Rede:
ID0702703800

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  • tocInhaltsverzeichnis
    Deutscher Bundestag 27. Sitzung Bonn, Donnerstag, den 5. April 1973 Inhalt: Amtliche Mitteilungen . . . . . . . . 1273 A Aussprache über den Entwurf eines Gesetzes über die Feststellung des Bundeshaltsplans für das Haushaltsjahr 1973 (Haushaltsgesetz 1973) (Drucksache 7/250) in Verbindung mit Beratung des Finanzplans des Bundes 1972 bis 1976 (Drucksache 7/370), mit Entwurf eines Steueränderungsgesetzes 1973 (Drucksache 7/419) — Erste Beratung —, mit Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Mineralölsteuergesetzes 1964 und des Gesetzes über das Branntweinmonopol (Drucksache 7/422) - Erste Beratung —, mit Entwurf eines Zweiten Gesetzes über die Erhöhung von Dienst- und Versorgungsbezügen in Bund und Ländern (Zweites Bundesbesoldungserhöhungsgesetz) (Drucksachen 7/411, 7/442) — Erste Beratung —, mit Entwurf eines Gesetzes über die Sechzehnte Rentenanpassung und zur Regelung der weiteren Anpassungen der Renten aus den gesetzlichen Rentenversicherungen sowie der Geldleistungen aus der gesetzlichen Unfallversicherung (Drucksache 7/427) — Erste Beratung — und mit Entwurf eines Fünften Gesetzes über die Anpassung der Leistungen des Bundesversorgungsgesetzes (Fünftes Anpassungsgesetz — KOV) (Abg. Geisenhofer, Dr. Althammer, Ziegler, Dr. Schulze-Vorberg, Dr. Riedl [München], Dr. Waigel, Maucher, Burger, Dr. Götz, Müller [Remscheid], Dr. Blüm und Fraktion der CDU/ CSU) (Drucksache 7/315) — Erste Beratung — Wagner (Günzburg) (CDU/CSU) (zur GO) 1274 A Dr. Barzel (CDU/CSU) . . . . . 1274 B Wehner (SPD) . . . . . . . 1283 B Dr. Graf Lambsdorff (FDP) 1285 C, 1341 B Brandt, Bundeskanzler . . . . . 1290 B Seiters (CDU/CSU) . . . . . . . 1297 C Dr. Stoltenberg, Ministerpräsident des Landes Schleswig-Holstein . . 1302 B, 1330 D, 1334 A Dr. h. c. Dr.-Ing. E. h. Möller (SPD) 1310 A Mischnick (FDP) . . . . . . . . 1317 A Schmidt, Bundesminister (BMF) . . 1319 D, 1333 C II Deutscher Bundestag — 7. Wahlperiode — 27. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 5. April 1973 Dr. Althammer (CDU/CSU) . . . . 1334 B Dr. Arndt (Berlin) (SPD) . . . . . 1338 C Dr. Häfele (CDU/CSU) 1343 D Dr. Weber (Köln) (SPD) . . . . 1346 D Dr. Müller-Hermann (CDU/CSU) . 1349 C Damm (CDU/CSU) . . . . . . 1349 D Würtz (SPD) . . . . . . . . 1357 B Leber, Bundesminister (BMVg) . 1359 C Dr. Wörner (CDU/CSU) 1361 C Vogel (Ennepetal) (CDU/CSU) . . 1363 D Liedtke (SPD) 1365 D Groß (FDP) 1368 A Genscher, Bundesminister (BMI) . 1368 B Nächste Sitzung 1369 C Anlage Liste der beurlaubten Abgeordneten . . 1371* A Deutscher Bundestag — 7. Wahlperiode — 27. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 5. April 1973 1273 27. Sitzung Bonn, den 5. April 1973 Stenographischer Bericht Beginn: 9.00 Uhr
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    Anlage Liste der beurlaubten Abgeordneten Abgeordnete(r) beurlaubt bis einschließlich Dr. Achenbach * 7. 4. Adams * 7. 4. Ahlers 6. 4. Dr. Aigner * 7. 4. Dr. Artzinger * 7. 4. Dr. Bangemann * 7. 4. Dr. Becher (Pullach) 6. 4. Behrendt * 7. 4. Dr. Dr. h. c. Birrenbach 6. 4. Blumenfeld 7. 4. Buchstaller 6. 4. Dr. Burgbacher 6. 4. Buschfort 6. 4. Dr. Corterier * 7. 4. Frau Däubler-Gmelin 6. 4. Dr. Dregger ** 16. 4. Dr. Evers 6. 4. Fellermaier * 8. 4. Flämig * 7. 4. Frehsee ' 7. 4. Dr. Früh * 7. 4. Gerlach (Emsland) * 7. 4. Gewandt 7. 4. Härzschel * 7. 4. Hofmann 6. 4. Dr. Jaeger 6. 4. Dr. Jahn (Braunschweig) * 7. 4. Kahn-Ackermann** 7. 4. Kater 30. 4. Kirst 6. 4. * Für die Teilnahme an Sitzungen des Europäischen Parlaments ** Für die Teilnahme an Ausschußsitzungen der Versammlung der Westeuropäischen Union Anlage zum Stenographischen Bericht Abgeordnete(r) beurlaubt bis einschließlich Dr. Klepsch* 7. 4. Lange * 7. 4. Lautenschlager * 6. 4. Dr. Lenz (Bergstraße) 5. 4. Frau Dr. Lepsius 7. 4. Löffler 6. 4. Lücker * 7. 4. Dr. Martin 7. 4. Frau Meermann 6. 4. Memmel * 7. 4. Mertes 6. 4. Mikat 6. 4. Müller (Mülheim) * 6. 4. Mursch (Soltau-Harburg) * 6. 4. Dr. Oldenstädt 6. 4. Frau Dr. Orth * 7. 4. Picard 7. 4. Richter ** 7. 4. Dr. Riedl (München) 18. 4. Frau Schleicher 6. 4. Schmidt (München) ** 7. 4. Schmidt (Wattenscheid) 7. 4. Frau Schuchardt 8. 4. Schulte (Schwäbisch Gmünd) 6. 4. Dr. Schulz (Berlin) * 7. 4. Schwabe * 7. 4. Dr. Schwencke ** 7. 4. Dr. Schwörer * 7. 4. Seefeld* 8. 4. Spillecke 6. 4. Spilker 6. 4. Springorum * 7. 4. Dr. Starke (Franken) * 7. 4. Walkhoff * 7. 4. Dr. von Weizsäcker 5. 4. Frau Dr. Wex 6. 4. Wienand 6. 4. Frau Dr. Wolf ** 6. 4. Wrede 7. 4.
  • insert_commentVorherige Rede als Kontext
    Rede von Dr. Alex Möller


