Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Dieser Grüne Bericht ist der 18., der erstellt wurde. Er zeugt wieder von einem hohen Leistungsniveau der an der Erstellung beteiligten Mitarbeiter des Bundesernährungsministeriums. Er ist statistisch und methodisch in der Anlage verbessert worden. Ich glaube, den beteiligten Damen und Herren gebührt für die Erstattung dieses Grünen Berichts unser herzlicher Dank.
Wir können feststellen, daß sich in der Kontinuität, von der Sie, Herr Bundesminister, gesprochen haben, eine direkte Linie finden läßt von 1968 an, als seinerzeit Herr Minister Höcherl den Grünen Bericht einbrachte mit der Zielsetzung, nicht nur die Landwirtschaft anzusprechen, sondern den gesamten ländlichen Bereich. Deshalb darf man wohl feststellen, daß die Agrarpolitik der damaligen Zeit,
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mit der heutigen verglichen, mindestens eine gute, wenn nicht sogar eine zielsetzende gewesen ist.
Aber die heutigen agrarpolitischen Zielvorstellungen und die weithin unverbindlichen Absichtserklärungen beinhalten in weiten Bereichen keine Antworten auf die brennendsten Fragen der Landwirtschaft. Natürlich ist auch für uns die Agrarpolitik in einer modernen Industriegesellschaft kein leichtes Spiel. Auch ein Landwirtschaftsminister muß sich den Gegebenheiten der von Industrie und Gewerbe geprägten Umwelt anpassen. Er kann immer mit unserer Hilfe rechnen, wenn er in der agrarpolitischen Aussage Vorstellungen entwickelt, die den unsrigen entsprechen.
Wir müssen aber in der öffentlichen Diskussion auch darlegen, ob und wieweit der Landwirtschaftsminister etwas gewollt hat bzw. nicht durchgesetzt hat. Ich war etwas erstaunt, Herr Minister Ertl, als Sie bier besonders geharnischt über das Thema „Eigentum" gesprochen haben. Im weiteren Verlauf dieser Debatte wird mein Kollege Kiechle dieses Thema noch ansprechen. Auch die Landwirte lesen Zeitungen, Herr Minister, auch die Menschen im ländlichen Bereich und in anderen Bereichen, die Eigentum besitzen, lesen Zeitungen: Ich kann mir vorstellen, daß manche Aussage gerade in der letzten Woche — auf Bezirksparteitagen usw. -- Ihnen auch zu denken gegeben hat. Uns kommt es nur darauf an, darauf hinzuweisen, daß das Thema „Eigentum" aus der Sicht der Landwirtschaft — Boden, Arbeit und Kapital bilden hier die Grundlage — einer sehr kritischen Erörterung bedarf. Ich hoffe, daß Sie, Herr Minister, dieses Thema „Eigentum" weiter in Ihrem Sinne verfolgen werden und nicht etwa von Ihrem Ministerkollegen Vogel überfahren werden, von dem man ja einiges andere in dieser Hinsicht hören kann. Dieses Thema „Eigentum" ist für die Landwirtschaft von besonderer Bedeutung, weil wir gerade zu Beginn des vorigen Jahrhunderts um die Ablösung der Grundherrschaft gekämpft, um die Beseitigung des Obereigentums an Grund und Boden gekämpft haben. Es darf nicht dazu kommen, daß ein neues Obereigentum auf kommunaler Ebene entsteht. Dagegen muß sich die Landwirtschaft in allen Phasen wehren.
Die wirtschaftliche Lage der landwirtschaftlichen Unternehmen hat sich 1971/72 verbessert. Das ist begrüßenswert. Ein weiteres so schlechtes Jahr wie 1970/71 wäre für die deutsche Landwirtschaft eine Katastrophe gewesen. Bei aller Genugtuung über die relativ günstige Einkommensentwicklung im Wirtschaftsjahr 1971/72 darf nicht übersehen werden, daß die Landwirtschaft im vorigen Wirtschaftsjahr einen Einkommensverlust von über 10 % hinnehmen mußte.
