Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Es ist immer schwierig, nach einer außenpolitischen Debatte, selbst wenn sie relativ kurz war, die Aufmerksamkeit dieses Hauses für einen anderen Punkt zu erregen, vielleicht besonders für einen Punkt der Justizpolitik, der vielleicht nicht so eingängig und volkstümlich ist wie eine Reihe anderer Probleme, die wir in diesem Hause behandeln. Aber ich bin der Auffassung — das ist einer der wenigen Punkte bei diesem Gesetzentwurf, wo ich mit den Herren der Koalition einig bin —, daß es sich hier um einen ausgesprochen bedeutsamen Entwurf handelt, um ein Gesetz, das das Gesicht der deutschen Justiz in der Zukunft nachhaltig bestimmen wird, weniger wegen der Änderung der Amtsbezeichnungen als deshalb, weil an der Struktur der Gerichte etwas Bedeutsames geändert wird.
Meine Damen und Herren, wenn ich mich zuerst, nicht wegen der größeren Wichtigkeit, sondern wegen der Reihenfolge des Gesetzentwurfs, den uns die Bundesregierung vorgelegt hat, mit der Frage der Amtsbezeichnungen befasse, so soll bei diesem Thema, das natürlich mehr als ein Rand- denn als ein Zentralthema erscheint, nicht geleugnet werden, daß mehr als 30 Amtsbezeichnungen in der Justiz vielleicht des Guten zuviel sind. Die Hauptbegründung aber, die für die Reform angeführt ist, heißt, daß die heutigen Titel der deutschen Justiz weitgehend dem Beamtenrecht entlehnt seien. Nun, darüber kann man streiten. Sicherlich mögen einzelne Titel nicht besonders sinnvoll oder zutreffend sein. Ein Amtsgerichtsrat hat natürlich als „Rat" wenig Sinn, wenn er als Einzelrichter tätig ist. Aber Sie können nicht bestreiten, daß die Bezeichnung „Landgerichtsrat", da der Landrichter ja im Kollegium tätig ist, in der Regel wesentlich sinnvoller ist als die Bezeichnung „Baurat" oder „Studienrat" in der Verwaltung; denn die beiden letzteren handeln ja für sich allein und geben nicht ihren Rat in einem Kollegium ab. Außerdem mag es interessant sein, daß vor rund einem halben Jahrhundert die Titel mit dem „Rat" in der Justiz mit der Begründung
eingeführt worden sind, man müsse das Ansehen der Richter der unteren Instanzen stärken und gegenüber dem der Verwaltung gleichwertig machen. Das ist sozusagen das umgekehrte Argument, mit dem nunmehr die Abschaffung gefordert wird. Jetzt glaubt man das Ansehen der Richter zu stärken, indem man den Ratstitel abschafft. Ich glaube, daß beides nicht der Fall ist.
Die weitere Kritik betrifft den Titel eines Landgerichtsdirektors, weil der Vorsitzende einer Ziviloder Strafkammer naturgemäß nicht zu dirigieren, sondern zu präsidieren hat.
Aber, meine Damen und Herren, seit wann fangen wir eigentlich an, Titel auf ihren Sinn zu untersuchen? Ein Minister — es sitzt leider nur einer im Saal, darum bekommt das Wort „ein" einen besonderen Sinn — heißt wörtlich ein Diener; aber das ist doch nur in einem sublimierten Sinn der Fall, nicht in jenem Sinn, in dem Sie sonst von Diener sprechen, wenn Sie etwa an einen Haushalt denken.
Staatssekretär heißt wörtlich Staatsschreiber. Trotzdem hat von den Herren Staatssekretären keiner eine Prüfung in Stenographie und Maschineschreiben machen müssen. Der englische Europaminister führt den Titel eines Kanzlers von Lancaster. Wenn wir erst in England anfingen, nach dem Sinn der Titel zu fragen, würde es noch fragwürdiger werden. Ich werde natürlich gern meinen Freund Rippon einmal danach fragen, ob er sich in seiner europäischen Aktivität durch die Beschränkung auf Lancaster am Ende beschränkt gefühlt hat oder ob er falsche Herrschaftsansprüche anmeldet, die irgendeiner weit zurückliegenden Vergangenheit angehören.