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (SPD)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)

    Dabei haben Sie als Eiferer übersehen, daß auf die letzte Aussagekraft in dieser Erklärung der Wert gelegt wurde, und diese letzte Gültigkeit ist abhängig von dem Umfang an Informationen und von den Dingen, die zusätzlich in dieser Aussage enthalten sind.

    (Abg. Leicht: Die war damals viel besser als heute!)

    Was nun den anderen Herrn betrifft, den Sie zitiert haben, so müssen Sie nicht mich fragen. Vielleicht fragen Sie den Kollegen Professor Erhard, der in der jüngsten Vergangenheit bessere Verbindungen mit dem Herrn unterhält und sicherlich sachverständiger darüber Auskunft geben kann, als mir das möglich ist.

    (Beifall bei den Regierungsparteien. — OhRufe bei Abgeordneten der CDU/CSU.)

    Herr Kollege Barzel hat davon gesprochen, daß am Anfang der Arbeit dieser Regierung unter dem Bundeskanzler Brandt ein Stabilitätsangebot von der Opposition gemacht worden sei, und wir hätten dieses Stabilitätsangebot nicht akzeptiert. Ich habe mir die Akten angesehen und komme zu dem Ergebnis, daß es sich nur um den Vorgang handeln kann, der sich am 26. November 1969 im Bundestag abgespielt hat, als wir uns mit den Gesetzentwürfen zur Verbesserung der Kriegsopferleistungen in erster Lesung beschäftigten. Wir mußten der CDU/CSU- Fraktion vorwerfen, daß sie Gesetzentwürfe über Wohngeld, Kindergeld, Verbesserungen im Wehrbereich usw. eingereicht hatte, die mit einem Betrag von 1,2 Milliarden DM über die Gesetzentwürfe der Bundesregierung hinausgingen, und daß eben nicht gesagt werden konnte, wie die Deckung hergestellt werden sollte. Da hat Herr Kollege Barzel den Vorschlag gemacht, man möge alle Anträge, die finanzwirtschaftlich von Bedeutung seien, bis zur zweiten und dritten Lesung des Bundeshaushalts 1970 zurückstellen.

