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    Deutscher Bundestag 156. Sitzung Bonn, Mittwoch, den 8. Dezember 1971 Inhalt: Erweiterung der Tagesordnung und Absetzung der Punkte 5, 9 und 10 von der Tagesordnung 8981 A Überweisung von Vorlagen der Bundesregierung an den Haushaltsausschuß 8981 B Wahl des Abg. Kater als ordentliches Mitglied sowie der Abg. Sieglerschmidt und Bartsch als stellvertretende Mitglieder des Kontrollausschusses beim Bundesausgleichsamt 8981 C Wahl des Abg. Dr. Schulz (Berlin) als stellvertretendes Mitglied der Beratenden Versammlung des Europarates 8981 D Amtliche Mitteilungen 8981 D Große Anfrage der Fraktion der CDU/CSU betr. mittelständische Wirtschaft (Drucksachen VI/2075, VI/2284) in Verbindung mit Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Einkommensteuergesetzes (Abg. von Bockelberg, Gewandt, Lampersbach, Dr. Burgbacher, Schulhoff, Leicht und Fraktion der CDU/CSU) (Drucksache VI/2620) — Erste Beratung — Gewandt (CDU/CSU) 8982 C Koenig (SPD) 8986 D Kienbaum (FDP) 8992 C Engelsberger (CDU/CSU) 8997 D Wurbs (FDP) 9001 A Wüster (SPD) 9004 D Lampersbach (CDU/CSU) 9007 B Grüner (FDP) 9009 D Scheu (SPD) 9012 A von Bockelberg (CDU/CSU) 9015 B Offergeld (FDP) 9016 B Frau Funcke (FDP) 9017 A Dr. Frerichs (CDU/CSU) 9018 C Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Reichsknappschaftsgesetzes und anderer Gesetze (Drucksache VI/2900) — Erste Beratung — 9019 A Fragestunde (Drucksachen VI/2914, VI/2890) Frage des Abg Dr. Meinecke (Hamburg) (SPD) : Anzahl der sich in den Kriegsgebieten von Pakistan und Indien befindlichen Bürger der Bundesrepublik Moersch, Parlamentarischer Staatssekretär 9019 B, C, D Dr. Meinecke (Hamburg) (SPD) . 9019 C, D II Deutscher Bundestag — 6. Wahlperiode — 156. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 8. Dezember 1971 Frage des Abg. Dr. Meinecke (Hamburg) (SPD) : Maßnahmen zur Evakuierung der Deutschen aus den Kriegsgebieten von Pakistan und Indien Moersch, Parlamentarischer Staatssekretär 9019 D, 9020 C, D, 9021 B Dr. Meinecke (Hamburg) (SPD) . 9020 C, D van Delden (CDU/CSU) 9021 A Fragen des Abg. von Thadden (CDU/CSU) : Arbeit der Rechtspfleger Dr. Bayerl, Parlamentarischer Staatssekretär 9021 C, 9022 A von Thadden (CDU/CSU) 9021 D, 9022 A Fragen des Abg. Hussing (CDU/CSU) : Höhe der Anwerbungspauschale nach § 21 des Arbeitsförderungsgesetzes Dr. Ehrenberg, Staatssekretär 9022 B, D, 9023 A Hussing (CDU/CSU) 9022 D, 9023 A Fragen des Abg. Bredl (SPD) : Sozialversicherungsrechtliche Bewertung von Schonzeiten im Anschluß an Kurmaßnahmen Dr. Ehrenberg, Staatssekretär 9023 B Fragen des Abg. Varelmann (CDU/CSU) : Entlohnung von Frauenarbeit Dr. Ehrenberg, Staatssekretär 9023 D, 9024 B, C, D, 9025 A, B Varelmann (CDU/CSU) 9024 B, C, D Dr. Nölling (SPD) 9025 A Dr. Sperling (SPD) 9025 B Frage des Abg. Härzschel (CDU/CSU) : Gewährung einer zusätzlichen Leistung an Kriegsopfer nach Rückzahlung des Krankenkassenbeitrages an die Rentner Dr. Ehrenberg, Staatssekretär 9025 B, C, D, 9026 A, B Härzschel (CDU/CSU) 9025 C, D Dr. Nölling (SPD) 9026 A Pieroth (CDU/CSU) 9026 B Frage des Abg. Pieroth (CDU/CSU) : Anerkennung der Berufsqualifikation der Aussiedler aus Polen Dr. Ehrenberg, Staatssekretär 9026 C, D, 9027 A Pieroth (CDU/CSU) 9026 D Dr. Jahn (Braunschweig) (CDU/CSU) 9027 A Frage des Abg. Schmidt (Würgendorf) (SPD) : Einrichtung eines Sonderausschusses für Territorialheere im Rahmen der Nordatlantischen Versammlung Berkhan, Parlamentarischer Staatssekretär 9027 B Schmidt (Würgendorf) (SPD) 9027 B Frage des Abg. Dr. Schneider (Nürnberg) (CDU/CSU) : Maßnahmen gegen Soldaten wegen Teilnahme in Uniform am Parteitag der DKP Berkhan, Parlamentarischer Staatssekretär 9027 C, D, 9028 A, B, C Dr. Schneider (Nürnberg) (CDU/CSU) 9027 D Dr. Sperling (SPD) 9028 A Dr. Jahn (Braunschweig) (CDU/CSU) 9028 B Dr. Weber (Köln) (SPD) 9028 B Fragen des Abg. Geisenhofer (CDU/CSU) : Verlegung der auf dem Fliegerhorst Uetersen stationierten Ausbildungsschule für Piloten der Luftwaffe Berkhan, Parlamentarischer Staatssekretär . 9028 D, 9029 A, B, C, 9030 A Geisenhofer (CDU/CSU) 9029 A Dr. Gleissner (CDU/CSU) 9029 B Dr. Sperling (SPD) 9029 C Dr. Probst (CDU/CSU) 9029 C Dr. Riedl (München) (CDU/CSU) 9029 D Fragen des Abg. Dr. Weber (Köln) (SPD) : Auswahl der Lehrer für griechische Kinder in der Bundesrepublik Dr. von Dohnanyi, Parlamentarischer Staatssekretär . . 9030 B, D, 9031 A, B Dr. Weber (Köln) (SPD) . 9030 D, 9031 A Dr. Sperling (SPD) 9031 A Frage des Abg. Dr. Gleissner (CDU/CSU) : Festsetzung der Grenze der Belastbarkeit durch Strahlenwirkung Dr. von Dohnanyi, Parlamentarischer Staatssekretär 9031 B, D, 9032 A Dr. Gleissner (CDU/CSU) . 9031 D, 9032 A Nächste Sitzung 9032 A Anlagen Anlage 1 Liste der beurlaubten Abgeordneten 9033 A Deutscher Bundestag — 6. Wahlperiode — 156. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 8. Dezember 1971 III Anlage 2 Schreiben des Präsidenten des Bundesrates vom 3. Dezember 1971 betr. das Gesetz zur Durchführung des langfristigen Wohnungsbauprogramms (Wohnungsbauänderungsgesetz 1971 — Wo- BauÄndG 1971) 9033 C Anlage 3 Schreiben des Präsidenten des Bundesrates vom 3. Dezember 1971 betr. das Gesetz über die Errichtung einer Stiftung „Hilfswerk für behinderte Kinder" 9034 A Anlage 4 Antrag Umdruck 244 zur Großen Anfrage der Fraktion der CDU/CSU betr. mittelständische Wirtschaft (Drucksachen VI/2075, VI/2284) 9034 C Anlage 5 Schriftliche Antwort auf die Mündlichen Fragen des Abg. Lenzer (CDU/CSU) betr. Wartezeiten bei Rentenanträgen wegen Anerkennung von Berufs- oder Erwerbsunfähigkeit und Zahl der Anträge auf Gewährung solcher Renten 9034 D Anlage 6 Schriftliche Antwort auf die Mündlichen Fragen des Abg. Dr. Enders (SPD) betr. Dauer der Entscheidung über Anträge auf Kriegsdienstverweigerung 9035 B Anlage 7 Schriftliche Antwort auf die Mündlichen Fragen des Abg. Hauser (Bad Godesberg) (CDU/CSU) betr. Ablegung der zweiten Staatsprüfung durch Bundeswehrstipendiaten der Fachrichtung Geodäsie 9035 C Anlage 8 Schriftliche Antwort auf die Mündlichen Fragen des Abg. Offergeld (SPD) betr. die von den Finanzämtern anzuwendenden Rahmensätze der Mittelpreise von Kantinenmahlzeiten 9036 A Anlage 9 Schriftliche Antwort auf die Schriftliche Frage des Abg. Wende (SPD) betr. Vereinbarung über das von der Rundfunkanstalt für die Übertragung des Europa- Pokal-Fußballspiels zu zahlende Sendehonorar 9036 C Deutscher Bundestag — 6. Wahlperiode — 156. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 8. Dezember 1971 8981 156. Sitzung Bonn, den 8. Dezember 1971 Stenographischer Bericht Beginn: 9.00 Uhr
