Frau Präsidentin, meine sehr verehrten Damen, meine Herren! Für die Fraktion der Freien Demokraten möchte ich diese Aussprache hier ' im kleinen Kreis als eine Gelegenheit des Dialogs begrüßen — des Dialogs zwischen der Regierung und dem Parlament — und eine Gelegenheit, gemeinsam die Konsequenzen der forschungspolitischen und technologischen Entwicklung für unsere Gesellschaft zu erörtern.
Technologiepolitik als vorausschauende Wirtschaftspolitik darf heute im Bereich von Forschung und Entwicklung aus zwei Gründen nicht nur auf langfristigen, sondern sie muß in zunehmendem Maße auch auf mittel- und kurzfristigen Nutzungserwartungen der eingesetzten öffentlichen Mittel beruhen.
Erstens. In der modernen Technologiepolitik -dies tritt z. B. auf den Gebieten der Kernenergie und der Datenverarbeitung offen zutage -- übersteigen die Investitionsanforderungen das Refinanzierungsvermögen selbst großer Unternehmen.
Zweitens. Aus rein betriebswirtschaftlicher Sicht gibt es „erfolgsnegative" Investitionen, die aber notwendig sind, um z. B. Umweltschäden zu vermeiden.
Mittel- und kurzfristig muß Technologiepolitik den Unternehmen zur Mobilisierung folgender Gebiete dienen: nichtgenutzter Rationalisierungsbereiche, von Ressourcen für Forschung und Entwicklung, unterlassener Innovationen, nichtgenutzter Informationen über die Ergebnisse technischer Forschungen und Entwicklungen. Technologiepolitik dient so der unmittelbaren Steigerung des Angebots und der Wettbewerbsfähigkeit.
Das setzt allerdings nach unserer Auffassung eine Ergänzung der bisherigen Förderungsgrundsätze der öffentlichen Hand voraus. Diese Förderungsgrundsätze sind insofern von einem hohen Risiko gekennzeichnet, als der Erfolg der geförderten Entwicklung, wie die Regierung in ihrer Antwort dargestellt hat, nicht absehbar war und der wirtschaftliche Nutzen ebenfalls nicht konkret voraussehbar war, d. h. der Rückfluß der eingesetzten Mittel unsicher oder zumindest nur außerordentlich langfristig zu erwarten war.
Damit wir uns nicht mißverstehen: Meine Ergänzungsvorschläge in Richtung auf die Förderung kurz- und mittelfristiger Technologiepolitik betreffen nicht die Fragen der langfristigen Technologiepolitik. Bei einer solchen Ergänzung dieser Förderungsgrundsätze würden sich die mit mittel- und kurzfristigen Nutzungserwartungen eingesetzten öffentlichen Mittel dem Charakter von Subventionen annähern. Das müßte in diesem Fall allerdings als unbedenklich angesehen werden, da diese Mittel nichts mit Erhaltungssubventionen zu tun hätten, sondern fur eine echte und langanhaltende Steigerung der volkswirtschaftlichen Produktivität Verwendung fänden. Ich übersehe dabei nicht, daß sich auch hier der Zielkonflikt jeder Subvention stellt, da sie einerseits der Steigerung der volkswirtschaftlichen Leistungsfähigkeit dient, andererseits aber Wettbewerbsvorteile für einzelne Zuwendungsempfänger und damit Nachteile für deren Konkurrenten mit sich bringt.
Die von mir ins Auge gefaßte Änderung der Förderungsgrundsätze würde also im Bereich der kurz-und mittelfristigen Forschungsförderung zu einer relativ starken Verminderung des Risikos der Zuwendungsempfänger führen. Aus diesem Grunde müßte allerdings auch überlegt werden, ob dann nicht höhere Eigenbeteiligungen — auch weit über die 50 % hinaus — in Kauf genommen werden sollten, ja, geradezu angestrebt werden müßten, bis hin zu zinsbegünstigten Krediten etwa aus dem ERP-Vermögen.
Die Ergebnisse von Forschung und Entwicklung sollen nach Auffassung der FDP in Form von Berichten veröffentlicht werden, obwohl wir wissen, daß damit die Wettbewerbsvorteile der Empfänger_ nur unwesentlich vermindert werden, da praktisches know how auch durch noch so ausführliche Berichte nicht einfach übertragbar ist. Der Vorsprung, den der Betrieb erhält, der Entwicklungsergebnisse mit öffentlichen Mitteln erarbeitet hat, ist in der Regel nicht mehr einzuholen.
