Rede von
Benno
Erhard
- Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede:
(CDU/CSU)
- Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CDU)
— Ich wollte Frau Funcke in diesem Zusammenhang nicht erwähnen; ich bitte um Nachsicht.
Ich möchte festhalten: Niemand von uns glaubt, daß das Scheidungsrecht eine endgültig zerrüttete Ehe wieder heilen könnte. Auch wir gehen davon aus, daß es Fälle gibt, in denen eine Ehe geschieden werden muß und in denen Ehen geschieden werden, wie das ja auch heute zum geltenden Recht gehört. Es sind immerhin etwa 100 000 Ehen, die zur Zeit im Jahr unter dem geltenden Recht geschieden werden.
Auch wir wissen, daß Trennungsfristen — das hat der Kollege Mikat heute morgen schon deutlich gesagt — eine Vermutung für die Tatsache, daß eine Ehe zerrüttet ist und auch unheilbar zerrüttet ist, durchaus begründen können und in der Regel auch begründen. Die Frage ist nur, ob das immer und ausschließlich und ohne jede Überprüfung sein soll.
Das neue Recht, meine sehr verehrten Damen und Herren, so meinte der Herr Bundesminister der
Justiz, ermögliche, mit schwierigen Lebenssituationen leichter fertig zu werden als das geltende Recht.
Worin diese Erleichterung bestehen soll, hat der Herr Minister füglich verschwiegen: Ich will es Ihnen sagen: Die Erleichterung liegt schlicht und einfach darin, daß derjenige, der sich in einer Ehe durch das In-der-Ehe-Bleiben bedrückt fühlt und keinen Grund im anderen Partner für eine Scheidung hat, trotzdem und auch relativ leicht und schnell aus der Ehe herauskann. Das ist also die angebotene Erleichterung: den anderen leichter verlassen zu dürfen.
Der Bundesminister der Justiz hat weiter gesagt, der Gedanke des Zwingens trete in dem neuen Recht zurück. Auch hier hat er nicht einen einzigen, auch nur angedeuteten Fall oder ein Beispiel nennen wollen und auch sicherlich nicht nennen können, denn der Gedanke des Zwingens hat ja immer zwei Seiten in der Ehe; ich werde auf das, was Eheverständnis zu sein scheint oder werden soll, noch eingehen. Der Gedanke des Zwingens, Herr Minister Vogel, tritt doch in dem neuen Recht ausschließlich in den Bereichen zurück, die wir als die „48er Fälle" umgreifen können. Daß das ein ganz kleiner Teil der Scheidung ist, wissen wir, und daß hier eine Veränderung auch nach unseren Vorstellungen Platz greifen soll, ist klar. Wo aber sonst sind denn die eigentlichen Elemente des Zwingens, die in den Hintergrund treten? Es werden Pflichten, die sich aus der Bindung in der Ehe ergeben, leichter abgestreift werden können. Das ist richtig. Alle Pflichten binden denjenigen, der die Pflicht als unerträglich vielleicht empfinden mag. Jede Erleichterung für einen, aus der Ehe herauszugehen, bedeutet eine Verminderung des Rechtes desjenigen, der an der Ehe festhält. Das heißt im Klartext: Das Zwingen wird verlagert auf denjenigen, der an der Ehe festhält, der sich ordentlich und treu verhält. Genau das ist unrecht.
Ein weiterer Aspekt ist in allen Reden bisher unüberhörbar gewesen, ein Aspekt, als müßte unsere Vorstellung von der Ehe grundlegend geändert werden und als hätte unser geltendes Recht ein unverrückbares Leitbild, das es zu beseitigen gelte, und dieses Leitbild wird die Hausfrauenehe genannt; wir wollen einmal sagen: die Position der Hausfrau und Mutter, die nicht außerhalb des Hauses erwerbstätig ist. Das scheint Sie zu stören. Uns stört das nicht.
Frau Lepsius meinte, auch heute wieder sagen zu müssen, obwohl sie von uns schon im Rechtsausschuß darauf deutlich angesprochen wurde, wir hätten die Vorstellung einer patriarchalischen Ehe. Auch der hochverehrte Herr Minister Dr. Vogel sprach von dem Leitbild der Herrschaft des Vaters.
14468 Deutscher Bundestag — 7. Wahlperiode — 209. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 11. Dezember 1975
Erhard
In meiner Familie ist die Herrschaft des Vaters
nicht vorhanden; das kann ich Ihnen nur sagen. In
unseren Ehevorstellungen, Herr Minister Dr. Vogel
— ich weiß, daß der Doktortitel auf einigen Ihrer Plakate ausgeschrieben ist; das ehrt Sie ganz besonders und hebt Sie aus der sonstigen Schar der Doktoren heraus —,
existiert das Leitbild der Hausfrauenehe überhaupt nicht.