Trotz der von einem Jahr zum anderen verbesserten Lage besteht eindeutig kein Anlaß zum Jubel, denn das Ziel der Bundesregierung, die Landwirtschaft an der allgemeinen Wohlstandsentwicklung
teilnehmen zu lassen, ist keineswegs erreicht. Das läßt sich aus dem Agrarbericht ablesen.
Ich erinnere hier an das zunächst vom wissenschaftlichen Beirat und auch von Ihnen, Herr Minister, gebrauchte Wort von der Überreaktion im Strukturwandel. Es ist ein alter Vorwurf, die CDU/ CSU habe es nicht verstanden, den Strukturwandel schneller zu forcieren. Meine lieben Kolleginnen und Kollegen, Politik ist Hilfe für Menschen. Wir haben in der Landwirtschaft und im ländlichen Bereich eine stille Revolution erlebt. Die sich jetzt abzeichnenden Zahlen lassen deutlich erkennen, daß der Strukturwandel geradezu rasante Formen angenommen hat. Ich möchte Ihnen hier eine Zahl aus meinem Bereich Westfalen-Lippe nennen, in dem eine relativ gut strukturierte Landwirtschaft zu Hause ist: Dort ist in einem Jahr ein Rückgang an Fachschülern der Landwirtschaftsschule um 30 "/o festzustellen. Das ist ein alarmierendes Zeichen. Die Unsicherheitsfaktoren der Landwirtschaft werden hier deutlich.
Die Einkommensmerkmale der Landwirtschaft hängen aber natürlich im wesentlichen vom Marktgeschehen ab. Wenn ich auf die letzten zehn Jahre zurückblicke, so muß ich feststellen, daß niemals zuvor die Preise für Rinder, Kälber, Schweine und Milch gleichzeitig in diesem Maße gestiegen sind. Sehr verehrter Herr Minister, dies würde ich nun ja gern Ihnen zuschreiben und sagen, das sei Ihr Werk gewesen. Sie wissen aber ganz genau, daß das nicht so ist. Herr Staatssekretär Logemann hat erklärt, daß die Brüsseler Beschlüsse über die Preissteigerungen real nur 2 0/0 ausgemacht haben.
Hier möchte ich auch ein Wort an die Verbraucher sagen, weil ja trotz der totalen Senkung der Zölle die Kälberpreise und die Rinderpreise hoch sind. Diese Zölle haben Sie, Herr Minister, ja senken lassen. Diese Preise sind ein Ausfluß der Weltmarktlage in diesem Bereich. Das zeigt sich auch in der Anpassung der Schweinepreise in diesem Jahr
das wird auch noch ein Jahr so bleiben —, das zeigt sich auch an einem relativ hohen Getreidepreis. Ich möchte darauf hinweisen, daß man sich in der FAO-Studie — und nicht nur dort — schon Gedanken macht, ob die Gesamtweltvorratslage an Getreide in der Zukunft gesichert sein wird. Der kanadische Landwirtschaftsminister hat die gesamte Produktion von Getreide wieder freigegeben, auch in Amerika hat man sich Mühe gegeben, die Produktion wieder anzukurbeln. Wir wissen, daß im europäischen und außereuropäischen Bereich auch in diesem Jahr wieder eine größere Nachfrage nach Getreide bestehen wird.
In diesem Zusammenhang möchte ich zu den Verbrauchern und Verbraucherverbänden sagen: Hieran wird deutlich, was geschehen könnte, wenn keine genügende einheimische Produktion vorhanden sein wird. Das bedeutet Preissteigerungen auf der ganzen Linie. Deshalb ist auch in der Agrarpolitik eine ausreichende Ausstattung der Landwirtschaft, um die Produktion in diesem Bereich zu sichern, die beste und auch für die Verbraucher wirkungsvollste
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Hilfe gewesen und wird es auch für die Zukunft sein.
