Ich glaube, Ihre Frage geht von der Annahme aus, daß sich in meinem Programm starre Richtzahlen befinden. Ich bitte Sie wirklich einmal, verehrter Herr Kollege, zu mir oder zu einem meiner Mitarbeiter zu kommen und sich genau aufklären zu lassen. Dann werden Sie nämlich eines besseren belehrt. Ich kann das jetzt in Einzelheiten nicht sagen. Aber es sind keine starren Richtzahlen darin enthalten. Sie können sogar Nebenerwerb anrechnen. Aber ich will nicht in alle Einzelheiten gehen, weil dann doch andere Kollegen mit Recht zu mir sagen: warum das Thema noch einmal? Das wollte ich zu dieser Frage sagen.
In dem Zusammenhang ein weiterer letzter Satz zu Brüssel. Es gibt ja keine so großen Differenzen in Brüssel. Es gibt zunächst zwei Differenzen, die gröber sind. Die eine ist die Frage der Anrechnung aus der Waldwirtschaft. Da gab es Leute, die glaubten, die Holzwirtschaft könne man nicht als Teil der Landwirtschaft betrachten, weil sie nicht anteilig im anzurechnenden Einkommensbetrag verankert ist. Da wird sich eine Lösung finden lassen.
Die zweite Differenz betrifft die kombinierten Einkommensformen. Die Kommission hat in ihrem Brief ausdrücklich betont, daß kombinierte Einkommensformen berücksichtigt werden müßten und daß sie der Meinung sei, daß das nicht nur für Deutschland ein sehr wichtiges Problem sei. Ich sage sogar, das ist ein sehr wichtiges Problem für Europa. Wenn es nicht gelingt, in der gesamten Europäischen Gemeinschaft für gewisse strukturschwache Gebiete in befriedigendem Ausmaß außerlandwirtschaftliche Arbeitsplätze zu finden, werden Sie weder die Wirtschaftspolitik noch die Währungspolitik in den Griff bekommen noch in der Agrarpolitik auf lange Sicht Fortschritte erzielen.
Das ist ein großes Problem, das uns insgesamt bewegt. Ich möchte doch noch einmal feststellen: Ich glaube, wir können sehr glücklich sein, daß die Landwirte in Deutschland — ich meine, das ist ein Weg gewesen, den die Landwirte auch von sich aus sehr gern beschritten haben selbst es als besser erkannt haben, den Erwerb möglicherweise in einer anderen Tätigkeit zu finden und den Betrieb nebenher zu bewirtschaften, als den Betrieb einfach zu verlassen und die Probleme in den Städten, in den Ballungsgebieten mit zu starkem Zuzug möglicherweise zu vergrößern. Hier haben wir in den letzten Jahren wesentlich größere Fortschritte erzielt als alle übrigen Länder innerhalb der Gemeinschaft.
Ich glaube, daß dabei der Maßnahmenkatalog auf dem sozialen Sektor auch eine entscheidende Rolle gespielt hat. Dazu gehört die weitere Verbesserung der Altershilfe, wie sie vorgenommen wurde, die beabsichtigte Dynamisierung der Altershilfe sowie die Verbesserung und die Dynamisierung der Landabgaberente. Dazu gehört auch — das muß noch einmal gesagt werden — die Krankenversicherung für die Landwirte. Ich will mich in den alten Streit nicht
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einlassen, ob die AOK-Lösung die bessere gewesen ist. Der Streit ist entschieden. Ich kann nur sagen, es gibt zumindest einen großen Teil der Landwirte, der dem sehr zustimmt.
Ich würde sagen, eine Minderheit lehnt die Lösung ab. Und ich habe auch festgestellt, daß z. B. die AOKs in der Zwischenzeit ihre Beiträge erheblich angehoben haben. Das muß hier doch einmal nachträglich gesagt werden,
weil das zu einer gewissen Zeit ein wichtiger Diskussionsbestandteil war.
Summa summarum: Ich glaube, der Weg, den wir beschritten haben, ist zu verantworten und ist richtig. Er bietet vor allem eine großartige Entlastung für die Alten und somit natürlich auch für die aktiven Betriebsleiter, weil die in Zukunft keine Krankenhaus- und Zahnarztlasten mehr für die Altenteiler zu tragen haben.
