Rede:
ID0802604700

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Metadaten
  • insert_drive_fileAus Protokoll: 8026

  • date_rangeDatum: 12. Mai 1977

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    Plenarprotokoll 8/26 Deutscher Bundestag Stenographischer Bericht 26. Sitzung Bonn, Donnerstag, den 12. Mai 1977 Inhalt: Eintritt der Abg. Frau Dr. Riede (Oeffingen) und des Abg. Thüsing in den Deutschen Bundestag 1817 A Abwicklung der Tagesordnung . . . . 1817 B Absetzung der Punkte 6, 7 und 8 von der Tagesordnung 1817 B Überweisung von Vorlagen an Ausschüsse 1817 C Amtliche Mitteilungen ohne Verlesung . . 1817 D Begrüßung des Präsidenten der Kommission der Europäischen Gemeinschaften . . . . 1819 A Abgabe einer Erklärung der Bundesregierung zu den Londoner Gipfeltreffen Schmidt, Bundeskanzler . . . . . . . 1819 A Strauß CDU/CSU . . . . . . . . . 1825 A Wehner SPD 1832 C Dr. Graf Lambsdorff FDP . . . . . . 1838 C Zweite und dritte Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Zwanzigsten Rentenanpassung und zur Verbesserung der Finanzgrundlagen der gesetzlichen Rentenversicherung (Zwanzigstes Rentenanpassungsgesetz) — Drucksache 8/165 — Bericht des Haushaltsausschusses gemäß § 96 der Geschäftsordnung — Drucksache 8/351 — Beschlußempfehlung und Bericht des Ausschusses für Arbeit und Sozialordnung — Drucksache 8/337 — in Verbindung mit Zweite und dritte Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Dämpfung der Ausgabenentwicklung und zur Strukturverbesserung in der gesetzlichen Krankenversicherung (Krankenversicherungs-Kostendämpfungsgesetz) — Drucksachen 8/166, 8/173 — Bericht des Haushaltsausschusses gemäß § 96 der Geschäftsordnung — Drucksache 8/352 — Beschlußempfehlung und Bericht des Ausschusses für Arbeit und Sozialordnung — Drucksache 8/338 — in Verbindung mit Zweite und Dritte Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Neunten Gesetzes über die Anpassung der Leistungen des Bundesversorgungsgesetzes (Neuntes Anpassungsgesetz KOV) — Drucksache 8/167 — Bericht des Haushaltsausschusses gemäß § 96 der Geschäftsordnung — Drucksache 8/353 — Beschlußempfehlung und Bericht des Ausschusses für Arbeit und Sozialordnung — Drucksache 8/339 — Franke CDU/CSU 1842 C, 1864 D Egert SPD 1853 C Dr. Ehrenberg, Bundesminister BMA . . . 1862 A Schmidt (Kempten) FDP . . . . . . . 1865 B, 1912C, 1919 D Dr. Blüm CDU/CSU 1873 A Glombig SPD 1876 A Cronenberg FDP 1880 C, 1905 A Schedl CDU/CSU 1884 D Urbaniak SPD 1887 D Hölscher FDP 1890 A, 1896 C Frau Dr. Neumeister CDU/CSU 1891 D Kratz SPD - 1894 C Dr. Becker (Frankfurt) CDU/CSU . . . 1899 B Kuhlwein SPD 1902 B Höpfinger CDU/CSU 1907 B Jaunich SPD 1909 D Burger CDU/CSU 1914 D Gansel SPD 1917 C Nächste Sitzung 1920 C Anlage Liste der entschuldigten Abgeordneten . . 1921* A Deutscher Bundestag — 8. Wahlperiode — 26. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 12. Mai 1977 1817 26. Sitzung Bonn, den 12. Mai 1977 Beginn: 9.01 Uhr
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    Anlage Liste der entschuldigten Abgeordneten Abgeordnete(r) entschuldigt bis einschließlich Adams * 13. 5. Dr. van Aerssen * 13. 5. Dr. Aigner * 13. 5. Alber * 13. 5. Bahr 12. 5. Dr. Bangemann * 13. 5. Dr. Bayerl * 13. 5. Frau Benedix 12. 5. Blumenfeld * 13. 5. Dr. Dregger 13. 5. Fellermaier * 13. 5. Flämig * 13. 5. Dr. Früh* 13. 5. Dr. Fuchs * 13. 5. Haase (Fürth) * 13. 5. Haberl 13. 5. Hoffmann (Saarbrücken) * 13. 5. Dr. Jahn (Braunschweig) * 13. 5. Katzer 13. 5. Dr. Klepsch * 13. 5. Dr. h. c. Kiesinger 13. 5. Klinker ' 13. 5. Kunz (Berlin) * 13. 5. *) für die Teilnahme an Sitzungen des Europäischen Parlaments Anlage zum Stenographischen Bericht Abgeordnete(r) entschuldigt bis einschließlich Prof. Dr. Laermann 12. 5. Dr. Graf Lambsdorff 13.5. Lange * 13.5. Dr. Lenz (Bergstraße) 13.5. Lücker * 13. 5. Müller (Mülheim) * 13.5. Müller (Wadern) * 13. 5. Dr. Müller-Hermann * 13. 5. Pieroth 13. 5. Prof. Dr. Pinger 13. 5. Schmidt (München) * 13. 5. Schreiber * 13. 5. Schwabe * 13. 5. Dr. Schwörer * 13.5. Seefeld * 13. 5. Sieglerschmidt a 13. 5. Spitzmüller 12. 5. Dr. Starke (Franken) * 13. 5. Dr. Staudt 27. 5. Frau Steinhauer 27. 5. Frau Tübler 27. 5. Dr. Wallmann 12.5. Frau Dr. Walz * 13.5. Wawrzik * 13. 5. Frau Will-Feld 27. 5. Dr. Wörner 12. 5. von .Wrangel 13. 5. Würtz * 13. 5. Zeyer * 13. 5. Zywietz * 13. 5.
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    Rede von: Unbekanntinfo_outline


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (CDU/CSU)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: ()

    Herr Präsident, ich habe an Ihrer Verhandlungsführung überhaupt nichts zu kritisieren. Ich bedanke mich wirklich dafür, daß Sie diese doch etwas langen Zwischenfragen zugelassen haben. Denn sonst wäre das, was der Herr Kollege Urbaniak gesagt hat, nicht klargeworden. — Aus der ersten Frage ist klargeworden, daß er sich über die Absichten der Bundesregierung selbst auch noch nicht im klaren ist. Oder ich muß ihm unterstellen, daß er nicht zur Kenntnis nimmt, daß die Bundesregierung von jeder Rente — von kleinen wie von größeren Renten — durch die Veränderung der Rentenformel Abschläge in einer ganz bestimmten prozentualen Größenordnung vornimmt und daß die Bezieher von kleinen Einkommen insbesondere durch das Abrechnen von Steuern und Sozialabgaben negativer betroffen werden als jene, die ein hohes Einkommen haben.

    (Zuruf von der SPD: Sie haben die Frage nicht verstanden!)

    — Gut, das mag sein. —
    Herr Kollege Urbaniak, lassen Sie mich das an einem Beispiel darstellen. Da zahlt ein Bürger unseres Landes von seinem Einkommen Einkommensteuer und Sozialabgaben in einer Größenordnung von 40 %. Und da gibt es die Masse unserer Bevölkerung, die Steuern und Abgaben in Höhe von 20 oder 25 % zahlt. Die Änderung der Bruttodynamik
    — alle Mathematiker haben festgestellt, daß das eindeutig das Ergebnis sein wird —

    (Zurufe von der SPD)

    — Sie müssen das alles einmal nachlesen, was die Bundesregierung von sich gegeben hat; darin steht das, zwar nicht so wörtlich, aber es ist nicht anders zu verstehen — bedeutet eindeutig, daß Sie die durchschnittliche Abgabenbelastung auf 30 % — ich nehme einmal willkürlich diese Zahl — festlegen müssen und daß derjenige, der nur 20 % Steuern und Abgabenbelastung hat, mit einem Abschlag in Höhe von 30 % belastet wird. Das heißt: Tendenziell bekommt er bei seiner Rente 10 % weniger Zurechnungszeit. Und derjenige, der 40 % Steuern und Abgaben zahlt und mit 30 % pauschal veranlagt
    wird, bekommt dann einen Zuschlag von 10 %. Bei der Diskussion, in der wir uns im Augenblick befinden, ist das die Veränderung der Bruttoformel. Und wenn in der SPD-Fraktion Entrüstung über die Auswirkung dieser Rentenformel besteht, dann empfehle ich Ihnen dringend — vornehmlich den Kollegen, die den Kopf schütteln, die nicht im Ausschuß für Arbeit und Sozialordnung sind —, sich mit der Mechanik der Änderung der Bruttodynamik zu beschäftigen. Sie hat dieses Ergebnis zur Folge. Das ist unsozial. Das machen wir, meine sehr verehrten Damen und Herren, nicht mit.

    (Beifall bei der CDU/CSU)

    Ich darf fortfahren. Wir machen einen weiteren Vorschlag. Ich wiederhole mich aus der ersten Lesung. Man kann nicht nur in den Kategorien denken: Hier 10 Millionen Rentner, dort 20 Millionen Beitragszahler. Die Personen, die aus einer Rente in der Rentenversicherung einen Krankenversicherungsanspruch haben — und der ist ja dann kostenlos —, sollen mit ihren anderen Einkommen wie Arbeitnehmer behandelt werden. Sie zahlen nach unseren Vorstellungen zwar keine Steuern über den Ertragsanteil hinaus und natürlich keinen Rentenversicherungsbeitrag, aber sie sollten im Wege des Solidarausgleichs einen Krankenversicherungsbeitrag zahlen, wie die Arbeitnehmer ihn heute auch zahlen müssen. Denn sonst hat die Philosophie „Lohnersatzfunktion" überhaupt keinen Zweck; sonst halten wir den Generationenvertrag von Arbeitnehmern und Nicht-mehr-Arbeitnehmern finanziell nicht mehr durch. Bis zu einer Beitragsbemessungsgrundlage von heute 2 550 DM sollten dann solche Beiträge gezahlt werden.
    Ich wiederhole: Nur bei denjenigen, die Mehrfachrenten beziehen und kostenlos die Krankenversicherung der Rentner in Anspruch nehmen, wird das andere Einkommen als Alterseinkommen gerechnet. Wir würden hierdurch den Krankenversicherungsträgern etwa 15 Milliarden DM zusätzliche Einnahmen verschaffen; nach einer anderen Lösung, die wir Ihnen als Alternative auf den Tisch gelegt haben, hätten wir ab 1. Januar 1979 als Ersatz für die Nettoanpassung Mehreinnahmen in Höhe von zirka 10 Milliarden DM.
    Unser Vorschlag ist systemgerecht. Er ändert die Rentenformel nicht. Er ist sozial gerechter und greift nicht so tief in die Taschen der Rentner wie die Lösung der Bundesregierung. Unser Vorschlag hat den Vorteil, auch über 1980 hinaus zu gelten. Er verbaut keine Lösungen, die wir bis 1984 bei der Gleichstellung der Witwenrenten erreichen müssen.
    Man muß wirklich versuchen, meine Damen und Herren, im Sinne von Subsidiarität und Solidarität, also nach einem antisozialistischen Prinzip,

