zeyer * 13. 5. Zywietz * 13. 5.
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    Rede von Dr. Hanna Neumeister


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (CDU/CSU)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CDU)

    Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Nach dem außerordentlich versöhnlichen und konstruktiven Ausklang der Diskussion über die Rentenversicherung durch den Beitrag des Kollegen Hölscher können wir uns nun der Krankenversicherung zuwenden. Meine Kollegen Dr. Becker, Höpfinger und ich werden nun die Änderungsanträge der CDU/CSU-Fraktion auf den Drucksachen 8/391 bis 8/419 — jeweils gebündelt nach Sachgebieten — begründen.
    Herr Minister Ehrenberg behauptet allein durch den Namen, den er dem Gesetz gegeben hat, das eine Änderung der Strukturen unseres Gesundheitswesens vorsieht, daß er damit bei der gesetzlichen Krankenversicherung kostendämpfend wirken will. Er ist uns bisher nur den Beweis schuldig geblieben, wo diese Kostendämpfung erreicht wird und wieso z. B. § 180 Abs. 1, der die Anhebung der Beitragsbemessungsgrenze von bisher 75 % auf 85 % der Beitragsbemessungsgrenze in der Rentenversicherung verfügt, auch in dieses Konzept paßt. Dies ist nämlich keineswegs eine Maßnahme der Kostendämpfung, sondern eine Maßnahme, um den Krankenkassen automatisch ein höheres Beitragsaufkommen zu bescheren.

    (Lutz [SPD]: Gnädige Frau, Sie irren sich!)

    Alle Versicherten, deren Lohn oder Gehalt über 2 550 DM liegt, werden zusätzlich zu den 1,2 bis 1,6 Prozentpunkten, die sie ja jetzt schon an durchschnittlicher Beitragserhöhung auf Grund der Ver-



    Frau Dr. Neumeister
    lagerung des Rentendefizits auf die Krankenversicherung auf sich nehmen müssen,

    (Hört! Hört! bei der CDU/CSU)

    noch einmal zur Kasse gebeten, so daß im Schnitt dabei Beiträge von nahezu 400 DM herauskommen. Und dies, meine Damen und Herren, trägt die FDP, die sich so gern zum Anwalt der Interessen der Angestellten und des Mittelstands macht, kommentarlos mit!

    (Müller [Remscheid] [CDU/CSU] : Hört! Hört!)

    Vielleicht kriegen wir allerdings noch einen Kommentar.
    Mit solchen Beiträgen aber ist die gesetzliche Krankenversicherung bei sogenannten guten Risiken nicht mehr konkurrenzfähig.

    (Müller [Remscheid] [CDU/CSU] : Entsolidarisierung!)

    Man rechnet daher mit einer Abwanderung von etwa 20 °/o der freiwillig Versicherten, wodurch der geplante finanzielle Effekt wieder völlig aufgehoben wird.

    (Lutz [SPD] : Sie irren erneut!)

    Entsprechende Abwanderungen, Herr Lutz, kann man jetzt schon feststellen, sie sind schon zu beobachten. Man sieht, daß allein durch die Beratung dieses Gesetzes der Konflikt in vielen Bereichen gefördert wird. Wir haben es ganz eindeutig mit einem Konfliktprogrammierungskonzept zu tun.

    (Dr. Blüm [CDU/CSU] : Sehr gut! — Egert [SPD] : Wir sind hier doch nicht auf dem Ärztetag!)

    Die Folge dieser Änderung wird also eine Entsolidarisierung sein. Entsolidarisieren können sich aber nur Angestellte, jedoch keine Arbeiter, für die unbeschränkt die Versicherungspflicht besteht. Das Solidarisierungsprinzip, auf dem die gesamte gesetzliche Krankenversicherung nun einmal beruht, wird hiermit in Frage gestellt.
    Je mehr diese Entsolidarisierung erfolgt, desto stärker wird sich der Gesetzgeber einfach gezwungen sehen, dieser Entwicklung Einhalt zu gebieten. Mit Ihrem neuen § 176 gehen Sie ja bereits diesen Weg. Herr Kollege Egert sagt, Sie hätten die Schlupflöcher geschlossen,

    (Lutz [SPD] : Das ist wahr!)

    indem Sie eine Versicherung dieser Personengruppe, die aus der Erhöhung der Beitragsbemessungsgrenze entsprechende Konsequenzen gezogen hat, in der Rentnerkrankenversicherung nicht mehr ermöglichen.
    Dann aber ist es schließlich kein weiter Weg mehr zur allgemeinen Versicherungspflicht, zunächst aller Angestellten, später der gesamten Bevölkerung. Dann, meine Damen und Herren, haben wir doch die Volksversicherung, die sogar der Bundeskanzler Schmidt schon im Jahre 1974 in einer Festschrift für seinen damals noch in Amt und Würden befindlichen Arbeitsminister Walter Arendt als die „traditionelle sozialistische Konzeption der Sozialdemokratie" feierte.

