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ID0802608000

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    Plenarprotokoll 8/26 Deutscher Bundestag Stenographischer Bericht 26. Sitzung Bonn, Donnerstag, den 12. Mai 1977 Inhalt: Eintritt der Abg. Frau Dr. Riede (Oeffingen) und des Abg. Thüsing in den Deutschen Bundestag 1817 A Abwicklung der Tagesordnung . . . . 1817 B Absetzung der Punkte 6, 7 und 8 von der Tagesordnung 1817 B Überweisung von Vorlagen an Ausschüsse 1817 C Amtliche Mitteilungen ohne Verlesung . . 1817 D Begrüßung des Präsidenten der Kommission der Europäischen Gemeinschaften . . . . 1819 A Abgabe einer Erklärung der Bundesregierung zu den Londoner Gipfeltreffen Schmidt, Bundeskanzler . . . . . . . 1819 A Strauß CDU/CSU . . . . . . . . . 1825 A Wehner SPD 1832 C Dr. Graf Lambsdorff FDP . . . . . . 1838 C Zweite und dritte Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Zwanzigsten Rentenanpassung und zur Verbesserung der Finanzgrundlagen der gesetzlichen Rentenversicherung (Zwanzigstes Rentenanpassungsgesetz) — Drucksache 8/165 — Bericht des Haushaltsausschusses gemäß § 96 der Geschäftsordnung — Drucksache 8/351 — Beschlußempfehlung und Bericht des Ausschusses für Arbeit und Sozialordnung — Drucksache 8/337 — in Verbindung mit Zweite und dritte Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Dämpfung der Ausgabenentwicklung und zur Strukturverbesserung in der gesetzlichen Krankenversicherung (Krankenversicherungs-Kostendämpfungsgesetz) — Drucksachen 8/166, 8/173 — Bericht des Haushaltsausschusses gemäß § 96 der Geschäftsordnung — Drucksache 8/352 — Beschlußempfehlung und Bericht des Ausschusses für Arbeit und Sozialordnung — Drucksache 8/338 — in Verbindung mit Zweite und Dritte Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Neunten Gesetzes über die Anpassung der Leistungen des Bundesversorgungsgesetzes (Neuntes Anpassungsgesetz KOV) — Drucksache 8/167 — Bericht des Haushaltsausschusses gemäß § 96 der Geschäftsordnung — Drucksache 8/353 — Beschlußempfehlung und Bericht des Ausschusses für Arbeit und Sozialordnung — Drucksache 8/339 — Franke CDU/CSU 1842 C, 1864 D Egert SPD 1853 C Dr. Ehrenberg, Bundesminister BMA . . . 1862 A Schmidt (Kempten) FDP . . . . . . . 1865 B, 1912C, 1919 D Dr. Blüm CDU/CSU 1873 A Glombig SPD 1876 A Cronenberg FDP 1880 C, 1905 A Schedl CDU/CSU 1884 D Urbaniak SPD 1887 D Hölscher FDP 1890 A, 1896 C Frau Dr. Neumeister CDU/CSU 1891 D Kratz SPD - 1894 C Dr. Becker (Frankfurt) CDU/CSU . . . 1899 B Kuhlwein SPD 1902 B Höpfinger CDU/CSU 1907 B Jaunich SPD 1909 D Burger CDU/CSU 1914 D Gansel SPD 1917 C Nächste Sitzung 1920 C Anlage Liste der entschuldigten Abgeordneten . . 1921* A Deutscher Bundestag — 8. Wahlperiode — 26. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 12. Mai 1977 1817 26. Sitzung Bonn, den 12. Mai 1977 Beginn: 9.01 Uhr
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    Anlage Liste der entschuldigten Abgeordneten Abgeordnete(r) entschuldigt bis einschließlich Adams * 13. 5. Dr. van Aerssen * 13. 5. Dr. Aigner * 13. 5. Alber * 13. 5. Bahr 12. 5. Dr. Bangemann * 13. 5. Dr. Bayerl * 13. 5. Frau Benedix 12. 5. Blumenfeld * 13. 5. Dr. Dregger 13. 5. Fellermaier * 13. 5. Flämig * 13. 5. Dr. Früh* 13. 5. Dr. Fuchs * 13. 5. Haase (Fürth) * 13. 5. Haberl 13. 5. Hoffmann (Saarbrücken) * 13. 5. Dr. Jahn (Braunschweig) * 13. 5. Katzer 13. 5. Dr. Klepsch * 13. 5. Dr. h. c. Kiesinger 13. 5. Klinker ' 13. 5. Kunz (Berlin) * 13. 5. *) für die Teilnahme an Sitzungen des Europäischen Parlaments Anlage zum Stenographischen Bericht Abgeordnete(r) entschuldigt bis einschließlich Prof. Dr. Laermann 12. 5. Dr. Graf Lambsdorff 13.5. Lange * 13.5. Dr. Lenz (Bergstraße) 13.5. Lücker * 13. 5. Müller (Mülheim) * 13.5. Müller (Wadern) * 13. 5. Dr. Müller-Hermann * 13. 5. Pieroth 13. 5. Prof. Dr. Pinger 13. 5. Schmidt (München) * 13. 5. Schreiber * 13. 5. Schwabe * 13. 5. Dr. Schwörer * 13.5. Seefeld * 13. 5. Sieglerschmidt a 13. 5. Spitzmüller 12. 5. Dr. Starke (Franken) * 13. 5. Dr. Staudt 27. 5. Frau Steinhauer 27. 5. Frau Tübler 27. 5. Dr. Wallmann 12.5. Frau Dr. Walz * 13.5. Wawrzik * 13. 5. Frau Will-Feld 27. 5. Dr. Wörner 12. 5. von .Wrangel 13. 5. Würtz * 13. 5. Zeyer * 13. 5. Zywietz * 13. 5.
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    Rede von Dr. Norbert Blüm