    (Zurufe von der SPD)

    soziale Gerechtigkeit ohne gleichmacherische Tendenzen herzustellen. Wenn es also wahr ist — und es ist wahr —, daß es viele Bürger mit mehreren Alterseinkommen gibt, die die Krankenversicherung der Rentner in Anspruch nehmen, muß man doch konsequenterweise dieses Mehrfachalterseinkommen als Einkommen im Sinne von Lohnersatz be-



    Franke
    trachten. — Meine Damen und Herren, das waren unsere beiden Vorschläge als Ersatz für Ihre unsoziale Nettoanpassung, die auch weiterhin fortwirken würde.
    Wir haben uns angeboten, im Rahmen des Rentenversicherungsrechts eine Reihe von unpopulären Maßnahmen mitzutragen: erstens Verschiebung des nächsten Rentenanpassungstermins auf den 1. Januar 1979, zweitens Beitragszahlung der Bundesanstalt für Arbeit zur Rentenversicherung für Arbeitslose ab 1. Januar 1979; auch das mitzutragen sind wir bereit.
    Nicht bereit sind wir, die Übertragung der beruflichen Rehabilitation von der gesetzlichen Rentenversicherung auf die Bundesanstalt für Arbeit ab 1. Januar 1979 mitzutragen. Alle Sachverständigen — bis auf die beamteten Vertreter der Bundesanstalt für Arbeit — haben diese Lösung, die Sie hier vorgeschlagen haben, für unsinnig gehalten. Hier würde es lediglich zu einer Finanzverschiebung mit Nachteilen nach dem Prinzip „Rehabilitation vor Rente" kommen. Hier gibt es die Gewerkschaften, hier gibt es die Sozialversicherungsträger, die diese Überlegung der Bundesregierung für nicht gut halten.
    Die Abschmelzung der Dreimonatsrücklage auf einen Monat — hiermit wird sich gleich noch der Kollege Schedl beschäftigen — ist eine Angelegenheit, die wir in dieser Größenordnung nicht mitmachen können. Wir haben die Befürchtung, daß die Rentenversicherung in den Sog des Bundeshaushalts kommt und daß damit die Einheitsversicherung durch die Hintertür eingeführt wird. Wir können nur sagen: wehret den Anfängen; wir wollen das nicht mitmachen.

    (Beifall bei der CDU/CSU — Zurufe von der SPD)

    Dann, meine Damen und Herren, war in dem Regierungsentwurf eine Gesetzesinitiative zur Aufstockung von Pflichtbeiträgen für Pflichtversicherte — wie wir ' es 1972 für freiwillig Versicherte auch eingeführt haben — enthalten. Wir haben uns angeboten, über diesen Vorschlag mit zu diskutieren und ihn gegebenenfalls auch mitzutragen, und zwar vor dem Hintergrund der Herstellung der sozialen Symmetrie. Es gibt also eine Bevölkerungsgruppe, nämlich die freiwillig Versicherten, die diese Möglichkeit der Aufstockung hat; die Pflichtversicherten haben sie nicht.
    Wir haben uns auch angeboten, daran mitzuarbeiten, z. B. die Kontinuität der Beitragszahlung zu gewährleisten. Aber aus den Beschlüssen von SPD und FDP ist die Aufstockung dann nicht mehr herausgekommen; irgendein Partner hat sich hier wohl durchgesetzt, dann allerdings zu Lasten der Symmetrie. Das ist eine Angelegenheit, mit der Sie, verehrte Kollegen von der SPD, fertig werden müssen.

    (Urbaniak [SPD] : Sie kennen doch die Entschließung!)

    - Ja, wissen Sie, Sie ersetzen politisches Handeln
    durch Papier, Herr Kollege Urbaniak. Das ist nicht
    unsere Auffassung. Sie müssen handeln, Sie haben die Mehrheit in diesem Hause!

    (Beifall bei der CDU/CSU — Weitere Zurufe von der SPD)

    Wir lehnen das Einfrieren des Kinderzuschusses in der gesetzlichen Rentenversicherung ab. Die CDU/CSU tritt für dynamische statt starrer Grenzen ein, für dynamisierte Kinderzuschüsse, auch für Halbwaisen. Wir haben angeboten, diese Leistungen — wir wissen, daß das bei der derzeitigen Haushaltslage außergewöhnlich schwer ist — aus dem Bundeshaushalt zu bezahlen. Hier ergibt sich doch der kuriose Zustand, daß die Beitragszahler das Kindergeld aus ihren Beiträgen zahlen, während alle anderen Kindergeldleistungen aus allgemeinen Steuermitteln gezahlt werden.
    Die Regierung nennt den von ihr mit Drucksache 8/166 vorgelegten Entwurf den Entwurf eines Krankenversicherungs-Kostendämpfungsgesetzes. Das ist ein falscher Name. Es muß heißen: Strukturänderungs- und Beitragserhöhungsgesetz.

    (Beifall bei der CDU/CSU)

    Was wird dort vorgeschlagen? Dort wird vorgeschlagen, daß Kostenverlagerungen und Beitragserhöhungen vorgenommen werden. Das hat mit Kostendämpfung doch überhaupt nichts zu tun. Hier wird alles auf den Bürger oder auf andere Träger abgeschoben. Sie haben sich nicht einmal die Mühe gemacht, in die notwendigen Feinheiten einzusteigen. Deshalb verdient dieses Gesetz nicht den Namen „Kostendämpfungsgesetz", sondern den Namen „Strukturänderungs- und Beitragserhöhungsgesetz".
    Es steht außer Zweifel, daß wir den Kostenanstieg im Gesundheitswesen eindämmen müssen. Die CDU/ CSU war es, die den Mut besessen hat, auf diese Entwicklung in den vergangenen Jahren hinzuweisen. Die Regierung sowie die Fraktionen von SPD und FDP blieben untätig. Sie wollten uns den Schwarzen Peter zuschieben oder, besser gesagt — um im Bild von Rainer Barzel zu bleiben —, den Rotstift in die Hand drücken, während sie selber mit Blaulicht und Mercedes durch das Land fahren. Nein, es ist eine Aufgabe der Regierung und der Regierungsparteien, dafür zu sorgen, daß ein Mißstand, der sich zeigt, auch abgestellt wird. Die Regierung hoffte auf einen wirtschaftlichen Aufschwung, der natürlich — „natürlich" ist im Sinne von mangelnder Leistung dieser Regierung gemeint — nicht eintrat. Es mag sogar einige gegeben haben, die auf eine inflationäre Lohnentwicklung gehofft haben, um damit die vorhandenen Löcher zuzustopfen. Den Mut, vor dem 3. Oktober selbst etwas zu unternehmen, hatten SPD und FDP nicht. Was dann als Regierungsvorlage herauskam, verdiente nicht den Namen, den man dieser Vorlage gegeben hat.
    Auch die Mitglieder von SPD und FDP im Arbeits- und Sozialausschuß zeigten sich nicht einsichtig, diese strukturverändernden Maßnahmen aus dem Gesetz herauszuboxen. Nun kann man bei einigen Maßnahmen verstehen, daß die SPD bestimmte Dinge betreibt und verficht. Dies entspricht ihrer sozialistischen oder sozialdemokratischen Wert-



    Franke
    vorstellung. Die Sozialdemokraten sagen dann: Deswegen setzen wir dieses durch. Das kann man verstehen, wenn auch nicht billigen. Daß aber die FDP solche unliberalen Entscheidungen mit trägt, bleibt uns weithin unerfindlich. Lassen Sie mich einmal an ein paar Beispielen deutlich machen, was hier gemeint ist.
    Ich komme zunächst auf die Anhebung der Beitragsbemessungsgrenze zu sprechen. Neben der Tatsache, daß durch die Rentnerkrankenkostenverschiebung ohnehin eine Beitragsanhebung von 1,2 bis 1,6 Beitragsprozentpunkten vorprogrammiert ist, werden in der Krankenversicherung durch die Anhebung der Beitragsbemessungsgrenze insbesondere die Bezieher mittlerer Einkommen erheblich belastet. Im schriftlich vorgelegten Bericht heißt es dazu u. a.:
    Zur Anhebung der Beitragsbemessungsgrenze wiesen die Vertreter der SPD darauf hin, daß es sich um eine Maßnahme der Beitragsgerechtigkeit handle. Die höherverdienenden Versicherten müßten verstärkt in die Solidarität aller Versicherten einbezogen werden.

    (Zuruf von der SPD)

    — So steht es im Bericht; darauf habt ihr bestanden. Ich kann auch verstehen, daß das eure Auffassung ist.
    Der Kollege von der FDP hat darauf gedrungen, daß der Name „FDP" in diesem Zusammenhang gestrichen wird. Das ist wiederum eine Täuschung der Öffentlichkeit. Meine Damen und Herren, die Maßnahme tragen sie von der FDP mit. Sie wollen nur nicht im Schriftlichen Bericht erwähnt werden. Ich kann nur sagen: Liebe FDP, so billig kommst du in der politischen Auseinandersetzung nicht davon! Lieber Hansheinrich Schmidt,. geben Sie doch dem Kollegen, der vor Ihnen sitzt, einmal den Schriftlichen Bericht, damit er das auch nachlesen kann und nicht immer den Kopf schütteln muß. Wenn er allerdings über Sie den Kopf geschüttelt hat, würde ich mich diesem Kopfschütteln anschließen.

    (Heiterkeit bei der CDU/CSU)

    Durch die Anhebung der Beitragsbemessungsgrenze sollen also insbesondere mittlere und höhere Einkommen einbezogen werden. Im Bericht sind nur die Vertreter der SPD genannt. Die SPD will dies auch; sie will Facharbeiter und Angestellte zur Ader lassen. Die CDU/CSU ist geschlossen dagegen. Die SPD konnte sich aber nur behaupten, weil sie die eine Stimme, die im Ausschuß für Arbeit und Sozialordnung zur Mehrheit führte, von der FDP bekommen hat. Alle drei Vertreter der FDP haben sich im Ausschuß für Arbeit und Sozialordnung für die Anhebung der Beitragsbemessungsgrenze und damit für mehr Beiträge der Bezieher von mittleren und höheren Einkommen eingesetzt. Sie tragen die zusätzliche Belastung der Bürger durch diese verschleierte Beitragsanhebung mit. Die FDP trägt dafür ausschließlich die Verantwortung. Daß mußte hier noch einmal deutlich gesagt werden.