    (Abg. Damm: Mit Ausnahme der Kriegsopfer!)

    — Ja, zunächst mit Ausnahme der Kriegsopfer. Wir haben uns dann sehr schnell darauf verständigt, daß dazu noch der öffentliche Dienst und die Landwirtschaft gehören müßten, und zwar die Landwirtschaft wegen des Währungsausgleichs.

    (Abg. Leicht: Genauso war es!)

    Diese drei Gebiete sind dann ausgeklammert worden.
    Ich habe mich, als Herr Kollege Barzel den Vorschlag gemacht hatte, sofort mit dem Herrn Bundeskanzler in Verbindung gesetzt, und der Herr Bundeskanzler hat mir die Vollmacht gegeben, dieses Angebot des Herrn Kollegen Barzel anzunehmen, was sofort in derselben Sitzung des Bundestages geschehen ist. Soweit dieser Tatbestand.
    Ich kann Ihnen versichern, wenn Sie in nächster Zeit auf den klugen und weitsichtigen Gedanken kommen sollten, uns ähnliche Vorschläge zu machen, können Sie zu jeder Zeit mit uns darüber reden, weil uns allen in diesem Hause an der Solidität der öffentlichen Finanzwirtschaft gelegen sein muß.
    Zum Schluß: Einer der Herren der CDU/CSU-Fraktion hat, um seine Rede, die ich nicht qualifizieren möchte, etwas aufzufrischen, den Mut gehabt, sich selbst in dieser Debatte auf die Jusos zu beziehen. Ich muß schon sagen, welche Glanzstücke Sie da zuwege bringen, wenn Sie, um in irgendeiner Situation sich irgendwie aus einer Sackgasse zu retten, diese bösen Jusos vorzeigen, das ist schon bewunderungswürdig. Aber diesem Herrn und seinen Fraktionskollegen empfehle ich, einmal den Leitartikel der „Welt am Sonntag" vom 18. März 1973 zu lesen, verfaßt von Paul C. Martin, dem maßgebenden Wirtschaftsredakteur der „Welt am Sonntag",

    (Abg. Damm: So etwas lesen Sie?)

    unter der Überschrift „Banken verstaatlichen?". Da heißt es in den beiden Schlußabsätzen:
    Die Jungsozialisten,
    — so schreibt Herr Martin, der Redakteuer der
    „Welt am Sonntag", einer Zeitung, die Sie ja



    Dr. h. c. Dr.-Ing. E. h. Möller
    weder als eine Zeitung der Jusos noch der Koalition oder der SPD bezeichnen können —
    so heißt es allenthalben, seien Systemveränderer. Sie wollen nämlich den Sozialismus einführen und als erstes die Banken verstaatlichen. In der vergangenen Woche
    - so schreibt Herr Martin —
    hat sich herausgestellt, daß die eigentlichen Systemveränderer nicht die Jusos sind, sondern die Banken selbst.
    Und dazu werden in diesem Artikel einige beachtenswerte Beispiele aufgeführt. Sehen Sie also bitte nicht den Splitter im Auge des Nächsten, sondern beachten Sie endlich einmal den politischen Balken, den Sie vor Ihren eigenen Augen haben.

    (Lebhafter Beifall bei den Regierungsparteien.)



Rede von Liselotte Funcke
  • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (FDP)
  • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (FDP)
Das Wort hat der Abgeordnete Mischnick.