Mir kommt es immer heiter und fast sinnlos vor, über den Sinn von Titeln zu diskutieren. Wenn man das aber mit jener deutschen Gründlichkeit macht, die ja nun einmal in unserem Lande üblich ist, dann sollte man sich doch wenigstens über eines klar sein — aber man ist es leider nicht —: eine Titelreform gehört nicht an den Anfang der Justizreform, sondern an ihr Ende.
Erst wenn ich weiß, wie die deutsche Justiz aufgebaut sein wird — drei- oder vierstufig und in wie vielen Zweigen —, erst wenn ich weiß, wie das Gerichtsverfassungsgesetz der Zukunft aussehen wird, hat es einen Sinn, als letztes auch noch die Amtsbezeichnungen zu ändern.
So vertreten wir in der Christlich-Demokratischen und Christlich-Sozialen Union die Meinung, die vom Bayerischen Richterverein bis zum Präsidenten des Bundesgerichtshofs beim Hearing des Rechtsausschusses vertreten worden ist: daß dieser Punkt bis zum Ende der Justizreform zurückgestellt werden sollte.
Deshalb stelle ich namens der Fraktion der CDU/ CSU hiermit den Antrag, den Art. 1, der die Amtsbezeichnungen betrifft, an den Rechtsausschuß zurückzuverweisen und das Gesetz ohne die Verände-
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rung der Amtsbezeichnungen jetzt zu beschließen, andererseits damit die Amtsbezeichnungen an das Ende der Justizreform zu setzen. Dieser unser Geschäftsordnungsantrag geht dem Sachantrag vor, der sich dann erledigen würde, wenn dieser Antrag angenommen wird.
Warum ich dieser Reform der Amtsbezeichnungen so skeptisch gegenüberstehe, hat auch noch einen anderen Grund. Da diese Bundesregierung, als eine solche der inneren Reformen angekündigt, mangels Geldes — vor allem infolge des Geldwertschwundes, den sie selbst verschuldet hat — nicht in der Lage ist, diese Reformen durchzuführen, pflegt sie am liebsten die Reformen zu machen, die nichts kosten, und das gilt für die meisten Reformen auf dem Gebiet der Justiz, die entweder überhaupt nichts oder allenfalls den Ländern etwas kosten.
Von diesen billigen Reformen, die man auf dem Gebiet der Justizpolitik mit Eile betreibt, ist die billigste die Reform der Titel. Denn es handelt sich um Äußerlichkeiten, auch um eine Augenwischerei darüber, daß eine wirkliche Justizreform bis zur Stunde nicht einmal in diesem Hause eingereicht ist. Billig aber ist diese Reform auch deshalb, weil ihr das fundamentum in re, das Fundament in der Sache, fehlt, wenn sie ohne eine Besoldungsreform vorgelegt wird. Was die Richter nötiger brauchen als eine Änderung der Titel, ist eine angemessene Bezahlung; die Besoldungsreform selbst wäre es, die als Folge eine Neubewertung und Neuformulierung der Titel möglich und vielleicht nötig machen würde. Ohne diese Besoldungsreform erscheint sie mir wirklich als eine Augenauswischerei.
Billig aber ist diese Reform auch deshalb, weil sie ziemlich primitiv, zumindest radikal und schematisch ist, indem sie vom Präsidenten des Bundesgerichtshofs bis zum Assessor den Titel „Richter" einheitlich festlegt, obwohl doch zwischen beiden ein recht erheblicher Unterschied, nicht nur der Jahre, besteht.
Was aber die Angelegenheit ganz, ich möchte sagen, volksfremd macht, das ist der Umstand, daß man sogar die schönen altdeutschen Bezeichnungen „Schöffe" und „Geschworener", die seit vielen Jahrhunderten in das Bewußtsein unseres Volkes eingegangen sind — die Ausübung richterlicher Tätigkeit ist für die Laien eine besondere Ehre —, abschaffen und durch die blasse Formulierung „Ehrenamtlicher Richter" ersetzen will.