    (Beifall bei der CDU/CSU)

    Es gibt erhebliche ordnungspolitische Bedenken gegen die Empfehlungsvereinbarung, wie sie in § 368 f des Regierungsentwurfs vorgelegt worden ist. Sie ist im Ausschuß für Arbeit und Sozialordnung auch nur unwesentlich verändert worden. Wir schlagen an Stelle der §§ 368 f und folgende eine konzertierte Aktion aller am Gesundheitswesen Beteiligten vor. Wir sind davon überzeugt, daß die Vertreter der Selbstverwaltungsorgane größere Erfolge bei der Eindämmung der Kostenexplosion erzielen können, als das durch gesetzliche Maßnahmen möglich ist. Hierfür gibt es auch einen Beweis. Von 1975 auf 1976 ist der Kostenanstieg durch Selbstverwaltungsmaßnahmen, durch Maßnahmen der Selbstverwaltungspartner um 50 % gedämpft worden. Gerade in den letzten Tagen haben wir eine freiwillige Vereinbarung der Ersatzkassen mit den Kassenärzten auf unseren Tisch bekommen. Mit unserem Vorschlag — wir hatten beantragt, eine entsprechende Regelung gesetzlich zu. verankern —, setzen wir die Partner unter Erfolgs- und Beweiszwang, Kosten einzudämmen. Nach unseren ordnungspolitischen Vorstellungen dürfen staatliche Maßnahmen erst dann einsetzen, wenn die Erstverantwortlichen nicht die erwartete Lösung erbringen. Unsere Kollegin Dr. Neumeister und unser Kollege Dr. Becker werden nachher noch auf die Einzelheiten eingehen.
    Unsere freiheitliche, unsere liberale Lösung wird von der SPD natürlich abgelehnt. Das ist doch völlig klar. Wir haben in der SPD hier niemals einen Partner gesucht. Wir wissen, daß die SPD alles Heil von staatlichen Maßnahmen erwartet. Die FDP lehnt diese liberale, freiheitliche Lösung aber auch ab. Sie hat die Schuld, wenn es hier zu staatlichen, zu sogenannten dirigistischen Maßnahmen kommt.

    (Beifall bei der CDU/CSU)

    Ohne die FDP hätte die SPD im Ausschuß und hier im Bundestag auch für diese Fragen keine Mehrheit. Die FDP hat nicht einmal den Versuch gemacht, die SPD von diesem falschen Weg abzubringen.
    Ich wiederhole noch einmal: Erst wenn die Erstverantwortlichen die Aufgabe, die ihnen gestellt ist, nicht meistern, dürfen staatliche Maßnahmen einsetzen.
    Ein drittes Beispiel: vorstationäre Diagnostik und nachstationäre Behandlung. Meine Damen und Herren, hier wird von „Kostendämpfung" gesprochen. Es ist erwiesenermaßen klar, daß die Kosten pro Leistungsfall im Krankenhaus höher sind als in der ambulanten Behandlung draußen bei den Ärzten. Nach unserer Auffassung wird unter dem schönen Wort „vorstationäre Diagnostik und nachstationäre Behandlung" staatlicher Gesundheitsdienst durch die Hintertür in das Gesetzgebungsverfahren eingeschleust. Das entspricht dem Selbstverständnis, dem politischen Verständnis der SPD.

    (Burger [CDU/CSU]: So ist es!)

    Das kann man verstehen, wenn auch nicht billigen.
    Aber ich frage Sie, verehrte Kollegen von der FDP: Wo sind Sie denn mit diesen Ihren Vorstellungen gelandet? Sie haben sich hier zum Helfers-



    Franke
    helfer dafür gemacht, daß die SPD den staatlichen Gesundheitsdienst durch die Hintertür einführt.

    (Beifall bei der CDU/CSU — Zurufe von der FDP)

    Diese Auseinandersetzung kann Ihnen nicht erspart bleiben. Sie warten nicht einmal die Modellversuche ab, die am 27. Februar 1976 durch die 37. Gesundheitsministerkonferenz beschlossen wurden. Sie warten nicht einmal das Ergebnis dieser Versuche ab; Sie sind hier zu einem eifrigen Helfershelfer sozialistischer Vorstellungen geworden. Das, meine Damen und Herren, ist hier zu kritisieren.

    (Gansel [SPD] : Sie machen mir den Mund wässrig!)

    Ein viertes und letztes Beispiel. In § 11 a des Krankenhausfinanzierungsgesetzes — unser Kollege Höpfinger wird sich nachher noch damit beschäftigen — war von der Regierung vorgesehen, daß freigemeinnützige und private Krankenhausträger — natürlich auch kommunale Träger von Krankenhäusern —10 % für Erstinvestitionen und 5 % für Reinvestitionsleistungen aufbringen müssen. Was heißt das? Diese Maßnahme, würde sie durchgeführt, hätte die Verdrängung der freien Träger vom Gesundheitsmarkt zur Folge. Die kommunalen Träger bringen ihren Anteil über Steuern auf, die anderen gar nicht, oder sie würden die Kosten über den Pflegesatz abwälzen und damit wiederum zu einer Beitragserhöhung beitragen. Ich habe eingangs meiner Rede davon gesprochen, daß im Bericht steht: „Kosten: keine".
    Meine Beispiele mögen genügen, um nachzuweisen, daß die Bundesregierung und die sie tragenden Parteien hier die Öffentlichkeit nicht ganz richtig über das aufklären, was hier beschlossen worden ist. SPD und FDP machen solchen Unsinn hier im Bundestag fröhlich mit. Gottlob gibt es einige Länder, die diesen Unsinn nicht mitmachen wollen. Sie werden mit Sicherheit dafür sorgen, daß sich in diesem Zusammenhang wie auch in anderen Punkten eine Änderung durchsetzen kann.
    Lassen Sie mich, meine sehr verehrten Damen und Herren, eine Schlußformulierung bringen; ich bin durch die Zwischenfragen hier nicht ganz zu meinem Gesamtkonzept gekommen. Zum Neunten Anpassungsgesetz wird der Kollege Albert Burger sprechen. Er wird unsere Änderungsanträge und unseren Antrag zu § 56 begründen. Es werden also alle Schwerpunktkomplexe dessen, was wir im Ausschuß beraten haben, hier von uns im einzelnen erläutert werden.
    Wir stimmen nur für freiheitliche und liberale Lösungen. Wir stimmen nur für Lösungen, die ordnungspolitisch sauber sind und z. B. in der Rentenversicherung das Prinzip der bruttolohnbezogenen Rente nicht verändern.

    (Anhaltender Beifall bei der CDU/CSU)



Rede von: Unbekanntinfo_outline
Meine
Damen und Herren, daß Wort hat der Herr Abgeordnete Egert.

  • insert_commentNächste Rede als Kontext
    Rede von Jürgen Egert


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (SPD)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)

    Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Herr Kollege Franke, der Beifall war andauernd wie nach einem gelungenen Auftritt. Ein „Auftritt" war es tatsächlich. Er hat mir bewußt gemacht, daß wir mit den Ausschußberatungen tatsächlich am Ende sind und in der Plenardebatte; denn in der verschlossenen Klause unserer nichtöffentlichen Ausschußsitzungen war die Atmosphäre durchaus erheblich sachlicher, als wir es hier im Plenum bei Ihrem Auftritt miterleben mußten.

    (Beifall bei der SPD und der FDP — Burger [CDU/CSU] : Was war denn unsachlich?)

    — Herr Burger, darauf komme ich noch, seien Sie geduldig; Ihr Auftritt zur Kriegsopferversorgung kommt mit Sicherheit.
    Ich kann die Versuchung für den Kollegen Franke verstehen, angesichts der Fernsehkameras nun zu meinen, daß die Zeit des Argumentierens vorbei ist und daß man sich in der Kunst der Demagogie üben müsse. Da wird für jeden und in jeder Richtung etwas gesagt. Ich halte das für nicht redlich, Herr Kollege Franke.

    (Reddemann [CDU/CSU] : Herr Kollege, Sie ärgern sich, daß Sie nicht Senator werden sollen!)

    Ich komme auf die Punkte noch zurück. Es wäre für mich reizvoll — die Versuchung ist angesichts Ihres Beitrags sehr groß —, mich an dem Bemühen zu beteiligen.
    Sie haben das ernsthaft versucht, das einzige Konzept, das zur Konsolidierung unserer Rentenfinanzen und zur Kostendämpfung im Gesundheitswesen auf dem Tisch liegt, zu zerreden. Daran will ich mich nicht beteiligen. Ich halte das nicht für einen gelungenen Versuch; aber ich will das nicht vertiefen. Wir werden auf die Argumente, die Sie hinsichtlich des Finanzierungskonzepts der Bundesregierung angesrpochen haben, noch sehr ausführlich unter dem Stichwort „finanzielle Solidität" zurückkommen, wenn es um die Behandlung Ihrer Änderungsanträge geht. Um was geht es da? Was heißt es denn im Klartext, den Rentnerkrankenversicherungsbeitrag einzuführen? Das heißt im Klartext, daß Sie hingehen und sagen: Wir wollen eine Rentenkürzung auf Dauer. Nichts anderes heißt dies. Dies steht alternativ zum Konzept der Bundesregierung.

    (Beifall bei der SPD — Abg. Franke [CDU/ CSU] meldet sich zu einer Zwischenfrage)

    — Ich möchte angesichts der Debattenlage meine Ausführungen wirklich im Zusammenhang machen können. Sie haben eh die Zeit über Gebühr strapaziert, so daß ich es auch dem Kollegen von der FDP schuldig bin, daß er Gelegenheit bekommt, auf Ihre Ausführungen einzugehen. Sie werden im Laufe der Debatte heute noch Gelegenheit haben, die Kunst der Zwischenfragen zu üben.
    Ich will Ihnen jetzt sagen, daß Ihre Alternative, die Sie vorsehen, bei weitem weniger sozial ausgewogen ist als das, was die Bundesregierung hier als eine Absicht für die Zukunft vorsieht. Deswegen steht aus gutem Grund im Gesetz nicht die Festschreibung, daß wir von der Bruttolohnbezogenheit



    Egert
    abweichen. Dies ist eine Diskussion, die wir auf Grund der Kenntnis neuer Daten im Zusammenhang mit dem Einundzwanzigsten Rentenanpassungsgesetz führen müssen. Ich weiß nicht, wo da die Unredlichkeit liegt. Es wäre unvernünftig, jetzt über Dinge, die uns in einem Jahr wieder beschäftigen müssen, ein abschließendes Votum zu geben und Entscheidungen zu treffen, mit der Unsicherheit, die in jeder monatlichen Prognose genauso wie in jeder fünfzehnjährigen Prognose liegt. Ich werde auf einen Punkt, wo Sie uns ein Milliardending aufschwätzen wollen, noch zurückkommen, denn die Januarzahlen für das Jahr hochzuschreiben, bringt auch keine redliche Basis für Überlegungen, welche Löcher wir am Ende des Jahres haben. Z. B. macht die Umstellung der freiwilligen Beitragszahlungen einen Teil des Einnahmeausfalls im Januar aus. Da gibt es die Erfahrung, daß die Beiträge im Dezember bezahlt worden sind und daß sich deshalb der negative Trend im Januar fortsetzen muß, weil der Anteil der sonst im Januar zu Buche schlagenden Dezemberzahlungen nicht mehr berücksichtigt wird.