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (CDU/CSU)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CDU)

    Herr Kollege, ich habe wenig Zeit; gestatten Sie, daß ich meine Antragsbegründung im Zusammenhang vortrage.

    (Zurufe von der SPD)

    Wir dagegen sehen den Krankenversicherungsbeitrag als eine zwar unpopuläre, aber gerechte, weil an der Belastbarkeit des Rentners bemessene Maßnahme zur Sanierung vor.

    (Zuruf des Abg. Egert [SPD])

    — Würden Sie vielleicht die Güte haben, einen Augenblick zuzuhören, statt Ihre aufgeschriebenen Zwischenrufe hier abzulassen!

    (Heiterkeit und Beifall bei der CDU/CSU — Zurufe von der SPD)

    Zweitens das Nettoprinzip. Es ist in allen Ihren Rechnungsgrundlagen enthalten. Auch „Nettoprinzip" heißt im Klartext Rentenkürzung, und zwar nicht nur allgemeine Rentenkürzung — das wäre schon schlimm genug —, sondern zusätzlich überdurchschnittliche Kürzung der Kleinrenten. Denn Durchschnittslösungen haben es so an sich, eine Seite zu benachteiligen, in diesem Falle die Kleinen.

    (Zuruf von der CDU/CSU: Leider wahr!)

    Eine solche Benachteiligung ist mit allen Durchschnittsrechnungen verbunden. Sie kennen das Beispiel: Wenn ein Mann zwei Koteletts ißt und der andere null, so hat im Durchschnitt jeder eines gegessen; nur, der eine ist hungrig und der andere satt. Ähnlich ist es mit Ihrem Nettoprinzip: Sie benachteiligen mit der Durchschnittsrechnung die kleinen Rentner. Deshalb, Herr Bundesarbeitsminister, sollten Sie sich nicht, wie Sie es heute getan haben, auf das hohe Roß begeben und uns unmoralische Handlungen unterstellen, wenn wir das attackieren. Ich finde, Sie sollten eine kleinere Ausgabe wählen.
    Auch in dem Bericht des Bundestagsausschusses steht schwarz auf weiß, daß die Bundesregierung bei der Berechnung der Finanzlage der Rentenversicherung für die Jahre 1979 und 1980 die Nettoanpassung ins Kalkül gezogen hat.

    (Zurufe von der SPD)

    — Wir werden doch wohl noch an das glauben dürfen, was schwarz auf weiß hier steht.

    (Egert [SPD] : Sie dürfen das aber nicht verdrehen!)

    — Ich weiß, daß wir gebrannte Kinder sind. Auch Herr Ehrenberg hat zu denen gehört, die vor dem 3. Oktober behauptet haben, nach dem 4. Oktober gäbe es keine Rentenversicherungsprobleme mehr.
    Nun zur Alternative selbst: Wir verlangen als Alternative — wir haben uns nicht darum gedrängt; denn wer mutet den Rentnern gern ein Opfer zu — einen Krankenversicherungsbeitrag.

    (Abg. Franke [CDU/CSU] meldet sich zu einer Zwischenfrage)

    — Herr Kollege Franke, da ich dem Kollegen von der FDP keine Frage gestattet habe, würde ich es unfair finden, Ihnen gegenüber anders zu verfahren.

    (Zuruf von der SPD: Er hat eine aufgeschriebene Frage!)