Ich frage mich bei dieser Reform — wie bei anderen Reformen —, liegt denn eine Verbesserung der Justiz darin, wenn ich den Schöffen- und den Geschworenen- oder wenn ich den Präsidententitel abschaffe? Liegt vielleicht eine Beschleunigung des Verfahrens darin, die wir alle im Zivil- und noch mehr im Strafverfahren wünschen? Nichts davon! Es muß sich hier um etwas anderes handeln. Es handelt sich nach meiner Überzeugung um eine gesellschaftspolitische Maßnahme!
— Der Beifall aus den Kreisen der Sozialdemokratischen Partei bestärkt mich und sollte die Herren von der Freien Demokratischen Partei nachdenklich machen; aber es sind ja, glaube ich, nur zwei davon im Saale, so daß die anderen es leider nicht vernommen haben.
Meine Damen und Herren, es geht hier um eine Ideologisierung der Justizpolitik, die ich mit dem Begriff des Egalitätswahns umreißen möchte.
Man betreibt — wie der Beifall von der Linken soeben gezeigt hat — Gleichmacherei, die in ein sozialistisches Konzept paßt, von der ich mir aber nicht vorstellen kann, daß sie in ein liberales Konzept paßt, jedenfalls nicht in ein christilch-demokratisches Konzept. Wir haben hier ideologische Mißverständnisse der Justiz, die für diese höchst gefährlich werden können.
Meine Damen und Herren, bei der Einvernahme von Sachverständigen, die der Rechtsausschuß des Bundestages vorgenommen hat, hat auch der Präsident des Bundesgerichtshofes, Herr Dr. Fischer, gesprochen — ein Mann, der schließlich von einem sozialdemokratischen Justizminister dem Kabinett der Großen Koalition zur Ernennung vorgeschlagen wurde, also nicht im Verdacht steht, ein Mann der anderen — unserer — Seite zu sein. Herr Dr. Fischer hat seine Bedenken gegen diese Amtsbezeichnungen so stark formuliert, daß er gesagt hat, nach seiner Überzeugung handle es sich bei diesem Gesetzentwurf um ein Trojanisches Pferd, durch das man gesellschaftspolitische Ideen, die nicht zur Justiz passen, in diese hineinführen wolle.
Das Wort eines der höchsten deutschen Richter, des Präsidenten des traditionsreichsten deutschen obersten Gerichtes, sollte, glaube ich, hier beachtet werden.
Was mag noch alles dahinterstecken, meine Damen und Herren, was vielleicht in der amtlichen Begründung der Regierung keinen Ausdruck findet, um so weniger als die Koalition ja auf den verschiedensten Gebieten über die Regierungsvorlage weit hinausgegangen ist, sowohl bei den Titeln als auch bei der Präsidialverfassung? Nun, es steckt vielleicht dahinter, was Herr Wassermann einmal gesagt hat, ein Mann, der in den letzten Jahren die vielleicht schnellste Karriere in der deutschen Justiz gemacht hat; denn in vier Jahren eilte er vom Kammergerichtsrat — das ist also ein Oberlandesgerichtsrat — über den Ministerialrat im Bundesministerium der Justiz zum Landgerichtspräsidenten in Hessen und nunmehr gegen den Willen der Richterschaft zum Oberlandesgerichtspräsidenten in Niedersachsen, also sozusagen ein Schoßkind der Sozialdemokratischen Partei und ihrer Landesjustizminister! Herr Wassermann hat erklärt, die Justiz sei eine antiautoritäre Instanz. Meine Damen und Herren, das scheint mir doch ein grobes Mißverständnis zu sein; das könnte doch nur dann gelten, wenn Sie die Verwaltung, die Exekutive, allein als Autorität ansähen. Aber das paßt doch nicht in das Selbstverständnis
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eines demokratischen Staates, in dem schon der Bundestag und die Landtage sich mit Recht eine höhere Autorität zumessen, als sie der Verwaltung gegeben ist, und wo die Justiz als dritte Gewalt eben den dritten, nicht unwesentlichen Anteil an der Staatsgewalt und Staatsautorität hat.