    (Zuruf von der SPD: Es lebe die Solidarität!)

    Die CDU/CSU-Fraktion lehnt daher die in § 180 RVO vorgesehene Anhebung der Beitragsbemessungsgrenze ab.
    Auch über das Leistungsrecht führt der Gesetzentwurf zur absoluten Vereinheitlichung der Kassen. Es wird eine Einheitsgebührenordnung geschaffen, die ein völlig einheitliches Leistungsangebot bewirkt. Die E-Adgo wird hoch gelobt, aber es wird den Ersatzkassen zugleich die Möglichkeit genommen, das eigenverantwortlich fortzuführen, was überhaupt die Modernität und Fortschrittlichkeit der E-Adgo ausmacht,

    (Müller [Berlin] [CDU/CSU] : Jetzt müßte der Kollege Schmidt zuhören!)

    der Gebührenordnung, die im Gegensatz zu der durch Bürokratie an notwendiger Anpassung gehinderten allgemeinen Gebührenordnung in Selbstverwaltung zwischen Ersatzkassen und Ärzten fortentwickelt wurde.
    Die geplante Einheitsgebührenordnung für alle Kassen würde aber einen weiteren Schritt zur bürokratischen Einheitsversicherung bedeuten,

    (Zuruf des Abg. Lutz [SPD])

    in der der Versicherte keinen Service, kein Bemühen um seine Anliegen mehr erwarten könnte, sondern vielmehr zu einem Verwaltungsobjekt degradiert würde. Vor allen Dingen — wir sind hier ja bei der Kostendämpfung — würde eine Einheitsversicherung auf keinen Fall kostengünstiger arbeiten, als jetzt das gegliederte Versicherungssystem zu arbeiten in der Lage ist.

    (Beifall bei der CDU/CSU)

    Ebensowenig stehen einheitliche Bewertungsmaßstäbe, die durch rechtlich verselbständigte Bewertungsausschüsse für sämtliche Kassenarten innerhalb der sozialen Krankenversicherung einheitlich festgelegt werden sollen, mit den Grundsätzen der gegliederten Krankenversicherung, der Vertragsfreiheit, der Selbstverwaltung und der Wirtschaftlichkeit in Einklang.

    (Müller [Berlin] [CDU/CSU] : Sehr richtig!)

    Die Vereinheitlichung von bestehenden Bewertungsmaßstäben, die harten Eingriffe in das Satzungsrecht wie auch der vorgesehene Finanzausgleich würden die gegliederte Krankenversicherung beseitigen und somit zu einer Systemänderung des Strukturprinzips der sozialen Krankenversicherungen führen. Wir sehen uns daher außerstande, dem § 368 i Abs. 8 bis 10 zuzustimmen. Wir beantragen die Streichung.
    Unverständlich ist mir, daß diese zentralistischdirigistischen Maßnahmen von einer Partei mitgetragen werden, die das Wort „liberal" in ihrem Namen trägt,

    (Beifall bei der CDU/CSU — Zuruf von der CDU/CSU: Und draußen ganz anders redet!)




    Frau Dr. Neumeister
    von einer Partei, die in ihrem Gesundheitsprogramm 1976 davon spricht, die freiheitlichen Strukturen des gegliederten Krankenversicherungssystems und seiner Selbstverwaltung auszubauen, einer Partei, deren sozialpolitischer Sprecher, Schmidt (Kempten), den wir heute nachmittag hier schon erlebt haben, ebenfalls im Wahljahr 1976 die Worte sagte, die man voller Wehmut und als nostalgische Auflockerung der heutigen sozialpolitischen Szene lesen kann — ich zitiere mit Genehmigung der Frau Präsidentin wörtlich —:
    Eingriffe in die Gliederung, auch durch Einheitshonorare, Einheitsbeiträge und Finanzausgleich zwischen den Kassenarten, lehnt die FDP ab.