    (Franke [CDU/CSU] : Egert, hol doch mal Luft!)

    Ich meine, all diese Punkte hätten Sie, wenn Sie redlich mit uns darüber argumentieren wollen, hier anführen können. Sie haben es nicht getan, also muß ich davon ausgehen, daß es Ihre Absicht ist, Unsicherheit zu weben. Ich halte es für unvertretbar in bezug auf die Bürger in diesem Lande, insbesondere in bezug auf die Rentner in diesem Lande, daß Sie hier eine Kampagne des Krisengeredes fortzusetzen versuchen, ohne daß Sie sich konkret auf Zahlen haben festlegen lassen, auf Zahlenannahmen Ihres Konzepts.

    (Zuruf des Abg. Nordlohne [CDU/CSU])

    Dies wird auch an dem Punkt deutlich, wo wir uns die Frage stellen müssen, warum Sie, wenn Sie alles so gut wissen, wenn Sie alles besser wissen als diese Regierung, sich dann nicht zu einem Gesetzgebungsvorhaben verstanden haben

    (Zurufe von der CDU/CSU)

    und warum Sie nicht, statt nur mit Unpopularität zu kokettieren, die Änderungsanträge hier auf den Tisch des Bundestages legen.

    (Zurufe von der CDU/CSU: Hier liegen sie doch! — Nordlohne [CDU/CSU] : Haben Sie die nicht gelesen? — Weitere Zurufe von der CDU/CSU)

    Die sind doch nicht' da. Beim Rentnerkrankenversicherungsbeitrag dienen Sie uns unterschiedliche Alternativen an. /Dies sind unfertige Vorstellungen, mit denen wir uns nicht auseinandersetzen können

    (Zuruf von der CDU CSU: Sie reden wie ein Blinder von der Farbe!)

    und die im Ergebnis genau die sozialschädliche Wirkung haben, die ich aufgezeigt habe.

    (Beifall bei Abgeordneten der SPD — Nordlohne [CDU/CSU] : 50 Anträge hat der nicht gelesen!)

    Ich will mich jetzt, weil ich die Zeit nicht vertun will, mit dem nicht weiter auseinandersetzen, was der Kollege Franke mit der vordergründigen Absicht, ein Konzept zu zerreden, vorgetragen hat. Ich will vielmehr ein paar Punkte nennen, die Überlegungshintergrund für die Vorschläge waren, die hier heute in zweiter Lesung zur Beratung anstehen.

    (Franke [CDU/CSU] : Das ist eine schöne Debatte, der geht nicht mal darauf ein!)

    — Wissen Sie, Kollege Franke, „eine schöne Debatte" : Sie haben die Einleitung gegeben, und Sie bekommen die Antwort auf diese Einleitung, die Sie verdienen.

    (Beifall bei der SPD)

    Ich will hier etwas über das Ergebnis berichten, weil es wichtig ist, daß bei den Menschen draußen nicht nur Ihre Verdrehungen ankommen, sondern daß .auch das ankommt, was Ergebnis der Beratungen im Ausschuß war.

    (Abg. Franke meldet sich zu einer Zwischenfrage)

    Dort konnte sachlich unvergleichlich einvernehmlicher beraten werden als hier bisher in der zweiten Lesung. Wir haben erheblich veränderte Fassungen der Gesetzentwürfe vorgesehen.

    (Franke [CDU/CSU] : Vielleicht hat er seine Gesinnung geändert!)

    Der Ausschuß für Arbeit und Sozialordnung — und da bin ich auch bei einem Vorhalt von Ihnen, Herr Kollege Franke — hat bei diesem Gesetzentwurf, unterstützt von den mitberatenden Ausschüssen, sorgfältig gefeilt. Die Fraktion der SPD kann, ohne unbescheiden zu sein, für sich einen erheblichen Anteil an den Ergebnissen der Ausschußarbeit reklamieren. Wir haben in mehreren ganztägigen Klausurtagungen — dies war bei uns möglich — während der Osterpause gründlich beraten und außerdem mit mehr als 20 Verbänden und Organisationen zusätzlich zu der Ausschußanhörung Informationsgespräche geführt. Das Ergebnis unserer Arbeit waren zahlreiche Änderungsanträge, die zum Teil auch mit der dankenswerten Unterstützung der Opposition in den Beschluß des Ausschusses eingegangen sind.
    Ich betone dies, um noch einmal den Vorwurf zurückzuweisen, die Konsolidierungsgesetze seien hastig und unter Zeitdruck behandelt worden.

    (Lachen und Zurufe bei der CDU/CSU — Burger [CDU/CSU] : Das sind sie!)

    — Tatsache ist, Herr Kollege Burger, daß diese drei Gesetzentwürfe zwar innerhalb einer kurzen Frist — dies geht nicht notwendigerweise zu Lasten der Sorgfalt —, aber sorgfältig und intensiv, wie es der Schwierigkeit der Materie angemessen ist, beraten wurden.

    (Prinz zu Sayn-Wittgenstein-Hohenstein [CDU/CSU] : Eine Stunde im Haushaltsausschuß ist ausreichend bei einer Belastung von 100 Milliarden? So was Dummes!)

    — Herr Kollege Prinz zu Sayn-Wittgenstein, ich habe
    Ihnen den Zeitrahmen für unsere Vorarbeiten dar-
    Deutscher Bundestag 8. Wahlperiode — 26. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 12. Mai 1977 1855
    Egert
    gestellt. Diese Möglichkeit war auch für die anderen Fraktionen gegeben.
    Lassen Sie mich zur Sache bemerken, wir stehen vor der Aufgabe, unser System der sozialen Sicherung angesichts weltwirtschaftlicher Schwierigkeiten und strukturell bedingter Kostensteigerungen im Gesundheitswesen leistungsfähig zu halten. Dabei hat sich die Bundesregierung in ihrem Konsolidierungsprogramm für die Sozialversicherung an bestimmten Grundsätzen orientiert.
    Bei allen Konsolidierungsmaßnahmen muß die soziale Ausgewogenheit gewahrt werden. Arbeitnehmer, Arbeitgeber, Rentner und alle Leistungsanbieter im Gesundheitswesen müssen gleichmäßig gemäß ihrer Leistungskraft daran beteiligt werden.
    Zwischen der Sicherung der Renten und der Kostendämpfung im Gesundheitswesen besteht ein untrennbarer sachlicher und zeitlicher Zusammenhang — auch dies ist für die finanziellen Erwägungen, die Sie hier angestellt haben, wichtig —, weil wegen der Verklammerung beider Versicherungssysteme durch die Rentnerkrankenversicherung die derzeitigen Finanzprobleme in der Rentenversicherung zu einem nicht unerheblichen Teil als Folgewirkung der Kostenentwicklung im Gesundheitswesen anzusehen sind. Deshalb ist auch die Konsolidierung an ein Gesetzespaket gebunden, das insgesamt verabschiedet und in Kraft gesetzt werden muß, wenn die finanzielle Überlegung und die soziale Ausgewogenheit der Gesamtüberlegung erhalten bleiben sollen.

    (Nordlohne [CDU/CSU] : Soziale Ausgewogenheit?)

    Das Konzept für die Konsolidierung muß auch angesichts weniger günstiger Wirtschaftsaussichten finanziell tragfähig sein. Es darf dabei keine Überreaktionen durch allzu rigorose Eingriffe in das Leistungsrecht oder durch später nicht mehr rücknehmbare Beitragserhöhungen geben. Dies gilt vor allem für die Konsolidierung der Rentenversicherung, wo wir zu lernen haben, daß schon einmal, nämlich unter dem Eindruck des Rezessionsjahres 1966/67, drastische Sanierungsmaßnahmen beschlossen worden sind, die sich später als zu weitgehend erwiesen haben.

    (Urbaniak [SPD] : Zur Sanierung des Bundeshaushalts !)

    — Ja. Statt weniger plump wirkender Einschnitte mit großen Milliardeneffekten, aber mit erheblichen sozialen Folgewirkungen, ist deshalb eine Vielzahl differenzierter Maßnahmen vorzuziehen, die gezielt dort einsetzen, wo Eingriffe nicht nur sozialpolitisch vertretbar, sondern sogar im Interesse der sozialen Gerechtigkeit auch geboten sind.

    (Beifall bei der SPD — Müller [Remscheid] [CDU/CSU] : So was Dummes!)

    In der Rentenversicherung dürfen keine übereilten und in ihren Auswirkungen noch nicht übersehbaren Weichenstellungen erfolgen, die die für die nächste Legislaturperiode vorgesehene Reform der Hinterbliebenenversorgung behindern. Dies ergibt sich auch aus der Tatsache, daß diese Reform ohne eine umfassende Neukonzeption des Leistungsrechts und ohne Überprüfung der finanziellen Grundlagen der Rentenversicherung nicht möglich ist.
    Die Kostendämpfung im Gesundheitswesen kann, soweit sie die Leistungsanbieter berührt, nur durch Verbesserung der gesetzlichen Grundlagen geschehen. Auf freiwillige Selbstbeschränkung allein können wir auch vor dem Hintergrund widersprüchlicher öffentlicher Ankündigungen nicht vertrauen.

    (Beifall bei der SPD — Müller [Remscheid] [CDU/CSU] : Hört! Hört!)

    Die Kostendämpfung soll nicht durch direkte staatliche Eingriffe in den Prozeß der Erbringung und Vergütung von Gesundheitsleistungen erfolgen, sondern durch Stärkung der vorhandenen Institutionen der Selbstverwaltung und durch Verbesserung ihres Instrumentariums zur Kostensteuerung.
    Diese Grundsätze sind durch die von den Koalitionsfraktionen im Ausschuß beschlossenen Änderungen nicht -angetastet, sondern im Gegenteil gegenüber der ursprünglichen Vorlage noch verstärkt zur Geltung gebracht worden.

    (Lutz [SPD] : Noch verbessert worden!)