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    Anlage 1 Liste der beurlaubten Abgeordneten Abgeordnete(r) beurlaubt bis einschließlich Adams * 10. 12. Amrehn 10. 12. Bals * 8. 12. Dr. Barzel 8. 12. Dr. Beermann 15. 1. 1972 Behrendt * 10. 12. Blank 18. 12. Blumenfeld ** 9. 12. Dr. Burgbacher 11. 12. Dasch 18. 12. Dr. Dittrich * 8. 12. Draeger *** 13. 12. Dr. Enders *** 8. 12. Faller * 12. 12. Fritsch ** 8. 12. Dr. Furler 10. 12. Gerlach (Emsland) * 8. 12. Dr. Giulini 10. 12. Dr. Gleissner 9. 12. Freiherr von und zu Guttenberg 18. 12. Haase (Kellinghusen) 10. 12. Hansen 10. 12. Frau Herklotz ** 8. 12. Dr. Hermesdorf (Schleiden) ** 10. 12. Horten 9. 12. Frau Jacobi (Marl) 18. 12. Kahn-Ackermann ** 10. 12. Dr. h. c. Kiesinger 8. 12. Dr. Kreile 8. 12. Kriedemann * 10. 12. Freiherr von Kühlmann-Stumm 8. 12. Dr. Dr. h c. Löhr * 17. 12. Looft 17. 12. Dr. Lenz (Bergstraße) 8. 12. Lücker (München) * 10. 12. Majonica 8. 12. Müller (Aachen-Land) * 10. 12. Ott 10. 12. Pöhler ** 9. 12. Rinderspacher ** 8. 12. Dr. h. c. Schmücker ** 8. 12. Schoettle 17. 12. Schwabe * 8. 12. Spilker 8. 12. Wehner 10. 12. Wiefel 10. 12. Baron von Wrangel 10. 12. Dr. Zimmermann 8. 12. * Für die Teilnahme an Ausschußsitzungen des Europäischen Parlaments ** Für die Teilnahme an Ausschußsitzungen der Beratenden Versammlung des Europarates *** Für die Teilnahme an Sitzungen der Versammlung der Westeuropäischen Union Anlagen zum Stenographischen Bericht Anlage 2 Der Präsident des Bundesrates Bonn, 3. Dezember 1971 An den Herrn Bundeskanzler Bonn Der Bundesrat hat in seiner 374. Sitzung am 3. Dezember 1971 beschlossen, dem vom Deutschen Bundestag am 11. November 1971 verabschiedeten Gesetz zur Durchführung des langfristigen Wohnungsbauprogramms (Wohnungsbauänderungsgesetz 1971 - WoBauÄndG 1971) gemäß Artikel 84 Abs. 1 des Grundgesetzes zuzustimmen. Der Bundesrat hat ferner die aus der Anlage ersichtlichen Entschließungen gefaßt. Heiz Kühn An den Herrn Präsidenten ides Deutschen Bundestages Bonn Vorstehende Abschrift wird auf Ihr Schreiben vom 12. November 1971 mit der Bitte um Kenntnisnahme übersandt. Heinz Kühn Entschließungen zum Gesetz zur Durchführung des langfristigen Wohnungsbauprogramms (Wohnungsbauänderungsgesetz 1971 - WoBauÄndG 1971) 1. Die Bundesregierung wird gebeten, im Zusammenhang mit der in Aussicht gestellten weiteren Novellierung des Zweiten Wohnungsbaugesetzes und des Wohnungsbindungsgesetzes 1965 zu prüfen, inwieweit die bestehenden Regelungen für die vorzeitige Rückzahlung der für die Eigentumsbildung gewährten öffentlichen Mittel zur Erleichterung der Mobilität der Eigentümer und zur Verhinderung von Mißbräuchen umgestaltet werden können. 2. Der Bundesminister für Städtebau und Wohnungswesen wird aufgefordert, von der ihm in § 18 a Abs. 3 des Wohnungsbindungsgesetzes 1965 erteilten Ermächtigung, weitere Förderungsjahrgänge in die Zinsanhebung einzubeziehen, Gebrauch zu machen. Die Voraussetzungen für eine entsprechende Verordnung sind gegeben. Die daraus aufkommenden Mittel werden dringend zur Fortführung des sozialen Wohnungsbaues benötigt. Die Mieten von Wohnungen der neu einzubeziehenden Förderungsjahrgänge werden trotz der Zinsanhebung noch 9034 Deutscher Bundestag — 6. Wahlperiode — 156. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 8. Dezember 1971 erheblich unter den Mieten für Wohnungen der Förderungsjahrgänge seit 1969 liegen. Damit werden die durch Artikel I Nr. 12 und Artikel III § 1 Nrn. 1 und 2 Wohnungsbauänderungsgesetz 1971 verfolgten Ziele nicht beeinträchtigt. Anlage 3 Der Präsident des Bundesrates Bonn, den 3. Dezember 1971 An den Herrn Bundeskanzler Bonn Der Bundesrat hat in seiner 374. Sitzung am 3. Dezember 1971 beschlossen, dem vom Deutschen Bundestag am 4. November 1971 verabschiedeten Gesetz über die Errichtung einer Stiftung „Hilfswerk für behinderte Kinder" gemäß Artikel 105 Abs. 3 des Grundgesetzes zuzustimmen. Der Bundesrat hat außerdem die aus der Anlage ersichtliche Entschließung gefaßt. Heinz Kühn Bonn, den 3. Dezember 1971 An den Herrn Präsidenten des Deutschen Bundestages Bonn Vorstehende Abschrift wird auf Ihr Schreiben vom 6. November 1971 mit der Bitte um Kenntnisnahme übersandt. Heinz Kühn Anlage Entschließung zum Gesetz über die Errichtung einer Stiftung „Hilfswerk für behinderte Kinder" Der Bundesrat hält eine Beteiligung der Länder an den Aufgaben der Stiftung, insbesondere an der institutionellen Förderung (Teil III), im Hinblick auf die Planungsfunktion der Länder und ihre bisherige erhebliche unmittelbare und mittelbare finanzielle Förderung von Einrichtungen und Vorhaben der in Teil III genannten Art für erforderlich. Der Bundesrat bittet daher die Bundesregierung, dafür Sorge zu tragen, daß die Länder in angemessenem Umfang und geeigneter Weise bei der Genehmigung der Richtlinien für die Verwendung der Mittel (§ 7 Abs. 7) und insbesondere des Vergabeplanes (§ 27) beteiligt werden. Anlage 4 Umdruck 244 Antrag der Abgeordneten Junghans, Koenig, Graaff, Kater, Mertes, Scheu, Wüster, Wurbs und der Fraktion der SPD, FDP zur Beratung der Großen Anfrage der Fraktion der CDU/CSU betr. mittelständische Wirtschaft Drucksache VI/2075, VI/2284 —. Der Bundestag wolle beschließen: Die Bundesregierung wird aufgefordert, entsprechend § 6 Abs. 3 und § 13 Abs. 1 des Stabilitätsgesetzes ein ,den Eventualhaushalt für das Haushaltsjahr 1972 ergänzendes ERP-Investitionsprogramm bis zu 1 Milliarde DM vorzubereiten. Im Rahmen dieses ERP-Investitionsprogramms sollen — entsprechend ,der Zielsetzung des Strukturprogramms der Bundesregierung für kleine und mittlere Unternehmen (Drucksache VI/ 1666) vornehmlich kleine und mittlere Unternehmen bei ihren Investitionen zur grundlegenden Rationalisierung, Umstrukturierung und Innovation, außerdem wirtschaftsschwache Regionen sowie gemeindliche Infrastrukturinvestitionen gefördert werden. Bonn, den 7. Dezember 1971 Junghans Koenig Kater Scheu Wüster Wehner und Fraktion Graaff Mertes Wurbs Mischnick und Fraktion Anlage 5 Schriftliche Antwort des Staatssekretärs Dr. Ehrenberg vom 8. Dezember 1971 