    — Ja, und zwar deshalb, weil man das, was man hier sagen will, besser aufschreibt, damit man es später nicht abgestritten bekommt.
    Zurück zum Krankenversicherungsbeitrag! Er soll nur von jenen Rentnern erhoben werden, denen er zugemutet werden kann. Wir wollen diejenigen Rentner davon befreien, die eine Rente beziehen, welche nicht mehr als 60 % der Eckrente beträgt



    Dr. Blüm
    und auf einer mindestens 25jährigen Beitragsleistung beruht. Das würde eine Freigrenze von im nächsten Jahr 656 DM bedeuten. Sie dagegen — um den Unterschied deutlich zu machen — scheren alle über einen Kamm, weil Ihnen offensichtlich die Phantasie für differenzierte Lösungen fehlt. Ohne Differenzierung aber gibt es keine Gerechtigkeit. Die Gerechtigkeit lebt von der Differenzierung.

    (Beifall bei der CDU/CSU)

    804 000. Rentnerhaushalte leben von einem Renteneinkommen, das dreimal so hoch ist wie das Sozialhilfeniveau. Für ein Ehepaar wären das 2 400 DM. Es gibt aber nicht nur jene „reichen" Rentner. Die Rückseite der Medaille: 1,1 Millionen Rentnerhaushalte mit 2,3 Millionen Personen haben eine Rente, die unter dem Sozialhilfesatz liegt. Die von Ihnen vorgesehene allgemeine Kürzung und Durchschnittslösung sieht von diesen unterschiedlichen Verhältnissen ab. Deshalb ist sie ungerecht und unsozial. Sie scheren Reich und Arm über denselben Kamm.

    (Beifall bei der CDU/CSU — Zurufe von der SPD)

    Das ist eben Ihr sozialpolitisches Instrumentarium: Ist Geld in der Kasse, benutzen Sie die Gießkanne; haben Sie kein Geld in der Kasse, benutzen Sie die Heckenschere. Gießkanne oder Heckenschere, mehr Gartengeräte haben Sie in der Sozialpolitik offensichtlich nicht.

    (Heiterkeit und Beifall bei der CDU/CSU)

    Solidarität kann nicht nur Verbundenheit der Jungen mit den Alten bedeuten, sondern Solidarität bedeutet auch Verbundenheit der Alten mit den Jungen. Warum sollen einem Familienvater mit 1 800 DM Einkommen Opfer in Form von zusätzlichen Beiträgen in dieser Krise zugemutet werden, einem Opa mit 1 800 DM Einkommen aber nicht? Das können Sie weder unter dem Gesichtspunkt der Gerechtigkeit noch unter sozialen Gesichtspunkten vertreten. Wir möchten alle, denen die Belastung zugemutet werden kann, an der solidarischen Anstrengung beteiligen.
    Ausgewogenheit zwischen Jung und Alt kann freilich nicht nur die Rente im Blick haben. Denn der Lebensstandard — und damit auch die Belastbarkeit — ist in manchen Fällen nicht nur von der Rente abhängig, sondern auch von einem zweiten oder einem dritten Einkommen. So kann es sein, daß auch ein Kleinrentner auf Grund von Mehrfacheinkommen einen so ausreichenden Lebensstandard hat, daß wir ihm solidarische Anstrengungen zumuten .können. Das wollen wir tun, indem wir an den Lasten der Rentnerkrankenversicherung diejenigen beteiligen, die davon profitieren, und dazu wollen wir nicht nur die Rente heranziehen, sondern alle Alterseinkommen, die Lohnersatzfunktion haben. Das geschähe im übrigen in Parallele zum Aktiven. Auch der aktive Arbeitnehmer zahlt, wenn er mehrere Lohneinkommen hat, seinen Krankenversicherungsbeitrag von allen diesen Lohneinkommen.
    Das Alterseinkommen, die Möglichkeit, nicht nur auf die Rente fixiert zu sein, also die Möglichkeit von Mehrfacheinkommen, wirft Fragen auf, auf die wir eine Antwort gesucht haben. Sie dagegen haben noch nicht einmal die Frage gestellt. Ihnen hat offensichtlich der Mut gefehlt, diese heißen Eisen anzupacken.
    Eine Rentensanierung, die sich mit einem Konzept verbindet, muß gerecht sein. Deshalb muß sie differenzieren nach der Belastbarkeit. Sie muß sozial sein. Deshalb kann sie nicht neue Anstrengungen von denen verlangen, die dann zur Sozialhilfe abgeschoben werden. Die Sanierung muß auch solide sein. Solide aber ist ein Rentenkonzept nicht, das saniert auf Kosten der Kommune, auf Kosten der Sozialhilfe. Das wäre die dritte Folge Ihres Konzeptes, auf das wir verzichten.