Aus diesem Zielkonflikt zwischen möglichst hohem volkswirtschaftlichem Nutzungseffekt der eingesetzten Mittel und möglichst weitgehender Reduzierung des entstehenden Wettbewerbsvorteils für
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den Zuwendungsempfänger ergeben sich folgende Konsequenzen:
1. für das Parlament eine verstärkte Einschaltung in die Kontrolle der Vergabe und der Verwendung öffentlicher Mittel über die Bewilligung der Haushaltspläne hinaus, z. B. durch regelmäßige Anhörungen zu Großprojekten in parlamentarischen Ausschüssen,
2. für die Regierung neben einem geeigneten Beratungswesen — das ja von der Regierung in Angriff genommen worden ist und das, wie wir jedenfalls hoffen, zu Beratungsergebnissen führen wird, die die bisherigen Möglichkeiten übertreffen eine Personalpolitik der Ministerien, die der Wirtschaft gleichwertige Verhandlungspartner mit ausreichender Wirtschafts- und Forschungserfahrung gegenüberstellt. Das kann auf der höheren Ebene etwa auch durch das verstärkte Engagement sogenannter „Ein-Dollar-Leute" geschehen.
In diesem Zusammenhang scheint uns wichtig zu sein, daß das Ministerium für Bildung und Wissenschaft sich der Frage widmet, wie ein Wechsel zwischen Beamten der Ministerien, zwischen der Wirtschaft und zwischen den Forschungseinrichtungen ermöglicht werden kann — ein Problem, das nicht sosehr ein Anwendungsfall marktwirtschaftlicher Schwierigkeiten darstellt, sondern mehr ein Problem des Beamtenrechts ist. Wir glauben allerdings, daß dieser Wechsel notwendig ist, auch im Hinblick auf die notwendige Durchsichtigkeit, die notwendige Öffentlichkeit und die richtige Vermittlung durch die dazu befähigten Mitarbeiter der Ministerien.
3. Für die Wirtschaft bedeutet es nach unserer Ansicht die Möglichkeit, die Chance und vielleicht auch die Notwendigkeit zur verstärkten Schaffung zentraler Anlaufstellen, z. B. betriebsneutraler, aber doch betriebsnaher Forschungsstätten bei den Verbänden, die den Ministerien gegenüber als Projektleitstellen auftreten könnten. Ich meine, daß die auch von der CDU/CSU geforderte stärkere Einschaltung kleinerer und mittlerer Betriebe hier eine größere Chance hätte, wenn wir zu anderen Organisationsformen der Wirtschaft in diesem Bereich kämen. Das wären also Projektleitstellen, die Zuwendungen empfangen und Forschungs- und Entwicklungsvorhaben in Pilotbetrieben durchführen. Als Beispiel für eine solche Forschungsstelle möchte ich das Betriebsforschungsinstitut des Vereins deutscher Eisenhüttenleute nennen.
4. Für die Wissenschaft bedeutet das Teilnahme am Entscheidungsprozeß zur Einleitung mittel- und kurzfristiger Technologieprogramme, insbesondere durch Bereitstellung von Verfahren zur raschen Früherkennung ihrer Auswirkungen in gesellschaftspolitisch relevanten Bereichen, wie z. B. im Bereich der Sozialpolitik und des Umweltschutzes.
Im Bereich der langfristigen Technologiepolitik sind nach Auffassung meiner Fraktion neben den einzelnen Programmen vor allem ihre Verklammerung durch die Auswirkungen in den gesellschaftspolitisch wichtigen Bereichen zu sehen. Dabei
stellt sich etwa auf dem Gebiet des Umweltschutzes die Frage, inwieweit bei höherer Produktivität volkswirtschaftlich eine Verringerung des Verbrauchs an Roh- und Hilfsstoffen, insbesondere aber an Energie erreicht werden kann.