auf die Mündlichen Fragen des Abgeordneten Jenser (CDU/CSU) (Drucksache VI/2890 Fragen A 67 und 68) : Wie beurteilt die Bundesregierung die Tatsache, daß Arbeitnehmer, die einen Rentenantrag wegen Anerkennung von Berufs- oder Erwerbsunfähigkeit stellen, häufig lange Wartezeiten hinnehmen müssen, bis ihre Anträge rechtskräftig entschieden sind, und was gedenkt die Bundesregierung dagegen zu unternehmen? Wieviel Anträge auf Gewährung von Renten aus den genannten Gründen wurden in den letzten Jahren bei den Landesversicherungsanstalten gestellt, wieviel abgelehnt und in wieviel Fällen wurde der Rechtsweg vor den Sozialgerichten beschritten? Der Bundesregierung ist bekannt, daß Versicherte, die einen Antrag auf Rente wegen Berufsunfähigkeit oder Erwerbsunfähigkeit stellen, in Einzelfällen längere Wartezeiten bis zur rechtskräftigen Entscheidung über ihre Anträge hinnehmen müssen. Sie ist jedoch bemüht, durch Maßnahmen sowohl im organisatorisch-verwaltungsmäßigen als auch im gesetzgeberischen Bereich diese Wartezeiten soweit wie möglich abzukürzen. Deutscher Bundestag — 6. Wahlperiode — 156. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 8. Dezember 1971 9035 Soweit die Verzögerung der Rentenzahlung auf die zeitraubende Feststellung der Anspruchsvoraussetzungen aufgrund der Versicherungsunterlagen zurückzuführen ist, beabsichtigt unser Haus, dem durch die Einführung eines integrierten Datenerfassungssystems in der Sozialversicherung und durch eine bestmögliche Ausnutzung von elektronischen Datenverarbeitungsanlagen zu begegnen. Die Vorarbeiten auf diesem Gebiet sind schon weit fortgeschritten. Darüber hinaus strebt die Bundesregierung eine Abkürzung solcher Wartezeiten durch eine Beschleunigung der Sozialgerichtsverfahren an. Dieses Ziel verfolgt der Gesetzentwurf zur Änderung des Sozialgerichtsgesetzes, der dem Hohen Hause bereits vorliegt. Verhältnismäßig enge Grenzen ist hingegen einer Abhilfe der im medizinischen Bereich begründeten Schwierigkeiten gesetzt. Wenn zur Beurteilung der Erwerbsfähigkeit eines Versicherten mehrere ärztliche Gutachten erforderlich sind, werden sich Wartezeiten wohl auch in Zukunft nicht vermeiden lassen können. Das liegt z. B. daran, daß — wie Sie wissen — besonders für Spezialfragen geeignete ärztliche Gutachter nur in begrenzter Anzahl zur Verfügung stehen, zusätzliche schwer zu gewinnen und die vorhandenen überlastet sind. Gerade auch um diese Schwierigkeit wenigstens für die letzten Jahrgänge vor Erreichen der Altersgrenze zu beseitigen, hat die Bundesregierung in ihrem Gesetzentwurf zur Reform der gesetzlichen Rentenversicherung die Einführung einer flexiblen Altersgrenze vorgeschlagen. Zu Ihrer zweiten Frage möchte ich bemerken: Derartige Zahlen sind uns nur für die Gesamtheit aller Rentenanträge, also insbesondere einschließlich derjenigen auf Altersruhegeld, bekannt, nicht jedoch getrennt nach den einzelnen Rentenarten. Sie lassen sich erst auf Grund einer Umfrage bei den Rentenversicherungsträgern feststellen. Daher kann ich Ihnen die gewünschten Angaben heute noch nicht machen. Ich bin jedoch gern bereit, dies schriftlich nachzuholen. Anlage 6 Schriftliche Antwort des Parlamentarischen Staatssekretärs Berkhan vom 8. Dezember 1971 auf die Mündlichen Fragen des Abgeordneten Dr. Enders (SPD) (Drucksache VI/2890 Fragen A 73 und 74) : Trifft es zu, daß Prüfungsausschüsse bei Kreiswehrersatzämtern teilweise zehn Monate und länger benötigen, um über Anträge auf Kriegsdienstverweigerung entscheiden zu können? Welche Maßnahmen sind vorgesehen, damit Kriegsdienstverweigerer noch vor der Einberufung zur Bundeswehr die Entscheidung über ihren Antrag auf Kriegsdienstverweigerung erhalten? Es trifft zu, daß Prüfungsausschüsse bei den Kreiswehrersatzämtern zum Teil längere Zeit benötigen, um über Anträge auf Kriegsdienstverweigerung entscheiden zu können. Die Bundesregierung ist jedoch bemüht, seit dem Ansteigen der Anträge auf Kriegsdienstverweigerung die Zahl der Prüfungsgremien entsprechend dem vermehrten Arbeitsanfall zu erhöhen. Trotzdem läßt sich aber nicht erreichen, daß alle Antragsteller noch vor der Einberufung zur Bundeswehr beschieden werden können, schon deshalb nicht, weil viele Anträge erst kurz vor dem Einberufungstermin gestellt werden. Dieser Situation wird aber dadurch Rechnung getragen, daß das Kreiswehrersatzamt die Einberufung bis zur Entscheidung des Prüfungsausschusses aussetzen kann, wenn der Kriegsdienstverweigerungsantrag begründet erscheint. Die rechtliche Handhabe hierzu bietet § 20 Abs. 6 der Musterungsverordnung. Anlage 7 Schriftliche Antwort des Parlamentarischen Staatssekretärs Berkhan vom 8. Dezember 1971 auf die Mündlichen Fragen des Abgeordneten Hauser (Bad Godesberg) (CDU/CSU) (Drucksache VI/2890 Fragen A 76 und 77) : Wie beurteilt die Bundesregierung den Umstand, daß den Stipendiaten der Bundeswehr der Fachrichtung Humanmedizin die Medizinalassistentenzeit auf die Gesamtverpflichtungszeit angerechnet wird, und daß sie erst nach der Approbation zum Dienst in den Streitkräften einberufen werden, während die Stipendiaten der Fachrichtung Geodäsie unmittelbar nach der Diplomhauptprüfung den Dienst antreten müssen und damit die Möglichkeit verlieren, die zweite Staatsprüfung abzulegen? Ist die Bundesregierung bereit, den Bundeswehrstipendiaten der Fachrichtung Geodäsie die Möglichkeit der Ablegung der zweiten Staatsprüfung nach der Diplomhauptprüfung einzuräumen und im übrigen die Offiziere ins militärgeographischen Dienst hinsichtlich der Besoldungsgruppe und der Zulage den Sanitätsoffizieren gleichzustellen? Die Stipendiaten der Fachrichtung Geodäsie werden nicht schlechter behandelt als alle anderen Stipendiaten der Bundeswehr auch, und wir kennen davon insgesamt 22 Fachrichtungen. Um nur einige zu nennen: Maschinenbau, Elektrotechnik, Physik, Pilotologie, Betriebswirtschaft, Volkswirtschaft usw. Alle Absolventen dieser Fachrichtungen werden nur bis zum ersten Staatsexamen gefördert und müssen den Dienst in der Truppe antreten. Sie werden dann nach A 11 besoldet. Die bis dahin erworbenen Kenntnisse reichen auch für die Erfordernisse im Dienst in der Truppe aus. Bei den Ärzten ist das allerdings anders. Nach dem Staatsexamen muß der Mediziner erst ein Jahr Medizinalassistentenzeit durchlaufen, bevor er als Arzt tätig werden darf. Diese Tatsache begründet auch die Einstellungsbesoldung nach A 13 und die Anrechnung der Medizinalassistentenzeit auf die Gesamtverpflichtung. Die den Ärzten gezahlte Erschwerniszulage hat einmal den Sinn, Bewerbern einen gewissen Anreiz zu bieten, um den bestehenden erheblichen und auch kritischen Mangel an Ärzten zu beheben, zum anderen um den infolge gerade dieses Mangels dauernd überlasteten Ärzten der Bundeswehr einen gewissen finanziellen Ausgleich zu geben. Es wird jedoch zur Zeit geprüft, wie die Laufbahnvorschriften für die Offiziere mit wissenschaftlicher Vorbildung insgesamt verbessert werden können. 