    (Beifall bei der CDU/CSU)

    Bei der Frage der Verteilung der Lasten der Krankenversicherung der Rentner — ein weiterer Antrag, ein weiterer Unterschied — nehmen Sie die Grenzlinie bei 11 %. Ich kann nur fragen: Wie kommen Sie dazu, 11 % als Beitrag der Rentenversicherung an die Krankenversicherung festzusetzen? Die Antwort ist relativ leicht: Der Rechenstift hat Ihnen die Hand geführt. Das ist nichts anderes als das Ergebnis eines Rechenexempels. Es gibt kein begründbares Prinzip dafür, daß Sie ausgerechnet 11 % sagen. Deshalb ist diese Grenze willkürlich gewählt.
    Wir wollen einen Beitrag der Rentenversicherung an die Krankenversicherung, der dem entspricht, was auch die Aktiven bezahlen. Wenn Ihre Rechnung nicht mehr stimmt, so fürchte ich, werden Sie den Grenzposten 11 % aus dem Boden reißen, unter die Arme nehmen und an einer anderen Stelle wieder einschlagen, nämlich dort, wo Ihre sozialpolitischen Rechenkünstler es empfehlen. Das wird im Zweifel immer zu Lasten der Krankenversicherung sein, denn die Beiträge in der Krankenversicherung erhöhen die fast 2 000 Selbstverwaltungen — man kann das dahin schieben —, während das in der Rentenversicherung hier der Bundestag und damit auch seine Mehrheit macht.

    (Egert [SPD] : Haben Sie dazu einen Antrag eingebracht, Herr Kollege?!)

    Was ist daran gerecht? Was ist daran vor allen Dingen sozial solide? Wir möchten nicht diese willkürliche Grenzziehung, sondern eine verläßliche, weil alle willkürlichen Grenzziehungen eine Einladung zu Grenzstreitigkeiten sind.

    (Zuruf von der SPD: Das gilt für das Einkommen nicht?)

    Ihr schlechtes Gewissen schlägt ja bereits. Sie haben eine Entschließung vorgelegt, haben wie immer das Problem auf Papier abgelegt, mit dem Sie diese Frage in drei Jahren wieder überprüfen wollen.
    Wir glauben, daß an der Grenze zwischen Renten- und Krankenversicherung, was die Altenlast anbelangt, Ruhe und Verläßlichkeit einkehren muß, denn je öfter über diese Grenze gestritten wird, um so mehr Ungewißheit und damit auch soziale Unsicherheit zieht in unser Rentensystem ein. In unsere Grenzziehung ist eine Automatik eingebaut, die ver-



    Dr. Blüm
    hindert, daß in die Sozialversicherung jene Hektik einzieht, von der die Politik ja offenbar befallen ist. Wir schaffen mit unserer Automatik so etwas wie eine Rückkopplung: Steigen die Beiträge der Krankenversicherung, müssen auch die Abgaben der Rentenversicherung an die Krankenversicherung steigen. Dieser Rückkopplungsprozeß wirkt stabilisierend. Ichmeine, meine Damen und Herren, wir brauchen in unserer Sozialpolitik mehr stabilisierende, mehr verläßliche Kriterien, damit die Hektik aus dieser Sozialpolitik verschwindet.

    (Beifall bei der CDU/CSU)

    Lassen Sie mich in der gebotenen Kurzfassung noch zu den Problemen der Aufstockung Stellung nehmen. Die Pflichtversicherten sollen also weiterhin nicht wie die freiwillig Versicherten behandelt werden. Ihre Altersversorgung kann nicht durch zusätzliche Leistungen so verbessert werden, daß dies auch in die Dynamisierung einmündet. Das gibt zweierlei Recht in der Rentenversicherung. Ich stelle in Kurzfassung fest: Die Sozialdemokraten als diejenigen, die Privilegien zementieren! Das müssen Sie den Arbeitnehmern einmal klarmachen!

    (Beifall bei der CDU/CSU — Widerspruch bei der SPD)

    — Wenn Sie es noch einmal hören wollen: Die Sozialdemokraten als Privilegienzementierer!
    Ein weiteres Problem, ein weiterer Antrag: Der Kinderzuschuß soll festgeschrieben werden. Davon werden gerade jene Familien betroffen, deren Einkommen auch in der Mehrzahl der Fälle auf einer kleinen Rente beruht. Es handelt sich nämlich in der Mehrzahl der Fälle um Frührentner. In der Mehrzahl der Fälle von Rentnern, die Kinder haben, werden es Frühinvaliden sein, jedenfalls solche, deren Rente nicht die normale Höhe erreicht hat. Ich verstehe nicht Ihren Ehrgeiz, warum Sie hier diese Dynamisierung abbauen und warum Sie hier festschreiben. Die Preissteigerungen haben Sie auch nicht festgeschrieben! Wenn Sie die Preissteigerungen entdynamisieren würden, wären wir auch damit einverstanden, daß wir den Kinderzuschuß entdynamisieren.