  • insert_commentNächste Rede als Kontext
    Rede von Wolfgang Mischnick


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (FDP)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (FDP)

    Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Bevor ich zu dem, was Herr Ministerpräsident Stoltenberg gesagt hat, einiges ausführe, noch wenige kurze Bemerkungen zu ein paar Beiträgen von gestern und heute.
    Herr Kollege Strauß, Sie haben gestern sehr plastisch ausgemalt, was demjenigen übrigbleibt, der die Stabilitätsanleihe zeichnet. Sie haben Zahlenbeispiele genannt, und wer das so hörte, mußte natürlich auf die Idee kommen, daß das die Mehrheit unserer Arbeitnehmer betrifft. Wenn Sie einmal genau nachgerechnet und die Steuerfreibeträge der Zinsen — 150 DM für den Ledigen, 300 DM für den Verheirateten, 800 DM als Nebenverdienst — mit eingerechnet hätten, dann hätten Sie festgestellt, daß wir eine Anleihe von 52 Milliarden DM hätten auflegen müssen. Das aber haben Sie natürlich nicht getan; denn es hätte ja nicht in Ihr Kolossalgemälde gepaßt, wie das ja meistens bei Ihnen ist. Sie bringen zwar sehr nette Beispiele, aber wenn man sie bis zum letzten durchleuchtet und die Zahlen genau ansieht, dann merkt man, daß Sie mit Zahlen doch etwas auf Kriegsfuß stehen.
    Herr Kollege Barzel, Sie haben von dem Kasseler Beispiel über die Möglichkeit eines Ausschusses oder eines Ombudsmans gesprochen und gesagt, dem Kasseler Verleger sei nichts anderes übriggeblieben, weil das nun einmal eine Zeitung in Hessen sei, dis daß er das mitmache, wenn der Ministerpräsident so etwas wünsche. Es war genau umgekehrt. Anläßlich der Jubiläumsfeier der „Hessischen Allgemeinen", an der der Herr Bundeskanzler, aus Ihren Reihen Herr Kollege Haase anwesend war, außerdem eine ganze Reihe anderer Kollegen — ich war auch dabei —, hat der Verleger gesagt, daß er diese beiden Alternativen einmal in seinem Betrieb ausprobieren möchte, um dann festzustellen, ob das Möglichkeiten sind, die später einmal in eine presserechtliche Regelung Eingang finden können. Daraufhin hat sich die hessische Landesregierung bereit erklärt, hierbei Hilfestellung zu leisten. Es war also nicht so, wie Sie es dargestellt haben.
    Und noch ein Beispiel, Herr Kollege Barzel. Sie sprachen davon, wir hätten der CDU vorgeworfen, daß sie für Freizügigkeit eingetreten sei.

    (Abg. Dr. Barzel: Franke!)

    Das ist niemals vorgeworfen worden, es ist etwas anderes gesagt worden. Sie haben immer die Bedingung gestellt, daß erst die Freizügigkeit durchgesetzt sein soll, bevor man zu vertraglichen Regelungen kommt. Das ist aber etwas ganz anderes als das, was Sie hier behauptet haben.

    (Beifall bei den Regierungsparteien.)

    Meine Damen und Herren, Sie haben vorhin so etwas süffisant gelächelt, als der Bundeskanzler davon sprach, daß bei den Freien Demokraten das Freiburger Programm und andere Programme Grundlagen sind. Damit Sie nicht zuviel suchen müssen: nehmen Sie sich bitte die Stuttgarter Leitlinien zur Bildungspolitik! Das ist z. B. ein Teil unserer Programme, über die wir hier eben in allen Debatten mit entscheiden.
    Herr Kollege Seiters, als Sie davon sprachen, der Bundeskanzler sei aus der südlichen Sonne gekommen und habe dann hier die Ausführungen zur Regierungserklärung gemacht, da mußte ich natürlich daran denken, daß es Ihr Parteivorsitzender war, der aus südlicher Sonne kam und — ausgerechnet aus Portugal kommend — hier sagte, dieses Land, die Bundesrepublik, sei nicht in Ordnung. Das schien mir allerdings eine sehr große Fehlwirkung südlicher Sonne gewesen zu sein.

    (Beifall bei den Regierungsparteien. — Zurufe von der CDU/CSU.)