    (Hört! Hört! bei der CDU/CSU)

    Jeder Eingriff in das gegliderte System schränkt die Freiheit des einzelnen und seine Mitverantwortung ein.
    Vielleicht fühlen sich die Herren und Damen von der FDP verpflichtet, alles dies, was hier konzipiert ist, mitzumachen, um die von Herrn Egert so hoch gelobte Zusammenarbeit mit Ihnen nicht zu gefährden.

    (Prinz zu Sayn-Wittgenstein-Hohenstein [CDU/CSU] : Macht korrumpiert!)

    Aber stimmt es nicht nachdenklich, Herr Egert — ich glaube, das sollte uns alle nachdenklich stimmen —, und zeugt es nicht doch von gewissen Dissonanzen, wenn der SPD-Gesundheitssenator Brückner ausgerechnet den Grafen Lambsdorff mit mit Worten „Abfalleimer einer reaktionären Gesundheitspolitik" abqualifiziert hat?

    (Franke [CDU/CSU] : Kann man das noch einmal hören?)

    Das, meine Damen und Herren, ist der Stil zwischen guten Koalitionspartnern, daß man sagt, Graf Lambsdorff solle nun langsam „mit dem Abfalleimer einer reaktionären Gesundheitspolitik" in die Wüste gehen.

    (Müller [Remscheid] [CDU/CSU] : Würden Sie das noch einmal sagen, Frau Kollegin?)

    Ich weiß, daß Sie, meine Damen und Herren der SPD und, wie wir ja vorhin gehört haben, Herr Schmidt (Kempten) von der FDP, es gar nicht so gern hören, wenn wir von der „Einheitsversicherung" sprechen. Aber wundert Sie das eigentlich angesichts dieses Gesetzes noch? Wundert Sie das, wenn Sie feststellen müssen, daß auch wir die Aussagen Ihres Gesundheitsexperten Friedel Laepple lesen — das Buch kam ja gerade noch rechtzeitig heraus, und wir haben es natürlich wißbegierig, wie wir in der Opposition sind, gelesen. Dieser Herr Laepple sagt, daß er zunächst durch Plafondierung der Beitragssätze den nötigen Reformdruck erzeugen, auf diese Weise das integrierte System medizinischer Versorgung einführen will und die Bürger durch eine einheitliche Pflichtversicherung unter Beseitigung der Exklusivität der Ersatzkassen beglükken will.

    (Egert [SPD] : Reden Sie doch einmal zum Gesetzentwurf, Frau Kollegin! —Lutz [SPD] : Das wäre sehr hilfreich!)

    Meinen Sie, wir könnten die unaufhörlich wiederkehrenden Forderungen Ihrer Jusos nach einer Einheitsversicherung und auch die Bleichlautenden programmatischen Aussagen Ihrer verschiedenen Programme überhören?
    Wir sehen deswegen in der Einbeziehung der Ersatzkassen in das RVO-Recht einen ganz entscheidenden Punkt, der unser bestehendes Gesundheitssystem, die Individualität der Bürger und die Effektivität der Selbstverwaltung erheblich gefährdet. Wir können daher auch Ihrem neuen § 525 c RVO nicht zustimmen, da wir die Gefahr sehen, daß in einer solchen veränderten Konzeption die Selbstverwaltung so geschwächt wird, daß sie ihrer kritischen Funktion gegenüber der unmittelbaren Staatsverwaltung nicht mehr gerecht werden kann. Die Folge würde unweigerlich sein, daß die gesetzliche Krankenversicherung über kurz oder lang in die unmittelbare Staatsverwaltung integriert wird.

    (Zuruf von der SPD)

    Bei der Anhörung gab es gewiß Proteste. Es waren gar nicht alle für diesen Entwurf. Da haben einige der Herren, die heute gesprochen haben, nicht richtig, zugehört. Wenn aber dann Herr Schmidt (Kempten) sagt, daß die Ersatzkassen dort reine Interessenvertretung betrieben hätten, kann man nur sagen, daß er nicht recht erkannt hat, daß es ums Überleben geht, nicht nur der Kassen, sondern auch der Vertretung der Bürger, die noch die Möglichkeit haben müssen, frei zu wählen, in welcher Kasse sie ihr Zuhause finden.