    (Beifall bei der CDU/CSU Zurufe von der SPD)

    Ja, meine Damen und Herren, die Familie hat in diesem Staate leider keine Lobby, und die Rentner haben kein Streikrecht. Die Gruppe, bei der diese beiden Nachteile, keine Lobby und kein Streikrecht zu haben, zusammentreffen, ist in Gefahr, von Ihnen an den Rand gedrängt, zu einer Randgruppe degradiert zu werden.

    (Beifall bei der CDU/CSU)

    Sie degradieren mit dieser Festschreibung die Frührentner mit Kindern zu einer Randgruppe.

    (Beifall bei der CDU/CSU — Zuruf von der SPD: Das nimmt Ihnen doch keiner ab!)

    Meine Damen und Herren! Lassen Sie mich abschließen. Jede Partei, jeder Sachverständige hat sicherlich Schwierigkeiten mit lang- und mittelfristigen Voraussagen, die auch der Rentenversicherung zugrunde liegen. Aber unsere Erwartungen sind ja gar nicht so hoch gespannt. Die Opposition ist schon zufrieden, wenn Sie wenigstens die kurzen Strecken, die kurzen Entfernungen richtig einschätzen. Die Treffsicherheit Ihrer Voraussage für das Jahr 1977 war allerdings die Treffsicherheit einer Schrotflinte;_Sie haben nämlich kaum den Punkt getroffen, der Ausgangslage einer soliden Berechnung gewesen wäre. Sie, die sich einst als Spezialisten für Langzeitprogramme darstellten, Herr Kollege Ehrenberg, als Experten für das Jahr 2000, Sie waren nicht in der Lage, seriöse Grundlagen für das Jahr 1977 zu schaffen.

    (Beifall bei der CDU/CSU)

    Sie rechnen in diesem Jahr mit 850 000 Arbeitslosen. Wir schreiben jetzt Mai und haben immer noch über 1 Million Arbeitslose. In den ersten vier Monaten dieses Jahres sind 1 Milliarde DM weniger in die Kasse geflossen, als geschätzt wurde. Wann, meine Damen und Herren, so frage ich Sie — vielleicht kommt heute noch eine Antwort —, wann kommt denn eigentlich der Aufschwung, auf den wir uns auch in der Rentenversicherung verlassen können?

    (Zuruf des Abg. Lutz [SPD])

    — Der sozialdemokratische Aufschwung, Herr Kollege Lutz, steht immer noch dort, wo er auch vor den Wahlen gestanden hat, nämlich auf dem Papier und in Ihren Propagandazeitschriften. Sonst steht er nirgendwo.

    (Beifall und Heiterkeit bei der CDU/CSU)

    Lassen Sie mich schließen, meine Damen und Herren, nicht ohne auch noch etwas Positives zu sagen. Gut ist es, daß die Renten in diesem Jahr so angehoben wurden, wie es alle Parteien vor der Wahl versprochen haben. Gut ist, daß damit der geplante Wortbruch am Widerstand der Öffentlichkeit und der Opposition gescheitert ist.

    (Lachen bei der SPD)

    Gut ist, daß damit jene widerlegt sind, die behauptet haben, in unserem Staat könnten „die da oben" machen, was sie wollten, und man könnte sich nicht wehren. Das Rentenbeispiel hat gezeigt, daß die Macht der Manipulation dieser Regierung beschränkt ist und daß wir uns auch in Zukunft dagegen wehren werden. Die Grenzen der Macht sind die Grenzen der Wahrheit. Daß der Herr Bundeskanzler, wie er in seiner Regierungserklärung zugegeben hat, über die Reaktion der Öffentlichkeit auf den geplanten Wortbruch überrascht war, zeigt nur, daß sich dieser Bundeskanzler der Grenzen seiner Macht nicht bewußt war.

    (Zuruf von der SPD: Das meinen Sie!)

    In der Sozialpolitik wird es nicht mehr ausreichen, nur Geld auszuteilen. Wir werden gar nicht so viel Geld haben, wie wir Probleme und Wünsche haben. Zur Sozialpolitik gehört ein Konzept. Zu einer Sozialpolitik, die zustimmungsfähig ist — Sie werden das in gehobenem Deutsch vielleicht „Legitimation" nennen —, gehören Gründe, die einsehbar sind, gehören Argumente und Prinzipien. Ihr Kon-



    Dr. Blüm
    zept verdient nicht den Anspruch, ein Rentenkonzept zu sein, das gerecht, sozial und solide genannt werden darf.