Die langfristige Beobachtung der Einkommensentwicklung in der Landwirtschaft erfordert auch, daß man die Entwicklung der landwirtschaftlichen Erzeugerpreise mit der Entwicklung der Betriebsmittelpreise vergleicht. Hier klafft die Preis-KostenSchere sehr zuungunsten der Landwirtschaft. Auch hieran trägt die Bundesregierung ein gerütteltes Maß an Schuld. Kostensteigerungen außerhalb der Londwirtschaft mit teilweise inflationärem Charakter treffen hier einen Wirtschaftszweig, dessen Expansionschancen auf dem Markt relativ gering sind.
Ich darf also folgendes aus dem Gesagten zusammenfassen:
Erstens. Daß sich die Einkommensverhältnisse im Wirtschaftsjahr 1970/71 nach oben entwickelt haben, wird von uns bestätigt. Diese Entwicklung kann jedoch nicht überbewertet werden. Sie wird sich im laufenden Wirtschaftsjahr wohl kaum fortsetzen. Die Prognosen für 1972 73 — auch im Agrarbericht - sind durch die jüngste Entwicklung über-holt.
Zweitens. Die Bemühungen der Bundesregierung um eine langfristige Sicherung der Existenzchancen unternehmerischer Landwirte in entwicklungsfähigen Betrieben müssen intensiviert werden. Vorrangig ist wie immer — ganz besonders in der Landwirtschaft — die Bekämpfung der inflationären Tendenzen, die wir immer noch vorfinden.
Da die Einflüsse der Erzeugerpreise von ausschlaggebender Bedeutung für die Betriebseinkommen aller landwirtschaftlichen Betriebe sind, muß die Bundesregierung in einer inflationären Umwelt weiter aktive Preispolitik betreiben, damit die Landwirtschaft absolut und relativ keine Einkommenseinbußen erleidet.
Drittens. Die Landwirtschaft hat auf ihren Märkten nur begrenzte Wachstumschancen. Für ihre Weiterentwicklung ist deshalb eine primär auf Stabilität ausgerichtete Wirtschaftspolitik lebensnotwendig.
Das relativ gute Ergebnis für 1971/72 wurde auch dadurch positiv beeinflußt, daß sich die Voraussetzungen hinsichtlich Inanspruchnahme der sogenannten Vorleistungen für die Produktion kaum verändert haben. Das ist — das wird im Agrarbericht für interessierte Leser deutlich — die Folge einer erheblichen Liquiditätsenge in der Landwirtschaft.
Geradezu bedrohlich ist, daß die Nettoinvestitionen für das Berichtsjahr nur noch 10 °/o der Nettoinvestitionen für 1969/70 ausmachen. Es hat also praktisch keine bzw. nur geringe Wachstumsinvestitionen gegeben. Beispielsweise ist das Bauvolumen an Betriebsgebäuden — so sagt es die Statistik — um 12 °/o zurückgegangen. Im Bereich der Investitionen bedeutet Stillstand aber Rückschritt. Das kann auch der Unternehmer Landwirt nicht lange vertragen.
Eine zweite Zahl, die mich selbst schockiert hat, macht etwas deutlich, was wir noch ernster nehmen sollten. In einem Jahr, dessen Verlauf von der Bundesregierung als günstig bezeichnet wird, übertraf die Kreditaufnahme die Nettoinvestitionen in der Landwirtschaft um 600 Millionen D-Mark. Das ist sicher ein alarmierender Tatbestand. Insgesamt wurden in den Jahren 1969/70 bis 1972 rund 1,5 Milliarden D-Mark mehr Kredite aufgenommen, als Nettoinvestitionen getätigt wurden.
— Das bedeutet, lieber Herr Kollege Saxowski, daß die Landwirtschaft aus betriebswirtschaftlicher Sicht nicht in der Lage war — so muß man das sehen -, die Abschreibungen herauszuwirtschaften. Hier zeigt sich, wie bedrohlich die Lage der Landwirtschaft in dieser Zeit geworden ist.