Wenn ein Zivilrichter den Streit zweier Parteien schlichtet, was tut er anderes, als mit der Autorität des Staates im Privatrecht Recht zu setzen? Wenn der Strafrichter einen Angeklagten auf Jahre oder auf Lebenszeit ins Gefängnis schickt — meine Damen und Herren, das ist vielleicht der stärkste Ausdruck, den die Staatsautorität finden kann. Selbst wenn ein Verwaltungsgericht die Verfügung eines Landrates oder Oberbürgermeisters aufhebt, setzt es doch nur an die Stelle der Autorität der Verwaltung die höhere Stelle der Autorität der Justiz. Wenn ich gar an das Bundesverfassungsgericht denke, das ganze Gesetze aufheben kann, ja vielleicht das letzte Wort in so wichtigen Dingen wie der Frage der Ostverträge so oder so einmal sprechen wird — meine Damen und Herren, das ist doch nur mit der Teilhabe an der Autorität des Staates möglich!
Häufiger als diese Formulierung des Herrn Wassermann hören Sie im Lande die, der Beruf des Richters vertrage sich nicht mit einem hierarchischen Aufbau — der stehe nur der Verwaltung zu —; hierarchisch sei an der Justiz nichts. Meine Damen und Herren, auch hier handelt es sich um ein grobes Mißverständnis. In der Justiz sind die Gerichtsstufen klar übereinandergesetzt. Durch Berufung und Revision können Sie bei der höheren Instanz erreichen, daß das Urteil der unteren Instanz kassiert wird. Stärker kann doch der Gesichtspunkt eines hierarchischen Aufbaus nicht verwirklicht werden. Auch ein Regierungspräsident kann nicht mehr tun als die Verfügung eines Landrates aufzuheben, wie es hier ein Gericht gegenüber dem Urteil einer unteren Instanz tut. Ich glaube also, der Gerichtszug ist ausgesprochen hierarchisch und muß es sogar sein. Der hierarchische Aufbau der Justiz ist eine wesensnotwendige Ergänzung zur Unabhängigkeit der Richter. Wenn wir diesen Aufbau nicht haben, wenn die oberen Gerichte nicht für die Einheitlichkeit der Rechtsprechung sorgen können, indem sie die Urteile der unteren Instanzen aufheben oder wenigstens modifizieren, ist es mit der Einheit der Rechtsprechung vorbei. Dann haben wir das Rechtsprechungschaos; dann ist der Grundsatz der Rechtssicherheit, der neben dem Grundsatz der Gerechtigkeit der wichtigste Grundsatz der Justiz ist, nicht mehr gewährleistet.
Es ist aber auch im Falle der Richter so, daß nicht alle Ämter gleich sind, wie es in einem wirklichkeitsfremden Schlagwort heißt. Die Ämter sind vor allem nicht gleichartig. Der Vorsitzende hat in der Kammer und im Senat zwar mit seiner Stimme nur genausoviel Gewicht wie ein Beisitzer, aber es ist doch nicht das gleiche, ob jemand den Vorsitz führt oder nur dabeisitzt und einige Fragen stellt, bei der Urteilsfindung dann aber gleichberechtigt mitwirkt. Wenn Sie Berichte über die großen Prozesse vor großen Srafkammern und Schwurgerichten lesen, wird deutlich, wie die Persönlichkeit des Vor-
sitzenden die Verhandlungen in gutem und manchmal auch in weniger gutem Sinne prägt. Nicht zu Unrecht findet die Verhandlungsführung des Vorsitzenden eine besondere Beachtung in der Presse. Gerade daraus können Sie ersehen, was auch bei kleineren Prozessen vor kleineren Gremien gilt, nämlich daß das Amt des Vorsitzenden eben ein anderes Amt als das des Beisitzers ist.
