Rede von
Gunter
Huonker
- Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede:
(SPD)
- Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich möchte zuerst eine kurz Berner-kung machen zu den einleitenden Bemerkungen von Herrn Bockelberg, als er unter dem Beifall seiner Fraktionskollegen erklärte, die CDU/CSU sei nicht an ein Programm eines Steuerparteitages gebunden. Ich kann nur sagen: Ihr Beifall ist mir unverständlich. Bundeskanzler Adenauer hat bereits 1967 in der Regierungserklärung festgestellt, es müsse jetzt
— und damals hatten Sie die absolute Mehrheit — endlich eine umfassende Steuerreform kommen.
Im Düsseldorfer Programm 1971 haben Sie ebenfalls beschlossen, es müsse eine umfassende Steuerreform kommen.
— Ich bin überhaupt nicht im Wahlkampf. An Ihre Adresse: Mich hat es, Herr Kollege Häfele, etwas überrascht, daß Sie sich nun so stark dafür machen, daß diese Steuerreform als einheitliches Paket gesehen und verabschiedet werden
— ich rede doch an Ihre Adresse -- und ihr Aufkommen steuerneutral sein müsse. Ich verstehe, daß Sie nervös werden.
Ich möchte Ihnen nur eines sagen: Wenn Sie in das
Düsseldorfer Programm hineingeschaut hätten, hätten Sie festgestellt, daß die CDU ausdrücklich be-
schlossen hat, die Steuerreform solle zwar umfassend sein, aber stufenweise durchgeführt werden.
— Nein, ich erwarte von Ihnen, daß Sie sich gelegentlich einmal die Mühe machen, Ihr Programm zu lesen und sich vielleicht in gewissen seltenen Ausnahmefällen, wie z. B. hier, auch daran zu halten.
Ich möchte eine Bemerkung zur Reform des Vermögensteuerrechts und der Erschaftsteuer machen. Schwerpunkt der Reform des Vermögensteuerrechts ist neben der gerechteren Besteuerung des Grundbesitzes — dazu hat ja der Herr Bundesminister der Finanzen schon einiges gesagt — die massive Erhöhung der Freibeträge und die Änderung der Steuersätze. Diese Freibeträge sollen dazu dienen, daß breitere Schichten unserer Bevölkerung in der Lage sind, Eigentum, Vermögen zu bilden. Eines steht fest: Trotz der neuen Bewertung des Grundvermögens und der neuen Steuersätze müssen in Zukunft weniger Menschen in unserem Lande Vermögensteuer zahlen als heute. Dies halte ich für einen entscheidenden Schritt zu mehr Gerechtigkeit im Steuerrecht auf dem Gebiet der Vermögensteuer.
Ich möchte die Erhöhungen der einzelnen Freibeträge jetzt nicht aufzählen. Sie wurden von einigen Kollegen bereits erwähnt. Ich will dies nur an einem Beispiel verdeutlichen. Trotz der Neubewertung des Grundbesitzes ist es so, daß in Zukunft, wenn dieser Entwurf geltendes Recht wird, ein Ehepaar mit zwei Kindern in der Lage ist, zwei schöne Eigenheime zu besitzen, ohne auch nur einen einzigen Pfennig Vermögensteuer zahlen zu müssen. Deshalb wäre es eine Leistung, wenn wir dieses Gesetz durchbringen.
An diesem Beispiel werden im Grunde — wenn wir berücksichtigen, daß wir die großen Vermögen natürlich etwas stärker belasten wollen — die Grundgedanken des Entwurfes klar.
Erstens: Der Grundbesitz soll vernünftiger bewertet werden.
Zweitens: Kleinere und mittlere Vermögen sollen stärker als bisher entlastet werden.
Drittens: Größere Vermögen sollen stärker als bisher belastet werden.
Deswegen ist dieses Gesetz ein Beitrag zu etwas mehr Gerechtigkeit im Steuerrecht. Da in Zukunft weniger Menschen Vermögensteuer zahlen müssen, trägt das Gesetz auch zur Entlastung der Finanzverwaltung bei.