    (Beifall bei der CDU/CSU — Lutz [SPD] : Jetzt kommen Sie mal wieder zur Sache, Herr Blüm!)



Rede von Dr. Annemarie Renger
  • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (SPD)
  • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)
Das Wort hat der Herr Abgeordnete Glombig.

  • insert_commentNächste Rede als Kontext
    Rede von Eugen Glombig


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (SPD)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)

    Frau Präsident! Meine Damen und Herren! Herr Kollege Blüm hat hier wiederholt von Unterschieden in Rentenkonzeptionen gesprochen. Ich muß schon sagen: Das ist ein erstaunlicher Anspruch, den Herr Kollege Blüm an das gestellt hat, was er als Konzept von sich gegeben hat. Das, was wir vorgelegt haben, ist in der Tat ein Rentenkonzept.

    (Lachen bei der CDU/CSU)

    Das, was Sie vorgelegt haben, ist ein Torso. Es ist zum Teil auch unsinnig und widersinnig. Das schlimme ist eigentlich,

    (Zurufe von der CDU/CSU)

    — ich werde Ihnen das gleich mal beweisen; ich werde es ja nicht nur behaupten —, daß, Herr Kollege Blüm hier zweimal behauptet hat, sein sogenanntes Konzept wäre gerecht, sozial und solide. Das muß man einmal auf der Zunge zergehen lassen, um das richtig zu begreifen.

    (Dr. Blüm [CDU/CSU]: Das ist richtig!)

    — Überlegen Sie doch einmal, Herr Kollege Blüm, was Sie hier von sich gegeben haben. Sie haben unseren Kollegen von der sozialdemokratischen Fraktion und der freidemokratischen Fraktion den Vorwurf gemacht, sie wären Spezialisten im Verpackungschinesisch. Noch nicht einmal dazu hat es bei Ihnen gereicht.

    (Beifall bei der SPD und der FDP)

    Sie konnten das Unzulängliche, von dem Sie glaubten, es dem Volke anbieten zu können, noch nicht einmal so formulieren, daß der Anschein eines Konzepts aufrechterhalten werden konnte.
    Ich will Ihnen sagen — ich bedauere es eigentlich; es ist schade —, mir ist in letzter Zeit besonders aufgefallen, daß die Leichtfüßigkeit Ihrer Reden in einem krassen Widerspruch zu Ihrem hohen Ansehen als großer Sozialpolitiker in diesem Lande steht.

    (Beifall bei der SPD)

    Sie haben z. B. gesagt, 3 Millionen Rentner würden mit ihrer Rente nicht den Regelsatz der Sozialhilfe erreichen.

    (Franke [CDU/CSU]: Hat er nicht gesagt!)

    — Was hat er denn sonst gesagt?

    (Franke [CDU/CSU] : 2,3 Millionen!)

    — Also gut, 2,3 Millionen. Entschuldigung, ich nehme das zurück. Ich habe das dann wohl falsch verstanden. Aber wollen wir uns doch darüber gar nicht streiten.

    (Lachen bei der CDU/CSU)

    Sie wollten doch, Herr Kollege Blüm, im Grunde genommen damit zum Ausdruck bringen, daß es hier 2,3 Millionen arme Rentner gäbe, die einen Anspruch auf Leistungen der Sozialhilfe hätten, obwohl Sie doch wissen müßten, daß über 2 Millionen Rentner zwar mit ihrer Rente unter dem Sozialhilferegelsatz liegen, aber trotzdem nicht als arme Rentner gelten können, weil wir doch überhaupt nicht wissen, welches sonstige Einkommen Ihnen noch zur Verfügung steht.

    (Beifall bei der SPD und der FDP)

    Wir bemühen uns seit der ersten Lesung, Ihnen die Aufdeckung der Kumulationen von Sozialleistungen klarzumachen. Nur wenn Sie das wüßten, Herr Kollege Blüm, könnten Sie, wenn Sie dazu noch in der Lage wären, hier große Reden über ein Konzept halten, das Sie bis jetzt aber noch nicht haben.

    (Prinz zu Sayn-Wittgenstein-Hohenstein [CDU/CSU] : Ich hoffe, Herr Gansel hört jetzt zu!)

    Ich finde, die Tatsache, daß die Regelsätze in der Sozialhilfe in den vergangenen Jahren überproportional gestiegen sind — das haben wir letzten Endes auch gewollt —, ist eben der Ausdruck des Wohlstandes in unserem Volk, aber doch nicht ein Ausdruck von Armut. Auch das muß man einmal sagen.