Insoweit war es, meine ich, auch richtig, daß wir in Brüssel den Weg weg von den starren Betriebsgrößen gefunden haben. Denn diesen Maßstab habe ich immer für falsch gehalten, weil ich in der Betriebsgröße nur ein wichtiges Kriterium sehe, nicht das ausschließliche. Wer die Differenziertheit der Agrarwirtschaft in Mitteleuropa sieht, wird immer mehr zu der Auffassung kommen, daß wir heute ein System haben, bei dem wir sagen: Unser Ziel ist es doch letzten Endes, den Landwirt dahin zu führen, daß er nach seinem Einkommen und seinem Sozialstatus ein gleichberechtigter Bürger in unserer Gesellschaft ist.
Es nützt gar nichts, wenn ich ihm staatliche Mittel gebe und er dieses Ziel langfristig doch nicht erreicht. Dann ist das nämlich eine echte Fehlinvestition. Es ist am Anfang vielleicht schmerzlicher, aber auf lange Sicht ist es für ihn menschlich erträglicher, zu sagen: Ich verzichte auf den Neubau eines Stalles, modernisiere lieber nur das Haus und übernehme eine andere Tätigkeit; der Staat schult mich um, besorgt mir einen Arbeitsplatz und gibt mir Geld für die Nachversicherung; und ich versuche möglicherweise, aus dem Milchviehstall einen Schafstall zu machen und den Betrieb extensiv weiterzubewirtschaften. Das halte ich für viel richtiger. Im übrigen ist das heute kein Streitpunkt mehr.
Die Betroffenen haben sich für uns entschieden. Das befriedigt mich. Mich interessiert nicht, wer was daran kritisiert. Mich interessiert, daß die Mehrheit der Bauern — insbesondere die jungen Menschen auf dem Lande — dieses Prinzip akzeptiert hat und es als vernünftig empfindet.
Nun, meine Damen und Herren, es wurde dann noch sehr viel über den Vermögensstatus gesagt. Ich betone noch einmal: Auch ich bin der Meinung, wir haben keinen Grund zur Euphorie. Auch dieser Agrarbericht gibt keinen Anlaß dazu. Und ich will auch hier in dieser Stunde sagen, unser Interesse
hat derzeit nicht dem nächsten Agrarbericht zu gelten, denn der ist fast schon vorprogrammiert, weil wir 7 Monate des betreffenden Wirtschaftsjahres bereits hinter uns haben. Unser Interesse muß sich auf das nächste Wirtschaftsjahr 1973/74 richten.
Und ich verhehle nicht, daß ich da einige Sorgen habe, speziell Kostensorgen. Die teile ich, wie sie hier vorgetragen worden sind. Möglicherweise wird es auch Marktprobleme und ähnliches mehr geben. Und aus dieser Sicht wird man natürlich auch unter dem Gesichtspunkt, wie sich die gesamtwirtschaftliche Entwicklung in Europa vollziehen wird, in Brüssel die kommende Preisdebatte führen müssen, nicht um ein Ergebnis für das nächste Jahr zu produzieren, denn das ist fast gelaufen.
Ich darf dazu sagen: wir werden ja nächstes Jahr sehen, ob meine Mitarbeiter falsch gerechnet haben. Bis jetzt haben sie in der Regel recht gut gerechnet; das muß ich einmal zur Ehrenrettung meiner Mitarbeiter sagen. Ich lese immer, wenn z. B. die Ernteschätzungen kommen: das stimmt alles nicht, das ist alles falsch. Wenn dann die Ernteergebnisse vorliegen, haben meine Mitarbeiter, muß ich sagen, so gerechnet, daß es fast aufs Kilogramm stimmt. Ich verlasse mich hier also wirklich auf meine qualifizierten Mitarbeiter, und ich glaube, sie machen's auch richtig.
Aber ich darf doch noch einige Zahlen nennen. Wenn Sie die Buchführungsergebnisse ansehen, werden Sie feststellen, daß sich das Aktivvermögen um 213 DM je Hektar landwirtschaftlicher Nutzfläche erhöht hat. Das Fremdkapital stieg dagegen nur um 37 DM je Hektar; das Eigenkapital nahm um 176 DM je Hektar zu. Wer von der Betriebswirtschaft etwas versteht, wird wissen, daß das sehr handfeste Zahlen sind. Und lassen Sie mich ein ganz klares Wort auch anläßlich dieser Debatte sagen: Ich freue mich, daß die Landwirtschaft erkannt hat, daß man mit Investitionen äußerst vorsichtig sein muß.