9036 Deutscher Bundestag — 6. Wahlperiode — 156. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 8. Dezember 1971 Anlage 8 Schriftliche Antwort des Parlamentarischen Staatssekretärs Hermsdorf vom 2. Dezember 1971 auf die Mündlichen Fragen des Abgeordneten Offergeld (SPD) (Drucksache VI/2861 Fragen A 28 und 29) : Von welchen Mittelpreisen des Verbrauchsorts sind die Finanzämter der Landeshauptstädte im ersten Halbjahr 1971 bei Anwendung des Abschnitts 15 Abs. 1 der Lohnsteuer-Richtlinien ausgegangen? Ist die Bundesregierung — unabhängig von der Überprüfung des Problems im Rahmen der Steuerreform — bereit, den Bundesländern im Interesse der Gleichmäßigkeit der Besteuerung zu empfehlen, den Finanzämtern alljährlich für die wichtigsten Städte die Rahmensätze der Mittelpreise von Kantinenmahlzeiten mitzuteilen? Kantinenmahlzeiten, die vom Arbeitgeber unentgeltlich oder verbilligt verabreicht werden, stellen steuerpflichtige Sachbezüge dar. Sie sind für die Berechnung der Lohnsteuer mit dem ortsüblichen Mittelpreis, d. h. mit dem Betrag zu bewerten, den der Arbeitnehmer an seinem Arbeitsort aufwenden müßte, wenn er sich die Mahlzeit in üblicher Form, z. B. in einer Gaststätte auf eigene Kosten verschaffen würde. Die Feststellung des Mittelpreises ist nicht Sache der Finanzverwaltung, sondern Sache des Arbeitgebers, der bei der Wertbemessung sowohl die Art und Güte der Mahlzeit, als auch die örtlichen Preisverhältnisse berücksichtigen muß. Dabei wird es aber nicht beanstandet, wenn das einzelne Unternehmen den Wert nicht täglich ermittelt, sondern einen betrieblichen Durchschnittspreis ansetzt. Von dem hiernach ermittelten Betrag bleiben 1,50 DM je Arbeitnehmer und Arbeitstag steuerfrei, der Mehrbetrag gehört zum steuerpflichtigen Arbeitslohn. Einheitliche Mittelpreise für bestimmte Verbrauchsorte, z. B. für die Landeshauptstädte gibt es hiernach nicht; die Mittelpreise sind vielmehr von Betrieb zu Betrieb verschieden. Die Bundesregierung hätte auch Bedenken, den Finanzministern der Länder die Festsetzung von einheitlichen Mittelpreisen zu empfehlen. Durch eine solche Maßnahme würden tatsächliche wertmäßige Unterschiede, die sich innerhalb der einzelnen Betriebe unvermeidbar ergeben, steuerlich nicht berücksichtigt. Für die Festsetzung von einheitlichen Mittelpreisen besteht auch kein praktisches Bedürfnis. Um den Arbeitgebern die Wertermittlung zu ersparen, ist bereits im Jahre 1970 aus Vereinfachungsgründen zugelassen worden, daß für eine Kantinenmahlzeit an Stelle des ortsüblichen Mittelpreises der amtliche Sachbezugswert, der für die Gewährung freier Kost bei einer Aufnahme des Arbeitnehmers in die Haus- und Verpflegungsgemeinschaft maßgebend ist, angesetzt werden darf. Da diese amtlichen Sachbezugswerte besonders niedrig sind, darf nach der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs von ihnen der eben erwähnte Freibetrag von 1,50 DM zur Vermeidung ungerechtfertigter Steuervorteile nicht mehr abgezogen werden. Hiernach hat der Arbeitgeber ein Wahlrecht, ob er die von ihm gewährten Mahlzeiten mit dem selbst zu ermittelnden ortsüblichen Mittelpreis unter Berücksichtigung des Freibetrags von 1,50 DM oder mit dem amtlichen Sachbezug ohne Kürzung um die 1,50 DM bewerten will. Anlage 9 Schriftliche Antwort des Parlamentarischen Staatssekretärs Hermsdorf vom 2. Dezember 1971 auf die Schriftliche Frage des Abgeordneten Wende (SPD) (Drucksache VI/2861 Frage B 25) : Hält es die Bundesregierung für rechtlich zulässig, daß eine öffentlich-rechtliche Rundfunkanstalt ein Europa-Pokal-Fußballspiel nur unter der Bedingung zu übertragen bereit ist, daß die Umsatzsteuer für das Sendehonorar von einem der beiden an dem zu übertragenden Spiel beteiligten Vereine getragen wird, und was gedenkt die Bundesregierung gegebenenfalls zu tun, um ein derartiges Verhalten künftig auszuschließen? Beim Abschluß der Vereinbarung über das von der Rundfunkanstalt für die Übertragung des Europa- Pokal-Fußballspiels zu zahlende Sendehonorar mußten sich die Beteiligten darüber einigen, ob in dem Honarar die Umsatzsteuer bereits enthalten ist (sog. Bruttohonorar) oder ob es sich hierbei um einen Nettobetrag zuzüglich Umsatzsteuer handelt. In dieser Frage scheint zwischen der Rundfunkanstalt und dem veranstaltenden Verein eine Einigung nicht erzielt worden zu sein. Während der Verein in seinen Vorstellungen offensichtlich von einem Nettohonorar ausging, zu dem ihm die Rundfunkanstalt noch den darauf entfallenden Umsatzsteuerbetrag zu zahlen hat, war die Rundfunkanstalt offenbar der Meinung, daß das Sendehonorar die Umsatzsteuer bereits einschließt. Beide Arten der Honorarvereinbarung sind zulässig. Eine andere Frage ist, wie die Angelegenheit beurteilt werden muß, wenn sich hinterher zwischen den Beteiligten Meinungsverschiedenheiten darüber ergeben, ob der vereinbarte Betrag als ein Nettooder Bruttohonorar anzusehen ist. Hierzu vermag ich nicht Stellung zu nehmen, da es sich bei diesem Problem ausschließlich um eine Frage der Vertragsauslegung handelt, für deren Entscheidung ggf. die Zivilgerichte zuständig sind. Ergänzend möchte ich noch bemerken, daß nach der föderativen Struktur der Bundesrepublik Deutschland für die in Frage kommenden Rundfunk- bzw. Fernsehanstalten die Länder zuständig sind. Diese haben den Landesrundfunkanstalten und dem Zweiten Deutschen Fernsehen durch Gesetz bzw. Staatsvertrag weitestgehende Selbstverwaltungsbefugnisse eingeräumt und sich nur eine beschränkte Rechtsaufsicht vorbehalten. Die Bundesregierung sieht sich daher auf Grund dieser Zuständigkeitsregelung nicht in der Lage, in der aufgeworfenen Frage unmittelbar tätig zu werden.
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    Rede von Matthias Engelsberger