    (Beifall bei der SPD und der FDP — Zuruf von der CDU/CSU: Die Bürger sehen das ganz anders!)

    Meine Damen und Herren, ich komme zur 11-Prozent-Grenzziehung bei dem Beitragssatz der Krankenversicherung der Rentner. Wann endlich geht es Ihnen ein, Herr Kollege Blüm und Herr Kollege Franke, daß wir in der gesetzlichen Krankenversicherung kein besonderes Risiko und keine besondere Risikoabdeckung z. B. für Sozialrentner wollen? Wann endlich begreifen Sie, daß es sich zu 85 % um Leute handeln, die ein Leben lang ihre Beiträge zur gesetzlichen Krankenversicherung gezahlt haben, und die nicht höher belastet werden dürfen als andere Versicherte der gesetzlichen Krankenversicherung? Sie wollen die höhere Belastung dadurch, daß Sie von diesen Rentnern noch zusätzlich einen Krankenversicherungsbeitrag fordern, übrigens nicht nur von der Rente, sondern auch von den Zusatzleistungen, z. B. von den Betriebsrenten. Ich komme darauf noch zurück.

    (Beifall bei der SPD und der FDP)

    Von einem solchen Konzept, Herr Kollege Blüm, sagen Sie — man muß das noch einmal hören —, es bedeute Ruhe und Verläßlichkeit und keine Hektik. Ich hätte Ihnen da wirklich eine ruhigere Hand in der Beantwortung dieser Frage gegönnt. Sie nehmen hier eine Sache zu Lasten der Rentner vorweg. Wie sich das auswirkt, werde ich Ihnen gleich noch darzustellen versuchen.
    Lassen Sie mich aber erst drei Bemerkungen machen, denn wir sind ja hier in der Einzelberatung.

    (Zuruf von der CDU/CSU: Nun kommt er zur Sache!)




    Glombig
    — Ja, zur Sache! Das ist alles zur Sache, wenn Sie es noch nicht wissen sollten. Die CDU/CSU-Fraktion hat uns wir haben es ja gehört und gesehen — heute mit einem ganzen Bündel von Anträgen beglückt. Lassen Sie mich doch dazu drei grundsätzliche Bemerkungen machen, also zur gemeinsamen Einstimmung.
    Erstens. Unter den Anträgen befindet sich einer, der sich mit der Verwendung von Mitteln der Rentenversicherungsträger für den Wohnungsbau befaßt. Das ist eine kuriose Angelegenheit. Es geht um die Drucksache 8/384. Sehen Sie sich das einmal an. Es handelt sich um eine Regelung, die im Ausschuß nicht nur einstimmig beschlossen, sondern dort von der CDU/CSU selber beantragt worden ist — derselben CDU/CSU, die sie nun durch ihren Antrag rückgängig machen will.

    (Zurufe von der CDU/CSU)

    Ich kann mir angesichts dieses Antrages die Verwirrung vorstellen, die in der CDU/CSU-Fraktion bei der Beratung dieser Gesetzentwürfe geherrscht haben muß. Das sollten Sie auch nicht damit entschuldigen, daß zu wenig Zeit geblieben sei. Denn wir haben Ihnen in der letzten Beratungswoche einen zusätzlichen Beratungstag angeboten; aber Sie haben davon keinen Gebrauch gemacht.

    (Dr. Blüm [CDU/CSU]: Sogar einen ganzen Tag!)

    Die zweite Vorwegfeststellung. Auf der Drucksache 8/387 befindet sich ein Antrag, der mit wenigen Worten besagt, der Bund solle in dem Zeitraum vom 1. 7. 1977 bis 1980 sage und schreibe 3,5 Milliarden DM an die Rentenversicherung erstatten,

    (Müller [Berlin] [CDU/CSU] : Na, und?)

    und zwar auch für die Dynamisierung des Kinderzuschusses, deren Einstellung Herr Kollege Blüm hier so bedauert hat. Das bedeutet, daß diese Dynamisierung auf Kosten des Bundeshaushalts über die Leistungen des Bundeskindergeldgesetzes für andere Kinder hinaus durchgeführt werden soll.

    (Dr. Blüm [CDU/CSU] : Genau das!)

    Das ist ein beachtlicher Vorschlag. Wenn man so auf Kosten anderer die Aufrechterhaltung der Dynamisierung begründet und untermauert, wirkt das natürlich weiter.
    Bezüglich der Festschreibung des Kinderzuschusses von zur Zeit 152,90 DM — bei denen, die ab 1. Januar Kinderzuschuß bekommen, ist dieser Betrag noch höher, nämlich über 160 DM —

    (Franke [CDU/CSU] : Für den Rentenhaushalt!)

    wird morgen die Kollegin Lepsius in der dritten Lesung unseren Antrag begründen und dazu einige grundsätzliche Ausführungen machen.
    Die dritte Bemerkung:

    (Zuruf von der CDU/CSU: Das tut weh!) — Das tut überhaupt nicht weh; nein, nein. Seien Sie doch nicht so aufgeregt. Was soll das denn?