In diesem Zusammenhang besteht auch — immer fußend auf den Statistiken des Grünen Berichts — folgendes Problem. Die Abschreibungen werden vom Anschaffungswert der Investitionen vorgenommen. Wegen der hohen Inflationsrate ist der Wiederbeschaffungswert jedoch wesentlich höher als der Anschaffungswert. Ein ,nicht unwesentlicher Teil der Investitionen muß daher aus bereits versteuerten Gewinnen getätigt werden. Es ist ein einfaches Rechenexempel, wie lange die Bauern das durchhalten können.
Auch in der Wissenschaft hat man sich mit diesen Fragen eingehend beschäftigt. So ist z. B. Herr Professor Henrichsmeyer aus Bonn der Auffassung, daß erhöhte Investitionszuschüsse notwendig sind, um in der Landwirtschaft bei dieser Umwelt Wachstumsinvestitionen zu ermöglichen. Professor Köhne aus Göttingen hat am Beispiel der Milchviehhaltung nachgewiesen, daß Wachstumsinvestitionen nur in Ausnahmefällen wirtschaftlich sinnvoll sind. Ich glaube, hier wird deutlich, daß uns mittlerweile die Grenzen für eine modernere, in der Entwicklung befindliche Landwirtschaft aufgezeigt sind.
Es ist auch für den Anpassungsprozeß in der Landwirtschaft nicht hilfreich, sondern sogar schädlich gewesen, das Investitionsförderungsprogramm radikal zu ändern. Es ist sicher der falsche Weg gewesen, die Landwirtschaft dauernd darauf hinzuweisen, sie solle sich anpassen, wenn man zur gleichen Zeit ungünstige ökonomische Gesamtdaten geschaffen und dann auch noch die betrieblichen Investitionsförderungen beschnitten hat.
Jetzt kommt ein Thema, Herr Minister Ertl, bei dem ich mich gewundert habe: Noch schlimmer ist es nämlich, daß Sie, Herr Minister, einem EWG-Förderungsprogramm rechtsverbindlich zugestimmt haben, das in seinen Grundzügen für die Landwirtschaft nachteilig ist, und daß Sie sich dessen sogar noch rühmen. Ich darf hier auf einen Beschluß des Deutschen Bundestages hinweisen. Ich war seinerzeit, als wir uns mit den Gemeinschaftsaufgaben der EWG befaßten, selbst Vorsitzender des kleinen Fachausschusses. Das haben am 8. Mai 1968 alle Parteien einstimmig beschlossen, und dazu heißt es in Drucksache V/2800:
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Die künftigen Gemeinschaftsprogramme sollen die Maßnahmen der Mitgliedstaaten auf den von ihnen erfaßten Teilgebieten der AgrarProduktions- und Marktstrukturpolitik koordinieren.
Und das Wesentlichste heißt dann:
Den Regierungen der Mitgliedstaaten soll die Wahl der Form und Mittel, hier insbesondere die Auswahl der Vorhaben und die Festlegung der Schwerpunktgebiete, weitgehend überlassen bleiben.
Das haben wir dann am 8. Mai 1968 bei den Besprechungen über die Gemeinschaftsaufgaben einstimmig beschlossen. Diese Linie haben Sie mit der Unterzeichnung der EWG-Strukturrichtlinien einfach verlassen — mit der geringen Gegenleistung von 2 °/o realer Preiserhöhung. Ich habe nie ein Hehl daraus gemacht, daß Strukturpolitik immer Regionalpolitik gewesen ist und auch immer bleiben wird. Wir haben jetzt die seltsame Situation, daß wir von Sizilien bis zum Nordkap einheitliche Richtlinien haben und so tun, als ob man in diesem Raum die Probleme der Landwirtschaft einheitlich behandeln könnte.
Der zweite, noch schwierigere Punkt ist, daß sich die Förderschwellen nach dem Bruttoeinkommen im außerlandwirtschaftlichen Bereich richten. Hier treten die kuriosesten Zustände auf. Ich will Ihnen das an einem Beispiel aus Westfalen deutlich machen. Im Kreise Wittgenstein mit seinen geringeren außerlandwirtschaftlichen Einkommen wird die Förderschwelle niedrig sein; im benachbarten Kreis Siegen mit höheren außerlandwirtschaftlichen Bruttoeinkommen wird die Förderschwelle hoch sein. Aber die Landwirte dort wirtschaften in gleicher geographischer Lage und mit gleichen Bodenqualitäten.