Die meisten der derzeit in der Entwicklung befindlichen Technologien, etwa künftige Verkehrssysteme, Datenverarbeitung, Herstellungsverfahren für neue Werkstoffe und dergleichen, sind mittelbar oder unmittelbar ungewöhnlich energieintensiv und dies in bezug auf veredelte Energie, nämlich Elektrizität. Allein daran knüpfen sich eine Reihe von Fragen — nicht Fragen, für die wir hier eine Antwort parat haben könnten oder von denen wir mit Recht eine fertige Antwort der Regierung erwarten könnten, sondern Fragen, die uns gemeinsam beschäftigen müssen im Sinne des Dialogs, den Herr Kollege Dr. Hubrig mit Recht für notwendig und für möglich gehalten hat.
Wird z. B. untersucht, wie sich die Einführung der Technologien auf die Steigerungsraten der Elektrizitätserzeugung auswirken wird? Hat man bereits überlegt, wie wir mit den gewaltigen Abwärmemengen aus der Elektrizitätserzeugung in den Jahren nach 1980 fertig werden? Haben wir parallel zur Entwicklung der Kernenergie genügend große Programme laufen, die die nutzbringende Verwertung der Abwärme von Kernkraftwerken untersuchen? Das sind einige Fragen, die sicher eine Antwort finden werden. Wir müssen aber darauf drängen, daß sie gestellt und daß die Lösungen politisch vorangetrieben werden.
Bei der Erarbeitung des Umweltprogramms der Bundesregierung hat der interdisziplinäre Charakter des Umweltschutzes seine gesellschaftspolitischen Zusammenhänge nahezu zwangsläufig aufgezeigt und damit die Ressorts auch zu einer Gemeinschaftsleistung gezwungen, die ich hier nur noch einmal anerkennend unterstreichen möchte.
Unsere einzelnen Technologieprogramme müssen ebenfalls in ein umfassendes Programm eingehen; eine Forderung, die durchaus im Sinne der Antwort der Bundesregierung auf die beiden Großen Anfragen der Fraktionen liegt.
— Herr Dr. Martin, leider verstehe ich diese geistreiche Zwischenbemerkung nicht.
— Leider haben Sie nicht zugehört, als ich einige kritische Fragen gestellt habe.
Meine Damen und Herren, lassen Sie mich nach diesen Ausführungen noch einige grundsätzliche Überlegungen anstellen, die in einer Debatte über Technologiepolitik nicht fehlen können. Ich meine, man sollte hier sehr klar und sehr offen auf die Kritik eingehen, die vor allem aus der Jugend und aus den betroffenen Wissenschaften nicht nur in der
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Bundesrepublik, sondern in allen Industrieländern laut geworden ist, eine Kritik nämlich, die Symptome unserer technischen und wirtschaftlichen Entwicklung zum Anlaß nimmt, um an den Grundfesten unseres marktwirtschaftlichen Systems zu rütteln. Ich weiß, daß viele auch in diesem Hause diese Kritik lieber erst gar nicht hören wollen. Ich meine, wir müssen uns trotzdem mit dieser Kritik auseinandersetzen. Ich möchte einige Beispiele einer solchen Kritik hier vortragen.
— Ich werde versuchen, auch darauf eine Antwort zu geben.
— Ich hoffe mit Ihrer Unterstützung, Herr Raffert!
Ich möchte nun einige der kritischen Stellen zitieren, die mir z. B. auch bei meiner Auseinandersetzung mit den sogenannten unruhigen Studenten
— oder wie immer Sie sie bezeichnen wollen — immer wieder entgegentreten, und bei denen ich feststellen kann, daß diese Kritik von Studenten vorgetragen wird, die nach meiner Ansicht zwar eine falsche Auffassung haben, die aber in ihrem politischen Wollen außerordentlich ernst genommen werden müssen, und die ich nicht allein etwa den hoffnungslos Radikalen zurechnen möchte. Die wissenschaftliche und technologische Entwicklung in der Bundesrepublik und darüber hinaus in den kapitalistischen Staaten
überhaupt sei rationaler Planung und öffentlicher Kontrolle weitgehend entzogen; sie werde in ihren wichtigsten Schwerpunkten allein vom Kapitalverwertungsinteresse weniger Großkonzerne bestimmt. Die Folgen seien gigantische Fehlleistungen menschlicher Energien, da viele Kenntnisse und Erfindungen ungenutzt blieben, die Vergeudung materieller Hilfsmittel durch doppel- und mehrgleisige Arbeit und fehlenden Koordination, die Vernachlässigung wichtiger Forschungsgebiete von sozialer und humaner Bedeutung sowie eine allgemeine Effizienzminderung der vorhandenen gesellschaftlichen Forschungseinrichtungen.