    (Beifall bei der CDU/CSU)

    Meine Damen und Herren, die CDU/CSU-Fraktion wird dafür sorgen, daß es Ihnen nicht gelingt, in dem aufgerührten trüben Wasser der Diskussion um die Finanzmisere der Rentenversicherung so ganz unmerklich den Bürgern ein neues Gesundheitssystem zu präsentieren, die rechtlichen Beziehungen der Träger der Krankenversicherung zu ihren Vertragspartnern zu zentralisieren, zu nivellieren mit einer durchaus möglichen erstrebten und auch resultierenden langsam verlaufenden De-facto-Herstellung einer Einheitsversicherung mit einer ständig steigenden Vergrößerung des Einflusses des Staates.

    (Kühbacher [SPD] : Dieses war nicht zu verstehen!)

    — War nicht zu verstehen? Das kann ich Ihnen noch einmal sagen. Ich wollte Ihnen damit nur sagen, daß wir durch eine Einheitsversicherung immer mehr Einfluß des Staates bekommen und daß das ganz sicherlich keine liberale Aktion sein wird. Wir werden auf diese Weise eine Bürokratisierung unserer gesamten Krankenversicherung haben. Dadurch werden wir ganz sicher nicht kostendämpfend und besser arbeiten können.

    (Beifall bei der CDU/CSU — Franke [CDU/ CSU] : Für solche Zwischenfragen kriegst du immer 20 Pfennig! — Zurufe von der SPD — Weiterer Zuruf von der SPD: Das erste war die FDP-Fassung, das zweite die SPD-Fassung!)




    Frau Dr. Neumeister
    — Wir müssen ja immer ein bißchen wechseln, damit das nicht immer nur in eine Richtung geht.

    (Dr. Blüm [CDU/CSU] : Der hat es immer noch nicht verstanden!)

    Völlig unverständlich ist, daß Sie, meine Damen und Herren von der Koalition, nun auch noch am Kassenarztrecht, das wir gerade am Ende der letzten Legislaturperiode novelliert haben und das am 1. Januar 1977 in Kraft getreten ist, schon wieder herumbasteln müssen. Eigentlich müßte man ja annehmen, daß ein solches Gesetz, das gerade erst über die Bühne gegangen ist, so gut ist, daß man nicht schon wieder daran arbeiten muß.
    Herr Egert, es tut mir leid, aber ich spreche schon wieder darüber: Sie haben es vorhin schon angedeutet, daß ich Ihnen jetzt vorwerfen würde, Sie gingen erneut den Schritt zur Institutionalisierung der Medizin, indem sie die vorstationäre Diagnostik und die nachstationäre Therapie in verstärktem Maße den Krankenhäusern übertragen, obgleich einem jeden, der die Kostenentwicklung im Krankenhaus kennt, klar ersichtlich ist, daß diese Maßnahme niemals zur Kostendämpfung, sondern im Gegenteil zu einer Ausweitung der Kosten im stationären Bereich führen muß, ganz davon abgesehen, daß Sie auch hier die bewährte Vertrauensbasis zwischen Arzt und Patient stören. Aber Sie müssen hier anscheinend die Forderung Ihrer Jusos und Ihres Gesundheitsexperten Läpple erfüllen und den Sicherstellungsauftrag der Kassenärztlichen Vereinigung in Frage stellen.

    (Lachen bei der SPD)

    Ein weiterer Schritt in dieser Richtung ist die Ausweitung dieser Beteiligung der Krankenhausfachärzte an der ambulanten Versorgung, die die im Weiterentwicklungsgesetz gerade beschlossene Bedarfsplanung unweigerlich in Frage stellen wird und letztlich zu einer schlechteren ambulanten Versorgung der Bevölkerung führen muß.
    Die angebliche Förderung der von uns allen gewünschten Ausweitung des Belegarztsystems muß als politisches Feigenblatt angesehen werden, da Sie durch die Art der Honorierung praktisch jegliches Interesse an belegärztlicher Tätigkeit im Keime ersticken werden. Wir haben daher einen eigenen Vorschlag für die belegärztliche Tätigkeit eingebracht.
    Meine Damen und Herren aus der SPD, vielleicht stimmt Sie — und damit komme ich zum Schluß — ein Wort der Ihrer Partei angehörenden ehemaligen Gesundheitsministerin Käte Strobel nachdenklich, die 1972 in einem offenen Brief sagte:
    Gerade im Gesundheitswesen, in dem sich weite Bereiche für eine gesetzliche Regelung nicht eignen, ist das gegenseitige Vertrauen unerläßliche Voraussetzung für den Erfolg der gemeinsamen Bemühungen