Wie soll draußen ein Berater bei diesen von Ihnen geforderten starren Richtlinien noch zurechtkommen? Sie haben diese Richtlinien zwar variabel gemacht, aber uns ist bekannt, daß die EWG Ihre Variabilität nicht anerkennen will.
Es gab in der gesamten Agrarstrukturpolitik immer schon einen Grundsatz, und das ist der Grundsatz der Tüchtigkeit des Betriebsleiters. Und die ist meßbar!
Jener andere Maßstab ist ein Ausfluß eines akademisch erdachten Förderungssystems, das in der Praxis nicht anwendbar ist. Es lohnt sich oft, auch Betriebe mit weniger als 20 ha noch zukunftsorientiert zu fördern, und ich kenne andererseits Betriebe, die auch mit 100 ha nicht förderungswürdig sind. Hier sind Schemata und Tatbestände angesprochen worden, die mit der Praxis nichts mehr zu tun haben. Und ich fürchte, Herr Minister, daß Ihr von Ihnen so gerühmtes einzelbetriebliches Förderungsprogramm in diesem Bereich zum Schiffbruch verurteilt ist und daß ein gut begonnenes Strukturwandlungswerk in der deutschen Landwirtschaft sein Ende finden wird.
Nun darf ich Sie herzlich bitten, die Verantwortung für diese Entscheidungen nicht den Beratern
draußen zu überlassen, sondern selbst zu erklären, wie Sie diese Richtlinien auszulegen wünschen. Die Frage ergibt sich vor Ort jeden Tag, und vor Ort kommen jeden Tag neue Schwierigkeiten. Die Frage, die ich dabei stellen muß, heißt: Ist es den Bundesländern überhaupt noch möglich, selbst zu fördern? Sie kennen den hervorragenden, in Bayern gewählten Weg, nämlich den einer differenzierten Förderung in den verschiedenen Regionen. In Baden-Württemberg, Nordrhein-Westfalen, Niedersachsen und Schleswig-Holstein gibt es unterschiedliche Förderungsrichtlinien. Wir sollten uns bemühen, den Schwerpunkt der Aufgabenstellung der Strukturpolitik in die Region, in die Länder zu verlegen, weil diese doch sinnvollere Vorstellungen haben als wir oder gar ein Zentralist in Brüssel, der von dort aus bestimmte Aussagen machen will.
Ich darf noch ein Wort zur Disparität der Einkommen sagen. Die außerlandwirtschaftliche Disparität ist immer noch weitaus größer, als sie in den 60er Jahren war. Also kann die Agrarpolitik der damaligen Regierung nur als sehr gut bezeichnet werden. Um es noch einmal zu betonen: das Ziel, die Landwirte an der allgemeinen Einkommensentwicklung teilnehmen zu lassen, ist nicht erreicht worden. Aber auch die innerlandwirtschaftliche Disparität ist gewachsen. Viele Betriebe liegen weit unter dem Durchschnitt, teilweise um 25 %. Über diese Fragen sollten wir uns fachkundig unterhalten, denn auch dazu muß etwas gesagt werden.
Meine Damen und Herren, seit drei Wochen ist das Währungssystem erneut großen Spannungen unterworfen. Die Vorstellung, daß man auf dem agrarischen Sektor die Integration Europas mit der Rechnungseinheit fördern könnte, ist leider nicht Wirklichkeit geworden. Wir haben hier die Frage an Sie zu richten: Was wird geschehen, wenn wir die Paritäten endgültig wieder festschreiben, und was können wir tun, um die deutsche Landwirtschaft vor größeren Schäden zu bewahren? Wir haben Sie damals schon gebeten, das Grenzausgleichssystem beizubehalten. Dies scheint jetzt in Europa üblich zu werden. Wir bitten Sie dringend, ja, leidenschaftlich, das bisherige System zu verteidigen. Wir lesen von neuen, systemändernden Wirkungen unseres Marktordnungssystems mit Rechnungseinheiten. Sorgen Sie dafür, daß nicht noch einmal ein Verteilungsprozeß mit Geld an die Landwirte stattfinden muß, denn hierbei ist der tüchtigste Betriebsleiter immer benachteiligt! Behalten Sie das Grenzausgleichssystem bei! Ich wäre Ihnen dankbar, wenn Sie auch dazu etwas sagten, wenn es sein muß, im Fachausschuß, falls Sie nämlich glauben, daß eine Information über Interna hier nicht sinnvoll ist.