Es ist schließlich auch ein Unterschied zwischen einem Richter der höheren Instanz und einem Richter der niederen Instanz zu machen. Sicher entscheidet der Bundesrichter genauso wie der Amtsrichter über das Schicksal von Menschen, aber seine Entscheidung ist schon wegen eines gewissen Präzedenzcharakters, vor allem aber auch deshalb, weil er in letzter Instanz entscheidet, bedeutsamer und hat eine größere Lebens- und Berufserfahrung und öfters auch eine höhere Qualifikation in der Begabung zur Voraussetzung. Meine Damen und Herren, deshalb sind die richterlichen Ämter nicht gleichartig und allenfalls bedingt gleichwertig. Die richterliche Aufgabe erfordert Differenzierung sowohl in Fachrichtung als auch in Verhandlungsführung und Instanzenzug. Die Qualifikation eines Richters aus Begabung, Studium, Lebens- und Berufserfahrung wirkt sich auch in der Ausübung seines Richteramtes aus. Deshalb, so meinen wir, muß auch in den Titeln zumindest zum Ausdruck kommen, daß es die zwei Hauptunterschiede zwischen Vorsitzenden und Beisitzern und zwischen den Gerichtsstufen gibt. In beiden Fällen sind die Funktionen unterschiedlich; das sollte sichtbar gemacht werden.
Die Funktion des Richters soll im Titel verdeutlicht werden. Meine Damen und Herren, selbst der Deutsche Richterbund, der an sich einmal ,den Anstoß zu einer gewissen maßvollen Reform gegeben hat, hat in seinem jüngsten Schreiben vom 22. November an den Vorsitzenden des Rechtsausschusses dargelegt, daß er sich gegen ,die Einebnung der Richtertitel ausspricht, wie sie die Koalition im Ausschuß über den Willen der Regierung hinaus beschlossen hat. Der Grund ist sicherlich nicht nur ein standespolitischer, sondern vor allem ein rechtspolitischer. Die Unklarheit des Titels bewirkt, daß in der Justiz das Gegenteil dessen eintritt, was diese Regierung immer gefordert hat, nämlich eine Transparenz, eine Durchschaubarkeit unseres Staats-und Gesellschaftswesens. Wenn ich aber nicht mehr weiß, ob der Richter ordnungsgemäß zum Vorsitzenden bestellt ist und welcher Instanz er eigentlich angehört, ist diese Durchschaubarkeit nicht da. Diese Durchschaubarkeit ist aber notwendig, weil die Begründung einer Revision davon abhängen kann. Es ist doch recht künstlich, wenn nach der Abschaffung der Richtertitel eigens eine Bestimmung in das Richtergesetz hineingeschrieben werden muß, daß im Geschäftsverteilungsplan die Kenntlichmachung der eigentlichen Bedeutung des Amtes eines Richters festgehalten werden muß, so daß man sich erst durch Nachsehen auf der Geschäftsstelle des Landgerichts oder Oberlandesgerichts davon überzeugen kann, ob das Gericht eigentlich ordnungsgemäß besetzt ist. Meine Damen und Herren, das ist für den Rechtsanwalt schon
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recht umständlich. Für den einfachen Mann aus dem Volke aber, der das gar nicht weiß und sich vielleicht gar nicht auf die Geschäftsstelle traut, macht es die Kontrolle über die ordnungsgemäße Besetzung des Gerichts praktisch unmöglich.
Ganz besonders unverständlich ist es aber, daß die Koalition so weit geht, daß sie sogar den Titel eines Präsidenten abschaffen und verfügen will, daß in Zukunft der Präsident eines Gerichtes nur als Richter anzusprechen ist und daß er, wenn er als Präsident handelt, als „Richter als Präsident" zu unterschreiben hat. Das ist eine ganz umständliche Formulierung. Der Präsident des Verfassungsgerichtshofs eines deutschen Landes — ein Mitglied Ihrer Partei, Herr Dr. Arndt! — hat mit Ihnen und mit mir darüber gesprochen, daß er überhaupt keinen Fall wüßte, wo er in dieser Weise zu unterschreiben hätte, daß er als Präsident eben den Präsidententitel führen oder ihn eben nicht führen kann, und daß er der Meinung ist, man sollte diese Bestimmung ändern. — Herr Dr. Arndt!