Noch eine Bemerkung zum Steuersatz. Ich verhehle meine persönliche Meinung nicht, daß die Sätze von 0,7 0/0 und 1,0 % für mich das Minimum dessen sind, was vertretbar ist, und zwar trotz der Neubewertung des Grundvermögens und trotz der Abschaffung der Abzugsfähigkeit der Vermögen-
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Huonkers
steuer —, und zwar einfach deswegen, weil ich das Prinzip der Leistungsfähigkeit ernst nehme.
Noch eine Anmerkung zu den Ausführungen von Herrn von Bockelberg. Seine Ausführungen haben mich ein bißchen an die Zahlen erinnert, die die CDU/CSU-Länderfinanzminister vorgelegt haben. Sie haben die Vorschläge der Bundesregierung und der Koalition zur Vermögensbildung zwar weithin übernommen, aber Steuersätze von 0,5 ° o und 0,7 % vorgeschlagen. Dazu kann ich Ihnen nur eines sagen. Das klingt zunächst populär. Allerdings bedeutet es gegenüber dem, was die Koalition will, Steuermindereinnahmen von einer guten Milliarde DM. Nun frage ich Sie: Wie wollen Sie solche Vorschläge, die zu Steuermindereinnahmen von 1 Milliarde DM gegenüber dem, was die Koalition will, in Übereinstimmung mit dem bringen, was Ihre Länderfinanzminister, allen voran aber auch der Ministerpräsident Filbinger in Baden-Württemberg, ständig fordern, nämlich mehr Geld für die Länder? Ich bitte Sie, diesen Widerspruch zu klären.
— Die Vermögensteuer ist eine Ländersteuer. Vielleicht trägt das für Sie zur Aufklärung bei.
— Diese Frage beantwortet sich, wenn ich das richtig sehe, von selbst.
Die CDU/CSU-Finanzminister — das steht im Widerspruch zu den früheren heftigen Angriffen gegen diesen Teil der Steuerreformvorstellungen der Koalition — haben sich nun doch in wichtigen Punkten den Vorstellungen der Koalition genähert und die CDU-Sozialausschüsse des neuen CDU-Chefplaners Katzer fordern eine weit schärfere Besteuerung der großen Vermögen, als dies im vorliegenden Gesetzentwurf vorgesehen ist. Deshalb hoffe ich, meine Damen und Herren das meine
ich nicht zynisch , daß man sich jedenfalls über die tragenden Grundsätze des Gesetzentwurfs — über Einzelheiten wird man sich wahrscheinlich noch länger streiten — im Ausschuß rasch einigen wird.
Noch einige ganz kurze Bemerkungen zur Reform des Erbschaftsteuer- und Schenkungsteuerrechts. Auch hier steht — ich brauche das nicht weiter auszuführen — im Mittelpunkt der Reform eindeutig die Entlastung der kleinen und mittleren Erbschaften und Schenkungen durch eine massive Erhöhung der Freibeträge, die ich jetzt im einzelnen nicht aufzählen möchte.
Trotz der, wie mir persönlich scheint, recht mäßigen Erhöhung der Tarife für große Erbschaften wird es insgesamt so sein wie bei der Vermögensteuer, daß in unserem Land künftig ebenso wie dort weniger
Menschen als bisher Erbschaftsteuer zahlen müssen. Da in einigen Bundesländern von der CDU und der CSU bis zur Stunde noch so getan wird, als hätten es die Hausbesitzer schwer, wenn dieser Koalitionsentwurf zur Erbschaftsteuer realisiert wird, will ich hier — das ist nachrechenbar — folgendes feststellen: eine Familie mit zwei Kindern kann, wenn dieser Gesetzentwurf geltendes Recht wird, künftig nicht nur ein Haus, sondern zwei schöne Eigenheime erben, wenn der Vater stirbt, und noch einiges dazu, ohne auch nur einen einzigen Pfennig Erbschaftsteuer zu zahlen. Ich betone das in aller Eindeutigkeit, weil wir zwar nicht hier, aber draußen bis zur Stunde von Ihrer Partei das Gegenteil hören.