    (Zurufe von der CDU/CSU)

    Wenn es mir weh täte, wäre ich aufgeregt; aber ich bin es ja gar nicht.
    Also die dritte Vorbemerkung: Eine besondere Bedeutung hat natürlich der Antrag der Opposition zur Beteiligung der Rentner an der Krankenversicherung mit 2,6 % und später 4 % der Renten. Man muß diesen Antrag zusammen mit dem vergeblichen Versuch des Abgeordneten Franke und auch des Abgeordneten Blüm, den ich ja so hoch schätze, sehen, die Nettoanpassung der Renten — koste es, was es wolle — als feststehende Tatsache darzustellen, weil Sie sich hier zu weit aus dem Fenster gewagt haben und weil das, was nach Ihrer Einschätzung unbedingt hätte kommen müssen, nicht kam.

    (Dr. Blüm [CDU/CSU] : Da steht es gedruckt!)

    Dafür schlagen Sie die Beteiligung der Rentner als Alternative vor.

    (Dr. Blüm [CDU/CSU] : Was soll das denn alles?)

    Na, wir werden ja morgen in der Abstimmung bei der zweiten Beratung sehen, wie Sie dazu stehen. Ich hoffe, daß Sie dann dabei bleiben.
    Ich werde gleich auf den sachlichen Inhalt des Antrags eingehen. Jetzt möchte ich nur folgendes anregen, Herr Kollege Franke. Ihre Voraussetzungen entfallen ja, nachdem meine Kollegen Minister Ehrenberg und Jürgen Egert deutlich erklärt haben, daß die Nettoanpassung bei dieser Abstimmung nicht zur Debatte steht.

    (Zurufe von der CDU/CSU)

    Ich will Ihnen das heute abend wiederholen, sooft Sie es hören wollen. Es wäre konsequent, wenn die CDU/CSU — denn damit begründet sie ja den Antrag auf Einführung des Rentnerkrankenversicherungsbeitrags — den Antrag auf Drucksache 8/376 zurückziehen würde. Überlegen Sie sich das mal bis morgen! Sonst stimmen wir darüber ab. Wir wollen das nämlich jetzt wissen.
    Und nun zum Inhalt des Antrages der CDU/CSU auf Einführung eines Krankenversicherungsbeitrags der Rentner. Die SPD-Bundestagsfraktion lehnt diesen Antrag ab. Ich will das kurz begründen, damit es nochmals ganz deutlich wird — unter Umständen auch zum Mitschreiben.

    (Dr. Blüm [CDU/CSU] : Es wird ja mitgeschrieben, nämlich von den Stenographen! — Weiterer Zuruf von der CDU/CSU: Langsamer, Herr Glombig!)

    — Vielleicht brauchen Sie das schon zum Wochenende.
    Die Einführung eines Rentnerkrankenversicherungsbeitrags nach dem Muster der CDU/CSU ist zur Konsolidierung der Rentenversicherung nicht ausreichend. Herr Kollege Franke, Sie sollten aufpassen; jetzt geht es um Sie! Nach eigener Feststellung des Abgeordneten Franke in der Pressekonferenz



    Glombig
    vom 16. März 1977 klafft im sogenannten Konzept der CDU/CSU-Fraktion bis 1980 eine Finanzierungslücke von sage und schreibe 5,5 Milliarden DM. Hätten wir ein solches Konzept vorgelegt, ich hätte das Geschrei in diesem Hause und anderswo nicht erleben mögen.

    (Beifall bei der SPD)

    Sie haben doch gar keine Veranlassung, aus der Meldung vom gestrigen Tage, daß angeblich 1 Milliarde DM fehlen, politisches Kapital zu schlagen. Dieser Betrag fehlt doch nur deshalb, weil den freiwillig Versicherten bisher nicht gesagt worden ist, wohin sie ihre Beiträge überweisen sollen, weil ihnen bisher noch keine Antragsvordrucke geschickt wurden. Bekanntlich haben wir das Markenverfahren auf das Einzugsverfahren umgestellt. Ohne Zweifel sind da gewisse verwaltungstechnische Unzulänglichkeiten im Spiel, und nun wird versucht, auch mit Hilfe von Rentenversicherungsträgern — das gebe ich zu —, das politisch zu verwerten. Ich finde das unerhört.

    (Beifall bei der SPD)