    (Müller [Remscheid] [CDU/CSU] : Sehr wahr! — Lutz [SPD]: Das kann man unterschreiben!)

    um das Vertrauen zwischen Arzt und Patient,
    aber auch das Vertrauen zwischen freien Kräften
    und Staat. Nur wenn dieses Vertrauen zerstört oder auch nur ernsthaft gestört wird, ist unser Gesundheitswesen — und mehr als das — wirklich in Gefahr.

    (Beifall bei der CDU/CSU — Lutz [SPD] : Wir müssen es entstören, Frau Kollegin!)



Rede von Liselotte Funcke
  • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (FDP)
  • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (FDP)
Das Wort hat der Abgeordnete Kratz.

  • insert_commentNächste Rede als Kontext
    Rede von Paul Kratz


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (SPD)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)

    Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Frau Kollegin Neumeister, es scheint unser beider Schicksal zu sein, daß wir immer zur späten Abendstunde gegeneinander sprechen müssen.

    (Burger [CDU/CSU] : Es ist doch noch früh! — Dr. Blüm [CDU/CSU] : Spät kommt er, doch er kommt! — Weitere Zurufe von der CDU/CSU)

    Ich werde auf die „Schlupflöcher", die Sie in bezug auf meinen Kollegen Egert erwähnt haben, eingehen und im wesentlichen zwei dieser von Ihnen erwähnten „Schlupflöcher" behandeln.
    Ich habe schon während der gesamten Debatte darauf gewartet, wann denn nun endlich die Jusos drankommen. Davon habe ich heute noch gar nichts gehört. Daß dies ausgerechnet Ihnen vorbehalten blieb, Frau Kollegin, ist eigentlich schade. Das wäre auf unseren Kollegen Franke besser zugeschnitten gewesen als auf Sie. Aber nun haben Sie davon gesprochen.

    (Burger [CDU/CSU] : Ist Läpple ein Juso?)

    Wenn ich mit meinen Ausführungen fertig bin, werden Sie unschwer erkennen, meine Damen und Herren, daß wir für das, was wir hier machen, die Jusos eigentlich gar nicht brauchen.

    (Dr. Becker [Frankfurt] [CDU/CSU] : Habt ihr sie unter Verschluß?)

    Wir sind ja hier ein selbständiges und souveränes Parlament, und wir tun in diesem Parlament unsere Arbeit.
    Nun aber zum ersten „Schlupfloch", Frau Kollegin. Der Entwurf des Kostendämpfungsgesetzes sieht vor

    (Müller [Remscheid] [CDU/CSU] : „Schlupfloch"?)

    — ja, sie hat davon im Zusammenhang mit den Ausführungen meines Kollegen Egert gesprochen —, daß der Kreis der Personen, die wegen Bezugs einer Rente in der gesetzlichen Krankenversicherung beitragsfrei versichert sind, eingeschränkt wird. Dies ist eine notwendige Konsequenz des auch von Ihnen in Ihrem Beitrag soeben einige Male erwähnten Solidaritätsgrundsatzes. Nur derjenige soll in der Krankenversicherung der Rentner ohne eigene Beitragsleistung versichert sein, der ihr mindestens das halbe Erwerbsleben lang angehört und damit angemessen zu ihrer Finanzierung beigetragen hat. Künftige Rentner, die diese Voraussetzung nicht erfüllen, sind aber nach unserer Auffassung und auch nach dem Entwurf nicht schutzlos. Sie können freiwillig später der gesetzlichen Krankenversicherung