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (CDU/CSU)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CSU)

    Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Die Bundesregierung hat in ihrer Antwort auf die Große Anfrage der CDU/CSU — und der Sprecher der SPD hat sich dem angeschlossen — ein so rosiges Bild vom deutschen Mittelstand gemalt, daß man glauben könnte, daß in dieser wichtigen Wirtschaftsgruppe alles zum Besten stünde, man könnte sogar meinen, unter dieser Bundesregierung wäre für den Mittelstand ein goldenes Zeitalter angebrochen. Der Sprecher der FDP hat sich hierzu sehr viel differenzierter ausgedrückt, und aus unserem Beifall war zu erkennen, daß er mit der Antwort der Bundesregierung nicht in allem einverstanden war und daß er insbesondere die Zukunftsaussichten für den deutschen Mittelstand wesentlich skeptischer beurteilt.
    Der deutsche Mittelstand ist nicht nur durch die gesellschafts- und wirtschaftspolitische Entwicklung in der Bundesrepublik verunsichert. Nicht nur die hohen Preissteigerungen, die Kostenexplosion in den Betrieben und eine mögliche bevorstehende Stagflation haben den Mittelstand verunsichert. Es sind vor allen Dingen Wurzeln, die tiefer liegen, die den Mittelstand zu dieser Skepsis veranlassen.
    8998 Deutscher Bundestag — 6. Wahlperiode — 156. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 8. Dezember 1971
    Engelsberger
    Stimmen aus einer bestimmten Ecke der Regierungsparteien, die die Umwandlung unserer bewährten und leistungsfähigen sozialen Marktwirtschaft in eine sozialistische Gemeinwirtschaft fordern, müssen den Leistungswillen der mittelständischen Unternehmer beeinträchtigen, auch wenn die Bundesregierung in ihrer Antwort zur Großen Anfrage ein Bekenntnis zu unserer marktwirtschaftlichen Ordnung ablegt. In der Antwort auf die Frage II. C.1 heißt es unter anderem—ich zitiere —:
    Die Bundesregierung hält es aus wirtschafts- und gesellschaftspolitischen Gründen für notwendig, daß unsere Volkswirtschaft eine ausgewogene Struktur von Groß-, Mittel- und Kleinbetrieben aufweist. Sie ist der Auffassung, daß die Fortentwicklung unserer freiheitlichen Wirtschaftsordnung u. a. dadurch sicherzustellen ist, daß der Zugang zu den Märkten für eine große Zahl von Selbständigen offengehalten wird. Voraussetzung hierfür ist, daß die Wettbewerbsfähigkeit der kleinen und mittleren Unternehmen erhalten bleibt.
    In der Einleitung zur Antwort auf die Große Anfrage wird das Bekenntnis der Bundesregierung zur marktwirtschaftlichen Ordnung als eine unabdingbare Voraussetzung für eine funktionierende mittelständische Wirtschaft wiederholt.
    Diese Aussagen sind zu begrüßen. Wir müssen aber die Frage stellen, ob dieses Bekenntnis der Bundesregierung zu unserer freiheitlichen Wirtschaftsordnung nicht bloß ein Lippenbekenntnis darstellt und die Möglichkeit eines Widerrufs beinhaltet. So hat der Sonderparteitag der SPD den deutschen Mittelstand insgesamt aufhorchen lassen.