— Das ist kein Leitbild. — Das Recht muß den Ehepartnern ermöglichen, frei, ohne Zwang, ohne Nachteile bestimmen zu können, welche Art von Ehe in ihrem Bereich gelten soll, wie sie ihre Aufgaben teilen.
— Genau das schreiben Sie nicht in das Gesetz hinein, sondern Sie errichten ein System, auf Grund dessen für die Frau der Zwang entsteht, außerhalb des Hauses erwerbstätig zu sein.
Sie reden von der Bevormundung der Eheleute, die beseitigt werden müsse. In dem Papier „Familienpolitik der SPD — Entwurf" ist das auch zu lesen: die Bevormundung der Eheleute durch das Gesetz. Wir stimmen darin überein — es ist wichtig für uns, die Grundposition, in der wir, mindestens dem Wortlaut nach, noch übereinstimmen, festzuhalten; denn es sollte eine breite Basis für die EheScheidungs- oder sonstwie zu nennende Reform angestrebt werden, und vielleicht ist das doch noch möglich —,
daß die Partnerschaft in der Ehe praktiziert und künftig nicht erschwert oder unmöglich gemacht wird.
Die gemeinsame Entscheidung der Eheleute über das, was unter ihnen gelten soll, wird von uns — damit es nicht den geringsten Zweifel darüber gibt — voll und ganz bejaht. Aber der Gesetzgeber enthält sich jeglicher Aussage über das, was im Streitfall gelten soll. Wir machen ein Gesetz — richtiger: Sie legen einen Gesetzentwurf vor — für das schöne Wetter. Dafür brauchen wir es nicht. Das Gesetz muß für die Streitfälle Leitfunktion haben, den Eheleuten und dem Richter Lösungselemente an die Hand geben. Aber in typisch sozialdemokratischer Manier — die Freien Demokraten machen das inzwischen ja alles mit — wird gesagt: Wir geben keine Regeln, das macht künftig alles das Gericht, d. h. der Familienrichter. Der Familienrichter weiß dann im
Streitfall ganz konkret und genau — viel besser als die Eheleute —, was in der Ehe gelten soll. Er muß dann entscheiden.
Wenn dann keine Entscheidung getroffen wird, wenn es keine Leitlinien gibt, führt das notwendigerweise zum Zerreißen der Ehe, zur Scheidung. Insofern programmieren Sie ein wesentliches Stück nachhaltigen Streits in die künftigen Ehen hinein.
Ich bin aber sogar der Meinung, daß Sie in Wirklichkeit gar nicht die gemeinsame Entscheidung der Eheleute meinen und wollen; denn in Ihrem Papier zu diesem Gesetz — „Eherechtsreform" — liest man auf der Seite 16, daß vielfältige Maßnahmen notwendig seien, „damit das Recht der freien Aufgabenverteilung in der Ehe nicht nur auf dem Papier steht, sondern tatsächlich auch eine Wahlmöglichkeit für beide Ehegatten besteht". Das Problem, ob die Ehe als Gemeinschaft anzusehen ist oder ob jeder Ehepartner einzeln die Entscheidung fällen kann — dann muß der andere eben sehen, wo er bleibt —, entscheiden Sie im Sinne der zweiten Möglichkeit. Wer den dickeren Kopf hat, setzt sich durch! Eine saubere Vorstellung von Ehe. Die Frage der Rücksicht, die zu nehmen ist, wird von dem Kollegen Arnold noch deutlich anzusprechen sein.
Wir meinen, daß der Familienrichter das, was der Gesetzgeber tun müßte, nicht ersetzen kann. Wir haben die große Sorge, daß sich aus der ständigen Ansprache der Hausfrauentätigkeit und der Hausfrauenehe sowie dem sich aus dem Gesetz tatsächlich ergebenden Zwang zur Erwerbstätigkeit — und zwar aus vielen Gründen; wir werden darüber in der zweiten Lesung noch viel zu sprechen haben — eine ganz allgemein andere Vorstellung von Ehe und Familie herleiten läßt, die vor allem Ihnen von der SPD vorschwebt. Das läßt sich leider auch deutlich machen, wenn man nur hinreichend genug das sieht, was Sie über Ehe und Familie verkünden und in Druckschriften und Reden verkünden.