Wir sind auch sicher, daß die künftigen Handelsgespräche mit den USA auf der Grundlage des europäischen Agrarmarktes nach einer exakten Bestandsaufnahme erfolgen müssen. Wir sind selbstverständlich bereit, den USA in ihrer schwierigen Lage zu helfen. Wir haben das bisher getan, wie die Agrarstatistik und die Handelsbilanz zeigen. Im Interesse einer arbeitsteiligen Wirtschaft in der Welt können wir auf einigen Sektoren und bei einigen Waren bestimmt zu vernünftigen Über-
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einkünften kommen. Ich denke z. B. an Sojaschrot, an andere Futtermittel usw.
Nun ein Wort, Herr Minister, zu zwei sehr wichtigen, die Umwelt betreffenden Gesetzen, zum Bundeswaldgesetz und zum Landschaftspflegegesetz. Sie haben im Ernährungsausschuß in schöner Offenheit gesagt, Ideologen könnten in zwei Jahren mehr zerstören, als gescheite Leute in 20 Jahren wiederaufbauen können. Für dieses Wort bedanke ich mich.
Hier wird aber aus der Sicht der Länder deutlich, daß die Auffassungen darüber, ob es Vollgesetze oder Rahmengesetze werden sollen, unterschiedlich sind, unabhängig von der politischen Konstellation. Ich möchte Sie im Interesse einer zügigen Beratung dieser Gesetze, die wir draußen dringend erwarten, die auch die Bevölkerung von uns erwartet, darum bitten, entsprechendes Recht einfach einmal in der Praxis zu testen, damit wir endlich damit arbeiten können und uns nicht länger im Vorfeld der Auseinandersetzungen über Voll- oder Rahmengesetz unterhalten. Seien Sie auch hier Pragmatiker, damit wir diese Gesetze recht bald im Interesse der Bevölkerung verabschieden können.
Ich darf zusammenfassen. Die Lage der Landwirtschaft hat sich gegenüber 1970/71 verbessert. Das Regierungsziel der vollen Teilnahme der Landwirtschaft an der allgemeinen Wohlstandssteigerung wurde nicht erreicht. Die inflationäre Entwicklung macht der Landwirtschaft besonders zu schaffen. Die Voraussagen der Bundesregierung über die Lage der Landwirtschaft im laufenden Wirtschaftsjahr sind zu optimistisch. Der Einkommenszuwachs ist in manchen Teilen der Bundesrepublik Deutschland schon wieder rückläufig. Der strukturelle Anpassungsprozeß wird nicht ausreichend gefördert. Die währungspolitischen Probleme sind noch ungelöst. Der Landwirtschaft drohen neue Kostenerhöhungen durch die Maßnahmen der Bundesregierung, besonders auf dem Gebiet der Mineralölsteuer. Diese gilt es abzuwehren, da sie das ohnehin geringe Einkommen der Landwirtschaft schmälern und Wettbewerbsverzerrungen in der EWG herbeiführen.
Meine Damen und Herren, der Kürze der Zeit wegen erlaube ich mir, den Entschließungsantrag der CDU/CSU-Fraktion sofort mitzubegründen, damit, Frau Präsidentin, dieser Antrag gleich an die entsprechenden Fachausschüsse, nämlich an den Ausschuß für Arbeit und Sozialordnung sowie an den Ausschuß für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten. überwiesen werden kann.