    (Sehr richtig! bei der CDU/CSU.)

    Was eine Mehrheit der Delegierten an Forderungen und Zielen hinsichtlich der Steuerreform zum Ausdruck gebracht hat, muß den Eindruck verstärken, daß unsere marktwirtschaftliche Ordnung in Gefahr ist, wenn diese Ziele durchgesetzt werden könnten, nämlich dann, wenn dieser Partei 1973 ein Wahlsieg beschieden sein sollte.

    (Sehr richtig! bei der CDU/CSU.)

    Nur mit einer dünnen Mehrheit und unter Hinweis darauf, daß es doch gelte, an die Bundestagswahl 1973 zu denken, konnten Parteitagsbeschlüsse verhindert werden, die durch noch exorbitantere Steuererhöhungen der Funktionsfähigkeit unserer Marktwirtschaft ein schnelles Ende bescheren würden.
    Nach den sogenannten Eckwertbeschlüssen der Bundesregierung wird die Ertragsteuer auf 56 % erhöht. Der Parteitag der SPD hat 60 % beschlossen, wodurch in Verbindung mit erhöhter Vermögenbesteuerung, steigender Gewerbesteuer und einer Anhebung der Einheitswerte eine Gesamtbelastung des erwirtschafteten Gewinns — in der Spitze — von zwischen 80 und 85 % erreicht werden würde. Würde dann den größeren Unternehmen noch eine nicht abzugsfähige Vermögensbildungsabgabe in Höhe von 10 % des steuerpflichtigen Gewinns aufgebürdet, so würde sich die Gesamtbelastung des
    Gewinns auf etwa 90 % belaufen. Wenn das Unternehmen die Abgabe in Geld leistet — und das würde für die mittelständischen Kapitalgesellschaften typisch sein —, müßte man mit einer Gesamtsteuerlast in dieser Größenordnung rechnen. Besonders deutlich wird dabei der rasche prozentuale Anstieg der Gesamtsteuerlast bei rückläufiger Ertragsentwicklung, was auf den konstanten Anteil der nicht gewinnabhängigen Steuern zurückzuführen ist. Es wäre dann mit einer Mehrbelastung gegenüber dem jetzigen Steuersatz in der Größenordnung von 20 bis 25 % zu rechnen.
    Dazu kann man feststellen, daß in all diesen Vorhaben eine eminente Widersprüchlichkeit steckt. Einerseits bemüht sich der Bundeskanzler immer wieder darum, der Bevölkerung und insbesondere den Gewerkschaften Zusicherungen hinsichtlich der Vollbeschäftigung zu geben, ferner propagiert man Vermögensbildung in Arbeitnehmerhand unter besonderer Berücksichtigung der Beteiligung an Produktivvermögen, und andererseits ist man dabei, die Wirtschaft in einen ertraglosen Zustand zu versetzen. Allen anderen Absichtserklärungen zum Trotz wird weiterhin eine inflationäre öffentliche Ausgabenpolitik betrieben und über die weiter laufende Steigerung der Preise und Lebenshaltungskosten dem vorher so geförderten Sparer der größte Teil seines Vermögenszuwachses wieder abgenommen.
    Noch im vergangenen Jahr hieß es im Jahreswirtschaftsbericht der Bundesregierung:
    In der Bundesrepublik hat sich die Marktwirtschaft als grundlegendes wirtschaftspolitisches Ordnungssystem bewährt. Die Bundesregierung wird deshalb im Jahre 1970 die mit dem Stabilitäts- und Wachstumsgesetz und seiner Anwendung sowie der Modernisierung der Strukturpolitik eingeleitete Reform und Modernisierung der Wirtschaftspolitik durch Maßnahmen zur Stärkung der marktwirtschaftlichen Ordnung fortsetzen.
    Heute ist es für den Mittelstand alarmierend, daß solchen Feststellungen kaum mehr Glauben geschenkt werden kann. Im Gegenteil, es scheint alles getan zu werden, damit die Fundamente der Marktwirtschaft und damit letzten Endes auch die Voraussetzungen für die Steigerung des allgemeinen Wohlstandes unterminiert sowie dem Mittelstand wirtschaftlich und finanziell die Entwicklungsmöglichkeiten beschnitten werden und dann noch zusätzlich die unternehmerische Bewegungsfreiheit durch eine bürokratisch-formalistische Gesetzgebung zur Mitbestimmung über das zulässige und vernünftige Maß hinaus eingeschränkt wird.
    Wenn dann die Marktwirtschaft, die in der Effizienz nicht einfach durch Demokratisierung zu ersetzen ist, nicht mehr funktionieren kann, so wird der Grund nicht in einer verfehlten Politik gesucht, sondern man wird lautstark verkünden, daß die soziale Marktwirtschaft ein untaugliches System ist, das durch ein sozialistisches ersetzt werden muß.

    (Abg. Stücklen: Die Jusos!)