    Ein Abschwächen des Regierungsentwurfs, ein Nachgeben gegenüber mächtigen Interessengruppen hat es nicht gegeben. Die Änderungen der Koalitionsfraktionen im Ausschuß dienen der Verbesserung und Verdeutlichung der genannten Grundsätze. Wer auf die Erpreßbarkeit des Staates gesetzt hatte, hat sich verrechnet.

    (Beifall' bei der SPD und der FDP)

    Auch diejenigen sind eines Besseren belehrt worden, die erwartet hatten, daß bei der Beratung dieser Gesetzentwürfe koalitionspolitischer Zündstoff hochgehen könnte. Herr Kollege Franke, Sie können noch so sehr versuchen, Salz in vermeintliche Wunden zu reiben; Sie werden die solidarische, die gute und faire Zusammenarbeit der Fraktionen von FDP und SPD nicht stören können. Wir haben im Gegenteil einmal mehr auf einem schwierigen gesellschaftspolitischen Feld die Leistungsfähigkeit der sozialliberalen Koalition unter Beweis gestellt.

    (Beifall bei der SPD und der FDP — Zurufe von der CDU/CSU)

    In dem Gesetzentwurf zur Zwanzigsten Rentenanpassung und zur Verbesserung der Finanzgrundlagen der gesetzlichen Rentenversicherung bleiben die Vorschläge der Bundesregierung in den wesentlichen Eckwerten unverändert. Der Verlauf der Ausschußberatungen, die Anhörung des Ausschusses für Arbeit und Sozialordnung und die öffentliche Diskussion haben uns in der Auffassung bestärkt, daß wir mit dem Regierungsentwurf auf dem richtigen Wege sind.

    (Müller [Remscheid] [CDU/CSU] : Ach, du Allmächtiger! — Burger [CDU/CSU] : Auf dem Holzweg, aber nicht auf dem richtigen Weg!)

    — Die Anhörung im Ausschuß, Herr Kollege Müller, hat von der überwiegenden Mehrzahl der Sach-



    Egert
    verständigen in den folgenden drei zentralen Punkten eine volle Bestätigung gebracht.

    (Müller [Remscheid] [CDU/CSU] : Er hat die dreitätige Sachverständigenanhörung nicht mitgemacht!)

    — Doch! Wir haben die ganzen dicken Protokolle auch gelesen.
    Erstens. Es wurde nahezu übereinstimmend festgestellt, daß unser Konzept zur Konsolidierung der Rentenversicherung in Verbindung mit dem Kostendämpfungsgesetz als sozial ausgewogen angesehen wird, und zwar der innere Zusammenhang der gesetzlichen Absicherung der Kostendämpfung —nicht der konzertierten Aktion — mit dem Rentengesetz. Zweitens. Es wurde nicht ernsthaft bestritten — und auch Sie haben es in dieser Debatte bisher nicht tun können —, daß die geplanten Maßnahmen geeignet sind, die Finanzierung der Renten mittelfristig sicherzustellen.

    (Lachen bei der CDU/CSU)

    Insbesondere wurde auch die Liquidität der Rentenversicherungsträger als gesichert angesehen.

    (Nordlohne [CDU/CSU] : Wo waren Sie denn bei der Rede von Herrn Franke?)

    Kein Sachverständiger — und das müssen Sie eben
    auch nachlesen, meine Herren von der Opposition
    — fand sich bereit, die von der Bundesregierung den Vorausberechnungen zugrunde gelegten wirtschaftlichen Annahmen als unrealistisch und damit als nicht berechtigt zurückzuweisen und an deren Stelle

    (Dr. Blüm [CDU/CSU] : Die Bundesbank sieht das aber anders! — Franke [CDU/CSU] : Sie müssen bei einer anderen Sachverständigenanhörung gewesen sein !—Müller [Remscheid] [CDU/CSU] : Sie waren im falschen Saal!)

    — lassen Sie mich doch aussprechen — andere Annahmen zu setzen. Diese Beurteilung ist auch auf dem Hintergrund öffentlicher Mitteilungen der letzten Tage nach wie vor gültig.

    (Anhaltende Zurufe von der CDU/CSU)

    — Ja, gerade wegen des Milliardenlochs. Darauf komme ich noch einmal zurück.
    Wir wissen, daß mindestens 3/4 der Lücke, wahrscheinlich sogar mehr, auf Mindereinnahmen bei der Freiwilligenversicherung zurückgehen. Dies hat mit den Umstellungsschwierigkeiten bei der zum 1. Januar vorgenommenen Umstellung vom Verkauf von Beitragsmarken durch die Post zur bargeldlosen Überweisung zu tun. Das ist ein Punkt, den man der Redlichkeit wegen in dieser Debatte mit berücksichtigen muß.
    Der zweite Punkt ist — und ich hatte schon darauf hingewiesen —, daß der andere Teil der Beitragsmindereinnahmen das Gegenstück zu den Beitragsmehreinnahmen im Dezember 1976 ist, wo im letzten Jahr ein außergewöhnlich großer Anteil der im Dezember zu zahlenden Beiträge tatsächlich auch im Dezember gezahlt worden ist und zu dieser Mehreinnahme geführt hat. Notwendigerweise folgt daraus, daß im Januar, wo sonst die Vorleistungen aus dem Dezember verrechnet worden wären, eine Mindereinnahme zu erwarten steht. Man wird also sehr sorgfältig beobachten müssen, wie sich die Beitragseinnahmen entwickeln. Erst dann wird man Schlußfolgerungen ziehen können. Man sollte hier tatsächlich Kurzschlüsse vermeiden.
    Drittens. In der Sachverständigenanhörung sind die Auffassungen der Bundesregierung und der Koalition bestätigt worden, da nahezu alle Sachverständigen dazu geraten haben, angesichts der für die 80er Jahre bevorstehenden Reform der Witwen- und Hinterbliebenenversorgung die Verbesserung der Finanzgrundlagen der Rentenversicherung vorrangig mit solchen Maßnahmen zu versuchen, die im Rahmen des geltenden Rechts liegen, und dabei die bereits bestehende Flexibilität des Rentenversicherungssystems auszunutzen. Das heißt: es ist richtig, auf einen dauerhaften Einschritt im Rentenniveau und auf das Anziehen der Beitragsschraube zu verzichten und statt dessen vorübergehend z. B. Rücklagen abzubauen und eventuell die rechtliche vorhandene Möglichkeit wahrzunehmen, den Rentenanpassungssatz nach Maßgabe des finanziellen Spielraums frei zu wählen.

    (Lutz [SPD]: Sehr gut!)

    Diese grundsätzlichen Ergebnisse der Sachverständigenanhörung wiegen schwerer als — zugegeben — zahlreiche kritische Stellungnahmen zu Einzelpunkten des Gesetzes,

    (Dr. Blüm [CDU/CSU] : Gab es das auch?)

    die es natürlich auch gegeben hat, Herr Kollege Blüm,

    (Burger [CDU/CSU] : Tatsächlich?)

    und die, bei einem Gesetz unvermeidbar sind, das allen Beteiligten zumutet, einen Teil der Konsolidierungslasten zu tragen. Wer will denn auf uneingeschränkten Beifall hoffen, wenn er auf dem finanziellen Hintergrund, auf dem diese Gesamtoperation stattfindet, Lasten neu verteilen muß und da
    — zugegeben — auch Vorteile abbauen muß? Wer Vorteile abbaut, kann nicht den Beifall von allen Seiten haben. Die Ausgewogenheit des Programms ist an dem unterschiedlichen Beifall sehr sinnfällig geworden. Deshalb haben die Koalitionsfraktionen keinerlei Anlaß gehabt, vom Regierungsentwurf abzuweichen.

    (Müller [Remscheid] [CDU/CSU] : Seit wann wissen Sie das, Herr Egert, seit dem 3. Oktober?)

    — Wissen Sie, wir machen jetzt nicht Vergangenheitsbewältigung, sondern wir versuchen Konsolidierung für die Zukunft.

    (Nordlohne [CDU/CSU] : Sie wollen das unter den Teppich kehren!)

    Das gilt zunächst und vor allem für die Anpassung der Renten aus der gesetzlichen Rentenversicherung und aus der Kriegsopferversorgung zum 1. Juli 1977.



    Egert
    Der Herr Kollege Franke hat hier gesagt, das verdankten wir dem vereinten Druck der Unionshilfstruppen. Ich sage Ihnen: Druck war ja schon; doch so einseitig würde ich den Erfolg nicht verteilen wollen.
    Wir bekennen uns dazu, daß wir das Versprechen einhalten, zum 1. Juli 1977 in allen Bereichen der Rentenversicherung und zum 1. Januar 1978 bei der Altershilfe der Landwirte die Renten um jeweils 9,9 % zu erhöhen und ebenso die Anpassung der Unfallrenten zum 1. Januar 1978 vorzunehmen, wobei sich der Anpassungssatz auf Grund der jüngsten statistischen Ergebnisse von 7,3 auf 7,4 % erhöht hat.
    In diesem Zusammenhang — das ist schon so ein bißchen in Vergessenheit geraten — will ich darauf hinweisen, daß es sich auch heute und nicht zuletzt um ein Rentenerhöhungsgesetz handelt, das den Rentnern eine deutliche Kaufkraftsteigerung und zum drittenmal hintereinander eine Rentenerhöhung bringt, die ganz erheblich über den Einkommenszuwächsen der Arbeitnehmer liegt.

    (Beifall bei der SPD und der FDP)

    Das Rentenniveau wird damit einen neuen Höchststand erreichen. Wir sollten diese Tatsache angesichts der Schwierigkeiten der gesamten Operation nicht unterbewerten, sondern als ein wichtiges soziales Datum in unserer Situation ansehen.
    Erhalten bleiben auch die anderen Eckwerte des Regierungsentwurfs. Es bleibt bei der auch von der CDU/CSU akzeptierten Verschiebung des Rentenanpassungstermins auf den 1. Januar — vom 1. Juli 1978 erstmals auf den 1. Januar 1979. Wir halten auch an der im Rentenanpassungsbericht vorgese henen Möglichkeit fest, erforderlichenfalls die Rentenanpassung der Jahre 1979 und 1980 mit einem niedrigeren Prozentsatz als dem vorzunehmen, der dem Anstieg der allgemeinen Bemessungsgrundlage entspricht. Darum wird nicht herumgeredet. Wir verstehen das allerdings — das möchte ich ausdrücklich unterstreichen — nur als eine vorübergehende Maßnahme. Wir halten an dem Ziel fest, in den 80er Jahren in jedem Fall zur Bruttoanpassung zurückzukehren.

    (Zurufe von der CDU/CSU: Na, na!)

    Die Beratungen haben keinen Anlaß gegeben, die von der Bundesregierung vorgeschlagene Verringerung des Zeitabstands zwischen der Entwicklung der Rentenbemessungsgrundlage und den Lohnsteigerungen zu verändern. Wir halten dies für eine sinnvolle Weiterentwicklung der Rentenformel, die geeignet ist, die Konjunkturabhängigkeit der Rentenversicherung zu verringern.