Der Familienbericht der Bundesregierung — von diesem kann sich ja wohl auch der Bundesjustizminister nicht so freischwimmen, wie er sich von früheren eigenen Vorstellungen in den verschiedensten Gesetzentwürfen der eigenen Regierung, auch heute wieder, distanziert oder freischwimmt — bejaht die Punkte, die ich jetzt nenne, ausdrücklich. Darüber kann man zusammenfassend etwa sagen, daß die Ehe als geschichtliche Einrichtung gesehen wird, deren Erhaltung oder auch Abschaffung nur dem gesellschaftlichen Wandel unterliege.
Etwas ähnliches steht dann auch wiederum in dem Papier der SPD zur Familienpolitik. Danach unterliegt das, was Ehe im Wesen sein könnte, also dem gesellschaftlichen Wandel.
In diesem Familienbericht finden sich auch Abhandlungen, in denen die Frau und Mutter, die ihre ganze Kraft der Familie widmet, als nicht emanzipiert und negativ dargestellt wird. Sie wird ganz pauschal verdächtigt, sie münze ihre eigene Unter-
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drückung — die Unterdrückung durch den Mann — in eine totalitäre Erziehungspraxis gegen ihre eigenen Kinder um. Die Bundesregierung äußert, sie wolle die gesetzliche Verankerung des Leitbildes der sogenannten Hausfrauenehe beseitigen. Nun, das ist ja schon der Gegenstand dieses Entwurfs, und das wird im Familienbericht auch noch extra so gesagt.
Außerdem wird dort die Familie als der Garant der sozialen Ungleichheit angesprochen, die abzuschaffen das Ziel der Familienpolitik sein müsse. In diesem Zusammenhang erinnere ich an die wunderbare Begründung zu dem Recht der elterlichen Sorge, in der ausgeführt ist, was von jedem nachgelesen werden kann — auch das ist unter der Federführung des Herrn Justizministers entstanden —, daß die Kinder Objekt der elterlichen Fremdbestimmung seien. Das ganze Familienrecht, die ganzen Verhältnisse in der Ehe werden also unter die Vorstellung von Herrschaftsstrukturen, Zwangsrechten und ähnlichem gebracht, die es abzuschütteln gelte.
Man versteht unter Familie etwas gänzlich anderes. Ich lese Ihnen nur einmal folgendes vor, weil es so schön ist. Familien sind nach den Vorstellungen der SPD „auf die Dauer angelegte Lebensgemeinschaften eines oder mehrerer Erwachsener mit einem oder mehreren Kindern".
Unsere Vorstellung, daß die Ehe die dauerhafte Verbindung von einem Mann mit einer Frau ist, ist also nicht mehr unumstritten. Was ich vorgelesen habe, ist im Juli dieses Jahres von der SPD der staunenden Öffentlichkeit schriftlich vorgelegt worden.
Auf Seite 9 dieser Schrift steht unter Berufung auf die Wissenschaft — in manchen Bereichen sind Sozialdemokraten ja schon seit eh und je außerordentlich wissenschaftsgläubig
Die einschlägigen Wissenschaften lehren, daß die grundlegenden Fähigkeiten, die ein Mensch besitzen muß, am besten in einer Gruppe eingeübt werden können, deren personelle Zusammensetzung sich nicht wesentlich ändert.
Die Gruppe ist der Ersatz für die Familie, und ich bin nur froh, daß hier wenigstens nicht die Kommune genannt worden ist.
Diese Grundpositionen, die hier angesprochen sind, sehen wir zu einem nicht unerheblichen Teil in dem neuen Gesetz als Basis vorhanden. Nicht die Eheleute, sondern jeder einzelne, nur jeder einzelne hat Rechte. Seine Pflichten werden in den Hintergrund gerückt. Seine Pflichten dem anderen gegenüber werden möglichst nicht mehr genannt. Seine Pflichten den Kindern gegenüber lassen sich nur an einigen Stellen vorsichtig aus dem Gesetzentwurf herauslesen. Im ganzen bringt dieser Entwurf bis jetzt und so wie er ist kein besseres Recht, sondern mehr Unrecht, keine größere Freiheit für die Frau, sondern eine stärkere Belastung der Frau mit den Lebensumständen, wenn sie Mutter wird. Es von Gesetzes wegen nicht zu erschweren, sondern die
Möglichkeit offenzuhalten, daß unsere Frauen in den Ehen noch Mütter werden und auch voll ja zu dieser großen Aufgabe sagen können, ist, wie ich meine, eine Aufgabe des Gesetzgebers. Das Recht unserer Mütter in diesem Lande zu sichern, ist eines der wesentlichsten Anliegen, das wir mit diesem Gesetzentwurf gesichert sehen möchten.