Ich begrüße das. Ein Großteil unserer Agrarprobleme wäre nicht eingetreten, wenn wir nicht eine so große Investitionsneigung gehabt hätten. Ich begrüße auch, daß die Landwirtschaft erkennt, daß man durch gemeinsame Maschinennutzung sei es durch einen Maschinenring, sei es durch Lohnunternehmen oder wie immer es heißt, für mich sind alle Mittel recht — erheblich Kosten sparen kann. Ich bin der Meinung, daß wir das sogar mit allen uns zur Verfügung stehenden Mitteln unterstützen müssen. Denn sicherlich haben wir in der Vergangenheit manchmal viel zuviel investiert, möglicherweise auch deshalb, weil vorhandene Chancen nicht genutzt werden konnten oder auch weil die technische Entwicklung noch nicht reif war. Insoweit können wir, glaube ich, nur glücklich sein, wenn die Landwirtschaft in einem Zustand ist, bei dem sie nicht mehr so viel investiert.
Lassen Sie mich noch ein paar Bemerkungen zur regionalen Wirtschaftspolitik machen. Soweit ich
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erfahren konnte, Herr Kollege Ritz, soll es bei Orten von 20 000 Einwohnern bleiben. Sie haben möglicherweise mit Recht die Investitionszuschüsse kritisiert. Ich kann als Agrarminister nur feststellen, daß auch ich sehr viel Verdruß mit den Investitionszuschüssen im Bereich der Landwirtschaft hatte, weil manche die Frage stellten: Haben diese Betriebe sie überhaupt nötig? Ich glaube, diese Frage muß man sehr nüchtern prüfen.
Lassen Sie mich aber auch noch etwas zu dem Kapitel Verbraucher sagen. Ich will Sie nicht mit Zahlen langweilen. Jedermann sollte sich aber einmal die Mühe machen und an Hand der richtigen Zahlen sowie der vom Bundesamt veröffentlichten Statistiken Vergleiche ziehen. Zugegebenermaßen hatten wir in den letzten Monaten einen erheblichen Anstieg der Nahrungsmittelpreise zu verzeichnen. Selbstverständlich müssen wir bei der künftigen Politik und auch bei der kommenden Preisrunde darauf achten, daß nicht vom Ernährungssektor her ein zusätzlicher Anstieg der Lebenshaltungskosten erfolgt. Zur Zeit treiben auch die Nahrungsmittelpreise den Lebenshaltungskostenindex hoch. Insoweit werden wir wohl eine mittlere Position einnehmen. Aber ich muß langfristig gesehen sagen, daß, abgesehen von den letzten drei Monaten, der Index bei Lebensmitteln insgesamt unter dem Index der übrigen Gruppen des Warenkorbs lag. Ich möchte hier einmal in aller Öffentlichkeit folgendes feststellen. Ich halte es für einen mißlichen Zustand, daß der Warenkorb bei der Ermittlung des Lebenshaltungskostenindex, soweit es Lebensmittel betrifft, nur alle zehn Jahre neu ermittelt wird. Denn wir haben natürlich heute einen ganz anderen Warenkorb.
Das hat möglicherweise auch negative Folgen, weil die zur Zeit sehr hohen Rinderpreise durchschlagen. Das darf man nicht vergessen. Aber daß wir heute noch nach einem veralteten Warenkorb rechnen müssen, ist nicht gut. Das ist für uns alle ein bedauerlicher Tatbestand. Ich kann nur hoffen, daß wir hier alle gemeinsam Lösungen entwickeln werden. Eines steht fest: der Anteil. der Ausgaben für Lebensmittel ist erfreulicherweise von Jahr zu Jahr gesunken. Ich glaube, auch das muß man in der richtigen Relation sehen.
Ein letztes Wort zum Drittlandhandel. Ein Industriestaat muß eine weltoffene Handelspolitik treiben; darüber gibt es gar keinen Zweifel. Nur sollte man sich nicht der Illusion hingeben, zu glauben, das soziale und ökonomische Problem der Entwicklungsstaaten könnte man dadurch lösen, daß man ausschließlich Rohstoffe oder Rohprodukte abnimmt,
sondern hier müssen wir bei der Entwicklungshilfe dann auch eine Politik einschlagen, die es jenen Volkswirtschaften erlaubt, einen Teil der industriellen Fertigung zu übernehmen. Sonst werden wir das Problem weder in den Entwicklungsgebieten in den Griff bekommen noch es zusammen mit den Drittländern weltweit lösen.