    Lassen Sie mich jetzt zu dem Stellung nehmen, was der Herr Ministerpräsident Stoltenberg hier gesagt hat. Zunächst aber ein paar Bemerkungen zu dem, was Sie zu der Frage Steuerentwicklung/ Steuerreform usf. gesagt haben. Natürlich ist es gut, wenn in diesem Hause von seiten des Bundesrates klargestellt wird, was er will, welche Meinung er hat. Ich muß Ihnen allerdings ganz offen sagen: wenn der Bundesrat in dieser Weise seine Mitwirkung an den politischen Entscheidungen des Bundes im Sinne des Grundgesetzes versteht, wäre es gut, wenn häufiger einmal bei Fragen, wo dann im Bundesrat die Sperrminorität, so muß ich es doch bezeichnen, zur Majorität benutzt wird, hier schon vorher, wie es heute geschehen ist, Stellung genommen wird, damit man sich hier an Ort und Stelle damit auseinandersetzen kann. Das geschieht leider meistens erst zu einem Zeitpunkt, wo wir nur noch ,in der Lage sind, zu Vermittlungsausschußergebnissen ja oder nein zu sagen, und uns nicht in der Sache im einzelnen mit dem Bundesrat auseinandersetzen können.
    Sie haben davon gesprochen, daß Sie in Zweifel setzen, daß die Mehreinnahmen wirklich stillgelegt werden. Sie können davon ausgehen, daß wir selbstverständlich sehr sorgfältig darauf achten werden, daß das, was an Steuermehreinnahmen aufkommt, im Rahmen der Erklärung ,des Bundesfinanzministers



    Mischnick
    auch stillgelegt wird. Dazu liegt auch die verbindliche Erklärung des Bundeskabinetts vor.
    Ein Problem macht mir allerdings mehr Sorge. Wir wissen, daß im Bundeshaushalt 3,8 Milliarden für die Aufnahme von Krediten vorgesehen sind. Wir haben eine Vereinbarung des Finanzplanungsrates über die Ausschöpfung des Kreditrahmens. Wenn wir an die Vergangenheit denken, erinnern wir uns: es war immer der Bund, ,der sich an seine Verpflichtungen gehalten hat, ja erheblich unter seiner Grenze geblieben ist; aber leider haben die Länder und auch die Gemeinden freiwerdenden Kreditraum sofort ausgefüllt und damit natürlich das konjunkturpolitisch angestrebte Ziel des Bundes unterlaufen, durch weniger Kreditaufnahme konjunkturberuhigend zu wirken. Es wäre gut, wenn die Länder bei der Durchführung ,dieser Vereinbarung auch einmal daran dächten, über die Innenminister notfalls die Kommunalaufsicht in Anspruch zu nehmen, wenn die Gemeinden bei der Kreditaufnahme konjunkturpolitisch falsch handeln. Hier ist eine Möglichkeit der Unterstützung einer konjunkturgerechten Politik durch die Länder, ,die aber bis zur Stunde nur in ,den seltensten Fällen wahrgenommen worden ist.
    Der Herr Ministerpräsident Stoltenberg sprach davon Kollege Möller ist ,darauf bereits eingegangen —, daß wir eine stärkere Vermögensbildung gerade zu diesem Zeitpunkt für richtig halten. Wir sind darin völlig einer Meinung. Es ist ja das Ziel, die Stabilitätsabgabe in Höhe von 2,4 Milliarden als Einstieg in eine Vermögensbildung zu verwenden. Das soll nicht die Hauptgrundlage sein, aber es soll eine Einstiegsmöglichkeit sein — mit weiteren Überlegungen, die von uns zur Diskussion gestellt worden sind. Wer sie noch nicht gelesen hat, dem kann ich nur empfehlen, unsere Freiburger Thesen zu diesem Punkt einmal wirklich im einzelnen nachzulesen.

    (Zuruf des Abg. Dr. Narjes: Der Bundesfinanzminister hat das offensichtlich nicht gewußt!)

    — Der Bundesfinanzminister hat der Auffassung, daß wir eine Vermögensbildung vornehmen sollten, keineswegs widersprochen. Diese 2 1/2 Milliarden DM werden nämlich stillgelegt; sie sind nicht als Einnahmen zum Ausgleich des Haushalts gedacht. Das wissen Sie doch ganz genau. Wir werden das bei den Entscheidungen, die wir im nächsten Jahr zu treffen haben, entsprechend berücksichtigen.

    (Abg. Leicht: Soweit sie nicht gebraucht werden!)

    — Entschuldigen Sie, das ist soeben von Ihnen wieder durcheinandergebracht worden. Der Bundesfinanzminister hat von Steuermehreinnahmen gesprochen, soweit sie nicht für andere Zwecke gebraucht würden, aber nicht davon, daß diese 2,4 Milliarden DM für solche Zwecke verwendet würden. Ich muß Sie bitten, das noch einmal nachzulesen.

    (Abg. Leicht: Das müssen Sie tun!)