Herr von Bockelberg fragt noch, wie es im Hinblick auf die Geldentwertung mit einer weiteren Erhöhung der Freibeträge sei. Da kann ich nur sagen: Darüber kann man reden, wenn man zugleich Dekkungsvorschläge bringt. Freibeträge zu fordern, ist billig und populär. Aber dann muß man den Mut haben, Deckungsvorschläge vorzulegen.
— Wir haben einen Entwurf vorgelegt und damit gesagt, Herr Häfele, wie hoch wir mit den Freibeträgen gehen wollen.
Erst bei den Erbschaften über eine Million D-Mark steigt die Belastung, und zwar sehr allmählich. Was man auch immer dagegen sagt: Wer das Prinzip der Leistungsfähigkeit im Steuerrecht ernst nimmt — das nehmen Sie ja wenigstens verbal mindestens so ernst wie wir —, muß einfach sagen, die höhere Besteuerung von großen Erbschaften, von Millionenerbschaften, ist nichts anderes als der Ausdruck eben dieses Prinzips der Leistungsfähigkeit.
Wichtiger das weiß jeder, der sich schon einmal
die Mühe gemacht hat, eine Erbschaftsteuerstatistik anzuschauen — wichtiger als die Tariferhöhungen für Großerbschaften ist die Beseitigung der Umgehungsmöglichkeiten bei der Erbschaftsteuer. Deshalb begrüße ich es ganz besonders, daß ein weiterer Schwerpunkt dessen, was die Koalition zur Reform der Erbschaftsteuer vorgelegt hat, die Beseitigung zahlreicher Umgehungsmöglichkeiten ist.
Ich möchte nur zwei in aller Kürze erwähnen. Erstens sieht § 2 Abs. 1 Nr. 1 b des Erbschaftsteuer-und Schenkungsteuergesetzes vor, daß künftig deutsche Staatsangehörige, die ihren inländischen Wohnsitz aufgeben, noch fünf Jahre lang der unbeschränkten Erbschaftsteuer- und Schenkungsteuerpflicht der Bundesrepublik unterworfen werden. Damit soll nämlich denen, die, heute wieder vermehrt, allein aus steuerrechtlichen Gründen vorübergehend ihren Wohnsitz in sogenannte Steueroasenländer verlegen
— ja, wir könnten Namen nennen — ein weiterer
Riegel vorgeschoben werden. Dem müßte, wenn ich
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das richtig sehe, auch die Opposition zustimmen können.
— Im Ausschuß geht das dann etwas schneller. Wir wollen die Gesetze doch aus den Gründen, die erwähnt worden sind, schnell durchberaten.
Ein Punkt — ich komme gleich zum Schluß, nur keine Angst — ist ebenso wichtig bei der Frage der Abschaffung von Umgehungsmöglichkeiten: In Zukunft soll verhindert werden, daß durch Schenkungen einer in bestimmter Weise ausgestatteten Beteiligung einer Personengesellschaft die Erbschaftsteuer legal umgangen werden kann.
Meine Damen und Herren, zum Schluß: Angesichts des Diskussionsstands in der CDU/CSU — ich erinnere an die Tagung Ihrer Landesfinanzminister in Rottach-Egern, ich erinnere an die Beschlüsse der CDU-Sozialausschüsse, die jetzt natürlich, das unterstellen wir, ein besonderes Gewicht im Rahmen der Willensbildung Ihrer Partei haben werden, nachdem Herr Katzer Chefplaner geworden ist, und die ja z. B. eine schärfere Besteuerung der großen Erbschaften als der Koalitionsentwurf vorgeschlagen haben — hoffe ich, daß wir im Ausschuß zu einer konstruktiven Zusammenarbeit mit der Opposition und auch zu einer raschen Verabschiedung der Gesetzentwürfe kommen werden.