    Kratz
    beitreten. Den Vorwurf des Vertrauensbruchs, der vor allem von denen erhoben wird, die sich auf Grund der Regelung des Rentenreformgesetzes von 1972 sehr preiswert in die gesetzliche Rentenversicherung haben einkaufen können, u. a. in der Erwartung, dadurch auch einen ausreichenden Krankenversicherungsschutz zu erwerben, weise ich deshalb entschieden zurück.
    Allerdings wird der Schutz im allgemeinen nicht so billig sein, wie sich das jener Personenkreis ursprünglich vorgestellt hat. Die Betreffenden müssen nämlich einkommensgerechte Beiträge zahlen. Dazu erhalten sie aber wie grundsätzlich alle nicht versicherungspflichtigen Rentner einen Beitragszuschuß aus der gesetzlichen Rentenversicherung in Höhe von 11 % des Rentenzahlbetrages. Wir haben bei den Beratungen sichergestellt, daß dieser Beitrag nur solchen Rentnern offensteht, die ihre Chancen einer Sicherung im Krankheitsfall im Rahmen der gesetzlichen Krankenversicherung wahrnehmen und sich damit am Solidarausgleich beteiligen.
    Schon der Regierungsentwurf hatte vorgesehen, daß der Beitritt dem Rentner versagt werden sollte, der sich durch Befreiung von der Versicherungspflicht ganz bewußt von der gesetzlichen Krankenversicherung abgewandt hatte. Wir haben diesen Gedanken in den Beratungen konsequent weitergeführt und ihn auf die Personen ausgedehnt, die trotz Beitrittsmöglichkeit nicht Mitglied der Solidargemeinschaft der Krankenversicherten werden. Diese Ausdehnung ist sachgerecht und entspricht auch den Interessen der Versichertengemeinschaft. Wer während seines Erwerbslebens der gesetzlichen Krankenversicherung beitreten kann, es aber nicht tut, oder wer ihr angehört, aber aus eigener Willensentscheidung aus ihr austritt, gibt damit zu erkennen, daß er seine Sicherung im Krankheitsfall nicht im System der gesetzlichen Krankenversicherung, sondern in einer anderen Versicherungsform verwirklicht haben möchte. Diese von ihm selbst zu treffende Entscheidung respektiert der Gesetzgeber, knüpft daran aber entsprechende Rechtsfolgen.
    Nun ein Wort zur privaten Krankenversicherung. Der Gesetzgeber anerkennt — ich komme damit auch zu einer Formulierung, Frau Kollegin, die Sie hier gebraucht haben — in dem von ihm gesetzten Rahmen die private Krankenversicherung als Alternative zum System der gesetzlichen Krankenversicherung. Das ist keine Gleichmacherei oder eine allgemeine Volksversicherung, wie Sie es angedeutet haben. Diese Alternative muß sich aber auch über das ganze Erwerbsleben und auf den Lebensabend erstrecken. Es geht nicht an und entspricht wohl nicht dem Selbstverständnis der privaten Krankenversicherung, nur eine Versicherung während des Erwerbslebens zu sein. Auch die private Krankenversicherung ist keine Versicherung für Schönwetter.

    (Sehr wahr! bei der SPD)

    Wer seine Sicherung während des Erwerbslebens in der privaten Krankenversicherung sucht, sollte sie auch im Ruhestand dort finden.

    (Beifall bei der SPD)

    Wir wehren uns mit aller Entschiedenheit gegen die Haltung, sich bei der Sicherung im Krankheitsfall nur die Rosinen herauszupicken

    (Zuruf von der SPD: So ist es!)

    und sich darauf zu verlassen, daß am Ende des Arbeitsleben die Zuflucht zur Krankenversicherung der Rentner offensteht.

    (Beifall bei der SPD)

    In der Krankenversicherung der Rentner sind Trittbrettfahrer unerwünscht.

    (Sehr richtig! bei der SPD)

    Dies entspricht dem Solidaritätsprinzip. Das entspricht auch dem Motto „Einer trage des anderen Last", wie es schon im Ursprung der gesetzlichen Krankenversicherung vorgesehen ist.
    Die Beitrittsberechtigung für Rentner ist so ausgestaltet worden, daß die Auswirkungen nur für die Zukunft eintreten werden. Das heißt, wenn der Rentner seinen Rentenantrag nach dem 30. Juni 1978 stellt und ab 1. Juli 1977 die Möglichkeit des Beitritts zur gesetzlichen Krankenversicherung gehabt, sie aber nicht wahrgenommen hat, oder Mitglied gewesen ist und ab 1. Juli 1977 ausgetreten ist, ist ein Eintritt bzw. Wiedereintritt nicht möglich. Kein späterer Rentner wird sich deshalb darauf berufen können, er sei von der Neuregelung, wie wir sie jetzt beschließen wollen, überfahren worden. Er kann sich nach dem Inkrafttreten des Gesetzes auf diese für ihn veränderte Rechtslage einrichten.