Die Kritiker behaupten, daß ein großer Teil der industriellen Aufwendungen für Forschung und Entwicklung — der industriellen, betone ich — nur dazu dienten, sinnlose, aber absatzfördernde Produkte bzw. Produktvariationen herzustellen.
Niemand wird bestreiten, daß das Fragen sind, die uns ernsthaft beschäftigen müssen. Niemand wird auch bestreiten, daß wir auf diese Fragen keine fertigen Antworten haben, und niemand wird daran vorbeisehen können, daß das mit ein Grund dafür ist, daß in dieser Jugend an unserem Gesellschaftssystem Zweifel laut werden und Kritik laut wird, einer Jugend, deren Weg in den Versuch totalitärer
Lösungen, deren Wunsch nach perfekten Rezepten nur allzu deutlich sichtbar wird, mit der wir uns im Sinne einer Antwort auf diese Fragen auseinandersetzen müssen, sicher auch immer mit dem Eingeständnis der Unvollkommenheit solcher Antworten, aber doch mit der Bereitschaft, diese Fragen sehr ernsthaft zu diskutieren.
Diese Kritik läuft also insgesamt darauf hinaus, daß unserem System als geradezu zwangsläufig unterstellt wird, daß sich das Ziel des wirtschaftlichen Wachstums als Selbstzweck entwickle. Eine Reihe von Publikationen, von denen ich nur einige mit Titel nennen will, haben auf eine mögliche Krise der Weltentwicklung hingewiesen, die zu einer Bedrohung der gesamten Menschheit werden kann: „Die große Transformation", „Mut zur Utopie", „Der Zukunftsschock", „Die Bevölkerungsbombe", „Das Selbstmordprogramm", „Vorsicht Fortschritt". Sie alle warnen davor, daß das System Erde wegen Überfüllung, Verschmutzung und Erschöpfung der Rohstoffquellen in einem bereits berechenbaren und absehbaren Zeitpunkt zusammenbrechen werde.
Meine Damen und Herren, ich habe betont, daß wir diese Kritik ernst nehmen. Ich hätte gern gesehen, daß in der Antwort der Regierung auf die beiden Großen Anfragen mehr von dieser Problematik zu spüren gewesen wäre.
Ich möchte das nicht als eine Kritik in dem Sinne verstanden wissen, daß ich nun etwa meine, die Regierung habe hier fertige Rezepte parat zu halten. Aber die Regierung hat meiner Ansicht nach eine Gelegenheit versäumt, uns in dieser Auseinandersetzung mit öffentlichem Nachdenken über diese Fragen zu unterstützen.
Vielleicht liegt das auch daran, daß wir nicht nachdrücklich genug gefragt haben,
so daß wir vielleicht sogar in einem Boot sitzen.
Wenn wir das tun, wenn wir also kritisch sind und diese Kritik ernst nehmen, müssen wir die Forderung akzeptieren, daß Technologiepolitik nicht allein daran orientiert sein darf, gesundes Wirtschaftswachstum langfristig zu sichern.
Mindestens müßte dieses gesunde Wirtschaftswachstum so definiert sein, daß klar wird, daß zu diesem gesunden Wirtschaftswachstum Infrastruktur in weitestem Sinne gehört.
— Es wird sehr häufig anders verstanden. Ich glaube, daß es gut ist, diesem Mißverständnis entgegenzutreten.
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Die Technologiepolitik muß also dem übergeordneten Ziel gerecht werden, die technische Revolution für den Menschen kontrollierbar und beherrschbar zu halten bzw. zu machen. Das heißt, wir dürfen nicht tatenlos zusehen, daß die rasante technologische Entwicklung den politischen und sozialen Verhaltensweisen der Menschen davonläuft.