    Es ist bedauerlich, daß sie als Haushaltsexperte die Dinge nicht so genau lesen und gehört haben, wie es erforderlich wäre.

    (Abg. Leicht: Besser als Sie!)

    Herr Ministerpräsident Stoltenberg, Sie zweifeln an, daß wir die Steuerreform über die Bühne bringen, und sagten, daß durch diese Maßnahmen die Eckwerte vielleicht in Frage gestellt werden könnten. Auch hier kann ich Sie beruhigen. Es gibt voll verbindliche Vereinbarungen darüber, daß die zusätzliche Stabilitätsabgabe keinerlei Bezug auf die Eckwerte hat, sondern daß die Eckwerte so, wie wir sie gemeinsam vereinbart haben, in die Steuerreformgesetze eingebracht werden.

    (Abg. Leicht: Wie ist es denn mit der sozialen Symmetrie?)

    Sie sprachen davon, Herr Ministerpräsident, daß man vielleicht mit wechselnden politischen Konstellationen rechnen könne. Wenn Sie dabei auf wechselnde Mehrheiten spekulieren, ist das ein grundlegender Irrtum. Das möchte ich Ihnen in aller Deutlichkeit schon jetzt gesagt haben.

    (Beifall bei den Regierungsparteien.)

    Meine Damen und Herren, kein Mensch verlangt vom Bundesrat einen Freibrief für Steuererhöhungen. Selbstverständlich muß hier der Bundesrat mitwirken, muß er seine Auffassungen zum Ausdruck bringen, und wir wollen uns auch damit auseinandersetzen. Aber das Problem ist doch, daß wir immer mehr den Eindruck gewinnen müssen — daher kommt schließlich diese Diskussion —, daß eben nicht, wie Sie sagen, die allgemeinpolitischen Gesichtspunkte die entscheidende Rolle bei manchen Entscheidungen des Bundesrates spielen, sondern daß partikulare Interessen jetzt nicht speziell im Sinne der Länder, sondern auf Grund spezieller politischer Auffassungen im Vordergrund stehen.
    Nun bestreite ich nicht, daß das eine legitime Überlegung ist. Wer aber dies als legitime politische Überlegung zugesteht, dem kann man doch nicht verwehren, daß er sich dann einmal die Gesamtstruktur und -konstruktion des Bundesrates ansieht. Als das Grundgesetz geschaffen wurde und die Stimmenverhältnisse im Bundesrat festgelegt wurden, war der Bevölkerungsunterschied zwischen den einzelnen Ländern nicht so gravierend, wie es heute der Fall ist. Was die Dinge politisch so problematisch macht, ist doch folgender rein sachlicher Tatbestand. Der Bundesrat besteht aus elf Ländern; sechs Länder sind SPD- oder SPD/FDP-regiert, fünf Länder sind CDU/CSU-regiert. Das heißt, bei bestimmten Entscheidungen sind im Vermittlungsausschuß sechs Länder für Auffassungen des Bundestages eingetreten, und fünf Länder haben sich dagegen gewandt. Wenn es dann aber um die Plenarabstimmung geht, ist das Stimmenverhältnis genau umgekehrt.
    Wenn Sie dann noch berücksichtigen, daß die SPD/FDP-regierten Länder über 32 Millionen Einwohner, die CDU/CSU-regierten Länder aber nur 27 Millionen umfassen, dann ist es doch legitim zu fragen, ob hier nicht die Gefahr besteht, daß eine