    (Dr. Blüm [CDU/CSU] : Rentenkürzung!)

    Ebenso halten wir an der Einführung des Rentenversicherungsbeitrags der Bundesanstalt für Arbeit zugunsten Arbeitsloser fest.
    Die SPD-Fraktion hat aus finanziellen Erwägungen keine Möglichkeit gesehen, auf das Einfrieren der Kinderzuschüsse zu verzichten, zumal da die Kinderzuschüsse der Rentenversicherung im Vergleich zu dem nicht dynamischen Kindergeld eine beachtliche Höhe erreicht haben. Allerdings haben wir sichergestellt, daß das Einfrieren des Kinderzuschusses sich nicht auf die Vollwaisenrenten auswirken wird.
    Zum Problem der Übertragung der beruflichen Rehabilitation wird der Kollege Glombig bei den Änderungsanträgen der Opposition Stellung nehmen. Ich will das hier auch angesichts der Debattenlage aussparen.
    Die Ausschußberatungen haben nach Auffassung der SPD-Bundestagsfraktion gezeigt, daß das Konzept der sozialliberalen Koalition

    (Zuruf von der CDU/CSU: Weder sozial noch liberal!)

    zur Konsolidierung der Rentenversicherung nach wie vor ohne Alternative ist. Die sogenannte Alternative der CDU/CSU hat zwar ihre konkrete Form in Änderungsanträgen gefunden — das gestehe ich gern zu —, ist aber in der Sache dadurch nicht überzeugender geworden.

    (Beifall bei der SPD und der FDP)

    Die Änderungsvorschläge der CDU/CSU sind finanziell für die Konsolidierung nicht ausreichend. Sie sind nach unserem Verständnis in sich sozial unausgewogen. Sie sind verwaltungsmäßig undurchführbar. Deshalb werden sie von uns abgelehnt. Mein Kollege Glombig wird sich mit diesen Änderungsanträgen und mit dem gesamten Finanzwerk, das der Kollege Franke hier als Horrorgemälde entwickelt hat, in der zweiten Lesung bei den entsprechenden Änderungsanträgen der Opposition nochmals auseinandersetzen.
    Während die Koalitionsfraktionen in allen für die Konsolidierung wichtigen Punkten die Regierungsvorlage unverändert gelassen haben, haben sie in der Ausschußarbeit das Schwergewicht ihrer Bemühungen darauf gelegt, dem Gedanken der Beitragsgerechtigkeit verstärkt Geltung zu verschaffen. In dieser Hinsicht haben wir gegenüber dem Regierungsentwurf neue Akzente gesetzt.

    (Dr. Blüm [CDU/CSU] : Das stimmt!)

    Die SPD-Fraktion sieht in diesen Änderungen echte sozialpolitische Verbesserungen.

    (Dr. Blüm [CDU/CSU] : Das stimmt nicht!)

    Sie haben dazu beigetragen, daß mit diesem Gesetz die Renten nicht nur sicherer, sondern auch in sich sozial gerechter gestaltet werden.

    (Beifall bei der SPD und der FDP)

    Wir werden Gelegenheit haben, in der zweiten Lesung bei den entsprechenden Änderungsanträgen auf das zurückzukommen, was da geschehen ist und was wir voll unterstützen.
    In diesen Zusammenhang gehört auch das Thema „Aufstockung". Die Koalitionsfraktionen haben sich darauf verständigt, die Behandlung dieser Frage auszusetzen. Damit ist sie für die SPD-Fraktion nicht vom Tisch. Sie wird beim 21. Rentenanpassungsgesetz wieder aufgerufen. Ein entsprechender Entschließungsantrag macht deutlich, in welche Richtung wir denken. Bei der Prüfung dieser Frage wol-



    Egert
    len wir dem besonderen Problem der diskontinuierlichen Erwerbstätigkeit der Frauen in unserer Gesellschaft Rechnung tragen. Wir sehen allerdings einen unmittelbaren politischen Zusammenhang zwischen der Aufstockungsmöglichkeit für freiwillig Versicherte und der für Pflichtversicherte. Wenn wir beim 21. Rentenanpassungsgesetz auf Grund des Zahlenwerks überzeugt werden, auf die Behandlung dieser Frage weiter verzichten zu müssen, kann dies nicht ohne Konsequenz für die freiwillige Versicherung bleiben. Ich will das hier schon ankündigen, weil es im Zusammenhang mit dem, was hier an sozialer Gerechtigkeit geschaffen werden soll, wichtig ist.
    Zu den Fragen im Zusammenhang mit Ihren Änderungsanträgen zum Neunten Gesetz über die Anpassung der Leistungen des Bundesversorgungsgesetzes wird der Kollege Gansel, anknüpfend an die Ausführungen in der ersten Lesung, nachher in bewährter Weise Stellung nehmen. Er wird dabei auf die Absichten hinweisen, die uns geleitet haben, und besonders auf die Fragen der strukturellen Maßnahmen für die Kriegsopferversorgung und die entsprechenden Aufwendungen aus dem Haushalt eingehen.
    Lassen Sie mich angesichts der fortgeschrittenen Zeit nur noch ein paar Bemerkungen zu dem Krankenversicherungs-Kostendämpfungsgesetz machen. Auch hier spielte ja die Frage Freiheit, Liberalität oder Sozialismus eine Rolle. Ich habe mit Erstaunen gehört, das sei ein erster Schritt in den Sozialismus. Wissen Sie, wenn Sie diese Ergebnisse so kommentieren, müssen Sie sich doch fragen lassen: Wie ernst nehmen Sie sich selbst? Wer meint, daß die Regelungen, die, auch unter strukturellen Gesichtspunkten, im Kostendämpfungsgesetz getroffen worden sind, ein Schritt in den Sozialismus seien, will entweder nicht verstehen — dann muß man ihm Böswilligkeit unterstellen — oder kann nicht verstehen. Ich überlasse es dem Scharfsinn eines jeden, das zu bewerten. Ich würde es, wenn es meine Kollegen beträfe, mit Dummheit qualifizieren. Ich bin nicht so vermessen, das in die Richtung der Opposition zu sagen.
    Bei den Beratungen über das KVKG waren wir ja einer Meinung, daß im Gesundheitswesen eine Kostendämpfung erfolgen muß. Von dieser Position ist niemand abgerückt. Strittig war und bleibt offensichtlich die Frage, wie wir das Ziel der Kostendämpfung erreichen. Wir bewerten die gemeinsame Einsicht in die Notwendigkeit der- Kostendämpfung zwar nicht gering, wir vermissen allerdings die Bereitschaft, aus dieser gemeinsamen Erkenntnis auch die konsequenten Schlußfolgerungen zu ziehen. Wir Sozialdemokraten haben uns, gemeinsam mit der FDP, diesen Konsequenzen nicht verschlossen. Dabei ging es uns darum, systemgerechte Lösungen zu finden, die unser bewährtes — weil die Verdächtigungen allerorten in Richtung England und was weiß ich wo sonst noch hin zielen, betone ich das besonders — deutsches System der Selbstverwaltung im Gesundheitswesen stärken und erhalten.
    Zweitens wollten wir den Zusammenhang zwischen struktureller und Kostenentwicklung herstellen und bei den gesetzlichen Maßnahmen berücksichtigen; denn es wäre tatsächlich — um ein böses Wort aufzunehmen — Flickschusterei, wenn wir nur über Kosten nachdächten, obwohl wir parallel auch über Strukturen nachdenken müssen.

    (Müller [Remscheid] [CDU/CSU] : Wer hat denn das von der Flickschusterei gesagt? War das nicht Herr Schmidt [Kempten]?)

    Drittens war es unsere Absicht, die Lasten sozial gleichgewichtig zwischen den Anbietern von Gesundheitsleistungen und den Versicherten und ihren Sachwaltern, den Krankenkassen, zu verteilen.
    Die vierte Absicht, die uns geleitet hat, Herr Kollege Müller (Remscheid), war, die bestehende Fehlentwicklung im Gesundheitswesen zu korrigieren.
    Das Ergebnis der Ausschußberatungen messen wir an diesen vier Absichten, die für uns bei der Suche nach Regelungen maßgebend waren und sind. Wir glauben, daß das zur Beratung vorliegende Ergebnis diesen Absichten Rechnung trägt. Wir sehen es insbesondere als einen Erfolg unserer Bemühungen an, daß Anbietermacht und Versicherteninteresse in ein gleichgewichtiges Verhältnis gebracht, bestehende Wettbewerbsvorteile ausgeglichen worden sind und ein flexibles Instrumentarium zur Begrenzung der Kostenentwicklung im Gesundheitswesen entwickelt worden ist.
    Die Opposition hat dem Konzept der Bundesregierung, eine gesetzlich abgesicherte Anstrengung zur Kostendämpfung im Gesundheitswesen zu unternehmen, das die Koalitionsfraktionen uneingeschränkt bejahen, entgegengestellt: eine konzertierte Aktion der am Gesundheitswesen Beteiligten auf freiwilliger Grundlage. Wenn wir ja sagen zur Aktion auf gesetzlicher Basis und nein zum „Konzert", dann deshalb, weil die Widersprüchlichkeit der Aussagen aus dem Lager der Anbieter von Gesundheitsleistungen bei uns Zweifel hinsichtlich der Bereitschaft geweckt haben, sich auch tatsächlich an einer konzertierten Aktion zu beteiligen. Das wechselnde Ja und Nein zur freiwilligen Anstrengung hat bei uns den Verdacht genährt, daß das Teil einer Strategie ist, die gesetzliche Absicherung zu unterlaufen.

    (Sehr richtig! bei der SPD)

    Zweitens. Wir sehen nicht, wo die gesetzliche Absicherung der notwendigen kostendämpfenden Maßnahmen im Gesundheitswesen das freiwillige Vorverständnis der Beteiligten am Gesundheitswesen behindert. Das Gesetz ist die Ultima ratio, die sicherstellen soll, daß da, wo sich die Beteiligten nicht verständigen können — es soll im menschlichen Leben Situationen geben, in denen der Streit dauert —, die Zeche nicht ausschließlich von den Beitragszahlern und von den Krankenkassen als ihren Interessensachwaltern gezahlt wird. Unsere Erfahrungen in den letzten zwei Jahrzehnten — ich klammere die letzten zwei Jahre einmal aus —

    (Dr. Blüm [CDU/CSU] : Das ist auch besser!)

    mit dem Verhalten der Anbieter von Gesundheitsleistungen unterstreicht die Notwendigkeit der gesetzlichen Absicherung. Insbesondere das Jahr 1975



    Egert
    mit seiner sehr merkwürdigen finanziellen Entwicklung rechtfertigt diese gesetzliche Absicherung. Wir widerstehen deshalb der Flucht in die unverbindliche konzertierte Aktion, und wir bekennen uns zu der Absicht, verantwortliches Verhalten auch dadurch verbindlich abzusichern, daß wir den Anbietern von Gesundheitsleistungen Orientierungsdaten und Handlungsspielräume vorgeben.