    Deutscher Bundestag — 6. Wahlperiode — 156. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 8. Dezember 1971 8999
    Engelsberger
    So schreibt ein bekannter Kolumnist in einer der Bundesregierung nahestehenden Illustrierten am 28. November 1971 — ich darf mit Genehmigung des Herrn Präsidenten zitieren —:
    Ich fürchte, die Krise
    — gemeint ist die augenblickliche Wirtschaftskrise —
    liegt im System. Es ist eine Krise der Marktwirtschaft, die sich wieder einmal überall ankündigt. Die Marktwirtschaft ist eben doch nicht der Stein der Weisen.

    (Abg. Stücklen: Wer hat das gesagt?)

    — Das hat Sebastian Haffner im „stern" geschrieben.

    (Abg. Stücklen: Ja, das habe ich mir schon gedacht!)

    Er kommt zu der Schlußfolgerung — meine Damen und Herren, passen Sie auf —:
    Mir scheint, die gegenwärtigen Krisensignale bedeuten, daß es Zeit wird für weniger Marktwirtschaft und mehr Gemeinwirtschaft.

    (Hört! Hört! bei der CDU/CSU.)

    Je schneller wir das begreifen, um so kürzer
    und schmerzloser wird der Übergang sein.
    Über eine solche Gesinnung braucht man sich nicht zu wundern, wenn man bedenkt, daß bestimmte Massenmedien und politische Gruppen in der Bundesrepublik in immer stärkerem Maße die Gewinne verteufeln, die aus selbständiger Arbeit erzielt werden und die nun einmal für das Funktionieren unserer Marktwirtschaft notwendig sind. Die Unternehmer in Klein-, Mittel- oder Großbetrieben werden pauschal als skrupellose, in Saus und Braus lebende Ausbeuter dargestellt, die nur das eine Ziel hätten, sich auf Kosten anderer Bürger zu bereichern.

    (Abg. Stücklen: Das ist Klassenkampf!)

    Das Streben nach neuen Marktchancen, nach Umsatz und Gewinn ist jedoch eine der wichtigsten Triebkräfte der unternehmerischen Wirtschaft. Wer daran Anstoß nimmt, hat entscheidende wirtschaftliche Zusammenhänge entweder nicht begriffen oder er zielt bewußt auf die Zerstörung unserer freiheitlichen Wirtschaftsordnung ab.

    (Beifall bei der CDU/CSU.)

    Man mag das Gewinnstreben, den Motor unseres Wirtschaftssystems, als wenig ideal ansehen — es gewährleistet aber die größte Effektivität und bringt den größten Nutzen für alle.

    (Abg. Stücklen: Sehr richtig!)

    Wenn versucht wird, durch eine übermäßige Besteuerung des Gewinns den Anreiz zu nehmen und die von den Gewinnen abhängige Investitionsneigung zu beschränken, hat das verhängnisvolle Folgen. Die gelähmte Investitionstätigkeit und das rückläufige Wachstum schmälern dann unsere Wettbewerbsfähigkeit auf den Weltmärkten. Ein funktionierender Export ist für den Ausgleich unserer Zahlungsbilanz jedoch unabdingbar. Wenn die Investitionen sinken, läßt das Wirtschaftswachstum nach, und das wiederum führt zu einem Rückgang der Beschäftigung, zu Arbeitslosigkeit. Es bedeutet gleichzeitig, daß die Quellen, aus denen Reformen — ich erinnere nur an die Vermögensbildung in Arbeitnehmerhand und anderes mehr — bezahlt werden sollen, immer mehr austrocknen.
    Es könnte nun der Einwand kommen, Investitionen könnten ja auch aus Krediten finanziert werden. Meine Damen und Herren, wer aber wäre bereit, in Betriebe, die auf die Dauer keinen Gewinn machen, seine Ersparnisse zu investieren? Das würden diejenigen, die heute die Gewinne so verteufeln am allerwenigsten tun.

    (Beifall bei der CDU/CSU.)

    Wie die Dinge hier wirklich liegen, machte dieser Tage der ehemalige Staatssekretär Dr. Arndt, der vorhin hier anwesend war — ich sehe ihn jetzt nicht mehr —, deutlich. Er führte aus, daß sich die Gewinnlage der deutschen Unternehmen in nächster Zeit erheblich verbessern müsse, eben weil sie so schlecht sei.

    (Abg. Stücklen: Unsere Meinung!)

    Das heiße natürlich auch, daß die Lohnquote nicht weiterhin in dem Ausmaß der letzten zwei oder drei Jahre wachsen könne.
    Demgegenüber führt die Bundesregierung in ihrer Antwort auf unsere Große Anfrage — Herr Gewandt hat das ja bereits gesagt — aus:
    Bei starker Gewinnkompression können die Unternehmen gezwungen werden, auf Reserven zurückzugreifen . . .
    Ich glaube, das ist purer Hohn.
    Im vorletzten Monatsbericht der Deutschen Bundesbank wird festgestellt, daß die Gewinne, genauer gesagt: das Einkommen der Privaten aus Unternehmertätigkeit und Vermögen im ersten Halbjahr 1971 trotz kräftiger Preis- und Umsatzsteigerungen nur um nominal 2 % höher sind als in der gleichen Zeit des Vorjahres. Professor Kloten hat gestern ein Bild gezeichnet, aus dem sich ergibt, daß die Unternehmergewinne in diesem Jahr insgesamt rückläufig sein werden, wenn das zweite Halbjahr mit eingerechnet wird. Das ist ein Beweis dafür, daß die augenblicklichen Kostensteigerungen nicht den Unternehmern anzulasten sind, sondern andere Ursachen haben. Im ersten Halbjahr 1971, stiegen nämlich die Lohn- und Gehaltsaufwendungen um rund 15 %, obwohl sich das Sozialprodukt nur um 3 bis 4 % erhöht hat. Diese Zahlen zeigen, wo die Ursachen der Preissteigerungen in Wirklichkeit liegen.
    In Schweden — und schwedische Verhältnisse sind ja das erstrebenswerte Vorbild der deutschen Sozialdemokraten, meine Damen und Herren — glaubte man die Unternehmer immer kräftiger zur Ader lassen zu können. Das Ergebnis war vorauszusehen. Die stark überhöhten Kosten, Steuern und Sozialaufwendungen zwingen immer mehr Unternehmen, weil sie nicht mehr wettbewerbsfähig sind, ihre Produktion einzuschränken, teilweise sogar den Be-
    9000 Deutscher Bundestag — 6. Wahlperiode — 156. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 8. Dezember 1971
    Engelsberger
    trieb stillzulegen. Arbeitslosigkeit und Preise steigen in alarmierendem Ausmaß. Selbst bisher relativ gut verdienende Arbeitnehmer müssen staatliche Sozialbeihilfe in Anspruch nehmen, und die Regierung sieht sich zu einem kostspieligen Arbeitsbeschaffungsprogramm und zur Subventionierung von Unternehmen gezwungen, damit nicht noch mehr Arbeitsplätze verlorengehen.