    Mischnick
    klare politische Mehrheit im Bundestag, die ihr Votum von der Bevölkerung bekommen hat, durch die Vertretung einer Minderheit der Bevölkerung politisch blockiert wird.
    Ich will das alles einmal ohne Polemik feststellen. Daraus entsteht dann die Überlegung: muß man nicht vielleicht prüfen, ob das Stimmenverhältnis im Bundesrat der heutigen Situation noch angemessen ist, wie es Ministerpräsident Osswald getan hat? Man könnte auch sagen: die Gleichgewichtigkeit, die Ausgewogenheit der Länder muß über eine Neugliederung überprüft werden. Mir geht es jetzt nicht darum, eine polemische Auseinandersetzung hierüber zu entfachen. Ich bitte Sie lediglich, dann, wenn man sich mit Recht auf die verfassungsmäßige Stellung des Bundesrates beruft, dabei die politischen Wirkungen nicht aus dem Auge zu verlieren und sich dann nicht zu wundern, wenn entsprechende Reaktionen kommen, wie es bei verschiedenen Gesetzen geschehen ist. So einfach, wie es Ministerpräsident Goppel getan hat, der sagte: Wir müssen Art. 29 — Neugliederung einfach streichen, dann ist das Problem erledigt!, kann man es sich eben nicht machen.
    Meine Damen und Herren, sehen wir uns die Zahlenbeispiele die vorhin von Ihnen genannt worden sind, einmal genau an. Herr Ministerpräsident, Sie hätten nicht nur hinzufügen müssen, daß die Legislaturperiode tatsächlich nur drei Jahre gedauert hat, sondern auch, daß nach aller Erfahrung im letzten Jahr einer Legislaturperiode die meisten Gesetze verabschiedet werden und daß dann der Konfliktstoff immer auch entsprechend stärker war. Ich bitte also darum, auch diesen Gesichtspunkt bei der Nennung solcher Zahlen in Zukunft mit zu berücksichtigen.
    Was die nüchterne Beurteilung für uns aber so schwermacht, ist doch die Tatsache, daß wir im Bundesrat gerade bei solchen Gesetzen den Widerspruch der CDU/CSU-Mehrheit erleben mußten, bei denen man bei noch so großzügiger Auslegung nicht unbedingt zu der Auffassung kommen konnte, hier sei ein grundlegendes Interesse der Länder — auch vom Politischen her — in Frage gestellt. Ich denke etwa daran, wie die Rentengesetzgebung unter einem bestimmten Gesichtspunkt gesehen wurde und daraufhin eine Blockade über die Bundesratsmehrheit erfolgte. Uns kann kein Mensch weismachen, daß das ausschließlich in Wahrnehmung der berechtigen Interessen des Bundesrates geschehen ist; es war ausschließlich die verfassungsrechtlich verankerte Wahrnehmung rein parteipolitisch begründeter Interessen, sonst gar nichts!

    (Beifall bei den Regierungsparteien.)

    Daß wir uns mit diesen Tatbeständen auseinandersetzen, kann uns doch kein Mensch übelnehmen.
    Ein weiteres Beispiel aus dem Bereich der Bildungspolitik. Ich erinnere an die Auseinandersetzungen über das Hochschulrahmengesetz in der vergangenen Legislaturperiode. Bei der Hochschulrahmengesetzgebung wollte das langsamste Schiff im Geleitzug, in diesem Fall Bayern, der Mehrheit praktisch immer wieder den Willen aufzwingen.
    Weil wir nicht bereit waren, dem nachzugeben, scheiterte alles.
    Oder denken Sie daran, daß wir zum Staatsvertrag über den Numerus clausus letztendlich nur deshalb gekommen sind, weil wir wußten, daß ein Bundesgesetz im Bundesrat scheiterte, es sei denn, wir wären bedingungslos auf alle Vorstellungen der CDU/CSU-Länder eingegangen. Genau das kann nicht unsere Absicht sein. Hier muß die Bereitschaft, eine breitere Basis zu finden, bei den Ländern — auch bei den CDU/CSU-regierten Ländern — stärker werden, als das bisher der Fall war.
    Meine Damen und Herren, die Nagelprobe in diesen Fragen wird im nächsten Jahr kommen, wenn hier ein Gesetzentwurf zur Ablösung des Staatsvertrages auf dem Tisch liegt oder wenn im Rahmen des Hochschulrahmengesetzes diese Fragen geklärt werden. Dann wird sich auch zeigen, ob man gemäß unserer verfassungsrechtlichen Struktur berechtigte Länderinteressen wahrt, oder ob das Ganze wieder in eine rein parteipolitische Betrachtungsweise abgleitet. Letzteres würde ich bedauern. Meine sehr verehrten Damen und Herren, wenn wir auf Grund einer rein parteipolitischen Entscheidungspraxis im Bundesrat zu der Schlußfolgerung kommen, daß dann eben die Mehrheiten im Bundesrat geändert werden müßten, so ist dies ein legitimes Verlangen derjenigen, die vom Volk die Mehrheit in diesem Bundestag bekommen haben und ihre Politik nun auch verwirklichen wollen.

    (Beifall bei den Regierungsparteien.)