    (Beifall bei der SPD)

    Dies behindert die Selbstverwaltung in keiner Weise.
    Mit der bundeseinheitlichen Empfehlungsvereinbarung für die Gesamtvergütung der Ärzte bzw. Zahnärzte sichern wir auf hohem Niveau ab, daß sich künftig auch die Einkommensentwicklung der Ärzte und Zahnärzte in gesamtwirtschaftliche Daten einpassen muß. Wir halten es für sozial durchaus vertretbar, daß sie sich unter anderem an den Lohn- und Einkommenszuwächsen der Beitragszahler in der gesetzlichen Krankenversicherung messen lassen muß. Die jetzt im Gesetz gefundene Regelung gewährleistet, daß regionalen Besonderheiten ausreichend Rechnung getragen werden kann. Wir haben kein Verständnis, wenn aus dem Kreis der ärztlichen Standesfunktionäre gegen diese Regelung mit dem Hinweis polemisiert wird, daß das Bremsen der Einkommenszuwächse bei den Ärzten notwendigerweise eine Leistungsminderung für den Patienten einschließt. Im Klartext heißt das doch, die Ärzteschaft ist bereit, ihren Beitrag zur Kostendämplung als Leistungsminderung an den Patienten weiterzureichen. Wie verträgt sich das mit dem oft beschworenen Standesethos?
    Die bundeseinheitliche Empfehlungsvereinbarung über diese Gesamtvergütung der Ärzte wird flankiert durch den im Gesetz vorgesehenen einheitlichen Bewertungsmaßstab. Ausgangspunkt soll dabei die Gebührenordnung der Ersatzkassen sein. Mit dieser Regelung wird endlich der Unsinn abgeschafft, daß gleiche ärztliche Leistungen unterschiedlich bewertet werden. Der von Ersatzkassen und Ärzteschaft unisono erhobene Vorwurf, hierdurch würde ein Einheitshonorar geschaffen werden, ist schon deshalb unzutreffend, weil eine unterschiedliche Honorierung der Leistung auch künftig möglich bleibt.

    (Lutz [SPD] : Das wäre Sozialismus auf hohem Niveau!)

    Mit dem einheitlichen Bewertungsmaßstab wird die Chance eröffnet, auch zur inneren Einkommensgerechtigkeit bei den erheblichen unterschiedlichen Einkommen innerhalb der Ärzteschaft einen Beitrag zu leisten. Daneben eröffnet die gesetzliche Regelung die Möglichkeit, ärztliche Leistungen neu zu bewerten, die apparative Medizin zugunsten des therapeutischen Gesprächs zwischen Patient und Arzt zurückzudrängen und den Blick des Arztes für wirtschaftliche Überlegungen bei den Anschaffungen in seiner Praxis zu schärfen.
    Mit der Einführung des Arzneimittelhöchstbetrages in der jetzt im Gesetz gefundenen Fassung wird der Versuch unternommen, die Arzneimittelausgaben in den Griff zu bekommen. Schon die im Regierungsentwurf vorgesehene Regelung hätte, sinnvoll umgesetzt, ein taugliches Instrument sein können, die ärztliche Verordnungsweise hinsichtlich der Arzneimittel zu beeinflussen. Wenn wir die vorgesehene Regelung weiter verbessert haben, dann unter anderem deshalb, weil vor dem Hintergrund öffentlicher Ankündigungen nicht auszuschließen war, daß diese Maßnahme zu Lasten der Patienten umgesetzt werden würde. Wir haben uns während der Ausschußberatung entschieden, vorzusehen, daß ein unbegründetes Überschreiten des vereinbarten Höchstbetrages auf Grund unwirtschaftlicher Verordnungsweise die Kassenärztlichen Vereinigungen verpflichtet, den Überschreitungsbetrag auf die Verursacher zurückzurechnen. Der Einzelregreß bei unwirtschaftlicher Verordnungsweise des Arztes muß obligatorisch durchgeführt werden. Wir gehen davon aus, daß die Stärkung der Position der Krankenkassen in den Prüfungsausschüssen zusätzlich sicherstellen wird, daß neben dem Gesichtspunkt der zweckmäßigen Arzneimittelversorgung, der für uns Vorrang hat, weil wir — entgegen aller Legendenbildung — keine Billig-Medizin wollen, auch verstärkt wirtschaftliche Gesichtspunkte berücksichtigt werden.

    (Beifall bei der SPD und FDP)

    Nun wird gegen die Regelung eingewandt, wir trügen den Konflikt zwischen Arzt und Patient in die Praxis, die Anspruchsmentalität des Patienten werde den Dauerkonflikt mit dem Arzt programmieren. Wir können dem nicht folgen, weil wir den Arzt mit seiner Autorität gegenüber dem Patienten in seiner gesundheitserzieherischen Funktion hier reklamieren müssen. In unserem Gesundheitswesen fällt keine kostenwirksame Entscheidung, die nicht wesentlich von einem Arzt mitbestimmt ist. Wir müssen deshalb als Gesetzgeber die besondere Verantwortlichkeit der Ärzte bei diesen Entscheidungen in Anspruch nehmen. Dabei verkennen wir nicht, daß auch der Patient aufgefordert ist, dabei selbstverantwortlich mitzuwirken. Gesundheitserziehung, die ihn auf diese Aufgabe vorbereitet und ihn einbezieht, hat unabhängig von diesem Gesetz hohe Priorität.
    Flankierend zum Arzneimittelhöchstbetrag sieht das Gesetz eine Reihe weiterer Maßnahmen vor, mit denen dem Anspruch, eine zweckmäßige und wirtschaftliche Arzneimittelversorgung sicherzustellen, Rechnung getragen werden soll. So soll als Überbrückungsmaßnahme, bis die Ergebnisse der Transparenzkommission beim Bundesgesundheitsamt vorliegen, der Ärzteschaft und den Krankenkassen die Möglichkeit gegeben werden, Preisübersichten zu erarbeiten, die die wirtschaftliche Verordnungsweise des Arztes fördern.
    Daneben wird dem Bundesausschuß der Ärzte und Krankenkassen die Möglichkeit gegeben, bestimmte Arzneimittelgruppen, die zur Krankheitsbehandlung nicht unbedingt erforderlich sind, aus der Verschreibungsfähigkeit zu Lasten der Krankenkassen herausnehmen. Selbstverständlich kann der Arzt im begründeten Einzelfall diese Mittel nach wie vor verordnen.



    Egert
    Die Herstellung von Preistransparenz sowie die erwähnte Negativliste sind unserer Meinung nach wirksame Mittel, der Preis- und Mengenentwicklung auf dem Arzneimittelmarkt entgegenzuwirken.
    Vor dem Hintergrund weiterer beträchtlicher Gewinnsteigerungen in der pharmazeutischen Industrie auch im Jahre 1976 erweisen sich die Vorbehalte dieses Industriezweiges gegen die gesetzlichen Regelungen als unbegründet. Die Ausgaben der gesetzlichen Krankenversicherung für Arzneimittel sind auch auf dem Hintergrund der besonderen Preisdisziplin aus dem Jahre 1976 weiter angestiegen. Das behauptete Eindämmen der Rezeptflut durch die Ärzteschaft hat nach jüngsten Aussagen der Betriebskrankenkassen Rhein-Ruhr noch nicht stattgefunden. Im Monat März verzeichnen die genannten Betriebskrankenkassen die bislang höchste Verschreibungswelle.

    (Hört! Hört! bei der SPD)

    Hinzu kommt ein weiterer erheblicher Preisanstieg bei den Arzneimitteln. Das weitere Wachsen der Industrieumsätze und der Anstieg der Arzneimittelausgaben bei den Krankenkassen fördert die Erkenntnis, daß das Beeinflussen der Preise durch selbstbeschränkende Maßnahmen der Industrie allein offenbar nicht ausreichend ist. Sie reichen vor allem dann nicht aus, wenn man sieht, daß der Erfindungsreichtum der pharmazeutischen Industrie dazu führt, über eine Steigerung der abgesetzten Arzneimittelmenge den Gewinn zu mehren. Wir begrüßen deshalb nicht nur aus gesundheitspolitischen Gründen die Maßnahmen, die auf die Mengenkomponente der Arzneimittel einwirken sollen.
    Während der Ausschußberatungen ist die vorgesehene Regelung zur Ausgestaltung der Verordnungsblattgebühr verändert worden. Uns erschien die zunächst eingeräumte Befreiungsmöglichkeit bei lang andauernden Krankheiten als unpraktisch. Wir haben jetzt eine generelle Pflicht für die Versicherten festgeschrieben — Ausnahmen sind die Kinder —, Verordnungsblattgebühr zu zahlen. Die Krankenkassen können in Härtefällen Versicherte von der Verordnungsblattgebühr befreien. Dies erlaubt unserer Meinung nach eine bewegliche, den sozialen und den gesundheitlichen Gegebenheiten Rechnung tragende Anwendung. Eine generelle gruppengebundene Befreiung, wie sie von der Opposition vorgeschlagen worden ist, lehnen wir ab. Die Bezugsgröße für die Gebühr ist nicht mehr das Verordnungsblatt, sondern das verordnete Arzneimittel. Pro verordnetem Mittel ist eine Gebühr von einer Mark zu zahlen. Diese Regelung bedeutet für den Versicherten gegenüber der vorgesehenen 20%igen Beteiligung bei einer Höchstgrenze von 3,50 DM keine Mehrbelastung. Wir gehen davon aus, daß die gefundene Regelung praktikabler ist, daß sie sich auf die Zahl der verordneten Arzneimittel auswirkt und daß sie die therapiegerechte Verordnungsweise durch den Arzt fördern wird.
    Den Regelungen im KVKG wird der Vorwurf gemacht, sie zwängen die Ersatzkassen ins Kassenarztrecht. Lassen Sie mich dazu eines klarstellen. Nach dem System unseres Krankenversicherungsrechts sind Ersatzkassen — entschuldigen Sie die Banalität — eben Ersatzkassen. Die Mitgliedschaft bei ihnen ist Ersatz für die Mitgliedschaft in einer gesetzlichen Krankenkasse, in einer Pflichtkasse. Sie ist die Ausnahme, nicht die Regel. Die vorwurfsvolle Bemerkung, die Ersatzkassen würden mit diesem Gesetz ins Kassenarztrecht gezwungen, ignoriert diesen Sachverhalt. Wir haben für diese Argumentation kein Verständnis.