    (Abg. Stücklen: Dahin führt der Sozialismus!)

    Dahin führt diese Politik.
    In dieser Situation hat der schwedische Gewerkschaftsbund einen bemerkenswerten Sinneswandel vollzogen. Auch mir war das völlig neu. Auf dem großen Landeskongreß, der vor kurzem in Stockholm stattfand, wurde die sich auf private Unternehmen gründende liberale Wirtschaftsordnung einhellig befürwortet. Alle „plötzlichen und durchgreifenden Veränderungen des Wirtschaftssystems", die Sozialisierung von Unternehmen und die Mitbestimmung wurden mit großer Mehrheit abgelehnt — im Gegensatz zu unseren Verhältnissen hier in der Bundesrepublik.

    (Hört! Hört! bei der CDU/CSU. — Abg. Dr. Schneider [Nürnberg] : Häufiger nach Schweden fahren!)

    Ebenso erging es allen Anträgen, die eine weitere Beschneidung der Gewinne und deren Überführung an die Arbeitnehmer verlangten.

    (V o r sitz : Vizepräsident Dr. Jaeger)

    Schweden aber hat einen Spitzensteuersatz von 53 % und nicht von 56 oder 60 %, wie er bei uns jetzt in der Bundesrepublik gefordert wird.

    (Hört! Hört! bei der CDU/CSU.)

    Sprecher der gewerkschaftlichen Spitzenorganisationen erklärten vielmehr, es müsse sich lohnen, eine industrielle Tätigkeit zu betreiben. Der Unternehmergewinn könne nicht fehlen sonst würden keine weiteren Investitionen vorgenommen. Gerade hohe Gewinne seien meist ein Indiz dafür, daß die betreffenden Unternehmen besonders gut und rationell geführt würden, was auch im Interesse der Arbeitnehmer liege.

    (Sehr richtig! bei der CDU/CSU.)

    Muß es auch in der Bundesrepublik zu einer ähnlichen Wirtschaftsentwicklung kommen wie in Schweden, wo die Zahl der registrierten Arbeitslosen inzwischen auf etwa 115 000 gestiegen ist und rund 40 000 Arbeitnehmer im Rahmen des Arbeitsbeschaffungsprogramms der Regierung zu einem nicht geringen Teil sich mit einer berufsfremden Beschäftigung zufriedengeben müssen? Muß es so weit kommen, bevor sich sachbezogene Erkenntnisse über Unternehmer und Gewinne bei uns durchsetzen?
    Ich sehe die rote Lampe aufleuchten. Herr Präsident, ich habe 20 Minuten angemeldet und bitte, um ein paar Minuten überziehen zu dürfen.

    (Zuruf von der SPD: Verkürzen Sie es bitte!)



Rede von Dr. Richard Jaeger
  • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (CSU)
  • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CSU)
Herr Abgeordneter, Sie haben 20 Minuten angemeldet; es stehen Ihnen noch vier Minuten zu, Wie ich sehe, war das hier falsch eingestellt.

(Abg. Stücklen: Die Uhr dort funktioniert nicht immer!)


  • insert_commentNächste Rede als Kontext
    Rede von Matthias Engelsberger


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (CDU/CSU)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CSU)

    Wenn man schon einer gerechten Besteuerung auch in den unteren und mittleren Bereichen das Wort redet, um einen als ungerecht empfundenen Vermögenseffekt zu mildern, muß man — das fordern wir — steuerlich zwischen den dem privaten Verbrauch dienenden — „entnommenen" — und den dem Risiko der Wirtschaft ausgesetzten „nicht entnommenen" Gewinnen unterscheiden.
    Mit einer stärkeren Eigenkapitalbildung für kleinere und mittlere Unternehmen würde sich vor allem der Anteil der Fremdfinanzierung verbessern. Neue Wege der Finanzierung von Investitionen müssen gesucht und beschritten werden, etwa über die Förderung von Kapitalbeteiligungsgesellschaften. Die bisherige Entwicklung auf diesem Gebiet ist völlig unzureichend, wenn man bedenkt, daß 1970 ein Beteiligungsvolumen von etwas über 13 Millionen DM für die gesamte Wirtschaft und eine Obergrenze im Beteiligungsfall von 300 000 DM festgelegt worden sind.
    Hier besteht ein Widerspruch zwischen der Erkenntnis von notwendig größeren Betriebseinheiten mittelständischer Unternehmen einerseits und den Maßstäben ihrer Förderung andererseits. Diese Förderung ist auf Betriebsgrößen abgestellt, deren Existenzmöglichkeit man in gewissen Bereichen in Frage stellt. Aber gerade hier liegt eine der größten Gefahren für mittlere Unternehmen mit relativ hohem Kapitalbedarf, die Gefahr nämlich, daß sich der Schrumpfungsprozeß bei mittleren Unternehmen bis zu einem Punkte fortsetzt, wo die Folgen für unser Wirtschaftssystem nicht ausbleiben können.
    Die Wirtschafts- und Gesellschaftspolitik hat noch eine andere Komponente, die für ihre Weiterentwicklung entscheidend ist. Das ist die psychologische Einstellung zum wirtschaftlichen Trend. So wie der Sparer als notwendige Voraussetzung für seinen Konsumverzicht Vertrauen in die Stabilität der Währung haben muß, so muß der mittelständische Unternehmer von einer gesunden Weiterentwicklung unserer Wirtschaft — frei von zweifelhaften Experimenten — überzeugt sein.

    (Sehr wahr! bei der CDU/CSU.)

    Ohne den risikobereiten Unternehmertyp funktioniert unser auf Leistung begründetes freiheitliches System nicht. Der Kollege Koenig hat ja dem Herrn Gewandt vorgeworfen, wir hätten nicht auf die Frage geantwortet, ob sich heute das Risiko für
    den mittelständischen und den kleinen Unternehmer noch lohnen würde. Unsere Antwort ist, daß eine freie soziale Marktwirtschaft, in der Leistung, Wettbewerb und Eigentum die Grundlagen sind,
    Deutscher Bundestag — 6. Wahlperiode — 156. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 8. Dezember 1971 9001
    Engelsberger
    die beste Gewähr für den Einsatz in mittelständischen Bereichen der Zukunft ist.

    (Beifall bei der CDU/CSU.)

    Gerade um der sozialen Gerechtigkeit in unserem Lande willen — es soll allen möglichst gut gehen —
    muß die Bundesregierung entschiedener und glaubhafter deutlich machen, daß wir uns von Ideologien und Utopisten unsere wirtschaftliche Leistungsfähigkeit nicht beeinträchtigen lassen wollen. Sonst erreichen wir die soziale Gerechtigkeit in der Form, daß es uns allen gleich schlecht geht.

    (Beifall bei der CDU/CSU.)