Schon jetzt überfordert eine künstliche Umwelt — künstlich durch Technik den Menschen. Das heißt, es gibt immer weniger natürliche Umwelt, während doch klar ist, daß die biologischen Grundlagen der Artentfaltung des Menschen kaum veränderbar sind. Die Diskrepanz zwischen rationalem Verhalten, also der Kulturtechnik, und den Elementen der Irrationalität; Angst, Aggression und andere Antriebe zum Handeln, die uns auch in der Auseinandersetzung etwa mit radikalen Studenten deutlich sichtbar entgegentreten
— und mit uns selber; vielleicht nicht ganz so deutlich, etwas beherrschter —, wird immer größer und beschwört Konflikte herauf, die mit den vorhandenen politischen Normen und Ordnungen kaum mehr bewältigt werden können. Dies gilt für die sogenannten entwickelten Gesellschaften; wieviel mehr und um wieviel krasser für unterentwickelte Länder!
Daraus folgt für mich, daß es ganz wesentlich sein wird, der Technologiepolitik ein sozialwissenschaftliches Komplementärprogramm an die Seite zu stellen.
Damit können rechtzeitig Anhaltspunkte dafür gewonnen werden, wie die Menschen auf neue Technologien, z. B. auf neue Verkehrssysteme, allgemeine Organtransplantationen oder etwa auf Wohneinheiten unter der Meeresoberfläche und vieles andere mehr, reagieren werden und wie sie und ob sie mit diesen neuen Technologien überhaupt fertig werden können. Die Contergan-Tragödie darf sich nicht im sozialtechnischen Bereich wiederholen.
In gehe in diesem Zusammenhang durchaus so weit, zu sagen, daß wir einen blinden Fortschritt — und das ist sicher allgemeine Meinung — nicht dulden können. Meine Antwort an die Kritiker unserer Gesellschaftsordnung ist die: Ich akzeptiere die Forderung, daß Technologiepolitik wie auch alle anderen Bereiche unserer Politik dem Ziel dienen muß, unser Leben freier und menschenwürdiger zu gestalten.
Damit wir das erreichen können, werden wir jedoch gerade das brauchen, was viele vorschnell bei Seite legen wollen, nämlich gesundes wirtschaftliches Wachstum. Der Zusammenhang ist für mich ganz einfach: Diese finanziellen Mittel müssen dasein, müssen erarbeitet sein, bevor wir sie ausgeben können, bevor wir sie auch ausgeben können für die gerade eben hier geforderten Komplementärprogramme. Wir müssen jedoch alle Maßnahmen treffen, die ich zumindest im Problem hier angesprochen habe, um eine Fehlentwicklung, wie sie in Teilbereichen möglicherweise schon festzustellen ist, zu vermeiden.
Erlauben Sie mir bitte, Frau Präsidentin, daß ich die Konferenz der Wissenschaftsminister der OECD-Mitgliedstaaten in diesem Zusammenhang zitiere:
Was die sozialen Zielsetzungen betrifft, die für die gesamte Bevölkerung von Bedeutung sind, z. B. Reinhaltung der Luft, besteht im privatwirtschaftlichen Sektor kein Interesse, das den Innovationsprozeß vorantreiben könnte. Der Profit, der bei so vielen anderen Unternehmungen die technologische Innovation und die steigende Effizienz motiviert und angeregt hat, zieht in diesem Bereich nicht automatisch und in angemessener Weise. Wenn die erforderlichen neuen Technologien hervorgebracht werden sollen, müssen die Regierungen Verfahren ersinnen, um entweder einen Ersatz für das Gewinnstreben zu schaffen oder es anzuregen.
Einige solcher Verfahren, Festlegungen von Normen, steuerliche Anreize und andere Reglementierungen, werden schon jetzt angewandt, sind jedoch wohl noch nicht ausreichend.
Ich konnte in der zur Verfügung stehenden Zeit nicht all das sagen, was zum Thema zu sagen wäre. Es wird ja sehr bald Gelegenheit sein, in der Diskussion über den Forschungsbericht 4 auf diese und andere Fragen zurückzukommen. Die Freien Demokraten treten dafür ein, daß die Technologiepolitik ihren kurz-, mittel- und langfristigen Aufgaben gerecht wird. Alles, was wir tun, muß aber unter dem liberalen Postulat stehen, daß die im Grundgesetz verankerte Würde des Menschen nicht allein einen optimalen Lebensstandard, sondern auch die Verwirklichung und die Erhaltung immaterieller Grundrechte verlangt.