    (Beifall bei der SPD und der FDP)

    Der Sinn des gegliederten Systems der Krankenkassen liegt in der Möglichkeit, miteinander in Wettbewerb zu treten. Dies kann nur unter gleichen Wettbewerbsvoraussetzungen möglich sein.

    (Beifall bei der SPD und der FDP)

    Oder soll das gegliederte System etwa bedeuten: Die einen haben die schlechten und die anderen die guten Risiken? Dies allerdings wäre die Institutionalisierung eines Wettbewerbsvorteils, und dies wollen wir nicht. Wir wollen gleiche Wettbewerbschancen. Dies hat zur Voraussetzung, daß die nach der Kassenart unterschiedliche Verteilung der guten und der schlechten Risiken ausgeglichen wird.
    Die sozialdemokratische Bundestagsfraktion begrüßt die Anhebung der Beitragbemessungsgrenze in der Form, in der sie jetzt als flankierende Maßnahme im Gesetz vorgesehen ist, wobei gleichzeitig die Schlupflöcher geschlossen worden sind, die es ermöglichten, daß jemand den Weg zu den privaten Krankenversicherungen in den Zeiten geht, in denen es ein gutes Risiko ist, und zu Zeiten eines schlechten Risikos bei der Alterssicherung in die Krankenversicherung der Rentner zurückkehrt. Ich meine, daß es legitim ist, zu verlangen, daß jemand, der seinen Anteil von der Solidargemeinschaft haben will, dazu auch seinen Beitrag kontinuierlich zu allen Zeiten geleistet haben muß und nicht wie ein Glücksritter wechselt, indem er sich in jungen Jahren in der privaten Krankenversicherung tummelt und in alten Jahren mit schlechtem Risiko in die gesetzliche Krankenversicherung zurückkehrt. Wir halten dies für eine vernünftige Lösung. In diesem Zusammenhang meinen wir, Beitragsbemessungsgrenze und die Schließung der Rentnerkrankenversicherung in Beziehung auf diesen Sachverhalt sind eine zusätzliche Verbesserung am Gesetzentwurf.
    Um die sinnvolle Zusammenarbeit im Rahmen der medizinischen Versorgung sicherzustellen, sieht das Gesetz vor — dies ist nun der Sozialismus in Reinkultur —, den ambulanten und den stationären Bereich stärker miteinander zu verzahnen.

    (Hört! Hört! bei der SPD)

    Was passiert, ist bestenfalls das Öffnen von vernünftigen Bahnen aus dem einen in den anderen Bereich und zurück. Wir wollen da keine Einbahnstraßen. Dies ist wirklich ideologiefrei. Dies hat mit optimaler medizinischer Versorgung zu tun. Dies hat mit einem Abgrenzen der Instrumente zu tun. Man muß die kostenaufwendigen Instrumente mit den billigeren Instrumenten verzahnen. Man muß die medizinische Versorgung in dem jeweiligen Stan-



    Egert
    dard vorhalten können. Wer darin ideologische Absichten wittert, ist nun wirklich sachfremd.

    (Beifall bei der SPD und der FDP)

    Mit der vorstationären Diagnostik wird dem Krankenhaus die Möglichkeit gegeben — ich wiederhole das für die Kollegin Dr. Neumeister —, bei den ihm durch die niedergelassenen Ärzte zugewiesenen Patienten — also kein originäres Recht, kein Ambulatorium — die Diagnostik ambulant durchzuführen und differenziert darüber zu entscheiden, ob sie ins Krankenhaus müssen oder ob sie weiterhin ambulant behandelt werden können. Darin steckt ein kostensparender Effekt, wenn er wirksam genutzt wird.

    (Dr. Blüm [CDU/CSU] : Wenn das stimmen würde!)

    Solange allerdings die Vorbehalte und Vorurteile wechselseitig hochgespielt werden, wird sich da tatsächlich wenig verändern. Wir gehen davon aus, daß diese Regelung nichts an der Aufgabenverteilung zwischen Krankenhaus und niedergelassenem Arzt ändert. Sie macht allerdings die Grenze zwischen den beiden Sektoren durchlässiger. Ideologische Tänze müssen deshalb wirklich nicht aufgeführt werden.
    Neben der vorstationären Diagnostik sollen, soweit es die Versorgung der Bevölkerung erfordert, Krankenhausfachärzte verstärkt beteiligt werden. Dies setzt sowohl die Zustimmung des Krankenhauses als auch die der Kassenärztlichen Vereinigungen voraus. Diese sehr eingeschränkte Regelung hilft in begründeten Notfällen — etwa dort, wo es um eine Unterversorgung hinsichtlich einer speziellen Facharztdisziplin geht, oder in Regionen, in denen die Facharztdichte im Bereich der Versorgung nicht vorhanden ist —, Lücken zu schließen, nicht mehr und nicht weniger.
    Das Gesetz sieht weiter die Möglichkeit der qualifizierten und kostengünstigen belegärztlichen Tätigkeit vor. Dabei gehen wir davon aus, daß im Interesse einer optimalen medizinischen Versorgung der Patienten im Krankenhaus Qualität und Wirtschaftlichkeit beim Einsetzen dieses Instruments Hand in Hand gehen müssen. Ich habe persönliche Erfahrungen mit belegärztlicher Tätigkeit, die mich schaudern machen. Andererseits kenne ich auch Beispiele, die mich zu der Auffassung bringen, daß im Rahmen der sinnvollen Verzahnung der vorhandenen Einrichtungen im Gesundheitswesen auch für dieses Instrument verstärkt der Weg geebnet werden muß.
    Einzelne Bestimmungen des Krankenhausfinanzierungsgesetzes sollen durch das KVKG verändert werden. Lassen Sie mich dazu im Grundsatz sagen, daß ein Kostendämpfungsprogramm, das ohne Maßnahmen bliebe, die auch im Krankenhausbereich wirken, nur Stückwerk wäre. Auf eine gesetzliche Absicherung dieser Maßnahmen können wir nicht verzichten. Wir sehen z. B. als unverzichtbar an, daß die gesetzliche Krankenversicherung auch im Krankenhausbereich die Möglichkeit der Mitsprache erhält. Dies ist nicht nur ihr gutes Recht, sondern muß zur Pflicht werden, weil die Krankenkassen über die Pflegesätze die Folgekosten der Entscheidungen, die andere fällen, tragen. Wir können und werden deshalb auf eine Stärkung der Mitwirkungsrechte der Krankenversicherung im Krankenhausbereich nicht verzichten. Dem Argument der Krankenhausträger, die Krankenkassen gelangten damit in eine vorherrschende Position, können wir nicht zustimmen. Das Gegenteil ist richtig: Diejenigen, die rund 18 Milliarden DM im Jahr an Pflegekosten aufbringen, bekommen erstmals das Recht, wirksam und gleichgewichtig mitzuwirken.
    Als wesentliche Stärkung der Selbstverwaltung sehen wir die Bestimmung an, die festlegt, daß Pflegesätze künftig zwischen Krankenhäusern und Krankenkassen ausgehandelt werden. Diese Regelung ist so ausgestaltet, daß ortsnahe Ergebnisse ermöglicht werden.
    Ein wichtiger Punkt in der öffentlichen Diskussion war die Frage der Eigenbeteiligung der Krankenhausträger an den Investitionskosten. Dieser Punkt war heftig umstritten. Er hat bei den Beratungen im Auschuß eine wichtige Rolle gespielt.

    (Zuruf des Abg. Prinz zu Sayn-Wittgenstein-Hohenstein [CDU/CSU])

    — So neu allerdings, wie Sie meinen, ist der Gedanke nicht. Das Krankenhausfinanzierungsgesetz enthält ihn bereits. Schon jetzt zahlen Krankenhausträger einen Investitionskostenanteil, wenn er auch nicht so heißt. Bei Neu- und Erweiterungsbauten übernehmen sie die Grundstücks- und Erschließungskosten. Da ist ein Stück Eigenbeteiligung der Krankenhausträger vorgesehen.
    Umstritten war, ob dieser Eigenanteil über die Pflegesätze refinanzierbar gestaltet werden soll. Wir haben uns mit gutem Grund für die Refinanzierbarkeit entschieden. Ein Zurück zum System der fortlaufenden Betriebskostenzuschüsse wollen wir nicht.

    (Müller [Remscheid] [CDU/CSU] : Das hört sich alles so harmlos an!)

    Wir können mehr Kostenbewußtsein, mehr Wirtschaftlichkeit bei Krankenhäusern nicht mit Regelungen erreichen wollen, die es ihnen unmöglich machen, die Kosten auch voll zu erarbeiten. Im übrigen rechtfertigte eine Eigenbeteiligung, die nicht erwirtschaftet werden kann, tatsächlich den Vorwurf der freigemeinnützigen Träger, sie würden benachteiligt werden. Hinsichtlich der Refinanzierung würde ich die Dramatisierung, die der Kollege Franke an diesem Punkt hat erkennen lassen, nicht teilen wollen.
    Meine Damen, meine Herren, ich habe in einer Art tour d'horizon versucht, über die wesentlichen Ergebnisse der Ausschußarbeit Bericht zu geben, sie aus der politischen Sicht der SPD-Bundestagsfraktion vorzustellen und zu bewerten. Wir werden bei der Aussprache über die Anträge der Opposition in der zweiten Lesung unsere Position zu Teilgebieten der politischen Gesamtoperation, insbesondere zu den Änderungsanträgen der Opposition, weiter verdeutlichen.



    Egert
    Die sozialdemokratische Bundestagsfraktion kann jedoch schon jetzt feststellen, daß zum Konzept der Bundesregierung während der Beratungen in den Ausschüssen eine Alternative, die solide in der Sache wäre und auf einem realistischen finanziellen Boden stünde, nicht erkennbar geworden ist.

    (Müller [Remscheid] [CDU/CSU] : Das ist Ihre Meinung! — Zink [CDU/CSU] : Das werden wir morgen bei den Abstimmungen erleben!)

    Wir bekennen uns zu dem Ergebnis unserer Ausschußarbeit. Wir halten es für ein weiter verbessertes Ergebnis, das die schwierigen Probleme unseres sozialen Sicherungssystems angemessen, sachgerecht, solide und sozial ausgewogen behandelt.
    Wir sehen das Ergebnis auch als einen Ausweis der Handlungsfähigkeit der sozialliberalen Koalition auf einem zentralen Feld der Gesellschaftspolitik an. Die sozialdemokratische Bundestagsfraktion versteht das Ergebnis auch als ein ermutigendes Zeichen, unbeirrt von öffentlichen Mißtönen konsequent in der Zusammenarbeit innerhalb der Koalitionsfraktionen fortzufahren.

    (Beifall bei der SPD und der FDP)