Ich freue mich sehr darüber, daß die Aktivitäten in meinem Hause hinsichtlich der Verbraucherpolitik so viel Beifall gefunden haben. Ich glaube, die beste Verbraucherpolitik ist die einer guten Information. Nur hätte ich dann auch den Wunsch, daß man von dieser Information mehr Gebrauch macht. Ein noch wichtigerer Punkt auf diesem Sektor scheint mir für die Zukunft zu sein, daß man in der gesamten Grundschulausbildung das Problem „kaufen und verkaufen" bis hin zur Haushaltsführung stärker beachtet, als es im Augenblick der Fall zu sein scheint.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, ich habe mich jetzt bewußt auf einige Punkte beschränkt. Lassen Sie mich noch kurz das Kapitel ländlicher Raum und Bergbauern anschneiden. Es ist nicht meine Art, immer große Ankündigungen zu machen. Ich könnte natürlich sagen, daß sich in meinem Hause Expertengruppen mit der Frage Bergbauernförderung und ähnlichem mehr befaßt haben. Auch das, was in internationalen Gesprächen erarbeitet worden ist, war nützliches Material für die Vorschläge der Kommission. Wir haben nun einmal eine europäische Politik, und im Rahmen dieser europäischen Politik ist es nützlich, den Willensbildungsprozeß innerhalb der Gemeinschaft zu fördern, dann eine gewisse Zeit abzuwarten, um zu sehen, was daraus geworden ist, um dann wieder neu Stellung zu nehmen. Das halte ich für die richtige taktische Verhaltensweise, weil sie, wie ich glaube, am effektivsten ist.
Noch ein letztes Wort zum Markt und zum Marktanteil. Es wurde hier behauptet, daß alles, was im Zusammenhang mit der Währung geschehen sei, zum Verlust von Marktanteilen geführt habe. Das ist produktspezifisch sehr unterschiedlich.
Sie brauchen sich nur die Statistik anzuschauen — ich habe sie hier — und können dann feststellen, daß der Anteil an der Selbstversorgung kaum zurückgegangen ist.
Ein Zweites. Wenn wir so große Marktanteile verloren hätten, frage ich Sie, wie wir dann im Agrarexport auf 6 Milliarden DM gekommen sind. Wir haben keine Marktanteile verloren, sondern, im , Gegenteil, noch welche gewonnen! Das ist das Faktum, und darum geht es in der Zukunft.
— Natürlich! 6 Milliarden DM im Agrarexport stellen doch einen Gewinn hinsichtlich des Marktanteils dar. Der Agrarexport isl enorm und sprunghaft angestiegen.
Das widerspricht doch der Behauptung, wir hätten dauernd Marktanteile verloren. Wir haben in der Gemeinschaft Marktanteile gewonnen, und wir fördern diesen Prozeß sogar.
Wir sehen uns folgenden Aufgaben gegenüber:
1. Wir müssen in Zukunft noch mehr Sorge dafür tragen, daß die gesamtwirtschaftliche Entwick-
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lung in Europa eine harmonische und chancengleiche wird.
2. Die Wettbewerbs- und Marktposition der Landwirtschaft muß durch Produktion hoher Qualität und durch leistungsfähige Konkurrenz gestärkt werden.
3. Die Sozialpolitik wie auch die Bildungspolitik müssen fortentwickelt und verbessert werden, damit der Anpassungsprozeß sozial erträglich wird.
4. Die Landwirtschaft muß in ihrer Gesamtfunktion im ländlichen Raum zu einem wichtigen Faktor werden. Einer Vielzahl von Menschen muß die Chance gegeben werden, in dieser Landschaft nicht nur Ruhe und Erholung zu finden, sondern echte Gesprächspartner der Bauern zu werden.
Ich habe am Schluß dieser Debatte — ich darf das auch für meine Person sagen — all jenen zu danken, die in einer nicht immer leichten Situation das schwere Tageswerk auf den Höfen vollbringen. Hier sind insbesondere die Bäuerinnen zu nennen, die möglicherweise diejenigen sind, die die schwerste Last zu tragen haben.
Mein Dank gilt in diesem Zusammenhang aber auch der Jugend auf dem Lande. Mich freut nichts mehr, als in diesen Tagen immer wieder zur Kenntnis nehmen zu müssen, daß diese Jugend hoffnungsvoller ist, als man es manchmal glauben möchte. Unsere Aufgabe liegt darin, nicht nur der Landwirtschaft die Zukunft zu sichern, sondern der Jugend auf dem Lande zu helfen, den richtigen Weg zu finden.