Rede von
Hermann
Dürr
- Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede:
(SPD)
- Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Der Bundesrat hatte am 16. Juli 1976 zu zwölf Punkten des Gesetzes zur Regelung des Rechts der Allgemeinen Geschäftsbedingungen den Vermittlungsausschuß angerufen. Der Vermittlungsausschuß ist dem Vorschlag des Bundesrates in neun Punkten gefolgt, wobei es sich zur Hälfte um mehr redaktionelle Änderungen handelt wie z. B. die Gliederung des Gesetzes und Überschriften der einzelnen Bestimmungen.
Die weiteren Änderungsvorschläge betreffen die Verfahrensregelungen des Gesetzes. Hier ist der Vermittlungsausschuß dem Vorschlag des Bundesrates gefolgt, den Anspruch auf Unterlassung und Widerruf von unwirksamen Klauseln zeitlich zu begrenzen. Es besteht kein Bedürfnis, noch bis zu 30 Jahre nach der letzten Verwendung von unwirksamen Klauseln vom Verwender Unterlassung oder Widerruf verlangen zu können. Ebenso wie z. B. bei dem entsprechenden Unterlassungsanspruch nach dem Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb sollte auch hier die regelmäßige Verjährungszeit von 30 Jahren verkürzt werden. Da die Gefahr einer wiederholten Verwendung und Empfehlung unwirksamer Bestimmungen mit der Zeit geringer wird und ein weiteres Interesse an der Untersagung meist nicht mehr besteht, soll der Unterlassungs- bzw. Widerrufsanspruch zwei Jahre nach Kenntnis der letzten Verwendung oder Empfehlung verjähren, ohne Rücksicht auf diese Kenntnis in vier Jahren.
Ein weiterer Punkt, in dem der Vermittlungsausschuß dem Vorschlag des Bundesrates gefolgt ist, ist die erstinstanzliche Zuständigkeit des Landgerichts für Unterlassungs- und Widerrufsklage. Im Gesetzesbeschluß war die Zuständigkeit der Oberlandesgerichte vorgesehen. Damit sollte erreicht werden, daß nur wenige, besonders qualifizierte Gerichte über die Unwirksamkeit konkreter Allgemeiner Geschäftsbedingungen entscheiden und so die Verfahren durch Wegfall der Berufungsinstanz beschleunigt und die Rechtsprechung möglichst vereinheitlicht werden. Diese auch vom Bundesrat grundsätzlich befürwortete Zielrichtung ist nach Ansicht des Vermittlungsausschusses auch bei einer erstinstanzlichen Zuständigkeit der Landgerichte zu erreichen, da die Beschleunigung unter Umständen auch durch die Sprungrevision zum Bundesgerichtshof sowie die Konzentration auch durch die Zuständigkeit eines Landgerichtes für die Bezirke mehrerer Landgerichte möglich ist. Mit der Übertragung der Zuständigkeit auf die Landgerichte wird außerdem die Einheitlichkeit und Übersichtlichkeit des Gerichtsaufbaues gewahrt und die Beschränkung auf nur eine Tatsacheninstanz vermieden.
Ferner sollen die Eintragungen in das vom Bundeskartellamt zu führende Register über Unterlassungs- und Widerrufsklagen bzw. Urteile betreffend unwirksame Allgemeine Geschäftsbedingungen nicht schon nach 10 Jahren, sondern erst nach 20 Jahren gelöscht werden. Die Einzelheiten über die Registerführung sollen aus dem Gesetz herausgenommen und durch Verwaltungsvorschriften geregelt werden, was außerdem den Vorteil der leichteren Ergänzung und Anpassung an die Praxis bietet.
Nicht gefolgt ist der Vermittlungsausschuß den Vorschlägen des Bundesrates, das Gesetz um Vorschriften über den Erlaß einer einstweiligen Verfügung und die Streitwertherabsetzung zu ergänzen sowie die Vorschrift über die Rechtskrafterstreckung zu streichen. Nach Ansicht des Vermittlungsausschusses besteht keine Notwendigkeit, die allgemeinen Vorschriften über einstweilige Verfügungen hier zu modifizieren, das heißt bei der einstweiligen Durchsetzung des Unterlassungsanspruchs gegen unwirksame Allgemeine Geschäftsbedingungen auf eine Glaubhaftmachung der Dringlichkeit zu verzichten.
Auch der Vorschlag des Bundesrates nach einem gespaltenen Streitwert, um den individuellen wirtschaftlichen Verhältnissen einer Partei gerecht zu werden, ist vom Vermittlungsausschuß nicht aufgegriffen worden. Dabei spielten unter anderem die Überlegungen eine Rolle, daß die Parteien in dem gleichen Verfahren ungleich behandelt und in der Praxis verstärkt unerwünschte Honorarvereinbarungen abgeschlossen würden. Das Prozeßrisiko für die Verbraucherverbände wird in dem Gesetz bereits beschränkt, indem der Streitwert nicht über 500 000 DM angenommen werden darf.
Was schließlich die im Gesetz vorgesehene Breitenwirkung der gerichtlichen Entscheidungen angeht, so haben die Argumente des Bundesrates, die §§ 19 und 21 zu streichen, den Vermittlungsausschuß nicht überzeugt. Diese neuen Ansätze im Verfahrensrecht kommen sowohl dem Verwender von Allgemeinen Geschäftsbedingungen als auch den Kunden zugute. Durch Erweiterung der Vollstreckungsgegenklage kann sich der Verwender von Allgemeinen Geschäftsbedingungen auf andere und spätere höchstrichterliche Urteile berufen, in denen entsprechende Allgemeine Geschäftsbedingungen nicht beanstandet worden sind. Durch die Rechtskrafterstreckung kann sich jeder Kunde auf ein einmal ergangenes Unterlassungsurteil gegen den gleichen Verwender von Allgemeinen Geschäftsbedingungen berufen. Überlegungen zur Prozeßökonomie, zur Effektivität der gerichtlichen Entscheidungen und zur Einheitlichkeit der Rechtsprechung führen nach Ansicht des Vermittlungsausschusses dazu, diese Verfahrensregelung in dem Gesetz beizubehalten.
Der Antrag des Vermittlungsausschusses enthält damit, um es zusammenzufassen, neben redaktionellen Änderungen einen ausgewogenen Kompromiß hinsichtlich der Verfahrensregelungen. Der Vermittlungsausschuß hat beschlossen, daß über die von ihm vorgeschlagenen Änderungen gemeinsam abzustimmen ist. Ich bitte das Hohe Haus, dem Antrag des Vermittlungsausschusses zuzustimmen.